Mehrbedarf wegen Kostenaufwändiger Ernährung; Laktoseintoleranz
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger in den Bewilligungsabschnitten vom 01.02.2011 bis zum 31.07.2011, vom
01.02.2012 bis zum 31.07.2012 sowie vom 01.08.2012 bis zum 31.01.2013 Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hat. Insbesondere ist streitig, ob ein Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen kostenaufwendiger Ernährung aufgrund einer Laktoseintoleranz
des Klägers besteht.
Der am .1979 geborene Kläger bewohnte in den streitgegenständlichen Zeiträumen eine Einzimmerwohnung mit einer Wohnfläche
von rund 27 qm in der Mainzer Straße 8 in 67657 Kaiserslautern, für die eine Kaltmiete in Höhe von 200,00 Euro sowie eine
Vorauszahlung für Heizung und übrige Betriebskosten in Höhe von 50,00 Euro monatlich zu zahlen war. Die Warmwasserbereitung
erfolgte in der Wohnung des Klägers nicht über die Heizung, sondern über Strom.
Der Kläger bezog nach seinem Umzug von Saarbrücken nach Kaiserslautern Anfang 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach den SGB II zunächst von der Rechtsvorgängerin des Beklagten, der ARGE Stadt Kaiserslautern. Auf seinen Weiterbewilligungsantrag vom
28.12.2010, in dem er die Notwendigkeit weiterer kostenaufwendigeren Ernährung aus medizinischen Gründen noch verneinte, bewilligte
ihm der Beklagte mit Bescheid vom 04.01.2011 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 13.01.2011 für die Zeit vom 01.02.2011
bis zum 31.07.2011 monatliche Leistungen in Höhe von 609,00 Euro (Regelbedarf in Höhe von 359,00 Euro zuzüglich Kosten für
Unterkunft und Heizung - KdU - in Höhe von 250,00 Euro). Den Widerspruch des Klägers, den dieser mit der Verfassungswidrigkeit
der Höhe der Regelsätze begründete, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.02.2011 als unbegründet zurück (Widerspruchsakte
W 73/11). Die Klage hiergegen vom 10.02.2011 wurde beim Sozialgericht (SG) Speyer unter dem Az. S 14 AS 272/11 erfasst.
Mit Schreiben vom 21.03.2011, welches einen Tag später bei dem Beklagen einging, teilte der Kläger mit, dass er unter einer
Laktoseintoleranz leide und deswegen einen Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwendiger Ernährung stelle.
Mit Bescheid vom 05.04.2011 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, dass bei der Erkrankung des Klägers
davon ausgegangen werde, dass der im Regelbedarf enthaltene Anteil für Ernährung den notwendigen Aufwand für laktosefreie
Kost decke.
Bereits mit Änderungsbescheid vom 26.03.2011 hatte der Beklagte für die Zeit vom 01.02.2011 bis zum 31.07.2011 die rückwirkende
Erhöhung der Regelbedarfe ab dem 01.01.2011 auf 364,00 Euro monatlich umgesetzt; im Bewilligungsabschnitt Februar bis Juli
2011 wurden nunmehr Leistungen in Höhe von 614,00 Euro monatlich gewährt. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 21.04.2011 wurde
im Übrigen ein Mehrbedarf für Warmwasser in Höhe von 8,00 Euro monatlich bewilligt; die monatlichen Leistungen erhöhten sich
damit auf 622,00 Euro monatlich im Zeitraum Februar bis Juli 2011.
Der Kläger legte am 10.04.2011 Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.04.2011 ein. Ihm sei vom Arzt bescheinigt worden, dass
eine Umstellung auf laktosefreie Ernährung erforderlich sei. Zudem habe ihm dieser zu einer Ernährungsberatung überwiesen.
Laktosefreie Lebensmittel seien teurer. Manche seien nur im Reformhaus erhältlich. Dem Schreiben beigefügt war eine ärztliche
Bescheinigung der Dres. N und R , Internisten und Gastroenterologen, vom 21.03.2011, welche eine Laktoseintoleranz und die
Notwendigkeit einer Umstellung auf laktosefreie Ernährung bestätigten. Beigefügt war weiterhin eine Ernährungsempfehlung bei
Milchzuckerunverträglichkeit. Am 13.04.2011 ging ergänzend noch ein Widerspruch des früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers
ein.
Der Beklagte holte eine sozialmedizinische Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit (BA), Dr. Sch
, Chirurg, Unfallchirurg und Sozialmediziner vom 11.05.2011 ein, der ausführte, dass nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins
zur Gewährung von Krankenkostzulagen vom 01.10.2008 ein krankheitsbedingter erhöhter Ernährungsaufwand nicht gegeben sei,
da davon auszugehen sei, dass der Regelsatz den notwendigen Aufwand für eine "ausgewogene Vollkost" decke.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2011 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er
aus, gemäß § 21 Abs. 5 SGB II erhielten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwendigen Ernährung bedürften, einen
Mehrbedarf in angemessener Höhe. Voraussetzung sei das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen einer Erkrankung und der
Notwendigkeit einer kostenaufwendigen Ernährung. Hinsichtlich der Kosten ließen sich der Regelung des § 21 Abs. 5 SGB II keine entsprechenden Vorgaben entnehmen, weshalb nach der gesetzlichen Begründung eine Orientierung vor allem an den Empfehlungen
des Deutschen Vereins zu erfolgen habe. Er sei als Sozialleistungsträger im Regelfall an diese Empfehlungen gebunden. Diese
Einschätzung sei auch durch das amtsärztliche Gutachten des Dr. Sch vom 11.05.2011 bestätigt worden, in dem ausgeführt worden
sei, dass im Einzelfall des Widerspruchsführers ein Mehrbedarf wegen kostenaufwendiger Ernährung aufgrund der Laktoseintoleranz
nicht erforderlich sei. Eine Ernährungstherapie bestehe hier aus der Reduzierung bzw. Vermeidung des Verzehrs von Milch und
Milchprodukten und sei daher auch nicht mit einem gesonderten Kostenaufwand verbunden. Im Übrigen sei die Behauptung, nur
im Reformhaus sei laktosefreie Kost zu erwerben, unzutreffend. Speziell laktosefreie Produkte seien zu einem angemessenen
Preis-Leistungsverhältnis auch in Discountern zu erhalten. Auf der Positivliste der eingereichten Ernährungsempfehlungen bei
Laktoseintoleranz stünden überwiegend Nahrungsmittel, welche auch im preiswerten Lebensmittelhandel zu erwerben seien.
Der Kläger hat am 26.05.2011 Klage zum Sozialgericht (SG) Speyer erhoben (Az. S 14 AS 855/11).
Mit Bescheid vom 30.12.2011 hat der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.02.2012 bis 31.07.2012 Leistungen in Höhe von
523,22 Euro (Regelbedarf in Höhe von 273,22 Euro sowie unverändert KdU in Höhe von 250,00 Euro) bewilligt. Insofern hat der
Beklagte Erwerbseinkommen in Höhe von 109,38 Euro (Nettoeinkommen in Höhe von 236,73 Euro abzüglich Freibetrag in Höhe von
127,35 Euro) im Hinblick auf eine vom Kläger zwischenzeitlich aufgenommene Nebenbeschäftigung angerechnet.
Der Kläger hatte am 03.12.2011 einen Aushilfsvertrag über Regalpflegetätigkeiten mit der Firma T GmbH abgeschlossen. Nachdem
die Firma T zunächst für Januar 2012 eine Einkommensbescheinigung über ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 368,35 Euro (Bruttoentgelt
in Höhe von 414,49 Euro) ausgestellt hatte, hat sie die Januarabrechnung mit Einkommensbescheinigung vom 13.03.2012 dahingehend
korrigiert, dass zusätzlich 63,08 Euro brutto bzw. 43,83 Euro netto wegen Lohnfortzahlung zu zahlen seien. Der Betrag von
43,83 Euro ist erst im März 2012 auf das Konto des Klägers eingegangen. Für Februar 2012 hat die Firma T mit einer weiteren
Einkommensbescheinigung vom 13.03.2012 ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 363,71 Euro bei einem Bruttoarbeitsentgelt von
407,80 Euro bescheinigt. Das Entgelt ist im Folgemonat, also ebenfalls im März 2012, zugegangen. Außerdem hat der Kläger im
Februar eine zweite Tätigkeit als Regalauffüller aufgenommen, welche er jedoch nur einmalig am 14.02.2012 ausgeübt hat. Aus
dieser Tätigkeit verdiente er 39,00 Euro netto gleich brutto (Korrekturabrechnung 02/2012 des Arbeitsgebers C Die Dienstleister
vom 15.03.2012). Auch dieser Betrag floss dem Kläger im März 2012 zu.
Im März 2012 hat der Kläger 880,27 Euro brutto bzw. 659,16 Euro netto (Einkommensbescheinigung vom 18.04.2012 der T ), im
April 2012 759,70 Euro brutto bzw. 608,21 Euro netto (Einkommensbescheinigung vom 11.05.2012 der T ) und im Mai 2012 849,86
Euro brutto bzw. 675,84 Euro netto verdient (vgl. Lohn-/Gehaltsabrechnung der T ). Mit dem Monat Mai 2012 hat die Tätigkeit
für die T geendet. Das Gehalt für März und April ist jeweils im Folgemonat ausgezahlt worden. Aus der Lohnabrechnung für Mai
2012 wurde im Juni 2012 lediglich ein Betrag in Höhe von 500,00 Euro am 15.06.2012 ausgezahlt. Der Restbetrag in Höhe von
175,84 Euro ging dem Kläger erst im Juli 2012 zu.
Den Bewilligungsabschnitt vom 01.02. bis zum 31.07.2012 betreffend hat der Kläger Fahrtkosten wie folgt gehabt: Eine Monatskarte
zu 170,00 Euro jeweils für den Zeitraum vom 02.01.2012 bis 01.02.2012 und vom 02.02.2012 bis 01.03.2012, eine Wochenkarte
ab dem 29.02.2012 zu 58,00 Euro sowie eine Einzelfahrkarte am 12.03.2012 zu 1,90 Euro, eine Monatsfahrkarte vom 17.04. bis
zum 16.05.2012 zu 170,00 Euro, drei 24-Stunden-Tickets zu 14,70 Euro am 12.04., 13.04. und 16.04. 2012, ein Einzelfahrschein
zu 1,90 Euro am 14.04.2012 sowie eine weitere Monatskarte vom 12.03.2012 bis zum 11.04.2012 zu 170,00 Euro sowie einen weiteren
Einzelfahrschein am 19.05.2012 zu 1,90 Euro.
Der Kläger hat gegen den Bescheid vom 30.12.2011 u.a. im Hinblick auf den Mehrbedarf wegen kostenaufwendiger Ernährung Widerspruch
eingelegt, der mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2012 als unbegründet zurückgewiesen worden ist. Hiergegen hat der Kläger
am 25.01.2012 Klage zum SG Speyer erhoben (Az.: S 14 AS 119/12).
Nachdem der Kläger den Arbeitsvertrag mit der T GmbH vorgelegt hatte, hat der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 25.01.2012
die für Februar 2012 bewilligten Leistungen auf 369,27 Euro (162,60 Euro Regelbedarf und 206,67 Euro KdU) sowie die für die
Zeit vom 01.03.2012 bis zum 31.07.2012 bewilligten Leistungen auf 412,60 Euro (Regelbedarf in Höhe von 162,60 Euro sowie KdU
nunmehr wieder in Höhe von 250,00 Euro) gesenkt. Als Erwerbseinkommen ist ein Betrag in Höhe von 220,00 Euro angerechnet worden.
Im Februar 2012 hat der Beklagte im Übrigen von den KdU ein Guthaben in Höhe von 43,33 Euro abgezogen, welches sich aus einer
Nebenkostenabrechnung des Vermieters vom 08.08.2011 ergeben hatte. Insofern hatte der Kläger in einem Telefongespräch vom
30.12.2011 erklärt, dieser Betrag solle von seinen Leistungen für Februar 2012 einbehalten werden.
Gegen den Änderungsbescheid vom 25.01.2012 hat der Kläger ebenfalls Widerspruch eingelegt, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 19.04.2012 als unbegründet zurückgewiesen hat. Das hiergegen erhobene Klageverfahren wurde beim SG Speyer unter dem Aktenzeichen
S 14 AS 773/12 erfasst.
Nachdem der Kläger die Aufnahme der zweiten Tätigkeit des Regalauffüllers mitgeteilt hatte, hat der Beklagte die für die Zeit
vom 01.03.2012 bis zum 31.07.2012 bewilligten Leistungen dahingehend abgeändert, dass lediglich noch KdU in Höhe von 228,60
Euro bewilligt wurden (Änderungsbescheid vom 14.02.2012). Der Beklagte hat insofern ab März 2012 ein zusätzliches fiktives
Einkommen in Höhe von 230,00 Euro angerechnet. Insgesamt ist nunmehr Einkommen in Höhe von 404,00 Euro monatlich berücksichtigt
worden.
Nach Eingang der ersten Einkommensbescheinigung für Januar 2012 vom 13.02.2012 sowie der Mitteilung, dass die zweite Tätigkeit
lediglich im Februar ausgeübt worden ist, hat der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 21.02.2012 für den Monat Februar 2012
Leistungen in Höhe von 499,15 Euro bewilligt (Regelbedarf in Höhe von 292,48 Euro bei unveränderten KdU). Einkommen ist in
diesem Monat in Höhe von 90,12 Euro angerechnet worden. Für März 2012 sind Leistungen in Höhe von 380,60 Euro bewilligt worden
(Regelbedarf in Höhe von 130,60 Euro bei KdU in Höhe von 250,00 Euro) und für die übrigen Monate in Höhe von jeweils 412,60
Euro (Regelbedarf in Höhe von 162,60 Euro und KdU in Höhe von 250,00 Euro).
Nachdem die korrigierte Einkommensbescheinigung für Januar vom 13.03.2012 sowie die Einkommensbescheinigung für Februar 2012
vorlagen, hat der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 19.03.2012 (Blatt 309 der VA Band II) für März 2012 Leistungen in Höhe
von 513,78 Euro (Regelbedarf inklusive Mehrbedarf in Höhe von 263,78 Euro und KdU in Höhe von 250,00 Euro), für April 2012
in Höhe von 332,60 Euro (Regelbedarf inklusive Mehrbedarf in Höhe von 280,60 Euro bei unveränderten KdU) und für die Monate
Mai bis Juli 2012 in Höhe von 412,60 Euro (Regelbedarf inklusive Mehrbedarf in Höhe von 162,60 Euro bei unveränderten KdU)
bewilligt.
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 02.04.2012 hat der Beklagte die Bewilligung von Leistung für März 2012 auf 543,27 Euro
erhöht (Regelbedarf inklusive Mehrbedarf in Höhe von 293,27 Euro) sowie für April 2012 auf 447,93 Euro (Regelbedarf inklusive
Mehrbedarf in Höhe von 197,93 Euro bei KdU in Höhe von jeweils 250,00 Euro). Mit Änderungsbescheid vom 23.04.2012 hat der
Beklagte dem Kläger für Mai 2012 377,93 Euro (127,93 Euro Regelbedarf inklusive Mehrbedarf sowie KdU in Höhe von 250,00 Euro)
nunmehr vorläufig im Sinne von § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. §
328 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) bewilligt. Mit Änderungsbescheid vom 25.05.2012 hat der Beklagte schließlich für die Zeit vom 01.05.2012 bis zum 31.07.2012
die Leistungen wie folgt bewilligt: Für Mai in Höhe von 373,56 Euro ausgehend von einem Regelbedarf inklusive Mehrbedarf in
Höhe von123,56 Euro, für Juni 2012 in Höhe von 382,60 Euro ausgehend von einem Regelbedarf inklusive Mehrbedarf in Höhe von
132,60 Euro und für Juli 2012 in Höhe von 632,60 Euro bei einem Regelbedarf inklusive Mehrbedarf in Höhe von 382,60 Euro und
jeweils KdU in Höhe von 250,00 Euro.
Mit Änderungsbescheid vom 26.06.2012 hat der Beklagte die für Juni 2012 bewilligten Leistungen nunmehr mit Kosten für Unterkunft
und Heizung in Höhe von 206,73 Euro festgesetzt. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass zur Wahrung der Übersichtlichkeit
das Einkommen aus Mai 2012 komplett im Juni 2012 angerechnet worden sei. Im Juli 2012 finde somit keine Einkommensanrechnung
statt. Für den Kläger entstünden hierdurch keine Nachteile, da auf eine Rückforderung des überzahlten Betrages verzichtet
werde.
Den Widerspruch des Klägers gegen den Änderungsbescheid vom 25.05.2012 (W 514/12) wies der Beklagte nach Erlass des Änderungsbescheides vom 26.06.2012 mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2012 als unbegründet
zurück. Den ebenfalls erhobenen Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 26.06.2012 (W 612/12) verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2012 als unzulässig im Hinblick auf das bereits anhängige Widerspruchsverfahren
W 514/12.
Bereits am 22.06.2012 hatte der Kläger die Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II einschließlich eines Mehrbedarfs für kostenaufwendigere Ernährung beantragt. Gleichzeitig hat er Fahrtkosten wie folgt geltend
gemacht: Jeweils ein Ticket 24 zu 5,50 Euro am 22. und 25.05.2012, zwei Einzelfahrscheine zu 1,90 Euro am 26.05.2012 sowie
ein 24-Stunden-Ticket am 31.05.2012 zu 14,70 Euro.
Am 24.07.2012 hat der Kläger mitgeteilt, dass er einen neuen Aushilfsjob bei der Agentur A habe. Er werde bis zu fünf Stunden
in der Woche arbeiten und der Lohn fließe im Folgemonat zu. Am 20.07.2012 sei der erste Arbeitstag gewesen. Er bitte, ab dem
Monat September Einkommen in Höhe von 950,00 Euro im Voraus anzurechnen. Mit einem weiteren Schreiben vom 10.08.2012 hat er
mitgeteilt, dass er voraussichtlich lediglich 120 Euro anrechenbares Einkommen haben werde und eine Bescheinigung der Agentur
A vorgelegt, welche eine Nebentätigkeit als Regalservicekraft im Markt G K ab dem 16.07.2012 bescheinigte bei einer wöchentlichen
Arbeitszeit von vier Stunden und einem Stundenlohn von 6,00 Euro.
Mit Bescheid vom 26.06.2012 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 30.07.2012 hat der Beklagte dem Kläger für den Monat
August 2012 Leistungen in Höhe von 632,60 Euro (382,60 Euro Regelbedarf und Mehrbedarf für zuzüglich KdU in Höhe von 250,00
Euro) sowie ab dem 01.09.2012 bis zum 31.01.2013 Leistungen in Höhe von 592,60 Euro bewilligt, wobei er nunmehr ein monatliches
Einkommen in Höhe von 40,00 Euro anrechnete.
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 15.08.2012 sind nunmehr Leistungen für die Zeit vom 01.09.2012 bis zum 31.01.2013 in Höhe
von 616,60 Euro monatlich bewilligt worden. Es ist nunmehr nur noch Erwerbseinkommen in Höhe von 16,00 Euro monatlich angerechnet
worden.
Für den Monat Juli hat der Kläger einen Betrag in Höhe von 30,00 Euro ausgezahlt bekommen, welcher noch im August auf sein
Konto überwiesen wurde.
Im August 2012 hat der Kläger 99,00 Euro verdient, die im September 2012 auf sein Konto eingingen. Mit Änderungsbescheid vom
11.09.2012 hat der Beklagte dem Kläger daraufhin auch für September 2012 Leistungen in Höhe von 632,60 Euro ohne Anrechnung
von Einkommen bewilligt.
Im September 2012 hat sich das Einkommen des Klägers auf 168,00 Euro, im Oktober auf 148,50 Euro, im November 2012 auf 147,00
Euro und im Dezember 2012 auf 193,50 Euro belaufen. Das Einkommen ist jeweils im Folgemonat zugeflossen.
Mit Änderungsbescheid vom 23.10.2012 hat der Beklagte dem Kläger für den Monat November 2012 589,00 Euro und für die Monate
Dezember 2012 und Januar 2013 jeweils 584,60 Euro bewilligte. Mit Änderungsbescheid vom 24.09.2012 ist für Oktober 2012 ein
Betrag in Höhe von 578,20 Euro bewilligt worden unter Anrechnung eines fiktiven Einkommens in Höhe von 168,00 Euro. Mit einem
Änderungsbescheid vom 08.11.2012 sind die Beträge für Dezember 2012 und Januar 2013 unverändert bei 584,60 Euro geblieben.
Es ist lediglich eine andere Tilgung eines von dem Kläger aufgenommenen Darlehens festgehalten worden.
Mit Änderungsbescheid vom 13.11.2012 hat der Beklagte nach Eingang der Lohnabrechnung für Oktober 2012 dem Kläger für November
2012 Leistungen in Höhe von 593,80 Euro, für Dezember 2012 in Höhe von 592,60 Euro und für Januar 2013 in Höhe für 584,60
Euro bewilligt. Nach Eingang auch der Lohnabrechnung für November 2012 hat er mit Änderungsbescheid vom 10.01.2013 für den
Monat Dezember 2012 Leistungen in Höhe von 595,00 Euro und nach Eingang der Lohnabrechnung für Oktober 2012 mit Änderungsbescheid
vom 21.01.2013 für Januar 2013 Leistungen in Höhe von 565,99 Euro bewilligte. Es errechne sich aufgrund der höheren Lohnzahlung
eine Überzahlung in Höhe von 26,80 Euro. Dieser werde gemäß dem mit dem Kläger geführten Telefonat vom 17.01.2013 einmalig
im Februar 2013 von seinen Leistungen einbehalten.
Gegen den Bescheid des Beklagten vom 26.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2012 (W 613/12) hat der Kläger am 12.09.2012 Klage zum SG Speyer erhoben, welche dort unter dem Aktenzeichen S 14 AS 1461/12 erfasst worden ist.
Mit Beschluss vom 28.05.2013 hat das SG die Verfahren S 14 AS 855/11, S 14 AS 119/12, S 14 AS 773/12 sowie S 14 AS 1461/12 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem führenden Aktenzeichen S 14 AS 855/11 verbunden. Am gleichen Tag schlossen die Beteiligten in dem Klageverfahren S 14 AS 272/11 einen Vergleich dahingehend, dass der Beklagte sich für den Fall, dass nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)
die Regelsätze rückwirkend angehoben werden müssen, verpflichtet, den Kläger hinsichtlich der Regelsätze rückwirkend entsprechend
den Vorgaben des BVerfG neu zu bescheiden; im Übrigen haben die Beteiligten das Verfahren für erledigt erklärt.
Nach einer Klagerücknahme "im Klageverfahren S 14 AS 773/12" hat das SG das ursprüngliche Klageverfahren S 14 AS 773/12 wieder abgetrennt und neu unter dem Aktenzeichen S 14 AS 971/13 erfasst.
Das SG hat Befundberichte des Facharztes für Innere und Allgemeinmedizin Dr. F vom 29.09.2011 und der Dres. R und N , Ärzte für
Innere Medizin, Gastroenterologie, Nephrologie, vom 06.10.2011 eingeholt. Der Kläger selbst hat ergänzend ein Attest des Dr.
F vom 02.09.2011 vorgelegt. Aus diesem sowie aus dem beigezogenen Befundbericht ergibt sich, dass am 11.03.2011 erstmals in
der Praxis des Dr. F eine Laktoseintoleranz diagnostiziert und noch am gleichen Tag dem Kläger ein entsprechender Diätplan
überreicht worden ist. Die erforderliche Kostform - so der Arzt - bestehe in einer Vermeidung von Laktose in der Nahrung und
fettreduzierte Ernährung sowie Alkoholkarenz wegen einer ebenso bestehenden Hepatopathie.
Das SG hat ein Gutachten der Dipl. Oecotrophologin Frau U A vom 24.01.2012 eingeholt. Diese hat unter der Annahme, dass monatlich
15 Liter Milch, zwei Becher Margarine sowie ein Becher Sahne konsumiert würden, einen monatlichen Mehrkostenaufwand von 4,07
Euro errechnet. Zur Deckung des Kalziumbedarfs eines Erwachsenen von 800 mg täglich wären 15 Liter Milch (500 ml täglich)
sowie 20 g Hartkäse, der keine Mehrkosten verursache, ausreichend.
Nach Vorlage der Entscheidungsgründe des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14.02.2013 (B 14 AS 48/12 R) hat das SG ein weiteres Gutachten bei der Diätassistentin und Diabetesberaterin Frau B P vom 05.01.2014 eingeholt. Die Sachverständige
hat ausgeführt, dass bei dem Kläger nach Aktenlage eine primäre Hypolactasie vorliege, welche eine laktosearme, jedoch keine
laktosefreie Ernährung bedinge. Bei dem bei dem Kläger durchgeführten Test der Atemluft habe sich ein mäßiger Anstieg des
Wasserstoffanteils gezeigt. Bei ausgeprägter Laktoseintoleranz mit geringer Restaktivität komme es im Rahmen dieses Tests
zu deutlich höheren Anstiegen der Wasserstoffkonzentration und heftigsten klinischen Symptomen, sodass bei dem Kläger von
einer leichtgradigen Laktoseintoleranz auszugehen sei. Grundsätzlich sollte zunächst die individuell unterschiedliche Restaktivität
der Laktase getestet werden. Bei Laktosemangel könnten durchaus bis zu 20 g Laktose als Einzeldosis verträglich sein, insbesondere
wenn diese im Rahmen einer Mahlzeit verzehrt würden. Für die Kalziumzufuhr seien kalziumreiche Mineralwässer auszuwählen zu
Kostensparung genüge 1/2 Liter täglich, während der restliche Flüssigkeitsbedarf mit preiswerteren Mineralwässern oder Leitungswasser
abgedeckt werden könne. Das Trinkwasser am Wohnort des Klägers in der Ottostraße in Kaiserslautern enthalte 29,4 mg/l Kalzium
laut Analyse der Stadtwerke Kaiserslautern vom 22.01.2013. Auch Frau P hat darauf hingewiesen, dass Hartkäse, Schnittkäse
und halbfester Schnittkäse sowie Sauermilch- und Weichkäse je nach Herstellungsprozess laktosefrei sein können oder nur noch
einen sehr geringen Rest-Laktosegehalt hätten. Ein Ersatz durch laktosefreien Käse sei nicht erforderlich. Als Streich- und
Kochfett könne Margarine anstelle von Butter verwendet werden, welche ebenfalls nur einen geringen Rest an Laktose enthalte.
Der Bedarf an essenziellen Fettsäuren könne anstatt durch laktosefreie Sahne durch ein Pflanzenöl (z.B. Rapsöl vom Discounter)
gedeckt werden. Kleinere Mengen Sahne zum Verfeinern beispielsweise von Soßen, würden meistens vertragen. Auch die Verträglichkeit
von Sauermilchprodukten wie Joghurt und Kefir sowie Probiotika könne getestet werden. Zu meiden seien industriell hergestellte
Lebensmittel. Generell sei der Verzehr von selbst zubereiteten Speisen aus frischen Lebensmitteln zu empfehlen. Dies sei auch
aufgrund der beim Kläger zusätzlich festgestellten Hepatopathie, welche eine fettarme Ernährung bedinge, empfehlenswert. Aus
ernährungstherapeutischer Sicht sei das einzige sinnvolle Lebensmittel bei den diätetischen Lebensmitteln, die laktosefreie
Milch. Allerdings sei diese nicht erforderlich, um den Bedarf alle essenzieller Nährstoffe zu decken. Der Bedarf aller Vitamine,
Mineralstoffe, Spurenelemente und Eiweiße könne selbst bei einer vegetarischen Ernährung ohne Einsatz laktosefreier Milch
gedeckt werden. Der Laktosegehalt in Fleischwaren werde regelmäßig toleriert. Ansonsten stünden eine Reihe normaler laktosefreier
Fleischwaren zur Verfügung. Eine Kontamination mit Milchbestandteilen beim Herstellungsprozess sei diätetisch nicht relevant.
Auch bei Süßigkeiten gebe es eine Reihe, die von Natur aus laktosefrei sei. Laktatepräparate seien zur Behandlung einer Laktoseintoleranz
nicht erforderlich. Zusammenfassend kommt die Sachverständige zu dem Ergebnis, dass eine laktosearme Diät sich ohne diätetische
Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel durch eine ausgewogene Ernährung, die alle essenziellen Nährstoffe beinhalte, durchführen
lasse. Monatliche Mehrkosten wurden verneint. Die Sachverständige hat ihrem Gutachten einen beispielhaften Ernährungsplan
mit den empfohlenen Werten für Männer von 25 bis 50 Jahre beigefügt.
Der Kläger hat zu dem Gutachten vorgetragen, dass bei ihm schon bei geringer Laktosezufuhr Symptome aufträten. Im Übrigen
sei bisher nicht beachtet worden, dass bei ihm auch ein Diabetes Mellitus bestehe.
Da der Kläger im Übrigen mitgeteilt hat, es werde ein neuer Laktose-Unverträglichkeitstest bei Dr. N durchgeführt, hat das
SG noch den entsprechenden Arztbrief vom 25.03.2014 beigezogen. Dieser hat beim H2-Exhalationstest einen Anstieg der Wasserstoffexhalation
auf 39 ppM nach 60 Minuten gegenüber einem Anstieg von 35 ppM nach 90 Minuten bei der ersten Testung gezeigt.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 28.03.2014 hat die Sachverständige Frau P aufgeführt, dass selbst bei einem Anstieg
des Wasserstoffanteils in der Ausatemluft auf mehr als 100 bis 200 ppM laktosearme Ernährung als diätetische Therapie ausreichend
sei. Durch den Befund vom 25.03.2014 ändere sich ihre Beurteilung nicht.
Mit Urteil vom 11.06.2014 hat das SG die Klagen abgewiesen. Der Kläger habe in den streitigen Zeiträumen keinen höheren Anspruch auf Leistungen nach dem SG II. Insbesondere habe er keinen Anspruch auf einen ernährungsbedingten Mehrbedarf aufgrund seiner Laktoseintoleranz. Voraussetzung
für die Gewährung dieses Mehrbedarfs sei gemäß § 21 Abs. 5 SGB II eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erfordere, die kostenaufwendiger sei als dies für Personen ohne
diese Einschränkung der Fall sei. Mit "medizinischen Gründen" seien nur krankheitsbedingte Gründe gemeint. Es müsse ein ursächlicher
Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder drohenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer besonderen kostenaufwendigen
Ernährung vorliegen (Hinweis auf BSG, Urteile vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R - und vom 10.05.2011 - B 4 AS 100/10 R). Vorliegend ergebe sich aufgrund der diagnostizierten Laktoseintoleranz im konkreten Fall des Klägers kein gegenüber einem
Hilfebedürftigen ohne Milchzuckerunverträglichkeit erhöhter ernährungsbedingter Mehrbedarf. Ein solcher sei weder durch den
behandelnden Hausarzt Dr. F noch durch den Internisten Dr. N bestätigt, der sogar ausdrücklich die Frage nach entstehenden
wesentlichen Mehrkosten verneint habe. Gestützt werde diese Auffassung auch durch die im Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten
der Frau A und Frau P . Beide Sachverständige seien übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger keine laktosefreie
Kost benötige, mithin kein völliger Verzicht auf laktosehaltige Produkte erforderlich sei. Nach Frau A seien lediglich Milch
und Milchprodukte durch laktosefreie Alternativen zu ersetzen, wobei sie im weiteren Gutachten beschreibe, welche Produkte
(Hartkäse etc.) als Alternativen in Betracht kämen. Sie habe lediglich einen Mehrbedarf bejaht für den Fall des Verzehrs von
15 Litern laktosefreier Milch und eventuellen Ersatzprodukten für Margarine und Sahne. Dem sei der Beklagte zutreffend mit
dem Argument entgegengetreten, dass ein Verzehr von Alternativprodukten in diesen großen Mengen nicht realistisch erscheine.
Dem gegenüber sei das ernährungswissenschaftliche Gutachten der Diätassistentin Frau P im Ergebnis eindeutig. Das SG schließe sich diesem Gutachten uneingeschränkt an, da es wissenschaftlich fundiert belegt sei und durch Einkaufserfahrungen
im Supermarkt untermauert werde. Insbesondere treffe die Kritik des Klägers nicht zu, die Sachverständige habe sich mit seiner
persönlichen Lebens- und Krankheitssituation nicht auseinandergesetzt. Das Gegenteil sei der Fall. Frau P habe unter anderem
die Befunde der Ärzte genauestens gelesen und zutreffend den Einwand erhoben, dass bei dem oralen Laktoseintoleranz-Test keine
Beschwerden durch den Kläger dokumentiert seien. Sie habe weiterhin überzeugend dargelegt, welche Produkte der Kläger alternativ
zurückgreifen könne, um eine ausgewogene laktosearme Ernährung zu gewährleisten. Insbesondere sei sie zu dem Ergebnis gelangt,
dass teure diätetische Lebensmittel oder Laktosepräparate für eine gesunde Ernährung des Klägers nicht erforderlich seien.
Dementsprechend genüge das Gutachten den Anforderungen, die das BSG im Urteil vom 14.02.2013 (B 14 AS 48/12 R) aufgestellt habe. Das SG teile auch nicht den Einwand des Klägers, Frau P sei nicht ausreichend qualifiziert, da sie keine Medizinerin sei. Im Rahmen
des Medizinstudiums spielten Ernährungsfragen gerade keine Rolle. Für die Frage, welche spezielle Ernährung bei bestimmten
Krankheiten erforderlich sei, bedürfe es eines speziell ausgebildeten Fachpersonals wie das einer Diätassistentin.
Das Urteil ist dem Kläger am 09.07.2014 zugestellt worden.
Der Kläger hat am 29.07.2014 Berufung eingelegt.
Er trägt vor, dass nach der Rechtsprechung des BSG eine vollumfängliche Einzelfallprüfung vorgenommen werden müsse. Diese vom Kläger mehrfach beantragte Untersuchung, die insbesondere
zur Bestimmung des Grades oder des Ausmaßes der bei ihm vorhandenen Laktoseintoleranz Stellung nehmen sollte, sei nie durchgeführt
worden. Es komme seiner Auffassung nach darauf an, wie stark die Krankheit im Einzelnen ausgeprägt sei. Dies könne von Fall
zu Fall variieren und sei zwingend zu berücksichtigen. Zu berücksichtigen sei auch, dass bei ihm wegen des Auftretens von
Knoten im Darm das Risiko bestehe, dass gerade bei der vorliegenden Laktoseintoleranz diese Knoten erneut auftreten und zu
einer nicht mehr heilbaren Krebserkrankung führten. Es möge sein, dass bei ansonsten gesunden Menschen eine leichte Laktoseintoleranz
keinen merklichen finanziellen Mehraufwand erfordere. Für ihn gelte dies aber nicht. Zum einen wegen des Grades seiner Erkrankung,
da bereits geringe Verstöße gegen die Ernährungsvorschriften erhebliche Folgen (Übelkeit usw., die leicht zu Arbeitsunfähigkeit
führt) hätten und weiter wegen seiner Darmerkrankung. Er müsse sich absolut laktosefrei ernähren. Dem genügten die Ernährungsvorschläge
der Gutachterin nicht. Das SG komme über allgemeine Überlegungen nicht hinaus und stelle entgegen der Vorgabe des BSG nicht den Bezug zu seiner konkreten Erkrankung her. Im Übrigen könne eine Diätassistentin nicht darüber entscheiden, welche
spezielle Ernährung bei bestimmten Krankheitsbildern erforderlich sei. Zunächst habe der Mediziner die Diagnose zu stellen
und zu entscheiden, welche Ernährung zu empfehlen sei. Zu einem Mehrbedarf könne ein Arzt sich naturgemäß nicht äußern. Erst
wenn diese ersten Fragen geklärt seien, komme die Diätassistentin zum Einsatz.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 11.06.2014 aufzuheben sowie
1.
den Bescheid des Beklagten vom 05.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2011 aufzuheben, den Bescheid des
Beklagten vom 04.01.2011 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 13.01.2011, des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2011
sowie der Änderungsbescheide vom 26.03.2011 und vom 21.04.2011 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihm für die Zeit
vom 01.02.2011 bis zum 31.07.2011 höhere Regelbedarfe bzw. Mehrbedarfe als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem SGB II zu gewähren,
2.
den Bescheid vom 30.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.01.2012 sowie in der Gestalt der Änderungsbescheide
vom 25.01.2012, vom 14.02.2012, vom 21.02.2012, vom 19.03.2012, vom 02.04.2012, des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2012
sowie der Änderungsbescheide vom 23.04.2012, vom 25.05.2012 und vom 26.06.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom
27.08. und 28.08.2012 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihm für den Zeitraum vom 01.02.2012 bis zum 31.07.2012
höhere Regelbedarfe bzw. Mehrbedarfe als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren,
3.
den Bescheid vom 26.06.2012 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 30.07.2012 und vom 15.08.2012, in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 28.08.2012 sowie der Änderungsbescheide vom 11.09.2011, vom 24.09.2012, vom 23.10.2012, vom 08.11.2012, vom 13.11.2012,
vom 10.01.2013 und vom 21.01.2013 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 01.08.2012 bis zum 31.01.2013
höhere Regelbedarfe bzw. Mehrbedarfe als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass das erstinstanzliche Urteil nicht zu beanstanden sei. Der erforderlichen Einzelfallprüfung sei
durch Einholung zweier oecotrophologischer Gutachten Rechnung getragen worden.
Auf Nachfrage des Senats hat der Kläger mitgeteilt, ein Diabetes Mellitus sei bei ihm am 26.07.2012 festgestellt worden; er
hat insofern eine ärztliche Bescheinigung des Dr. F vom 03.09.2015 vorgelegt. Im Übrigen hat er mitgeteilt, dass er eine Ernährungsberatung
bei einer Ernährungsberaterin der A erhalten habe. Ihm sei aufgefallen, dass er selbst bei laktosefreier Milch oder laktosefreiem
Spinat Probleme habe, weil diese wohl noch eine geringe Menge an Laktose enthielten.
Der Senat hat eine Stellungnahme des Dr. F vom 02.11.2015 betreffend die Diagnose und Behandlung des Diabetes Mellitus sowie
eine ergänzende Stellungnahme der Frau P vom 14.01.2016 eingeholt.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakten S 14 AS 217/11, S 14 AS 272/11, S 14 AS 971/13 sowie der beigezogenen Verwaltungsakten (Leistungsakten Blatt 1 bis Blatt 622, Widerspruchsakten W 73/11, W 373/11, W 688/11, W 1073/11, W 34/12, W 152/12, W 612/12, W 613/12 sowie Sonderband Bescheide) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Der Berufung des Klägers wird teilweise, nämlich in Bezug auf die Monate Mai und Juni 2012 stattgegeben. In diesen Monaten
hat der Kläger aufgrund einer zu hohen Einkommensanrechnung einen etwas höheren Anspruch, als von dem Beklagten bewilligt.
In den übrigen Monaten errechnet sich dagegen kein höherer Anspruch auf Leistungen, insbesondere besteht kein Anspruch auf
einen Mehrbedarf wegen kostenaufwendiger Ernährung.
Streitgegenstand ist ein Anspruch des Klägers in den Zeiträumen vom 01.02.2011 bis zum 31.07.2011, 01.02.2012 bis 31.07.2012
und 01.08.2012 bis 01.02.2013 auf höhere Leistungen in Form von Regelbedarfen zuzüglich Mehrbedarfe unter Ausschluss der Kosten
für Unterkunft und Leistung. Schon die Erklärung der Beteiligten zu Protokoll im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28.05.2013
(vgl. die Niederschrift Blatt 274 und 275 der GA), in den verbundenen Verfahren verbleibe als Streitgegenstand lediglich ein
eventuell gegebener Mehrbedarf des Klägers für kostenaufwendige Ernährung, konnte nur so verstanden werden, dass in den von
den verbundenen Verfahren betroffenen Zeiträumen Kosten für Unterkunft und Heizung nicht mehr streitig sein sollen und der
Kläger insofern seine Klagen beschränkt. Dies hat der Kläger nunmehr ausdrücklich bestätigt, indem er seinen Antrag auf die
Bewilligung höherer Regelbedarfe bzw. Mehrbedarfe beschränkt hat.
Eine weitere Begrenzung des Streitgegenstandes lediglich auf den Mehrbedarf wegen kostenaufwendiger Ernährung ist dagegen
nicht möglich (stRspr. des BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290-295 = SozR 4-4200 § 21 Nr. 5 Rdnr. 12 <Mehrbedarf für Alleinerziehende>; Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48-57 = SozR 4-1500 § 71 Nr. 2 [...] Rdnr. 11 <Mehrbedarf für Alleinerziehende>; Urteil vom 14.02.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr. 15 [...] Rdnr. 9; Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - BSGE 115, 77 = SozR 4-4200 § 21 Nr. 16, [...] Rdnr. 11 zu § 21 Abs. 6 SGB II; Urteil vom 20.02.2014 - SozR 4-4200 § 21 Nr. 7 [...] Rdnr. 8). Soweit der Kläger daher ebenfalls zu Protokoll erklärt hatte, der Einwand der fehlerhaften Berechnung
des Einkommens werde in dem Verfahren S 14 AS 773/12 nicht mehr aufrechterhalten und später sogar die Klage insoweit zurückgenommen hat, kann dies daher nicht zu einer weiteren
zulässigen Begrenzung des Streitgegenstandes führen. Das Verfahren S 14 AS 773/12 (zuletzt erfasst unter dem Az. S 14 AS 971/13) war von vorneherein im Hinblick auf das bereits anhängige Klageverfahren mit dem Az. S 14 AS 119/12 wegen anderweitiger Rechtshängigkeit (§
94 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) unzulässig. Nachdem die Klagen miteinander verbunden worden waren, bedurfte es allerdings keiner Rücknahme des späteren
Klageverfahrens mehr; die diesbezügliche Klagerücknahme ging ins Leere, insbesondere da ihr nicht der Erklärungsgehalt entnommen
werden kann, dass die Klage insgesamt, soweit die dort geregelten Monate (Februar und März 2012) betroffen sind, zurückgenommen
werden sollte. Der Senat hat daher weiterhin in vollem Umfang zu überprüfen, ob der Kläger in den streitgegenständlichen Bewilligungsabschnitten
einen Anspruch auf höhere Leistungen (Regelbedarf bzw. Mehrbedarfe) auch aufgrund von unzutreffender Einkommensanrechnung
hat.
Auch soweit der Bewilligungsabschnitt vom 01.02.2011 bis zum 31.07.2011 betroffen ist, ist der Senat an einer Sachprüfung
nicht schon aufgrund des mittlerweile durch Vergleich erledigten Klageverfahrens S 14 AS 272/11 betreffend den Bescheid vom 04.01.2011 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 13.01.2011 sowie des Widerspruchsbescheides
vom 01.02.2011 gehindert. Zwar betraf das Klageverfahren den gleichen Streitgegenstand, so dass das vorliegende Verfahren
diesen Zeitraum betreffend zunächst wegen anderweitiger Rechtshängigkeit (§
94 SGG) unzulässig war. Denn die nachfolgenden Bescheide betreffend die Änderung der Leistungshöhe (Änderungsbescheide vom 26.03.2011
und vom 21.04.2011), aber auch der Bescheid vom 05.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2011, mit dem der
Beklagte die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwendiger Ernährung abgelehnt hat, sind gemäß §
96 SGG Gegenstand dieses Klageverfahrens geworden. Die bestehende Sperrwirkung der anderweitigen Rechtshängigkeit durch dieses Klageverfahren
ist allerdings durch den Vergleich vom 28.05.2013, der auch eine übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten beinhaltete,
entfallen (zum Wegfall der Sperrwirkung mit Abschluss des früheren Verfahrens vgl. BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 22/10 R, [...] Rdnr. 13 unter Hinweis auf Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl 2012, §
94 Rn. 4 und 7b). Grundsätzlich stünde damit einer erneuten Entscheidung durch den Senat betreffend die Monate Februar bis Juli
2011 entgegen, dass der Bescheid vom 04.01.2011 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 13.01.2011 sowie des Widerspruchsbescheides
vom 01.02.2011 bestandskräftig geworden sind. Eine erneute Überprüfung dieses Zeitraumes wäre daher nur aufgrund eines Überprüfungsantrages
nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) möglich. Hier besteht allerdings die Besonderheit, dass die Beteiligten mit dem Vergleich vom 28.05.2013 betreffend das
Verfahren S 14 AS 272/11 ersichtlich nicht die Höhe der Leistungen in dem Bewilligungsabschnitt - zumindest soweit Mehrbedarfe betroffen sind - endgültig
regeln, sondern lediglich - in unzulässiger Weise - einen Vereinbarung über bestimmte Berechnungselemente (hier: der Höhe
des Regelbedarfes; vgl. dazu BSG, Urteil vom 23.08.2011 - B 14 AS 165/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 43 [...] Rdnr. 16; vgl. aber auch zur Zulässigkeit einer sogenannten Elementenfeststellungsklage,
wenn sicher anzunehmen ist, dass durch sie der Streit der Beteiligten insgesamt bereinigt wird, BSG, Urteil vom 08.09.2015 - B 1 KR 27/14 R - SozR 4-2500 § 76 Nr. 3 Rdnr. 10 und 24 m.w.N.) treffen wollten. Dies ergibt sich auch eindeutig aus den Erklärungen der
Beteiligten zum Protokoll über das am gleichen Tag verhandelte Verfahren S 14 AS 855/11, in dem festgehalten worden ist, dass als Streitgegenstand der verbundenen Verfahren lediglich der Mehrbedarf für kostenaufwendige
Ernährung verbleibe, während der Streitpunkt betreffend die neuen Regelsätze in dem Verfahren S 14 AS 272/11 verglichen worden sei (Blatt 275 der Gerichtsakte). Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass das SG entgegen seiner Verpflichtung aus §
106 Abs.
1 SGG den Vergleich in dieser Form protokolliert hat, obwohl es bei korrekter Vorgehensweise auf eine Klagerücknahme in dem Verfahren
S 14 AS 855/11 hätte hinwirken oder zumindest die Verfahren S 14 AS 855/11 und S 14 AS 272/11 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung hätte verbinden müssen. Eine rein "thematische" Abhandlung bzw. Verbindung der
anhängigen Verfahren des Klägers, wie sie offensichtlich am 28.05.2013 geschehen ist, widersprach dagegen den Erfordernissen
der anhängig gemachten Streitgegenstände und hat den Abschluss des - so zumindest im Hinblick auf die Erledigungserklärung
- nicht gewollten Vergleichs gefördert. Vor diesem Hintergrund ist daher ausnahmsweise davon auszugehen, dass die Beteiligten
mit der "Erledigungserklärung" nicht die Bestandskraft der den Bewilligungsabschnitt vom 01.02.2011 bis zum 31.07.2011 betreffenden
Bescheide herbeiführen wollten, sondern sich vielmehr einig waren, dass über diesen Zeitraum und diese Bescheide noch in dem
Verfahren S 14 AS 855/11 zu entscheiden wäre.
Der Kläger erfüllt grundsätzlich die Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen nach dem SGB II, wie sie in § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II festgelegt sind: er hat die Altersgrenze nach § 7 a noch nicht erreicht (Nr. 1), ist erwerbsfähig (Nr. 2), hilfebedürftig (Nr. 3) und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der
Bundesrepublik Deutschland. Das Vorliegen eines Leistungsausschlussgrundes ist nicht ersichtlich.
Sein Bedarf belief sich in den Monaten Februar 2011 bis Juli 2011 - unter Ausschluss der Kosten für Unterkunft und Heizung
- auf 372,00 Euro (Regelbedarf in Höhe von 364,00 Euro zuzüglich eines Mehrbedarfs für Warmwasser nach § 21 Abs. 7 SGB II in Höhe von 8,00 Euro). Hierfür sind dem Kläger nach Umsetzung der Regelbedarfserhöhung rückwirkend zum Beginn des Bewilligungsabschnitts
durch den Änderungsbescheid vom 26.03.2011 sowie Bewilligung der Warmwasserpauschale durch den Änderungsbescheid vom 21.04.2011
auch von den Beklagten Leistungen in zutreffender Höhe bewilligt worden.
In den Monaten Februar 2012 bis Dezember 2012 belief sich der Bedarf des Klägers ohne Kosten für Unterkunft und Heizung auf
382,60 Euro (Regelbedarf in Höhe von 374,00 Euro zuzüglich Warmwasserpauschale in Höhe von 8,60 Euro) und im Januar 2013 auf
390,79 Euro (Regelbedarf in Höhe von 382,00 Euro zuzüglich Warmwasserpauschale in Höhe von 8,79 Euro).
Der Beklagte hat bei dem Kläger zur Überzeugung des Senats den jeweils einschlägigen Regelbedarf für einen alleinstehenden
Erwachsenen berücksichtigt. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken im Sinne einer im Rahmen des Art.
100 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) vorausgesetzten Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit gegen den für Alleinstehende gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 und 3, § 20 Abs. 1 u. Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 5 S. 1 SGB II sowie der Verordnung zur Bestimmung des für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufe nach § 28 a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuches (SGB XII) maßgeblichen Prozentsatzes für die hier streitgegenständlichen Jahre 2011, 2012 und 2013 hat der Senat nicht. Das BSG hat mit Urteil vom 12.07.2012 (B 14 AS 153/11 R) entschieden, dass der Regelbedarf für Alleinstehende in dem Zeitraum ab 01.01.2011 nicht in verfassungswidriger Weise
zu niedrig festgesetzt worden sei. Mittlerweile hat das BVerfG mit Beschluss vom 23.07.2014 in mehreren Verfahren (1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12 sowie 1 BvR 1691/13) in Bezug auf Bewilligungszeiträume bis einschließlich August 2012 entschieden, dass die einschlägigen Vorschriften mit Art.
1 Abs.
1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art.
20 Abs.
1 GG vereinbar seien. Die Entscheidungen betrafen u.a. Regelbedarfsleistungen für Alleinstehende wie den Kläger. Dies gilt zur
Überzeugung des Senats auch im hier streitigen Zeitraum bis einschließlich Januar 2013 entsprechend (vgl. auch Senatsurteile
vom 01.07.2015 - L 6 AS 262/14 - und vom 13.10.2015 - L 6 AS 87/15 betreffend einen Bewilligungsabschnitt vom 01.05.2014 bis zum 31.10.2014 und L 6 AS 243/15 zum Bewilligungsabschnitt 01.11.2014 bis 30.04.2015).
Auf diese Bedarfe ist ab Februar 2012 das ab Januar 2012 erzielte und entsprechend den gesetzlichen Vorschriften bereinigte
Einkommen anzurechnen. Da der Kläger im Zeitraum Januar bis Mai 2012 ein höheres Bruttoeinkommen als 400,00 Euro monatlich
hatte, sind in diesen Monaten grundsätzlich auch höhere Kosten als der Grundfreibetrag in Höhe von 100,00 Euro (vgl. § 11b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II) berücksichtigungsfähig. Dabei sind die von dem Kläger gekauften Fahrkarten grundsätzlich dem Monat zuzuordnen, in dem sie
gekauft wurden - also die finanzielle Belastung entstand -, auch wenn sie über diesen Monat hinaus Gültigkeit hatten und -
unabhängig vom Zufluss des Einkommens - dem in diesem Monat erarbeiteten Einkommen gegenüber zu stellen. Demnach sind von
dem im Januar erarbeiteten und im Februar 2012 zugeflossenen Nettoeinkommen von 368,35 Euro neben dem Erwerbstätigenfreibetrag
in Höhe von 62,90 Euro (20 % von 314,49 Euro <Bruttoeinkommen in Höhe von 414,49 Euro - 100,00 Euro>, vgl. § 11b Abs. 3 SGB II) eine Monatskarte in Höhe von 170,00 Euro aus Januar 2012, die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 Euro sowie die Werbungskostenpauschale
in Höhe von 15,33 Euro (insgesamt 215,33 Euro) abzuziehen, sodass sich ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 90,12 Euro
ergibt. Damit ergibt sich ein ungedeckter Bedarf in Höhe von 292,48 Euro, der von dem Beklagten so auch bewilligt worden ist.
Dass von dem insgesamt ungedeckten Bedarf von 542,48 Euro lediglich 499,15 Euro von dem Beklagten übernommen worden sind,
liegt daran, dass von den Kosten für Unterkunft und Heizung ein Guthaben in Höhe von 43,33 Euro abgezogen worden ist, welches
allerdings bereits im August 2011 fällig gewesen ist. Da die Kosten für Unterkunft und Heizung hier jedoch nicht in Streit
stehen, kann dies nicht zu einer Aufhebung der angegriffenen Bescheide und eine Verurteilung des Beklagten führen.
Im März 2012 ist Einkommen in Höhe von 43,83 Euro (nachgezahlte Lohnfortzahlung aus Januar 2012), 363,71 Euro (Nettoeinkommen
aus Februar 2012) und 39,00 Euro (zweites Einkommen aus Februar 2012), insgesamt somit in Höhe von 446,54 Euro zugeflossen.
Neben dem Erwerbstätigenfreibetrag in Höhe von 81,89 Euro (20 % von 39,00 Euro plus 407,80 Euro plus 63,08 Euro minus 100,00
Euro) sind Fahrkarten in Höhe von 170,00 Euro (Monatskarte vom 02.02.2012 bis 01.03.2012) und 58,00 Euro (am 29.02.2012 gekaufte
Wochenkarte) zu berücksichtigen sowie erneut die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 Euro und die Werbungskostenpauschale
in Höhe von 15,33 Euro, sodass sich bereinigtes Einkommen in Höhe von 91,32 Euro ergibt und damit ein ungedeckter Bedarf in
Höhe von 291,28 Euro. Da dem Kläger bereits 293,27 Euro bewilligt worden sind, hat er sogar mehr Leistungen erhalten, als
ihm zustehen.
Im April 2012 ist von dem zugeflossenen Nettoeinkommen in Höhe von 659,16 Euro erneut der Erwerbstätigenfreibetrag hier in
Höhe von 156,05 Euro (20 % von 780,27 Euro <880,27 Euro brutto - 100,00 Euro>) abzuziehen, des Weiteren eine Monatsfahrkarte
aus März 2012 in Höhe von 170,00 Euro, ein Einzelfahrschein aus März 2012 zu 1,90 Euro und eine Wochenkarte in Höhe von 58,00
Euro sowie ferner erneut die Versicherungspauschale und die Werbungskostenpauschale in Höhe von 30,00 Euro bzw. 15,33 Euro,
so dass sich ein bereinigtes Einkommen von 227,88 Euro bzw. ein ungedeckter Bedarf in Höhe von 154,72 Euro ergibt. Da dem
Kläger 197,93 Euro bewilligt worden sind, errechnet sich im April 2012 eine Überzahlung in Höhe von 43,21 Euro.
Das Nettoeinkommen, welches im Mai 2012 zugeflossen ist, belief sich auf 608,21 Euro, wovon neben dem Erwerbstätigenfreibetrag
in Höhe von 131,94 Euro (20 % von 659,70 Euro) eine Monatsfahrkarte in Höhe von 170,00 Euro (vom 17.04.2012 bis 16.05.2012),
drei 24-Stunden-Tickets zu 14,70 Euro und ein Einzelfahrschein zu 1,90 Euro sowie erneut Versicherungs- und Werbungskostenpauschalen
abzuziehen sind, sodass sich ein bereinigtes Einkommen von 214,94 Euro und ein ungedeckter Bedarf in Höhe von 167,66 Euro
ergibt. Da dem Kläger für die im Monat Mai 2012 lediglich Leistungen in Höhe von 123,56 Euro für Regel- und Mehrbedarf bewilligt
worden sind, ergibt sich ein Fehlbetrag in Höhe von 44,10 Euro.
Im Juni 2012 ist dem Kläger lediglich ein Einkommen in Höhe von 500,00 Euro zugeflossen, da er auf den im Mai erarbeiteten
Verdienst nur einen Abschlag erhalten und der Restbetrag in Höhe von 175,84 Euro netto ihm erst im Juli 2012 zugeflossen ist.
Da die vorgelegten Fahrkarten für Mai 2012 auch unter Berücksichtigung der Versicherungs- und der Werbungskostenpauschale
nicht zu einem höheren Betrag als 100,00 Euro führen, ist hier der Grundfreibetrag in Höhe von 100,00 Euro sowie der Erwerbstätigenfreibetrag
in Höhe von 80,00 Euro (20 % von 400,00 Euro) abzuziehen, so dass sich ein bereinigtes Einkommen in Höhe von 320,00 Euro ergibt.
Der Regelbedarf einschließlich Mehrbedarfe ist damit im Umfang von 62,60 Euro nicht gedeckt (Regelbedarf und Mehrbedarf in
Höhe von 374,00 Euro und 8,60 Euro = 382,60 Euro - 320,00 Euro). Die übrige Unterdeckung bezieht sich auf die Kosten für Unterkunft
und Heizung, die hier nicht im Streit sind.
Im Juli 2012 ist dem Kläger, wie bereits gesagt, der Restbetrag in Höhe von 175,84 Euro zugeflossen, der lediglich durch einen
Erwerbstätigenfreibetrag aus dem Bruttobetrag (hier 349,86 Euro minus 100,00 Euro = 249,86 Euro), damit um 49,97 Euro zu bereinigen
ist. Eine erneute Berücksichtigung des Grundfreibetrages kommt nicht in Betracht, da der Restzahlungsbetrag im gleichen Monat
verdient worden ist, wie der bereits im Juni 2012 zugeflossene Abschlag und lediglich in einem Monat, nämlich dem Monat Mai
2012, Kosten angefallen sein können. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das BSG in einem Urteil vom 17.07.2014 (B 14 AS 25/13 R - BSGE 116, 194 = SozR 4-4100 § 11 Nr. 67, [...] Rdnr. 10 ff.) betont hat, dass Einkommen unabhängig davon, in welchem Monat es verdient
wird, im Moment des Zuflusses (der Auszahlung) zu berücksichtigen ist, in Sonderfällen aber auch bei dem Zufluss von Verdiensten
aus mehreren Monaten in einem Monat der Grundfreibetrag mehrfach abzuziehen ist. Umgekehrt bedeutet dies dann aber, wenn der
Verdienst aus einem Monat in verschiedenen Raten ausgezahlt wird, dass dann auch nur einmal der Grundfreibetrag in Abzug gebracht
werden kann.
Im Ergebnis errechnet sich damit im Juli 2012 ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 125,87 Euro. Der Beklagte hat dennoch
in diesem Monat kein Einkommen angerechnet, sondern den vollen Regel- und Mehrbedarf für Warmwasser in Höhe von 384,60 Euro
bewilligt, so dass sich eine Überzahlung in Höhe des bereinigten Einkommens von 125,87 Euro errechnet. Da eine Saldierung
von Über- und Unterzahlungen im Laufe eines Bewilligungsabschnittes nicht zulässig ist, sind die Überzahlungen in einigen
Monaten jedoch irrelevant für die fehlende Leistungsbewilligung in den Monaten Mai und Juni 2012.
In dem Bewilligungsabschnitt vom 01.08.2012 bis zum 31.01.2013 ist in den Monaten August und September 2012 kein Einkommen
anzurechnen, da das zugeflossene Einkommen in Höhe von 30,00 Euro bzw. 99,00 Euro noch unter dem Grundfreibetrag in Höhe von
100,00 Euro bleibt. In den übrigen Monaten hat der Beklagte das Einkommen korrekt angerechnet. Von dem im Oktober 2012 zugeflossenen
Einkommen in Höhe von 168,00 Euro war neben dem Grundfreibetrag in Höhe von 100,00 Euro auch der Erwerbstätigenfreibetrag
in Höhe von 13,60 Euro (20 % von 68,00 Euro) abzuziehen, sodass sich bereinigtes Einkommen in Höhe von 54,40 Euro errechnete.
Im November 2012 war Einkommen in Höhe von 38,80 Euro anzurechnen (zugeflossenes Einkommen in Höhe von 148,50 Euro minus 100,00
Euro Grundfreibetrag minus 9,70 Euro Erwerbstätigenfreibetrag). Von dem im Dezember 2012 zugeflossenem Betrag in Höhe von
147,00 Euro waren 100,00 Euro Grundfreibetrag und 9,40 Euro Erwerbstätigenfreibetrag abzuziehen, so dass Einkommen in Höhe
von 37,60 Euro anzurechnen war. Bei dem im Januar 2013 zugeflossenen Einkommen in Höhe von 193,50 Euro belief sich der Erwerbstätigenfreibetrag
auf 18,70 Euro, sodass sich unter Berücksichtigung des Grundfreibetrages anrechenbares Einkommen in Höhe von 74,80 Euro ergab.
In dieser Höhe hat der Beklagte auch zutreffend Einkommen auf den Regelbedarf des Klägers angerechnet.
Ein zusätzlicher Bedarf des Klägers im Sinne eines Mehrbedarfes wegen kostenaufwendiger Ernährung aufgrund der Erkrankungen
des Klägers (insbesondere Laktoseintoleranz und Diabetes Mellitus) besteht nicht.
Nach § 21 Abs. 5 SGB II wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe bei Leistungsberechtigten anerkannt, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwendigen
Ernährung bedürfen. Eine Konkretisierung des Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II kann nur im Zusammenhang mit § 20 SGB II erfolgen, der den Regelbedarf in Form einer pauschalierten Leistung vorsieht. Der notwendige Bedarf für Ernährung ist als
ein Teil dieses Regelbedarfs typisierend zuerkannt worden, wobei von der Deckung der laufenden Kosten eines typischen Leistungsberechtigten
im Rahmen eines soziokulturellen Existenzminimums für eine ausreichende ausgewogene Ernährung im Sinne einer ausreichenden
Zufuhr von Proteinen, Fetten, Kohlehydraten, Mineralstoffen, Vitaminen ausgegangen wurde. Damit gilt im Ergebnis eine Vollkosternährung
als vom Regelbedarf gedeckt. Da § 20 SGB II keine im Einzelfall abweichende Bedarfsermittlung und -festsetzung zulässt, soll nach § 21 SGB II für bestimmte, laufende, aufgrund besonderer Lebensumstände bestehende Bedarfe, die nicht bzw. nicht ausreichend vom Regelbedarf
abgedeckt sind, Zugang zu zusätzlichen Leistungen eröffnet werden (vgl. § 21 Abs. 1 SGB II sowie BT-Drucks. 15/1516 S. 57). Einen dieser Mehrbedarfe stellt der hier begehrte Mehrbedarf wegen kostenaufwendiger Ernährung
aus medizinischen Gründen nach § 21 Abs. 5 SGB II dar. Dieser soll im Hinblick auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums eine Ernährung finanzieren, mit
der der Verlauf einer (bestehenden) gesundheitlichen Beeinträchtigung durch Abmilderung von deren Folgen, Verhinderung oder
Hinauszögern einer Verschlechterung oder deren (drohendes) Eintreten beeinflusst werden kann (BSG, Urteil vom 10.05.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr. 12 [...] Rdnr. 20). Neben dem Vorliegen einer Leistungsberechtigung, welche hier - wie oben ausgeführt
- grundsätzlich gegeben ist, müssen medizinische Gründe, womit gesundheitliche Beeinträchtigungen gemeint sind, eine kostenaufwendige
Ernährung, - ohne dass es auf deren Einhaltung ankommt - sowie ein Ursachenzusammenhang zwischen den medizinischen Gründen
und der kostenaufwendigen Ernährung gegeben sein (vgl. hierzu sowie zu dem Ganzen BSG, Urteil vom 20.02.2014 - B 14 AS 65/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr. 17 [...] Rdnr. 11 ff.). Da darüber hinaus eine Kenntnis der betreffenden Person von dem medizinisch
bedingten besonderen Ernährungsbedürfnis erforderlich ist (vgl. BSG, a.a.O. Rdnr. 16 sowie 25 ff.), scheidet hier ein ernährungsbedingter Mehrbedarf für die Zeit vom 01.02.2011 bis zur Feststellung
der Laktoseintoleranz des Klägers am 11.03.2011 von vorne herein aus. Aber auch in den übrigen hier streitgegenständlichen
Zeiträumen ergibt sich kein Anspruch auf einen solchen Mehrbedarf.
Die Voraussetzung "medizinische Gründe" lag allerdings vor, weil bei dem Kläger in den streitgegenständlichen Bewilligungsabschnitten
eine Laktoseintoleranz, eine Hepatopathie (vgl. Befundbericht des Dr. F vom 29.09.2011) sowie - mindestens seit dem 26.07.2012
- ein Diabetes Mellitus Typ II, der vor allem medikamentös behandelt wird und bei dem unter dieser Behandlung die Blutzuckerwerte
im guten Einstellungsbereich sind (vgl. Stellungnahme des Dr. F vom 02.11.2015), vorhanden waren. Gesundheitliche Beeinträchtigungen
im Sinne des § 21 Abs. 5 SGB II liegen damit in jedem Fall vor. Die durch diese Beeinträchtigungen erforderliche Ernährung stellt sich allerdings nicht als
kostenaufwendig im Sinne dieser Vorschrift dar.
Kostenaufwendig im Sinne des § 21 Abs. 5 SGB II ist eine Ernährung dann, wenn sie von dem im Regelbedarf umfassten typisierten Bedarf abweicht und von diesem nicht gedeckt
ist. Da eine Vollkosternährung vom Regelbedarf gedeckt ist, besteht eine solche Ernährung grundsätzlich nur bei einer besonderen,
von der Vollkost abweichenden Ernährung(sform). Dass dies der Fall ist, kann sich u.a. aus den neuen Empfehlungen des Deutschen
Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 01.10.2008 (sogenannte Mehrbedarfsempfehlungen 2008, vgl. NDV 2008, 503 ff.) ergeben. Bei diesen handelt es sich zwar nicht um ein antizipiertes Sachverständigengutachten, das normähnlich angewandt
werden kann, sie können jedoch als Orientierungshilfe herangezogen werden, von der fachlich begründet abgewichen werden darf
(vgl. hierzu BSG, a.a.O., [...] Rdnr. 19).
In II.2 Nr. 4.1 der Mehrbedarfsempfehlungen 2008 sind diejenigen Erkrankungen aufgeführt, welche nach dem damals aktuellen
Stand der Ernährungsmedizin grundsätzlich lediglich einer Vollkost bedürfen. Dabei ist unter f) auch der Diabetes Mellitus
(Typ 2 und Typ 1) sowie unter j) eine Leberinsuffizienz genannt. Etwas Anderes soll bei den dort genannten Erkrankungen gemäß
4. gelten, wenn besondere Umstände vorliegen, z.B. eine gestörte Nährstoffaufnahme. Dabei soll regelmäßig dann von einem erhöhten
Ernährungsbedarf ausgegangen werden, wenn der Body-Mass-Index (BMI) unter 18,5 liegt und das Untergewicht Folge der Erkrankung
ist bzw. ein schneller, krankheitsbedingter Gewichtsverlust (über 5 % des Ausgangsgewichts in den vorausgegangenen drei Monaten,
nicht bei willkürlicher Abnahme bei Übergewicht) zu verzeichnen ist. Letzteres ist hier eindeutig nicht der Fall, wie sich
aus den Angaben des Klägers zu seinem Gewichtsverlauf in den streitgegenständlichen Zeiträumen ergibt. So hat der Kläger über
seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 10.09.2015 mitgeteilt, dass er bei einer Größe von 1,75 m im Februar 2011
73 kg, im Februar 2012 79 kg und im Januar 2013 85 kg gewogen habe. Aktuell befinde sich sein Gewicht bei 94 kg.
Dass die Fettleber sowie der Diabetes Mellitus des Klägers keine über eine Vollkost hinausgehende Ernährung bedingen, hat
im Übrigen auch der behandelnde Arzt Dr. F bestätigt. In seinem Befundbericht vom 29.09.2011 hat der behandelnde Hausarzt
im Hinblick auf die Hepatopathie lediglich eine fettreduzierte Ernährung sowie Alkoholkarenz als erforderlich angegeben. In
seinem weiteren Schreiben vom 02.11.2015 hat Dr. F als erforderliche Therapie bei dem am 26.07.2012 festgestellten Diabetes
Mellitus Typ II vor allem eine medikamentöse Behandlung angegeben. Bereits vor der eigentlichen Diagnose des Diabetes, als
bereits eine Glukosetoleranzstörung im Sinne einer Vorstufe zum Diabetes Mellitus diagnostiziert worden war, nämlich am 06.12.2011,
war dem Kläger eine fettreduzierte Diät zu Normalisierung des Körpergewichts (Zielgewicht ca. 75 kg) sowie ergänzend moderate
Bewegung wie regelmäßige Spaziergänge, Schwimmen, Radfahren etc. von täglich ca. 30 Minuten angeraten worden. Im Februar 2012
waren dem Kläger darüber hinaus verschiedene Diabetesschulungsbroschüren überreicht worden. Die dortigen Diätempfehlungen
basierten in erster Linie - so der Hausarzt - auf einer mediterranen Ernährung. Nach der eigentlichen Diagnose ist dann dem
Kläger noch im August 2012 eine Körpergewichtsreduktion mit Hilfe einer so genannten "Ampeldiät", die ebenfalls auf einer
mediterranen Ernährung basiert, angeraten und eine schriftliche Information hierzu ausgehändigt worden. Vor diesem Hintergrund
ist nicht ersichtlich, dass aufgrund der Erkrankungen der Leber bzw. aufgrund des Diabetes Mellitus eine von einer Vollkosternährung
abweichende Ernährung erforderlich ist (vgl. aber auch dazu, dass es sich bei einer Ernährung mit einer sogenannten Vollkost
bei Diabetes Mellitus schon nicht um Krankenkosten im Sinne des § 21 Abs. 5 SGB II handele, vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2011; B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr. 12, [...] Rdnr. 25).
Da der Ernährungsbedarf bei Laktoseintoleranz in den Empfehlungen keine Erwähnung findet, ist ein Rückgriff auf diese für
diese Erkrankung nicht zulässig (so übereinstimmend der 14. und 4. Senat des BSG, BSG Urteil vom 14.02.2013 - B14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr. 15, [...] Rdnr. 16 sowie Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr. 14, [...] Rdnr. 18 ff.; dazu, dass auch durch die aktuellen Empfehlungen die grundsätzliche Verpflichtung
der Verwaltung und der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, die Besonderheiten des jeweiligen Sachverhalts von Amts wegen aufzuklären,
nicht aufgehoben wird, vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2011; B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr. 12, [...] Rdnr. 22).
Bleibt damit der ernährungsbedingte Mehrbedarf nach Inhalt und Höhe streitig, hat nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich eine Einzelfallprüfung zu erfolgen. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen bedingt die Laktoseintoleranz
im Falle des Klägers auch unter Berücksichtigung seiner weiteren Erkrankungen jedoch keinen Mehraufwand. Der Senat stützt
sich insofern auf die ergänzende Stellungnahme der Diätassistentin und Diabetesberaterin Frau P vom 14.01.2016, in der diese
unter Zugrundelegung des konkreten Gewichts sowie des Alters des Klägers sowie den maßgeblichen Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr
und ausgehend von der Berechnung verschiedener Ernährungspläne für einen ganzen Monat (30 Tage) ermittelt hat, dass der erforderliche
Energie- und Nährstoffbedarf bei dem Kläger durch ganz normale Lebensmittel, wie sie auch Teil der Vollkost sind, gedeckt
werden kann. Dabei hat die Sachverständige darauf geachtet, dass es sich um eine ausgewogene - bezüglich Makro- und Mikronährstoffe
- bedarfsdeckende Ernährung, welche fettniedrig und energiereduziert ist und eine niedrige glykämische Last (günstige Blutzuckerwirksamkeit)
aufweist, handelt, die zugleich vollkommen laktosefrei ist. Je nach Einsatz von Lebensmitteln liegen die Kosten für die von
der Sachverständigen beispielhaft vorgelegten Tageskostpläne zwischen 1,79 Euro und 3,36 Euro, wobei zusätzlich noch Kosten
für Salz, Gewürze und getrocknete Kräuter etc. anfallen, wofür die Sachverständige eine Pauschale von 0,03 Euro pro Tag ansetzt.
Im Monatsdurchschnitt hat die Sachverständige Kosten einschließlich der Pauschale für Gewürze für Lebensmittel und Getränke
von 2,58 Euro pro Tag errechnet, solange sich der Kläger (zur Gewichtsreduktion) fettarm ernährt. Dies entspricht bei 30 Tagen
einem Monatsbetrag von 77,40 Euro. Diese Kosten erhöhen sich nach den Berechnungen der Sachverständigen auf durchschnittlich
2,80 Euro pro Tag, sobald das Zielgewicht erreicht und die Kalorienzufuhr erhöht werden kann, wobei die Sachverständige explizit
darauf hinweist, dass es nicht notwendig sei, den Anteil an kostspieligen Lebensmitteln wie Fleisch, Fisch, Ei oder Käse zu
erhöhen, da der Bedarf an hochwertigem Eiweiß und entsprechenden Vitaminen und Mineralstoffen bereits gedeckt sei. Folglich
errechnet sich ohne eine Gewichtsreduktion ein monatlicher Betrag von 84,00 Euro. Der Regelbedarf des Jahres 2011 enthält
demgegenüber für einen Einpersonenhaushalt jedoch bereits einen Betrag von 128,46 Euro für Nahrungsmittel und alkoholfreie
Getränke (vgl. § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarf und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Regelbedarfs- Ermittlungsgesetz - RBEG - vom 24.03.2011, BGBl. I S. 453), so dass noch ein großer Spielraum für persönliche Vorlieben und Wünsche vorhanden ist. Aus diesem Grund hat es der Senat
auch nicht für angezeigt gesehen, die vom Klägervertreter mit Schriftsatz vom 07.03.2016 aufgeworfenen Fragen (konkrete Kosten
von tiefgefrorenem Seelachsfilet bzw. Hähnchenbrustfilet) durch die Sachverständige Frau P beantworten zu lassen. Die Sachverständige
hat im Übrigen bereits in ihrem Gutachten angegeben, in welchen Geschäften sie die Preise ermittelt (Discounter wie Aldi und
Lidl, aber auch Lebensmittelmärkte wie Rewe und Edeka) und dass sie auch aktuelle Angebote berücksichtigt hat (vgl. Seite
9 des Gutachtens <Bl. 481 der Gerichtsakte>). Letzteres ist jedoch nicht zu beanstanden, da es grundsätzlich auch dem Kläger
zugemutet werden kann, aktuelle Angebote zu beachten und sein Kaufverhalten hierauf sowie auf günstigeres Saisongemüse etc.
einzustellen.
Die von dem Kläger wiederholt vorgetragenen Notwendigkeit, sich mit speziellen laktosefreien Produkten zu versorgen, besteht
nach der vorliegenden Stellungnahme der Frau P somit ernährungswissenschaftlich gerade nicht, so dass auch nicht mehr darauf
eingegangen werden muss, dass der Kläger nunmehr vorträgt, selbst laktosefreie Produkte wie laktosefreie Milch und laktosefreier
Spinat verursachten ihm starke Beschwerden wegen des Restanteils an Laktose, was bedeuten würde, dass der Kläger erst recht
nicht auf solche Produkte, sondern gerade auf vollkommen laktosefreie andere Lebensmittel zurückgreifen sollte.
Im Ergebnis errechnet sich damit lediglich ein höherer Anspruch des Klägers, soweit Regelbedarfe und Mehrbedarfe und nicht
etwa Kosten der Unterkunft und Heizung betroffen sind, in den Monaten Mai und Juni 2012 und zwar in Höhe von 44,10 Euro bzw.
62,60 Euro. Im Übrigen konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Revisionszulassungsgründe nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor. Insbesondere sind die grundsätzlichen Fragen zu der Ermittlung eines Mehrbedarfs bei kostenaufwendiger
Ernährung durch die Rechtsprechung des BSG bereits hinreichend geklärt.