Zulässigkeit der Verrechnung rückständiger Sozialversicherungsbeiträge sowie aufgelaufener Säumniszuschläge im Insolvenzverfahren
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen
den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2011, mit dem diese
die Verrechnung einer Forderung der Barmer GEK gegen den Rentenanspruch des Antragstellers verfügt hat.
Der am ... 1946 geborene Antragsteller beantragte bei der Antragsgegnerin am 16. November 2010 die Gewährung der Regelaltersrente.
Mit Bescheid vom 16. Februar 2011 bewilligte die Antragsgegnerin einer Altersrente in Höhe von 651,06 EUR (Zahlbetrag) ab
1. März 2011.
Bei der Antragsgegnerin gingen bereits in den Jahren 1999 und 2000 mehrere Verrechnungsersuchen nach §
52 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (
SGB I) ein. So machte insbesondere die Rechtsvorgängerin der Barmer GEK, die Barmer Ersatzkasse, am 10. September 1999 eine Forderung
von 32.356,96 DM einschließlich Säumniszuschlägen geltend. Die Forderung resultierte aus rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen
bzw. Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz des durch den Antragsteller betriebenen Bestattungsinstituts. Dieses Schreiben wurde durch die Barmer GEK nochmals am 5.
Februar 2009 bei der Antragsgegnerin vorgelegt. Am 4. Januar 2011 beantragte die Barmer GEK erneut die Verrechnung bestehender
Beitragsforderungen für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 31. August 1998. Dabei wurde ein Betrag von insgesamt 33.651,33 EUR
mitgeteilt, in dem 20.621,20 EUR Säumniszuschläge (bis zum 28. Dezember 2010) enthalten waren. Am 10. März 2011 legte die
Barmer GEK der Antragsgegnerin weitere Unterlagen hinsichtlich ihrer Forderung und den bisher erfolgten Vollstreckungsmaßnahmen
einschließlich des Beitragsbescheides vom 12. Juli 2007 vor.
Mit Schreiben vom 28. März 2011 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur beabsichtigten Verrechnung gemäß §
52 i.V.m. §
51 Abs.
2 SGB I an. Es liege ein Verrechnungsersuchen der Barmer GEK vor; es sei beabsichtigt monatlich 325,53 EUR zur Verrechnung einzubehalten.
Dieser Betrag errechne sich aus der Hälfte der zuerkannten Altersrente nach Abzug der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und
Pflegeversicherung. Soweit der Antragsteller durch die Verrechnung hilfebedürftig im Sinne der Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden sollte, sei eine Bedarfsbescheinigung des zuständigen
Hilfeträgers vorzulegen.
Der Antragsteller reichte am 21. April 2011 eine Bedarfsbescheinigung des Amtes für Soziales und Integration der Stadt D.-R.
vom 15. April 2011 ein. Hieraus ergab sich, dass der Antragsteller über ein monatliches Einkommen von 133,56 EUR über dem
Bedarf, bestehend aus Regelsatz und Kosten der Unterkunft und Heizung, verfüge.
Die Antragsgegnerin teilte der Barmer GEK mit Schreiben vom 4. Mai 2011 mit, dass ab 1. Mai 2011 ein Betrag von 133,56 EUR
auf Grundlage des Verrechnungsersuchens überwiesen werde. Mit Bescheid vom 9. Mai 2011 verrechnete die Antragsgegnerin ab
1. Mai 2011 gegenüber dem Antragsteller einen Betrag von 133,56 EUR der monatlichen Rente. Dieser Betrag werde einbehalten
und an die Barmer GEK gezahlt. Die Antragsgegnerin berücksichtigte dabei, dass die Barmer GEK ihr Ersuchen bereits am 10.
September 1999 und damit vor der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland gestellt
hatte.
Der Antragsteller legte am 20. Mai 2011 Widerspruch gegen die Einbehaltung seiner Rente ein. Die zur Verrechnung gestellte
Beitragsforderung belaufe sich auf 13.400 EUR. Säumniszuschläge seien von der Verrechnungsermächtigung nicht erfasst. Mit
Schreiben vom 14. Juni 2011 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass von dem Einbehalt aufgrund des eingelegten
Widerspruchs zunächst abgesehen werde. Bereits einbehaltene Beträge für die Monate Mai bis Juli 2011 wurden an den Antragsteller
nachgezahlt. Dieser legte am 6. Juli 2011 eine neue Bedarfsberechnung des Amtes für Soziales und Integration der Stadt D.-R.
vom 7. Juni 2011 vor. Hieraus ergab sich ein Einkommen von 100,12 EUR über dem sozialhilferechtlich anzuerkennenden Bedarf.
Nach Auffassung des Antragstellers sei eine Verrechnung aber ausgeschlossen, da tatsächlich höhere Unterkunftskosten und Versicherungsbeiträge
anfallen würden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2011 entsprach die Antragsgegnerin dem Widerspruch des Antragstellers teilweise.
Die monatliche Verrechnung wurde betragsmäßig auf 100 EUR reduziert. Hintergrund sei die im Widerspruchsverfahren vorgelegte
neue Bedarfsbescheinigung des Amtes für Soziales und Integration der Stadt D.-R. vom 7. Juni 2011.
Mit Beschluss vom 19. Oktober 2011 eröffnete das Amtsgericht D.-R. (Aktenzeichen 2 IN 352/11) das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers.
Der Antragsteller hat am 11. November 2011 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben (Aktenzeichen S 12 R 579/11).
Am 24. Oktober 2013 hat der Antragsteller zudem beim SG im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Zahlung der Altersrente ohne Abzug zur Verrechnung von Forderungen der Barmer
GEK bis zum Abschluss des Klageverfahrens beantragt. Das Vorgehen der Antragsgegnerin sei rechtswidrig. Aufgrund des laufenden
Insolvenzverfahrens sei eine Verrechnung ausgeschlossen. Dort habe die Barmer GEK die Forderung gleichzeitig zur Insolvenztabelle
angemeldet. Dies sei eine unzulässige Übersicherung. Darüber hinaus sei ein Einbehalt über die Pfändungsfreigrenzen hinaus
nicht zulässig. Die nicht rechtsmittelfähige Bedarfsbescheinigung bedürfe der gerichtlichen Überprüfung, da der unabweisbare
Bedarf wesentlich höher sei.
Das SG hat den Antrag im einzelnen Rechtsschutzverfahren mit Beschluss vom 11. Juli 2014 abgelehnt. Es handele sich nicht um eine
Regelungsanordnung, sondern um die Frage, ob die aufschiebende Wirkung anzuordnen sei. Denn die Klage des Antragstellers gegen
den Verrechnungsbescheid habe keine aufschiebende Wirkung. Der Verrechnung nach §
52 SGB I stehe das nachträglich angeordnete Insolvenzverfahren nicht entgegen. Es sei auch nicht auf die Pfändungsfreigrenzen nach
der
Zivilprozessordnung abzustellen, da die Vorschriften zur Verrechnung nach §§
51 und
52 SGB I eine Sonderregelung beinhalte. Eine Hilfebedürftigkeit des Antragstellers durch die Verrechnung sei unter Zugrundelegung
der Berechnung der Stadt D.-R. nicht gegeben. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Verrechnungsbescheid sei daher
nicht anzuordnen.
Gegen den ihm am 15. Juli 2014 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 2. September 2014 Beschwerde beim Landessozialgericht
(LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und zudem einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Er habe bereits
am 15. August 2014 einen Beschwerdeschriftsatz gefertigt und zusammen mit anderen Unterlagen zum Hauptsacheverfahren beim
SG eingereicht. Nach Rückfrage dort sei zwar ein Schreiben zur Hauptsache gelangt, der Beschwerdeschriftsatz jedoch nicht eingegangen.
Dieser sei dann im Anwaltsfach des Prozessbevollmächtigten beim Amtsgericht D.-R. mit dem Vermerk "an Absender zurück" vorgefunden
worden. Offenbar sei von der Poststelle des Justizzentrums Anhalt der Beschwerdeschriftsatz nicht an das SG weitergeleitet worden. Inhaltlich hat sich der Antragsteller auf seinen bisherigen Vortrag bezogen, dass im Rahmen der Verrechnung
das laufende Insolvenzverfahren zu berücksichtigen sei. Zudem dürfe die Verrechnung nach §
51 Abs.
2 SGB I nicht auf die Säumniszuschläge erstreckt werden.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Dessau R. vom 11. Juli 2014 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 11. November
2011 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2011
anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt schriftlich,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Verrechnung mit der bestandskräftigen Forderung der Barmer GEK sei nicht zu beanstanden. Die Ausführungen des SG seien zutreffend. Soweit Hilfebedürftigkeit nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches - Sozialhilfe (SGB XII) oder Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) durch die Verrechnung eintreten würde bzw. eingetreten sei, sei dies durch den Antragsteller nachzuweisen und würde dann
durch die Antragsgegnerin berücksichtigt und umgesetzt werden. Ein gerichtliches Eilverfahren sei insoweit nicht erforderlich.
Die Barmer GEK hat mit Schreiben vom 15. September 2014 zum Verfahren Stellung genommen.
Der Senat hat mit Schreiben vom 8. Oktober 2014 und vom 3. November 2014 darauf hingewiesen, dass bei etwaigem Eintritt eine
Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB XII durch die Verrechnung eine neue Bedarfsberechnung des Sozialhilfeträgers zur Glaubhaftmachung vorgelegt werden könne.
Der Antragsteller hat weder eine Bedarfsberechnung noch Unterlagen zu den Unterkunftskosten bzw. Einnahmen oder weiteren Bedarfspositionen
eingereicht. Er geht davon aus, dass die Bedürftigkeitsprüfung der Behörde im Rahmen der Aufklärungspflicht obliege. Der Schuldner
habe insoweit nur mitzuwirken. Eine weitere Erklärung zur Bedürftigkeit könne nicht vorgelegt werden.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung
gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts- und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf deren Inhalt verwiesen.
II.
1.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 11. Juli 2014 ist zulässig.
Der Antragsteller hat die Beschwerdefrist von einem Monat nach §
173 Satz 1 und
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) nicht eingehalten. Der Beschluss des SG vom 11. Juli 2014 ist dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 15. Juli 2014
zugestellt worden. Dieser hat mitgeteilt, dass er den Beschwerdeschriftsatz vom 15. August 2014 beim SG eingereicht habe. Auf diesem befindet sich jedoch kein Eingangsstempel und sowohl nach Angabe des Prozessbevollmächtigten
des Antragstellers als auch des SG ist ein Beschwerdeschriftsatz dort nicht eingegangen. Die Beschwerde ist daher wirksam erst am 2. September 2014 beim LSG
Sachsen-Anhalt und damit außerhalb der Monatsfrist erhoben worden.
Dem Antragsteller war jedoch auf seinen Antrag vom 2. September 2014 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Gemäß
§
67 Abs.
1 SGG ist einem Prozessbeteiligten auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert
war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Der Antragsteller hat durch die Angaben seines Prozessbevollmächtigten
glaubhaft gemacht, dass er bei Einlegung der Beschwerde diejenige Sorgfalt angewandt hat, die einem gewissenhaften Prozessführenden
zuzumuten ist. Dieser hat mitgeteilt, dass er den Beschwerdeschriftsatz in den Briefkasten des Justizzentrums Anhalt eingeworfen
habe. Allerdings sei dieser offenbar nicht zum SG gelangt, sondern vielmehr von ihm in seinem Anwaltsfach beim Amtsgericht D.-R. vorgefunden worden. Der Umschlag mit der Adressierung
"Sozialgericht DE" weist einen Eingangsvermerk des Amtsgerichts vom 18. August 2014 auf und zudem den Vermerk "zurück". In
dem Umschlag sei aber auch ein weiteres Schreiben an das SG vom 15. August 2014 gewesen, welches dem SG zugegangen sei. Diese Angaben sind für den Senat hinreichend glaubhaft. Das Schreiben vom 15. August 2014 ist nach Rücksprache
mit der dortigen Vorsitzenden der 12. Kammer des SG tatsächlich eingegangen. Es enthielt ein falsches Aktenzeichen (S 12 529/13) und ist dem zutreffenden Hauptsacheverfahren
(Aktenzeichen S 12 R 579/11) zugeordnet worden. In diesem Schreiben hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers auch bereits auf die eingereichte
Beschwerde im Eilverfahren Bezug genommen. Eine weitere Sachaufklärung, warum der Briefumschlag mit der Adressierung an das
SG letztlich beim Amtsgericht D.-R. in das Anwaltsfach eingelegt worden ist, war nicht mehr möglich. Da der am 2. September
2014 beim LSG Sachsen-Anhalt eingegangene Antrag auf Wiedereinsetzung auch innerhalb der Monatsfrist des §
67 Abs.
2 Satz 1
SGG gestellt und die verabsäumte Verfahrenshandlung mit dem hierbei eingereichten Beschwerdeschriftsatz nachgeholt worden ist,
ist dem Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Vorliegend handelt es sich um ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren zur Frage der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der
Klage nach §
86b Abs.
1 SGG. Zutreffend hat das SG darauf abgestellt, dass die zum Aktenzeichen S 12 R 579/11 erhobene Klage gegen den Bescheid vom 9. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2011 keine aufschiebende
Wirkung hat. Widerspruch und Klage haben grundsätzlich aufschiebende Wirkung (§
86a Abs.
1 SGG). Diese aufschiebende Wirkung entfällt allerdings bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzen oder entziehen
(§
86a Abs.
2 Nr.
3 SGG). In diesen Fällen kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage ganz oder
teilweise anordnen (§
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG). Bei der Verrechnung mit Bescheid vom 9. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2011 handelt
es sich um die teilweise Entziehung einer laufenden Leistung (Rentenzahlung). Daher hat die Anfechtungsklage gemäß §
86a Abs.
2 Nr.
3 SGG keine aufschiebende Wirkung (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 2. September 2010 - L 3 R 347/09 B ER - juris; für die Anwendung von §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG dagegen: LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14. Februar 2011 - L 5 R 17/11 B ER - juris; SG Fulda, Beschluss vom 26. April 2011 - S 3 R 130/11 ER - juris).
2.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Gemäß §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung
haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ebenso kann es gemäß §
86b Abs.
1 Satz 2
SGG, wenn der angegriffene Verwaltungsakt bereits vollzogen ist, die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Ob die aufschiebende
Wirkung ganz oder teilweise anzuordnen ist oder nicht, entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage
einer Abwägung, bei der das private Interesse des Bescheidadressaten an der Aufschiebung der Vollziehung gegen das öffentliche
Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes abzuwägen ist. Dabei gilt der Grundsatz, dass, je größer die
Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens sind, umso geringer die Anforderungen an das Aussetzungsinteresse des Antragstellers
zu stellen sind (Keller in Meyer-Ladewig/Leitherer,
SGG, 11. Aufl., §
86b, Rdnr. 12 ff.). Denn an der Vollziehung eines offenbar rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein öffentliches Interesse.
Andererseits ist die aufschiebende Wirkung bei einer aussichtslosen Klage nicht anzuordnen.
Um eine Entscheidung zugunsten des Bescheidadressaten zu treffen, ist deshalb jedenfalls zunächst erforderlich, dass bei summarischer
Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren,
2. Auflage 2008, Rdnr. 193 ff.). bestehen. Zudem ist ein Aussetzungsinteresse, mithin zumindest ein gewisses Maß an Eilbedürftigkeit,
erforderlich, so dass dem Betroffenen das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann (LSG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 6. März 2007 - L 28 B 290/07 AS ER).
An diesen Grundsätzen gemessen war die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den Bescheid der
Antragsgegnerin vom 9. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2011 nicht anzuordnen. Denn nach
dem derzeitigen Sach- und Streitstand ist die Erfolgsaussicht der Klage gering.
Nach §
52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche
gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach §
51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Nach §
51 Abs.
1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen,
soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach §
54 Abs.
2 und
4 SGB I pfändbar sind. Unter anderem mit Beitragsansprüchen kann der zuständige Leistungsträger nach §
51 Abs.
2 SGB I gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist,
dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird.
Diese Voraussetzungen sind nach summarischer Prüfung erfüllt:
a.
Die Verrechnungserklärung der Antragsgegnerin ist nicht zu beanstanden. Diese konnte die Verrechnung gegenüber dem Antragsteller
durch Bescheid vornehmen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 5. Februar 2009 - B 13 R 31/08 R - juris). Vor Erlass des belastenden Verrechnungsbescheides hat die Antragsgegnerin den Antragsteller auch mit Schreiben
vom 28. März 2011 angehört.
b.
Eine Aufrechnungslage ist hier ebenfalls gegeben. Die Forderung der Barmer GEK auf Sozialversicherungsbeiträge nebst Säumniszuschlägen
war nach den Mitteilungen im Verrechnungsersuchen vom 10. September 1999, erneuert durch das Verrechnungsersuchen vom 28.
Dezember 2010 und den weiteren Unterlagen, die am 10. März 2011 bei der Antragsgegnerin eingereicht worden sind, fällig. Die
Zahlungsansprüche der Barmer GEK gehen auf Beitragsforderungen aus dem Zeitraum vom 1. Juli 1997 bis 31. August 1998 zurück.
Diese hat insbesondere den Beitragsbescheid vom 12. Juli 2007 vorgelegt, aus dem sich eine Gesamtforderung von 28.362,33 EUR
ergab. Die Forderung ist zwischenzeitlich durch weitere Säumniszuschläge weiter angewachsen. Weder gegen den Grund noch die
Höhe der Forderung der Barmer GEK sind von dem Antragsteller Einwendungen geltend gemacht worden. Vielmehr hat dieser gegenüber
dem LSG mitgeteilt, dass Einwände gegen die Berechnung der Forderungshöhe durch die Barmer GEK nicht ersichtlich sind.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers können auch die aufgelaufenen Säumniszuschläge bei der Geltendmachung von Beitragsansprüchen
im Sinne des §
51 Abs.
2 SGB I berücksichtigt werden (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 84. Ergänzungslieferung, Dezember
2014, §
51 SGB I, Rdnr. 16). Diese sind als Nebenforderung Teil der Beitragsforderung.
c.
Ferner lag der Antragsgegnerin eine wirksame Ermächtigungserklärung vor. Es handelt sich dabei um eine empfangsbedürftige
Willenserklärung, die zu der Befugnis des ermächtigten Leistungserbringers führt, im eigenen Namen dessen Forderung zu verrechnen
(Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 84. Ergänzungslieferung, Dezember 2014, §
52 SGB I, Rdnr. 8, 9). Als empfangsbedürftige Willenserklärung muss die Ermächtigungserklärung hinreichend substantiiert sein. Sie
muss Art und Umfang der Forderung so genau bezeichnen, dass der Ermächtigte als Empfänger der Willenserklärung ohne weiteres
eine substantiierte Verrechnungserklärung abgeben kann (BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 60/02 R - SozR 4-1200 § 52 Nr. 1). Das Verrechnungsersuchen der Barmer GEK vom 4. Januar 2011, das letztlich die Grundlage der
weiteren Prüfung der Antragsgegnerin geworden ist, enthält Angaben zur Zusammensetzung der Haupt- und Nebenforderungen mit
Benennung des einbezogenen Zeitraums. Insgesamt lag zum damaligen Zeitpunkt unter Berücksichtigung von Säumniszuschlägen bis
28. Dezember 2010 eine bestandskräftig festgestellte und nicht verjährte Forderung in Höhe von 33.651,33 EUR vor. Das Verrechnungsersuchen
war daher auch hinreichend bestimmt.
Die Antragsgegnerin hat dieses auch mit dem Bescheid vom 9. Mai 2011 in der Gestalt Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober
2011 korrekt umgesetzt. Insbesondere hat sie die Forderung hinreichend dem Grunde und der Höhe nach bezeichnet.
d.
Die Pfändungsfreigrenzen (§
54 Abs.
3 bis
5 SGB I i.V.m. der
Zivilprozessordnung (
ZPO)) müssen bei der Verrechnung gemäß §
51 Abs.
2 SGB I entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht beachtet werden. Damit ist der Gesetzgeber von der im bürgerlichen Recht
bestehenden Verknüpfung von Aufrechenbarkeit und Pfändbarkeit (§
394 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB)) aus sozialpolitischen und verwaltungstechnischen Gründen abgewichen. Die Leistungsträger werden gegenüber anderen Gläubigern,
die §
394 BGB zu beachten haben, privilegiert (Häusler/Hauck/Noftz,
SGB I, §
51 Rdnr. 22).
e.
Die Aufrechnung der Antragsgegnerin ist auch nicht nach §§ 114 Abs. 1, Abs. 2,
95 Abs.
1 Satz 3,
96 Abs.
1 Nr.
1 Insolvenzordnung (
InsO) in der Fassung bis 30. Juni 2014 unwirksam. Diese Vorschriften sind im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da sie nur den
pfändbaren Teil der Dienstbezüge (hier der Altersrente) betreffen. Nur pfändbare Forderungen des Schuldners sind Vermögensbestandteil
der Insolvenzmasse (RWS-Kommentar Kübler/Prütting/Bork,
InsO, §
35 Rdnr. 81). Nach §
36 Abs.
1 Satz 1
InsO gehören die Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse. Nach §
36 Abs.
1 Satz 2
InsO gilt u.a. §
850c ZPO entsprechend. Die von der Antragsgegnerin verrechneten Teile der Altersrente sind jedoch nicht pfändbar, da sie unter der
Pfändungsfreigrenze des §
850c ZPO liegen. Die Antragsgegnerin rechnet also Forderungsgegenstände auf, die von vornherein nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegen
und somit dem Zugriff der Gläubiger entzogen sind. Damit finden die Vorschriften über die Einschränkung einer während des
Insolvenzverfahrens erfolgten Aufrechnung (§§
95,
96 InsO) keine Anwendung. Insbesondere ist die Vorschrift des § 114 Abs. 1
InsO in der Fassung bis 30. Juni 2014, die eine zeitliche Beschränkung der Aufrechnung mit laufenden Bezügen beinhaltet, nicht
einschlägig. Auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des §
54 Abs.
4 SGB I, der die Pfändung von Sozialleistungen nach Maßgabe der entsprechend anwendbaren §§
850 ff.
ZPO ermöglicht, hat der Gesetzgeber grundsätzlich eine von den zivilprozessualen Regeln abweichende Privilegierung von Sozialleistungsträgern
bei der Aufrechnung eingeräumt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll nicht nur dann, wenn die Einzelzwangsvollstreckung und
damit die Pfändung ausgeschlossen ist, im Interesse der Versichertengemeinschaft eine Aufrechnung noch möglich sein. Auch
in dem Fall, dass neben der Einzel- auch die Gesamtvollstreckung ausgeschlossen ist, wenn nämlich unpfändbare Gegenstände
nach §
36 Abs.
1 InsO nicht Gegenstand der Insolvenzmasse werden, soll die Möglichkeit der Aufrechnung weiterhin gegeben sein. Die zusätzliche
Anmeldung ihrer Forderung zur Insolvenztabelle durch die Barmer GEK hindert eine Verrechnung nicht.
f.
Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Verrechnung in Höhe von 100,00 EUR monatlich überschreitet nicht die Hälfte der dem
Antragsteller zustehenden Altersrente.
Der Antragsteller hat schließlich eine durch die Verrechnung eintretende Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften über
die Grundsicherung im Alter nach dem SGB XII nicht nachgewiesen. Nach §
51 Abs.
2 SGB I hat der Leistungsberechtigte selbst den Eintritt der Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des SGB XII nachzuweisen (vgl. z.B. Pflüger in PraxisKommentar
SGB I, §
51 Rdnr. 68). Der Antragsteller hat hier zuletzt die Bedarfsberechnung des Amtes für Soziales und Integration der Stadt D.-R.
vom 7. Juni 2011 vorgelegt. Hieraus ergab sich unter Berücksichtigung eines Regelsatzes von 328 EUR, anteiliger Kosten der
Unterkunft von 162 EUR, anteiliger Heizkosten von 45,60 EUR und der anzurechnenden Rente von 651,06 EUR (Zahlbetrag) bei einer
Bereinigung von 15,34 EUR durch Versicherungsbeiträge ein übersteigendes Einkommen von 100,12 EUR. Damit war zumindest zum
damaligen Zeitpunkt eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII nicht nachgewiesen. Zwischenzeitliche Änderungen seiner wirtschaftlichen Verhältnisse hat der Antragsteller nicht mitgeteilt.
Er hat insbesondere keine neue Bedarfsberechnung des Sozialamtes vorgelegt. Die Antragsgegnerin hat bereits im Verfahren vor
dem SG mit Schreiben vom 30. Oktober 2013 darauf hingewiesen, dass eine Änderung des Bedarfs oder die fehlende Deckung des Lebensunterhalts
durch die Rentenzahlung (nach Verrechnung) durch den Antragsteller jederzeit nachgewiesen werden können. Ein Klageverfahren
oder ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz sei hierzu nicht notwendig. Die Antragsgegnerin würde entsprechende neue
Bedarfsbescheinigungen umgehend umsetzen.
Auch der Senat hat mit Schreiben vom 8. Oktober und 3. November 2014 darauf hingewiesen, dass der Antragsteller eine etwaige
Hilfebedürftigkeit, insbesondere durch Vorlage einer Bescheinigung des Sozialhilfeträgers, belegen könne. Dieser hat jedoch
hiervon keinen Gebrauch gemacht. Dem Senat liegen weder Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des
Antragstellers vor, noch eine aktuelle Bedarfsberechnung. Insoweit kann hier im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht
geprüft werden, ob zwischenzeitlich Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII eingetreten ist. So können sich die durch den Sozialhilfeträger zu tragenden Kosten der Unterkunft und Heizung geändert haben.
Zudem wurde der Regelsatz seit 2011 jährlich zum 1. Januar der Folgejahre erhöht. Unklar ist allerdings, in welcher persönlichen
Situation der Antragsteller derzeit lebt, so dass bereits nicht geprüft werden kann, ob der Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe
1 oder 2 zu Grunde zu legen wäre. Weiterhin liegen keine Angaben des Antragstellers zu etwaigen Einnahmen neben seiner Rente
oder seinem Vermögen vor. Der Senat kann daher anhand der vorliegenden Unterlagen eine weitergehende Prüfung nicht vornehmen.
Dies geht zu Lasten des Antragstellers, der insbesondere im einstweiligen Rechtsschutzverfahren den Eintritt der Hilfebedürftigkeit
durch die Verrechnung zumindest glaubhaft darzulegen hat.
Die Antragsgegnerin ist mithin berechtigt, den unterhalb der Pfändungsfreigrenze des §
850c ZPO, aber oberhalb des Eintritts der Sozialhilfebedürftigkeit liegenden Betrag zu verrechnen. Dieser Betrag wurde hier zutreffend
mit 100 EUR monatlich festgelegt. Der Antragsteller ist nicht gehindert, eine anderweitige Bedarfsberechnung außerhalb des
vorliegenden Verfahrens gegenüber der Antragsgegnerin nachzuweisen.
g.
Die Antragsgegnerin hat bezüglich der Durchführung des Verrechnungsersuchens auch eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende
Ermessensentscheidung getroffen. So hat sie bereits im Anhörungsschreiben vom 28. März 2011 darauf hingewiesen, dass eine
Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen sei. Im Bescheid vom 9. Mai 2011 berücksichtigte sie dann im Rahmen der
Ermessenserwägungen die Bedarfsbescheinigung vom 15. April 2011. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens wurde sodann die neue
Bedarfsbescheinigung vom 7. Juni 2011 herangezogen und eine Reduzierung des Verrechnungsbetrages von 133,56 EUR auf 100 EUR
monatlich verfügt. Aus dem Vortrag des Antragstellers haben sich keine weiterführenden Erkenntnisse zu seinen persönlichen
Lebensverhältnissen gewinnen lassen, sondern lediglich Argumente gegen die rechtliche Zulässigkeit der Verrechnung. Daher
konnte die Antragsgegnerin im Übrigen auf vorrangige Interessen der Versichertengemeinschaft an der Abführung geschuldeter
Sozialversicherungsbeiträge abstellen.
3.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).