Anordnungsgrund; einstweiliger Rechtsschutz; Sparvermögen; Schonvermögen; akute wirtschaftliche Notlage; akute finanzielle
Notlage; Darlehen; Darlehensangebot; Zumutbarkeit; Beschaffung von Heizmaterial; Eilbedürftigkeit
Gründe:
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) erstrebt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
die (vorläufige) Verpflichtung des Beschwerdegegners und Antragsgegners (im Folgenden: Antragsgegner) zur Übernahme von Kosten
zur Beschaffung von Kohle in Höhe von 1280,00 EUR.
Die 1958 geborene Antragstellerin bewohnt mit ihrem 1952 geborenen Ehemann ein Eigenheim in B. (Wohnfläche: ca. 79 m²). Die
Beheizung erfolgt mit Kohle, die Aufbereitung von Warmwasser über Strom. Der Ehemann der Antragstellerin bezieht eine monatliche
Altersrente (für schwer behinderte Menschen) in Höhe von 973,20 EUR.
Mit Bescheid vom 11. August 2016 lehnte der Antragsgegner (auf einen Folgeantrag der Antragstellerin ab 1. Juli 2016) die
Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ab: Die Antragstellerin sei nicht hilfebedürftig. Das anzurechnende Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft (bestehend aus
der Antragstellerin und ihrem Ehemann) übersteige den Gesamtbedarf. Nach den anliegenden Berechnungsbögen ergaben sich übersteigende
monatliche Einnahmen in Höhe von 118,83 EUR (Juli 2016), 141,86 EUR (August 2016) 158,46 EUR (September 2016), 118,83 EUR
(Oktober 2016), 141,84 EUR (November 2016), 158,46 EUR (Dezember 2016), 158,84 EUR (Januar 2017) 181,86 EUR (Februar 2017),
198,46 EUR (März 2017), 158,83 EUR (April 2017), 181,86 EUR (Mai 2017) und 198,46 EUR (Juni 2017). Über den hiergegen eingelegten
Widerspruch, mit welchem die Antragstellerin die Nichtberücksichtigung von ernährungsbedingten Mehrbedarfen wegen Laktoseintoleranz
bzw. Multiallergien sowie näher bezeichneten Betriebs- und Nebenkosten für das Haus geltend machte, hat der Antragsgegner
bislang nicht entschieden.
Die Antragstellerin beantragte am 8. September 2012 die Gewährung von Leistungen zur Beschaffung von Brennstoffen (für den
Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis 1. Juli 2017) in Höhe von 1280,00 EUR. Die Kohle solle im Oktober 2016 bestellt werden.
Der Antrag wurde mit Bescheid vom 27. Oktober 2016 abgelehnt: Es ergebe sich unter Berücksichtigung einer angemessenen Wohnfläche
von 60 m² für Oktober 2016 bis Juni 2017 ein angemessener Bedarf in Höhe von 1192,60 EUR, welchem das übersteigende Einkommen
in Höhe von insgesamt 1497,44 EUR gegenüberzustellen sei. Die monatlich übersteigenden Beträge seien zur Finanzierung des
Heizmaterials anzusparen. Der Antragsgegner verwies im Übrigen darauf, dass eine darlehensweise Übernahme möglich sei, wenn
zur Überbrückung des Ansparzeitraums finanzielle Mittel benötigt würden.
Die Antragstellerin hat am 28. Oktober 2016 beim Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt: Sie verfüge über keine Kohle mehr und könne
diese auch nicht aus einem Betrag von 15,00 EUR, den sie seit Juli 2016 als monatliches Wohngeld erhalte, finanzieren. Ihr
Girokonto weise einen Negativsaldo aus. "Einen Kredit" brauche sie nicht, da ihr "die Zuwendung" seitens des Antragsgegners
zustehe.
Mit Beschluss vom 23. November 2016 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt: Es bestehe jedenfalls kein Anordnungsgrund. Die Antragstellerin
bilde mit ihrem Ehemann eine sog. "gemischte Bedarfsgemeinschaft", welcher monatliche Einnahmen in Höhe von 973,20 EUR (Altersrente
des Ehemannes) sowie 15,00 EUR (Wohngeld) zur Verfügung stünden. Unterkunftskosten hätte die Antragstellerin in einer eigenen
Aufstellung mit jährlich 978,95 EUR (monatlich durchschnittlich ca. 79,00 EUR) angegeben, in der auch die im Widerspruch gegen
den Ablehnungsbescheid vom 11. August 2016 monierten Kostenfaktoren enthalten seien. Die zu berücksichtigenden monatlichen
Regelbedarfe und Mehrbedarfe für Warmwasserbereitung beliefen sich auf monatlich 744,74 EUR, woraus sich ein durchschnittlicher
monatlicher Überhang von ca. 130,00 EUR ergebe. Dieser könne auch für Heizkosten eingesetzt werden. Wegen der geltend gemachten
Mehrbedarfe für Ernährung sei nicht ersichtlich, dass die vorgetragenen Erkrankungen der Antragstellerin und ihres Ehemannes
tatsächlich mit erhöhten Kosten einhergingen. Die Antragstellerin habe zwar eine Übernahme der Kosten der Kohlelieferung für
ein ganzes Jahr begehrt, es seien jedoch auch Teilkäufe möglich. Ob der Antragstellerin aufgrund der tatsächlichen Anschaffung
von Heizmitteln teilweise Leistungen nach zu bewilligen seien, könne im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Im Rahmen eines
einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sei allerdings auch zu prüfen, ob anderweitige finanzielle Mittel zur Überbrückung einer
Notlage vorhanden seien. Hierbei könne auch auf sog. "Schonvermögen" zurückgegriffen werden, sofern es verfügbar sei. Die
Dringlichkeit einer Rechtsschutzgewährung sei in einem solchen Fall zu verneinen und ein Abwarten der Hauptsache dem Betroffenen
zumutbar. Der Betroffene könne dann auf das Hauptsacheverfahren und eine eventuelle nachträgliche Leistungsgewährung verwiesen
werden. Aus den von der Antragstellerin vorgelegten Sparbuchauszügen ergebe sich ein Guthaben von ca. 1300,00 EUR, welches
auch kurzfristig zur Verfügung stehe. Für eine (von der Antragstellerin erwähnte) in Planung stehende Ofensanierung könnten
das nicht benötigte Sparbuchguthaben sowie nachbewilligte Leistungen bzw. die bis dahin aufgrund des monatlichen Einkommensüberhangs
noch vorhandenen Mittel eingesetzt werden. Eine vom Antragsgegner vorgeschlagene Darlehensgewährung habe die Antragstellerin
ausdrücklich abgelehnt.
Gegen den ihr am 25. November 2016 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 12. Dezember 2016 Beschwerde eingelegt
und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt. Am 13. Januar 2017 hat sie die Beiordnung von Rechtsanwalt R. beantragt:
Der geltend gemachte Anspruch auf die Bewilligung von Heizkosten habe im Zeitpunkt der Antragstellung vorgelegen. Der Verweis
auf die Inanspruchnahme von Schonvermögen oder Einsparungen greife hier nicht. Denn sie habe erklärt, das vorhandene Guthaben
für eine Ofensanierung verwenden zu wollen sowie auf eine Mehrzahl anhängiger Verfahren wegen streitiger Leistungsansprüche
mit dem Antragsgegner verwiesen. Sie habe "in der Zwischenzeit" selbst Heizmaterial beschaffen müssen. Teillieferungen würden
durch die Versorger nicht getätigt.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 23. November 2016 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen
Anordnung zu verpflichten, ihr einen Betrag in Höhe von 1280,00 EUR zur Beschaffung von Brennstoffen zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragstellerin habe einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, es fehle an der Eilbedürftigkeit. Eine etwaige Notlage
müsse sie ggf. durch den Einsatz von Schonvermögen überbrücken. Es sei außerdem zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin
und ihr Ehemann die Sparbücher regelmäßig mit monatlichen Einzahlungen in Höhe von insgesamt je 85,00 EUR bedienten, aber
anscheinend nicht bereit seien, finanzielle Mittel für Heizkosten zurückzulegen bzw. anzusparen. Für die lediglich in Planung
befindliche Ofensanierung könnten zukünftig das nicht für die Anschaffung von Heizmaterial benötigte Sparguthaben sowie eventuell
nachbewilligte Leistungen und die monatlichen Einkommensüberhänge eingesetzt werden. Des Weiteren habe die Antragstellerin
die angebotene Inanspruchnahme eines Darlehens ausdrücklich abgelehnt. Außerdem mangele es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs.
Der monatliche Hilfebedarf der Antragstellerin und ihres Ehemannes liege nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren anzustellenden
summarischen Prüfung - abgesehen von November 2016 - stets unter dem einzusetzenden bereinigten Gesamteinkommen. Soweit vorgetragen
werde, es würden noch mehrere Verfahren wegen streitiger Leistungsansprüche geführt, so seien derzeit lediglich noch ein Widerspruchsverfahren
und eine Untätigkeitsklage anhängig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte
des Antragsgegners ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen waren Gegenstand der Beratung des Senats.
II.
1. Die Beschwerde ist statthaft (§
172 Sozialgerichtsgesetz -
SGG), form- und fristgerecht eingelegt worden (§
173 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Der Wert von 750,00 EUR gemäß §
172 Abs.
3 Nr.
1 in Verbindung mit §
144 Abs.
1 Nr.
1 SGG ist überschritten. Die Antragstellerin begehrt Leistungen für die Anschaffung von Heizmaterial in Höhe von 1280,00 EUR.
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG abgelehnt. Der Senat nimmt insoweit entsprechend §
153 Abs.
2 SGG auf die zutreffenden Gründe im angefochtenen Beschluss des SG vom 23. November 2016 Bezug, die er sich nach eigener Prüfung zu Eigen macht. Danach fehlt es jedenfalls schon am Vorliegen
eines Anordnungsgrundes. Dieser bezieht sich auf die Eilbedürftigkeit zur Abwendung wesentlicher Nachteile.
Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das
Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses
Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen
zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens
getroffen werden, die das Gericht der Hauptsache nicht bindet. Ein Anordnungsgrund ist (wie auch der Anordnungsanspruch) glaubhaft
gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die
Richtigkeit der Angaben spricht (Landessozialgericht [LSG] Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. Juni 2016 - L 4 AS 249/16 B ER; vgl. auch Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014, §
86b Rn. 16b).
a) Das SG hat zu Recht darauf abgestellt, dass ein Anordnungsgrund bereits an der Möglichkeit des Rückgriffs auf ein vorhandenes Schonvermögen
(Sparkonten in Höhe von derzeit ca. 1300,00 EUR) scheitert, welche im Übrigen regelmäßig weiter "bespart" werden. Nach der
Rechtsprechung des Senats ist im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig kein Anordnungsgrund gegeben, wenn der Antragsteller
sofort verfügbares Sparvermögen hat. Es ist ihm in solchen Fällen zuzumuten, dieses zunächst als bereites Mittel zur Deckung
des Bedarfs einzusetzen, auch wenn es sich um Schonvermögen handelt. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann nicht
"auf Vorrat" betrieben werden, sondern setzt eine akute finanzielle Notlage voraus (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.
Oktober 2014 - L 4 AS 423/14 B ER). Eine solche akute Notlage ist hier indes nicht gegeben, da zum einen ein nicht unbeträchtliches Schonvermögen in Höhe
von ca. 1300 EUR vorhanden ist und dieses zum anderen auch noch - aus offenkundig vorhandenen monatlichen Einkommensüberhängen
- regelmäßig "vergrößert" wird (vgl. z. B. die regelmäßigen Einzahlungen auf zwei verschiedene Sparkonten gemäß Bl. 923 der
Verwaltungsakte). Die Antragstellerin hat auch auf den ausdrücklichen Hinweis des Antragsgegners nicht etwa geltend gemacht,
dass solche Sparraten aktuell nicht mehr überwiesen würden. Bereits diese Umstände, die für Bezieher von Leistungen nach dem
SGB II eher ungewöhnlich und untypisch erscheinen, widerlegen eine etwaige finanzielle Notlage. In diesem Zusammenhang ergibt sich
auch nichts anderes aus einer ggf. in Aussicht genommenen Verwendung des bereits angesparten Betrages für eine Ofensanierung.
Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, dass damit bereits der gesamte Betrag (zuzüglich der weiteren in den kommenden
Monaten ggf. noch anzusparenden Beträge) aufgebraucht würde, ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass diese Kosten innerhalb
des vom Antrag umfassten Zeitraums (bis 1. Juli 2017) auch tatsächlich anfallen. Nach den vorliegenden Unterlagen kann bislang
allenfalls von einer grundsätzlichen Planungsphase ausgegangen werden.
b) Ebenso hat das SG einen fehlenden Anordnungsanspruch zu Recht auch auf den weiteren - selbstständig tragenden - Gesichtspunkt der seitens der
Antragstellerin zurückgewiesenen Inanspruchnahme des vom Antragsgegner angebotenen Darlehens gestützt. Indem die Antragstellerin
das entsprechende Angebot des Antragsgegners mit dem bloßen Hinweis zurückgewiesen hat, ein Kredit werde nicht gebraucht,
da ihr "die Zuwendung zustehe", gibt sie selbst zu erkennen, dass ihr Ansinnen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht
auf einer tatsächlichen Notlage beruht, sondern letztlich allein der - nach Auffassung der Antragstellerin - in Betracht kommende
(Hauptsache-) Anspruch als solcher geltend gemacht werden soll. Dessen Erfüllung ist jedoch nicht Sinn und Zweck des Verfahrens
des einstweiligen Rechtsschutzes, sondern grundsätzlich allein Gegenstand des Hauptsacheverfahrens.
Die Antragstellerin war vor der Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe (im einstweiligen Rechtsschutzverfahren) zunächst verpflichtet,
die genauen Modalitäten einer vom Antragsgegner in Aussicht gestellten darlehensweisen Gewährung durch diesbezügliche Kontaktaufnahme
mit dem Antragsgegner zu klären. Erst bei Erfolglosigkeit dieser Bemühungen oder ggf. unzumutbaren Bedingungen für eine Darlehensgewährung
hätte möglicherweise ein Anlass für die Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes bestanden. Solange die Antragstellerin
der ihr zumutbaren Selbsthilfeverpflichtung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II) nicht nachgekommen ist, bestand kein Anordnungsgrund, der das SG zum Einschreiten hätte veranlassen können (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 7. Mai 2015 - L 4 AS 52/15 B ER). Mit ihrer ausdrücklichen Ablehnung im Schriftsatz vom 21. November 2016 hat die Antragstellerin die konkrete Möglichkeit
zur Gewährung entsprechender Leistungen verhindert.
Da nach alledem jedenfalls ein Anordnungsgrund ausscheidet, kommt es auf das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht mehr
an.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
4. Prozesskostenhilfe war für das Beschwerdeverfahren nicht zu bewilligen, da die Rechtsverfolgung nach den vorstehenden Ausführungen,
auf die verwiesen wird, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hat (§
73a Abs.
1 SGG in Verbindung mit §§
114 ff.
Zivilprozessordnung -
ZPO).
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.