Kostenerstattung nach dem BSHG für erbrachte Leistungen der stationären Eingliederungshilfe; Korrektur des Rubrums bei falscher Bezeichnung von Beteiligten;
Rechtmäßigkeit der Errichtung der Sozialagentur Sachsen-Anhalt
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von dem Beklagten Kostenerstattung nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) für der Hilfeempfängerin Bi. N. (HE) erbrachte Leistungen der stationären Eingliederungshilfe im Zeitraum vom 10. Februar
1999 bis zum 30. November 2002.
Die 1959 in B. geborene HE ist körperlich und geistig wesentlich behindert, blind und gehörlos (weitere Diagnosen: Imbezillität,
Epilepsie, starke Verhaltensstörung mit Autoaggressivität, Inkontinenz). Sie lebte mit ihren Eltern zunächst in B. -F ...
Von Mai 1962 bis Januar 1963 wurde sie in der Kinderpsychiatrischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses H. in B. Li. behandelt.
In der Folgezeit war sie im Spezial-Kinderheim "W." in Ba. Fr. (Bezirk Fra./O.) untergebracht. Seit Oktober 1974 lebt die
HE in den N. Anstalten in N ...
Auf den ersten Sozialhilfeantrag vom 14. Juni 1991 erteilte das Amt für Versorgung und Soziales Magdeburg als überörtlicher
Sozialhilfeträger unter dem 27. November 1991 ein Grundanerkenntnis über Eingliederungshilfe nach § 39 iVm § 40 BSHG in einer stationären Einrichtung, stellte die Zugehörigkeit der HE zum Personenkreis der körperlich und geistig wesentlich
behinderten Menschen iSv § 39 Abs. 1 BSHG iVm §§ 1, 2 der Verordnung zu § 47 BSHG fest und erkannte die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe gemäß § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG ab dem 1. Juli 1991 an. Seither bezieht die HE Eingliederungshilfeleistungen vom Kläger; die Leistungserbringung wurde durch
den damaligen Landkreis Quedlinburg als herangezogener Gebietskörperschaft abgewickelt.
Mit Schreiben vom 7. Februar 2000 meldete der Landkreis Quedlinburg bei der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales Berlin
einen "Erstattungsanspruch §§ 103 ff. BSHG" im Namen des überörtlichen Sozialhilfeträgers des Landes Sachsen-Anhalt für die HE an, bat um Anerkennung der Kostenerstattungspflicht
dem Grunde nach sowie um Übernahme des Hilfefalls in eigene Zuständigkeit ab dem 1. Oktober 2002. Er führte aus, vor ihrer
Aufnahme in der Einrichtung habe die HE ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gehabt.
Mit Schreiben vom 19. September 2002 erkannte das Bezirksamt Lichtenberg des Beklagten eine Kostenerstattungspflicht gemäß
§ 103 BSHG unter Beachtung der Ausschlussfrist gemäß § 111 SGB X dem Grunde nach ab dem 10. Februar 1999 (Eingang des Kostenerstattungsantrags) an. Zugleich erklärte das Bezirksamt, der
Hilfefall werde ab dem 1. Dezember 2002 in die laufende Bearbeitung übernommen und insoweit der Zuständigkeitswechsel nach
§ 97 Abs. 2 BSHG vollzogen.
Mit Schreiben vom 28. April 2003 bezifferte der Landkreis Quedlinburg den Erstattungsanspruch für den Zeitraum vom 10. Februar
1999 bis zum 30. November 2002 auf insgesamt 89.739,39 EUR: 1999: 41.696,46 DM entspricht 21.319,06 EUR 2000: 40.181,25 DM
entspricht 20.544,35 EUR 2001: 48.750,78 DM entspricht 24.925,88 EUR bis 30. November 2002: 22.950,10 EUR 89.739,39 EUR Er
legte eine nach Monaten und Jahren differenzierte Auflistung der Aufwendungen vor, von denen er jeweils die erzielten Einnahmen
der HE sowie ab Januar 2002 den von den Eltern monatlich iHv 26,00 EUR gezahlten Unterhaltsbeitrag abzog.
Mit Schreiben vom 7. Mai 2003 wies das Bezirksamt Lichtenberg des Beklagten den Landkreis Quedlinburg darauf hin, nach dem
Einkommensteuergesetz (
EStG) und dem
Bundeskindergeldgesetz (BKiGG) lägen bei der HE die Voraussetzungen für einen Bezug von Kindergeld vor. Das Finanzgericht (FG) vertrete die Auffassung,
dass eine Abzweigung des Kindergeldes nicht in Betracht komme, wenn die Eltern ein anderweitig untergebrachtes Kind regelmäßig
in den elterlichen Haushalt holten und dort betreuten. Wenn die Kindergeldberechtigten keinen Antrag auf Kindergeld gestellt
hätten, könne auch der Träger der Sozialhilfe diesen Antrag stellen und eine Erstattung gemäß §
74 Abs.
5 EStG herbeiführen. Es werde daher um Mitteilung gebeten, ob die Eltern der HE ihrer Unterhaltspflicht nachgekommen seien (z.B.
durch Besuche), oder was eine Nichtanrechnung des Kindergeldes rechtfertige bzw. warum bislang keine Abzweigung des Kindergeldes
erfolgt sei.
Hierzu führte der Landkreis Quedlinburg mit Schreiben vom 14. Mai 2003 aus, der überörtliche Träger der Sozialhilfe vertrete
die Auffassung, dass das Kindergeld Einkommen des Kindergeldberechtigten sei. Von den Eltern als Unterhaltsverpflichteten
werde nicht ausschließlich die Zahlung des Kindergeldes gefordert. Dies entspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes
(VGH) München. Man habe in einigen Fällen die Erstattung des Kindergeldes gemäß §
74 EStG angestrebt, jedoch im Verwaltungsverfahren bis hin zur Einspruchsentscheidung des Arbeitsamts Dessau eine Überleitung nicht
erreichen können.
Mit Schreiben vom 21. Mai 2003 teilte das Bezirksamt Lichtenberg des Beklagten mit, es habe für den Leistungsfall eine Erstattungszahlung
iHv insgesamt 83.305,52 EUR überwiesen. Ein Teilbetrag in Höhe des Gesamtbetrags des Kindergeldanspruches sei zunächst einbehalten
worden. Es solle noch eine Prüfung erfolgen. Insoweit werde auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Der Betrag wurde wie
folgt berechnet: 1999: 19.892,40 EUR, abgezogen: 1.406,05 EUR (11 x 250,00 DM) 2000: 18.887,86 EUR 1.656,59 EUR (12 x 270,00
DM) 2001: 23.269,26 EUR 1.656,59 EUR (12 x 270,00 DM) 2002: 21.256,10 EUR 1.694,00 EUR (11 x 154,00 EUR) 83.305,52 EUR 6.413,23
EUR
Die nach Korrektur zweier Fehlbeträge aufgrund unterschiedlicher Rechtsauffassungen zur Abzweigung von Kindergeld verbleibende
Differenz zwischen Erstattungsforderung und -leistung i.H.v. 6,370, 20 EUR rechtfertigte das Bezirksamt Lichtenberg des Beklagten
mit einem Gerichtsbescheid des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 17. Februar 2004 (Az.: VIII R 58/03). Die Entscheidung bestätige, dass ein Abzweigungsanspruch bestehe, wenn die Eltern keinen Unterhalt gewährten.
Im August 2004 gab der Landkreis Quedlinburg den Vorgang an die Sozialagentur Sachsen-Anhalt (SA LSA) ab und bat um klageweise
Durchsetzung der Forderung.
Mit Schreiben vom 15. Dezember 2004 teilte der Soziale Dienst der N. Anstalten dem Landkreis Quedlinburg auf Nachfrage mit,
dass in diesem Fall ein guter Familienkontakt bestehe. Die Mutter stehe in Kontakt mit der Einrichtung und besuche die Tochter,
so oft es ihr möglich sei. Die HE könne von den Eltern nicht nach Hause geholt werden, da sie die Fahrten nicht vertrage.
Die Mutter nehme an Veranstaltungen in der Einrichtung teil und unterstützte auch Feierlichkeiten wie Geburtstage und Weihnachten.
Die SA LSA übersandte die Bestätigung der Einrichtung an das Bezirksamt Lichtenberg des Beklagten und führte dazu aus, wegen
des regen Kontakts zwischen Eltern und HE sei eine Abzweigung des Kindergeldes nicht möglich gewesen. Zudem vertrete das FG
Sachsen-Anhalt die Auffassung, dass eine Abzweigung des Kindergeldes nur möglich sei, wenn der Kindergeldberechtigte keinen
Kontakt zu seinem Kind habe. In der Folgezeit kam es nicht zu einer Einigung.
Am 6. September 2005 hat die "Sozialagentur Sachsen-Anhalt, vertreten durch den Geschäftsführer" als Klägerin bei dem Sozialgericht
Berlin Leistungsklage auf Erstattung von 6.373,20 EUR zuzüglich Prozesszinsen erhoben. Mit Beschluss vom 26. Oktober 2005
hat das Sozialgericht Berlin den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Halle (SG) verwiesen.
Zur Begründung der Klage hat der Kläger vorgetragen, der Beklagte sei zur vollständigen Erstattung der Sozialhilfeaufwendungen
verpflichtet. Die Entscheidung, das Kindergeld für die HE den kindergeldberechtigten Eltern zu belassen, sei rechtmäßig gewesen.
Da die Mutter der HE für einen Teil des Unterhaltes aufkomme und ihre Tochter regelmäßig besuche, habe sie Anspruch auf das
Kindergeld gehabt. Daher habe man von einem Antrag auf Abzweigung des Kindergelds Abstand genommen. In dem vom BFH entschiedenen
Fall habe kein Kontakt zwischen Eltern und Kind bestanden. Streitgegenständlich hier sei aber der Zeitraum von Februar 1999
bis zum 30. November 2002. Zu dieser Zeit habe im Land Sachsen-Anhalt die Verwaltungspraxis bestanden, eine Abzweigung des
Kindergeldes nur dann zu beantragen, wenn die Eltern keinen Kontakt zur HE hätten. Bei einer Dienstberatung am 20. September
2000 sei die Kindergeldproblematik besprochen worden. Danach sei auf Grundlage der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 15.
Oktober 1999), nach der das Kindergeld Einkommen des Kindergeldberechtigten darstelle, die bisherige Verfahrensweise der Überleitung
des Kindergelds auf den überörtlichen Träger der Sozialhilfe aufgegeben worden. Nur wenn der Kindergeldberechtigte keinen
Kontakt zu seinem Kind gehabt habe, sei die Abzweigung des Kindergelds bei der Familienkasse an den überörtlichen Träger der
Sozialhilfe beantragt worden. Erst im Jahr 2006 seien die herangezogenen Gebietskörperschaften von der SA LSA angewiesen worden,
Abzweigungen - nach Lage des Falles - ganz oder teilweise bei der Familienkasse zu beantragen.
Der Beklagte hat dazu ausgeführt, dass nach § 111 Abs. 1 Satz 1 BSHG die aufgewendeten Kosten zu erstatten seien, soweit die Hilfe dem Gesetz entspreche. Aufgrund des Interessenwahrungsgrundsatzes
sei der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe berechtigt und verpflichtet, den Fall so umsichtig wie einen eigenen
Fall zu behandeln. Dazu gehöre auch, dass er vorrangige Ansprüche durchsetze. Unterlasse er dies, habe er in Höhe des dadurch
nicht realisierten vorrangigen Anspruchs keinen Kostenerstattungsanspruch. Hier habe der Landkreis Quedlinburg pflichtwidrig
gar nicht erst erwogen, einen Anspruch auf das Kindergeld der HE geltend zu machen. Es komme daher nicht darauf an, ob der
Anspruch zur damaligen Zeit habe durchgesetzt werden können. Der Beklagte habe - nach Übernahme des Falles in die eigene Zuständigkeit
- am 19. Dezember 2002 einen Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes für die HE bei der Familienkasse gestellt. Der Antrag
sei abgelehnt worden. Über die dagegen erhobene Klage (Az. 4 K 11XX/03) habe das FG Sachsen-Anhalt (SA) noch nicht entschieden.
Der Kindergeldanspruch sei gegenüber Sozialhilfeansprüchen vorrangig und daher geltend zu machen.
Mit Urteil vom 21. November 2007 hat das SG den Beklagten verurteilt, an die SA LSA 6.373,20 EUR zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechthängigkeit zu zahlen.
Die Kostenerstattungspflicht des Beklagten sei nicht nach § 111 BSHG entfallen. Der Kläger sei nicht verpflichtet gewesen, das Kindergeld für die HE nach §
74 EStG an sich abzweigen zulassen. Nur die fehlende Geltendmachung realisierbarer Ansprüche gegen Dritte könne zu einer Verletzung
des Interessenwahrungsgrundsatzes führen. Gemäß § 111 Abs. 1 Satz 2 BSHG seien bei der Beurteilung die die Gewährung von Sozialhilfe am Aufenthaltsort der HE zur Zeit der Hilfegewährung geltenden
Grundsätze zu beachten. Die Verwaltungspraxis im Land Sachsen-Anhalt sei nicht zu beanstanden. Da die Mutter im ständigen
Kontakt zur HE gestanden habe, sei ein Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes aussichtslos gewesen. Die SA LSA sei nach pflichtgemäßen
Ermessen nicht verpflichtet gewesen, den offensichtlich aussichtlosen Antrag auf Abzweigung zu stellen. Dies werde durch die
Ablehnung des Abzweigungsantrags des Beklagten durch die Familienkasse und die Rechtsprechungspraxis des FG SA bestätigt.
Gegen das ihm am 3. Dezember 2007 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 21. Dezember 2007 Berufung eingelegt und vorgetragen,
dass nach dem Interessenwahrungsgrundsatz der hilfegewährende Träger die Pflicht habe, alle nach Lage des Einzelfalles zumutbaren
und möglichen Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen, um die erstattungsfähigen Kosten möglichst niedrig zu halten. Dazu gehöre
auch die Durchsetzung vorrangiger Ansprüche. Die SA LSA räume ein, dass die Abzweigung von Kindergeld ein solcher vorrangiger
Anspruch sei, der der Gewährung von Eingliederungshilfe vorgehe. Aus § 111 BSHG ergebe sich nicht, dass der Interessenwahrungsgrundsatz nur dann verletzt sei, wenn ein realisierbarer Anspruch nicht durchgesetzt
worden sei. Dies könne auch hypothetisch nicht beurteilt werden. Vielmehr müsse grundsätzlich versucht werden, den Nachranggrundsatz
durchzusetzen. Im vorliegenden Fall seien in den Jahren 1999 bis 2002 keine - aus der Verwaltungsakte ersichtlichen - tatsächlichen
Feststellungen zu Art und Umfang der Betreuungsleistungen der Eltern getroffen worden. Auch eine nur ansatzweise Prüfung der
Durchsetzbarkeit des vorrangigen Anspruchs sei unterblieben. Dies sei rechtswidrig und verletze den Interessenwahrungsgrundsatz.
Wenn die Rechtslage zweifelhaft sei, müsse der notwendige Antrag gestellt und ggf. der Rechtsweg bis zur Klage beschritten
werden. Eine entgegenstehende Verwaltungspraxis sei nur dann zu berücksichtigen, wenn die dort getroffenen Regelungen dem
Gesetz entsprächen. Eine Dienstanweisung, mit der generell auf eine Abzweigung von Kindergeld verzichtet werde, verletze jedoch
den Nachranggrundsatz. Entgegen der Auffassung des SG sei die Frage der Stellung des Antrags auf Abzweigung keine Ermessensentscheidung. Selbst wenn der Interessenwahrungsgrundsatz
nur die Geltendmachung durchsetzbarer Ansprüche voraussetze, sei das Urteil angesichts der Rechtsprechung des BFH nicht überzeugend.
Mit rechtskräftigem Urteil vom 11. Dezember 2007 (Az.: 4 K 11XX/03) hat das FG SA den Bescheid über die Ablehnung der Abzweigung
des Kindergeldes für die HE durch die Familienkasse aufgehoben, und diese verpflichtet, den dortigen Kläger (Land Berlin)
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Mit Bescheid vom 17. Januar 2008 hat die Familienkasse
Magdeburg dem Antrag des Beklagten auf Abzweigung des Kindergeldes vom 19. Dezember 2002 teilweise entsprochen und für den
Zeitraum von Dezember 2002 bis Dezember 2004 einen Betrag iHv 128,00 EUR monatlich sowie ab Januar 2005 einen Betrag iHv 108,00
EUR monatlich aus dem Kindergeldanspruch der Mutter der HE an den Beklagten abgezweigt.
Mit Schreiben vom 25. März 2009 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass das Rubrum zu korrigieren sei, da nach
§ 2 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 Nr. 6 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (AG SGB
XII LSA vom 11. Januar 2005, GVBL. LSA 2005, 8) das Land Sachsen-Anhalt überörtlicher Träger der Sozialhilfe und daher der
richtige Kläger sei.
Auf Aufforderung des Senats hat das Ministerium für Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt eine "General-Termins-Vollmacht"
für den Leiter der SA LSA vorgelegt und ausgeführt, das Land als überörtlicher Träger der Sozialhilfe habe von der Möglichkeit
der Übertragung dieser Aufgabe gemäß § 2 Abs. 2 AG SGB XII LSA u.a an eine juristische Person des öffentlichen Rechts keinen
Gebrauch gemacht. Es erledige die Aufgaben des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe selbst durch die SA LSA als Landesbetrieb.
Diese nehme als Behörde des Landes gemäß § 1 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) Aufgaben des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wahr.
Der Beklagte hat ausdrücklich einer Rubrumsberichtigung widersprochen. Die SA LSA sei nach §
73 Abs.
6 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) nicht wirksam bevollmächtigt, das Land vor dem Landessozialgericht zu vertreten. Eine entsprechende Vertretungsbefugnis
ergebe sich weder aus dem Gründungserlass noch aus der vorgelegten Generalterminsvollmacht. Die SA LSA sei keine Behörde i.S.v.
§ 1 Abs. 2 SGB X, denn zur wirksamen Behördenerrichtung bedürfe es eines Gesetzes. Die Gründung als Landesbetrieb nach § 26 LHO genüge dem Gesetzesvorbehalt nicht. Zudem sei die Errichtung als Landesbetrieb die rechtlich falsche Handlungsform, denn
es gehe bei Landesbetrieben um eine wirtschaftliche Aufgabenerledigung. Die Erträge sollten die Aufwendungen des Betriebes
decken. Außerdem weise die Errichtungsverfügung Mängel auf. Es seien weder Prozessvertretung noch Fachaufsicht geregelt. Die
SA LSA dürfe nicht im Außenverhältnis tätig werden und müsse unter dem Briefkopf des Landes firmieren. Daher sei eine Berichtigung
des Rubrums nicht möglich. Eine Klageänderung in Form des Parteiwechsels sei nicht sachdienlich. Die SA LSA sei bei Klageerhebung
nicht aktiv legitimiert gewesen. Die gravierenden Rechtsmängel könnten nicht dadurch geheilt werden, dass nunmehr das Land
Kläger sein solle. Es liege kein Fall einer fehlerhaften Klägerbezeichnung vor. Das Land sei sich seiner rechtlich zulässigen
Handlungsvarianten bewusst gewesen und habe von der Möglichkeit der Übertragung der Aufgaben an eine juristische Person des
öffentlichen oder privaten Rechts gerade keinen Gebrauch gemacht.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 21. November 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, es habe keines Gesetzes zur Errichtung der SA LSA als Behörde bedurft. Diese habe nicht im eigenen
Namen, sondern handelnd für das Land geklagt. Es handele sich lediglich um eine missverständliche Bezeichnung. Eine Rubrumsberichtigung
sei auch bei Falschbezeichnung des Klägers möglich. Die SA LSA habe als Landesbehörde gehandelt, sie sei mit der Aufgabenwahrnehmung
betraut und habe eine dem Land zustehende Forderung für dieses geltend gemacht.
In der Sache führt er aus, die seinerzeit bundesweit umstrittene Problematik der Abzweigung des Kindergeldes sei regelmäßig
Thema in den Dienstberatungen der SA LSA mit den herangezogenen Gebietskörperschaften gewesen (8. September 1999, 5. und 20.
Juli 2000 und 13. Februar 2002). Ergebnis dieser Beratungen sei jeweils gewesen, dass Kindergeld nur in den Fällen abzuzweigen
sei, in denen die Eltern keinen Kontakt zu dem Kind hielten. Diese Verfahrensweise habe nicht gegen den Nachranggrundsatz
des § 2 BSHG verstoßen. Man habe damals die Auffassung vertreten, dass in Kontaktfällen kein Anspruch auf die Abzweigung bestehe. Im vorliegenden
Hilfefall sei nachgewiesen, dass die Kindergeldberechtigten ihren Umgangsverpflichtungen nachgekommen seien. Schließlich stehe
die Entscheidung über einen Abzweigungsantrag im Ermessen der Familienkasse.
In der mündlichen Verhandlung hat sich der Beklagte bereit erklärt, auf den Kostenerstattungsanspruch weitere 286,00 EUR (11
x 26,00 EUR) wegen des von den Eltern der HE im Jahr 2002 gezahlten Unterhaltsbeitrags zu zahlen. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis
angenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge
der Beteiligten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung des Senats ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Ziff. 2
SGG statthaft, da der Streitwert die hier bis zum 31. März 2008 maßgebliche Berufungsgrenze von 5.000 EUR übersteigt. Sie ist
auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden (§
151 SGG).
Das Aktivrubrum war durch den Senat zu korrigieren, denn der Kläger ist im bisherigen Verfahrensverlauf falsch bezeichnet
worden. In diesem Fall hat das Gericht von Amts wegen die Bezeichnung zu korrigieren (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer:
SGG, 9. Aufl. 2008, §
70 RN 6). Ungeachtet der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen war hier das Rubrum auf das Land Sachsen-Anhalt zu korrigieren,
denn dieses ist der beteiligtenfähige Rechtsträger der hier prozessführenden SA LSA, die als rechtlich unselbstständige Landesbehörde
nicht beteiligtenfähig ist.
Zwar hat sich in der Klageschrift vom 1. September 2005 die SA LSA als Klägerin und damit als Beteiligte im Verfahren nach
§
69 Nr. 1
SGG bezeichnet. Jedoch ist sie nicht beteiligtenfähig im Sinne von §
70 SGG. Danach sind fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, natürliche und juristische Personen, nicht rechtsfähige Personenvereinigungen
und Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt. Grundsätzlich gilt für das sozialgerichtliche Verfahren das Rechtsträgerprinzip.
Danach ist beteiligt am Verfahren diejenige juristische Person, deren Behörde zuständig ist bzw. gehandelt hat (vgl. Leitherer,
aaO., §
70 RN 4). Weil es für das
SGG - anders als für die
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) - kein Ausführungsgesetz des Landes gibt, das eine Beteiligungsfähigkeit von Behörden vorsieht, war die Klage daher vom
Rechtsträger der SA LSA zu erheben.
Der Senat geht davon aus, dass der Kläger lediglich fehlerhaft bezeichnet worden ist, so dass eine Rubrumskorrektur möglich
ist. Denn grundsätzlich ist dies zulässig, wenn es sich im Einzelfall um eine unschädliche Falschbezeichnung handelt. Dies
ist der Fall, wenn z.B. anstelle der eigentlich gemeinten Person des öffentlichen Rechts eine unselbstständige Behörde oder
eine Widerspruchsstelle benannt wird. Aufgrund des allgemeinen Rechtsträgerprinzips ist eine Klage dann ohne Weiteres auf
den Rechts-träger, dessen Aufgaben wahrgenommen werden, umzustellen. Dies ist allgemein anerkannt, soweit es um die Bezeichnung
eines Beklagten geht (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 1981, Az.: 8/8a RU 108/79, BSGE 51, 213, RN 15 zitiert nach juris; OVG Lüneburg, Urteil vom 16. Februar 1967, Az.: IV A 137/66, DVBl 1967, 425; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juli 2003, Az.: 25 W 35/03, zitiert nach juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Februar 2008, Az.: L 20 SO 31/07, zitiert nach juris).
Eine Korrektur ist auch bei einer fehlerhaften Klägerbezeichnung möglich (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2003, Az.: XII ZR 300/99, NJW 2003, S. 1043, zitiert nach juris; unter Verweis auf BGH, Urteil vom 12. Oktober 1987, Az.: II ZR 21/87; NJW 1988, 1585, RN 23 zitiert nach juris). Die Grenze zur (grundsätzlich zustimmungspflichtigen) Klageänderung nach §
99 SGG ist erst dann überschritten sein, wenn ein Austausch von rechtlich eigenständigen juristischen Personen, also ein echter
Beteiligtenwechsel erfolgt, weil dann schützenswerte Rechte (§
99 SGG) des anderen Verfahrensbeteiligten betroffen sind. Im vorliegenden Fall ist dies jedoch nicht der Fall, weil tatsächlich
die prozessführende SA LSA rechtlich unselbstständige Behörde des eigentlich gemeinten Rechtsträgers ist. Da sie zudem im
Rahmen ihrer Aufgabenzuweisung tätig geworden ist und die hier streitige Erstattungsforderung im Wege der Leistungsklage für
das Land geltend gemacht hat, konnte der Senat die notwendige Rubrumskorrektur vornehmen.
Die SA LSA hat die Klage auch nicht im eigenen Namen erhoben. Sie ist bereits nicht aktiv legitimiert. Sie ist eine unselbstständige
Behörde des Landes Sachsen-Anhalt und nicht überörtlicher Träger der Sozialhilfe. Denn nach der gesetzlichen Regelung in §
2 Abs. 1 AG SGB XII LSA ist das Land Sachsen-Anhalt überörtlicher Träger der Sozialhilfe. Zwar ermächtigt § 2 Abs. 2 AG SGB
XII LSA die Landesregierung, durch Verordnung mit Zustimmung des Landtags die Aufgaben des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe
u.a. auf eine juristische Person des öffentlichen Rechts zu übertragen. Eine entsprechende Verordnung zur Aufgabenübertragung
ist jedoch nicht erlassen worden. Weil die SA LSA - wie der Kläger (das Land) zutreffend ausführt - ein rechtlich unselbstständiger
Teil der Landesverwaltung in der Organisationsform eines Landesbetriebes nach § 26 Abs. 1 LHO ist, wäre eine Aufgabenübertragung im Verordnungswege auch nicht möglich.
Bei Klageerhebung ist die SA LSA im Rahmen der von ihr wahrzunehmenden Aufgaben des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe
tätig geworden. Das Land Sachsen-Anhalt ist als überörtlicher Träger der Sozialhilfe berechtigt, die Aufgaben wahrzunehmen
und - ggf. durch die herangezogenen Gebietskörperschaften - zu handeln. Es kann auch die Wahrnehmung dieser Aufgaben auf (andere)
Landesbehörden übertragen. Eine solche Übertragung der Aufgabenwahrnehmung ist hier durch den Erlass des Ministeriums für
Gesundheit und Soziales vom 14. Juni 2004 (Az.: 13-04012/100 - Errichtung der Sozialagentur Sachsen-Anhalt, MBl. LSA S. 330)
erfolgt. Die Regelung ist Verwaltungsbinnenrecht, mit dem die interne Zuständigkeit (innerhalb der Landesverwaltung) für die
Wahrnehmung der im Einzelnen aufgeführten Aufgaben des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe der SA LSA zugewiesen worden
ist.
Die Errichtung der SA LSA als Landesbetrieb nach § 26 Abs. 1 LHO durch Erlass und die damit verbundene Aufgabenzuweisung ist rechtswirksam. Die Errichtung im Erlasswege genügt (noch) den
rechtlichen Anforderungen an die Gründung einer Behörde. Denn nach der Rechtsauffassung des Senats bedarf es für die wirksame
Errichtung von Behörden entgegen der teilweise in der Literatur vertretenen Ansicht (so Maurer: Allgemeines Verwaltungsrecht,
16. Aufl. 2006, § 21 RN 66) keines formellen Gesetzes. Der grundgesetzliche Gesetzesvorbehalt erstreckt sich nicht auf Details
der Verwaltungsorganisation wie die Einrichtung einer einzelnen Behörde. Bundesrechtlich gibt es keine Vorgaben, wie und auf
welcher Rechtsgrundlage die Länder ihre nachgeordnete Verwaltung zu organisieren haben.
Die Errichtung steht auch mit den Gesetzen des Landes im Einklang. Nach Art. 86 Abs. 2 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt
(Verf LSA) werden der allgemeine Aufbau der öffentlichen Verwaltung und ihre räumliche Gliederung durch Gesetz geregelt. Dieser
Gesetzesvorbehalt (vgl. hierzu: Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt [OVG LSA], Urteil vom 12. Februar 1997, Az.:
C 1 S 83/96, zitiert nach juris; zur gleichlautenden Bestimmung in Niedersachsen: Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 22. Januar
2004, Az.: 4 A 32/02, BVerwGE 120, 87; Kluth: Staats- und Verwaltungsrecht für Sachsen-Anhalt, 2005, RN 251 ff.; derselbe in Kilian: Verfassungshandbuch Sachsen-Anhalt,
2004, S. 370 ff.; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19. Februar 2004, Az.: L 7 (5) SB 8/02, zitiert nach juris) bezieht sich
auf den allgemeinen Aufbau, d.h. die Grundsatzentscheidungen zur Verwaltungsgliederung. Ein Gesetzesvorbehalt für jede einzelne
Behördenerrichtung lässt sich dieser Regelung nicht entnehmen, so dass es für die Errichtung einer "Sonderbehörde" keines
formellen Gesetzes bedarf. Denn eine solche stellt zur Überzeugung des Senats keine grundlegende Strukturentscheidung iSv
Art. 86 Abs. 2 Verf LSA dar. Dies hat zur Folge, dass es im Land Sachsen-Anhalt zulässig und wirksam gewesen ist, die SA LSA
ohne gesetzliche Regelung zu errichten. Die Zuweisung von Verwaltungsaufgaben an Behörden kann ohnedies ohne Gesetz erfolgen
(vgl. zur Verfassungsbestimmung in Niedersachsen: BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2004, aaO. RN 28; BVerwG, Urteil vom 25. August
1971, Az.: IV C 22.69, RN 24 zitiert nach juris; OVG des Saarlandes, Urteil vom 29. Januar 2008, Az.: 1 A 165/07, RN 79 zitiert nach juris; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19. Februar 2004, aaO. RN 46).
Die SA LSA handelt als Behörde iSv § 1 Abs. 2 SGB X, denn im Rahmen der Aufgabenzuweisung durch das Land nimmt sie (im Rahmen der Zuweisung durch den Gründungserlass) die Aufgaben
des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wahr. Die von dem Beklagten im Schriftsatz vom 3. August 2009 geäußerten Bedenken
an der rechtlichen Organisationsform des Landesbetriebs teilt der Senat. Die SA LSA nimmt nicht am Wirtschaftsleben teil;
eine Gewinn- oder auch nur Einnahmenerzielung ist für eine Sozialleistungsbehörde kaum denkbar. Indes folgt der Senat nicht
dem vom Beklagten daraus gezogenen Schluss.
§ 26 LHO enthält weder formelle noch inhaltliche Vorgaben für die Gründung von Landesbetrieben. Die Errichtung einer Behörde als Landesbetrieb
verletzt allenfalls Rechte des Haushaltsgesetzgebers, dem so gesetzliche Kompetenzen entzogen werden könnten. Indes hat eine
solche Rechtsverletzung keine Folgen für die Wirksamkeit der Errichtung der Behörde. Auch die Auffassung des Beklagten zu
den Mängeln des Gründungserlasses teilt der Senat nicht. Entgegen den Ausführungen ist eine Fachaufsicht geregelt. Der Umstand,
dass eine Vertretung in Gerichtsverfahren nicht ausdrücklich normiert ist, ist unschädlich.
Als wirksam errichtete Behörde der Landesverwaltung ist die SA LSA grundsätzlich befugt, Verwaltungsaufgaben des Landes, auch
die des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe (für das Land) wahrzunehmen. Bescheide könne für den Rechtsträger (Land) ergehen,
ohne dass dies - über den Briefkopf hinaus - gesondert kenntlich zu machen ist.
Der Kläger ist auch durch die Bediensteten der SA LSA ordnungsgemäß vertreten. Gemäß §
73 Abs.
2 Nr.
1 SGG können sich juristische Personen des öffentlichen Rechts durch Beschäftige anderer Behörden vertreten lassen. Soweit die
SA LSA zur Wahrnehmung der Aufgaben des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe berechtigt ist, gehört dazu auch die gerichtliche
Geltendmachung von Ansprüchen. Für die SA LSA handelt ihr Direktor als Behördenleiter. Die im Termin auftretende Beschäftigte
der SA LSA ist aufgrund der beim LSG hinterlegten Generalterminsvollmacht gemäß §
73 Abs.
6 Satz 1
SGG bevollmächtigt gewesen, den Kläger vor dem Senat zu vertreten. Der von dem Senat zunächst angeforderten Generalterminsvollmacht
der Ministerin für Gesundheit und Soziales für den Direktor der SA LSA bedurfte es daher nicht.
Der Beklagte ist richtig bezeichnet, denn gemäß § 1 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch für das
Land Berlin (vom 7. September 2005, GVBl. Berlin 2005, S. 467) ist örtlicher und überörtlicher Träger das Land Berlin. Gemäß
§ 2 des vorgenannten Gesetzes werden die Aufgaben der Sozialhilfe durch die für Sozialwesen zuständige Ämter der Bezirke (als
nachgeordnete Behörden) wahrgenommen.
Im Übrigen ist die vom Kläger erhobene Klage gemäß §
54 Abs.
5 SGG als sog. echte Leistungsklage zulässig (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO., § 54 RN 41).
Die Berufung ist auch begründet. Dem Kläger steht in Höhe des vom Beklagten einbehaltenen Gesamtbetrags bis auf den im Termin
anerkannten Betrag von 286,00 EUR kein Kostenerstattungsanspruch zu, weil insoweit die Sozialhilfegewährung nicht dem Gesetz
entsprach und die insoweit aufgewendeten Kosten deshalb nicht zu erstatten sind (§ 111 Abs. 1 Satz 1 BSHG). Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger (das Land Sachsen-Anhalt) ist hinsichtlich des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs als überörtlicher Träger
der Sozialhilfe (§ 96 Abs. 2 Satz 1 BSHG bzw. § 97 Abs. 2 SGB XII iVm § 2 Abs. 1 AG SGB XII) zur Geltendmachung des hier streitigen Kostenerstattungsanspruchs nach § 103 BSHG sachlich zuständig. Denn im zugrunde liegenden Hilfefall wurde stationäre Eingliederungshilfe gemäß § 39 ff. BSHG geleistet, die nach § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe begründet hat.
Der Kläger hat dem Grunde nach gegen den Beklagten einen Anspruch auf Kostenerstattung bei Aufenthalt des HE in einer Anstalt
gemäß § 103 Abs. 1 BSHG. Danach hat der nach § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG zuständige Träger der Sozialhilfe dem Träger, der nach § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG die Leistung zu erbringen hat, die aufgewendeten Kosten zu erstatten. Daher steht dem Kläger der hier geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch
grundsätzlich zu. Diesen hat der Beklagte dem Grunde nach anerkannt und zum überwiegenden Teil bereits erfüllt. Geklärt ist
auch der streitgegenständliche Erstattungszeitraum vom 10. Februar 1999 bis zum 30. November 2002.
Hinsichtlich der Höhe des Kostenerstattungsanspruchs ist zwischen den Beteiligten nur streitig, ob ein weiterer Zahlungsanspruch
i.H.v. 6.087,20 EUR (6.373,20 EUR abzüglich des in der mündlichen Verhandlung anerkannten Betrags i.H.v. 286,00 EUR) besteht,
oder ob der Beklagte berechtigt war, von den zu erstattenden Aufwendungen einen Betrag i.H. des monatlichen Kindergeldes abzuziehen,
weil insoweit die Sozialhilfegewährung nicht rechtmäßig war.
Nach § 111 Abs. 1 BSHG sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Hilfe diesem Gesetz entspricht. Dabei gelten die Grundsätze für die
Gewährung von Sozialhilfe, die am Aufenthaltsort des Hilfeempfängers zur Zeit der Hilfegewährung bestehen (§ 111 Abs. 1 Satz 2 BSHG). Die Vorschrift des § 111 Abs. 1 BSHG ist insoweit ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal aller im 9. Abschnitt des BSHG geregelten Kostenerstattungsansprüche. Es ist daher im Rahmen der Kostenerstattung nach § 111 Abs. 1 Satz 1 BSHG die materielle Rechtmäßigkeit der Hilfegewährung zu prüfen. Denn für rechtswidrig geleistete Hilfe besteht kein Kostenerstattungsanspruch.
Dasselbe gilt für Aufwendungen, die unter Nichtbeachtung des aus § 111 Abs. 1 Satz 1 BSHG abgeleiteten Interessenwahrungsgrundsatzes entstanden sind (vgl. VGH München, Urteil vom 28. Juni 2006, Az.: 12 BV 04.677,
zitiert nach juris). Dieser besagt, dass der hilfegewährende Träger der Sozialhilfe die Interessen des kostenerstattungspflichtigen
Trägers nach besten Kräften wahrzunehmen hat. Die sich aus § 111 Abs. 1 Satz 1 BSHG ergebenden Sorgfaltspflichten erfordern, dass der hilfegewährende Träger den Fall in sozialhilferechtlich einwandfreier und
ordnungsgemäßer Weise bearbeitet, er also den Fall "wie einen eigenen" behandelt. Er darf insbesondere bei der Bearbeitung
keinen Unterschied machen zwischen den Fällen, in denen die Kostenpflicht ihn selbst trifft, und solchen, in denen ein anderer
Träger erstattungspflichtig ist. Dabei wird der Ermessens- und Beurteilungsbereich des hilfegewährenden Trägers durch die
Regelung des § 111 BSHG weder ausgedehnt noch eingeengt. Insbesondere gelten die am Aufenthaltsort maßgebenden Grundsätze (Dienstanweisungen, Richtlinien,
Verwaltungspraxis), soweit diese dem Gesetz entsprechen.
Bestandteil einer rechtmäßigen Leistungsgewährung nach dem BSHG ist die Durchsetzung des Nachranggrundsatzes nach § 2 BSHG. Hilfeleistungen Dritter gehen Sozialhilfeansprüchen vor. Wer Leistungen von Dritten erhalten kann, hat i.d.R. keinen bzw.
nur einen entsprechend geminderten Anspruch auf Sozialhilfe. Ist der Hilfebedürftige selbst nicht in der Lage, vorrangige
Ansprüche durchzusetzen, obliegt es dem Sozialhilfeträger, dies für den Hilfesuchenden zu tun. Dies bezieht sich auf alle
realisierbaren Ansprüche. Für die Rechtmäßigkeitsprüfung nach § 111 Abs. 1 Satz 1 BSHG im Erstattungsfall bedeutet das, dass der hilfegewährende Träger die Pflicht hat, alle nach Lage des Falles zumutbaren und
möglichen Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich sind, um die erstattungsfähigen Kosten so niedrig wie möglich
zu halten. Ein Ermessen besteht entgegen der Auffassung des SG nicht.
Der hilfegewährende Träger muss daher im Rahmen der von ihm gewährten Leistungen stets das Bestehen vorrangiger Ansprüche
gegen Dritte im Einzelfall prüfen. Dies gilt auch für Rechtsvorschriften außerhalb des BSHG, z.B. bei Renten-, Unterhalts- oder Kindergeldansprüchen. Gegebenenfalls hat er selbst Anträge bei sonstigen Sozialleistungsträgern
zu stellen, soweit diese Leistungen geeignet sind, den Anspruch auf Gewährung von Sozialhilfeleistungen zu verringern oder
entbehrlich zu machen (vgl. z. Vorst.: VG Magdeburg, Urteil vom 16. April 2002, Az. 6 A 270/00 MD).
Tatsächlich ergibt sich im vorliegenden Fall aus der Verwaltungsakte keine Prüfung einer Abzweigung gemäß §
74 EStG. Dem Verwaltungsvorgang lässt sich nicht einmal entnehmen, ob dem herangezogenen Träger der Sozialhilfe bekannt war, dass
die Eltern der HE Kindergeld bezogen. Auch der undatierte, vorformulierte Vermerk in der Nebenakte (Anlage rote Akte 4, Bl.
1 ff.) bezieht sich nicht auf Kindergeldleistungen, sondern auf den gesetzlichen Übergang von Ansprüchen gegen einen bürgerlichrechtlich
Unterhaltspflichtigen gemäß § 91 BSHG.
Dies alles begründet jedoch noch nicht den Erfolg der Berufung, denn der Senat folgt nicht der Auffassung des Beklagten, wonach
eine Verletzung des Interessenwahrungsgrundsatzes mit der Folge einer entfallenden Erstattungspflicht schon dann vorliege,
wenn - wie hier - gar keine Entscheidung über die Einleitung eines Abzweigungsverfahrens getroffen wurde.
Nur wenn die unterlassene Prüfung tatsächlich zu übergesetzlichen Leistungen geführt haben kann und für den Erstattungsgläubiger
die konkrete Möglichkeit bestanden hat, dieses zu verhindern, kann die Erstattungspflicht des leistungspflichtigen Trägers
entfallen. Wäre eine Geltendmachung von vorrangigen Ansprüchen von vornherein aussichtslos, hätte auch der erstattungspflichtige
Träger - bei Verwaltung des Leistungsfalls in eigener Regie - keine geringeren Leistungen erbringen können. So liegt der Fall
jedoch nicht. Hier hätten die Behörden des Klägers zur Wahrung der Interessen des erstattungspflichtigen Trägers ein Abzweigungsverfahren
einleiten müssen, denn ein solches war nicht von vornherein aussichtslos.
Zwar dürfen an den Interessenwahrungsgrundsatz keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Der hilfegewährende Träger
ist jedoch verpflichtet, bei einer verständigen Würdigung der Sach- und Rechtslage alle relevanten Aspekte des Sachverhalts
berücksichtigen, um diejenigen Entscheidungen zu treffen, die den HE weitestgehend unabhängig vom Bezug von Sozialhilfe machen.
Tatsächlich undurchsetzbare Ansprüche oder solche, die offensichtlich aussichtslos sind, müssen nicht verfolgt werden. Bei
unsicherer Rechtslage hat der handelnde Träger einen Entscheidungsspielraum, ob er solche Ansprüche geltend macht und wie
weit er zur Geltendmachung geht. So kann es beispielweise im Einklang mit dem Interessenwahrungsgrundsatz stehen, wenn der
hilfegewährende Träger bei ungeklärter Rechtslage vom Betreiben eines ggf. gerichtskostenpflichtigen Klageverfahrens und der
damit verbundenen Verursachung zusätzlicher Verwaltungskosten absieht. In derartigen Fällen kann eine Verwaltungspraxis, im
Einzelfall auf die Geltendmachung solcher Ansprüche zu verzichten, bei denen die Rechtslage ungeklärt ist und die Erfolgsaussichten
gering erscheinen, vor dem Hintergrund von § 111 Abs. 1 Satz 1 und 2 BSHG rechtmäßig sein.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht dem Kläger der geltend gemachte weitergehende Kostenerstattungsanspruch im
Hinblick auf die Kindergeldleistungen nicht zu. Im vorliegenden Fall war nach Würdigung der Gesamtumstände die Geltendmachung
einer Abzweigung des Kindergelds nach §
74 EStG - zumindest im Wege des Verwaltungsverfahrens durch Antragstellung bei der zuständigen Familienkasse - geboten.
Zur Beurteilung ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Hilfegewährung - hier der vom Februar 1999 bis zum November
2002 laufende Erstattungszeitraum - abzustellen. In dieser Zeit war die gesetzliche Ausgangslage im Hinblick auf die Abzweigung
des Kindergelds nach §
74 EStG unverändert. Durch das Jahressteuergesetz 1996 war erstmals der sog. Familienlastenausgleich eingeführt worden, der die Steuerfreistellung
eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes entweder durch die Auszahlung von Kindergeld oder durch
den Abzug des Kinderfreibetrags nach §
31 EStG vorsah und damit eine Abkehr vom bisherigen System der ausschließlichen Sozialleistung darstellte. Dies war Anlass für die
Sozialhilfeträger, sich intensiver mit dem Kindergeldanspruch auseinanderzusetzen. Denn §
74 EStG sah für Sonderfälle vor, dass das Kindergeld, welches grundsätzlich den Eltern als den Kindergeldberechtigten gebührte, an
das Kind selbst (Abs. 1 Satz 1 und 2) oder an Dritte (Abs. 1 Satz 4) ausgezahlt werden konnte (Ermessen), wenn der Kindergeldberechtigte
seinen gesetzlichen Unterhaltspflichten nicht nachkam. Die Auszahlung an Dritte war möglich, wenn diese dem Kind Unterhalt
gewährten.
Dabei war in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung anfänglich noch umstritten, inwieweit ein Sozial- oder Jugendhilfeträger
zur Geltendmachung des Abzweigungsanspruchs aktiv legitimiert war (vgl. BFH, Beitrittsbeschluss vom 13. März 1998, Az.: VI R 181/97, DStR 1998, 762; FG Münster, Urteil vom 6. Mai 1998, Az.: 4 K 3534/97 Kg, zitiert nach juris), und welche Ermessensmaßstäbe für die Bewilligung der Abzweigung anzuwenden waren (vgl. FG SA, Beschluss
vom 12. November 1999, Az.: 2 K 56/99, EFG 2000, 324; FG Düsseldorf, Urteil vom 15. Dezember 1999, Az.: 9 K 5749/98 Kg, EFG 2000, 225). Erst ab dem Jahr 2000 gab es in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung vermehrt Entscheidungen zu Abzweigungsansprüchen
an das Kind selbst bzw. an einen Sozialleistungsträger bei Verletzung der gesetzlichen Unterhaltspflicht durch die Eltern.
Die Rechtsprechung zu §
74 EStG war im hier streitigen Zeitraum uneinheitlich. Während das FG Münster bereits im Jahr 1998 (aaO.) einen gerichtlich durchsetzbaren
Zahlungsanspruch des Sozialhilfeträgers bejahte, machte der BFH mit seinem Beitrittsbeschluss vom 13. März 1998 (aaO.) deutlich,
dass bis dahin (obergerichtlich) nicht geklärt war, ob der Sozialhilfeträger erfolgreich einen Abzweigungsantrag stellen konnte,
und dass die hierfür entscheidungserheblichen Rechtfragen zum damaligen Zeitpunkt (Klagebefugnis, subjektives Recht, Verwaltungsakt
mit Drittwirkung, Durchsetzbarkeit) vielfach umstritten waren.
Die bis dahin ergangene verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung konnte sich insoweit nur auf den Übergang oder die Überleitung
von Ansprüchen nach §§ 90, 91 BSHG beziehen; für die neue gesetzliche Möglichkeit der direkten Abzweigung des Kindergeldes nach §
74 EStG war sie nicht zuständig.
Der Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass bei der HE die Voraussetzungen für eine Abzweigung des Kindergelds vorliegen
konnten. Es oblag dem Kläger, bzw. dem von ihm herangezogenen örtlichen Träger der Sozialhilfe, zu prüfen und zu ermitteln,
ob die Eltern der HE Kindergeld bezogen und ob und in welchem Umfang eine Abzweigung des Kindergeldes gemäß §
74 EStG an den Träger der Sozialhilfe erfolgversprechend sein konnte.
Im maßgeblichen Erstattungszeitraum vom 10. Februar 1999 bis 30. November 2002 gab es - auch nach dem Vorbringen des Klägers
- bundesweit keine einheitliche Verwaltungspraxis. Denn ein Antrag auf Abzweigung führte nicht regelmäßig zum Erfolg. Zudem
stand und steht die Entscheidung über eine Abzweigung im Ermessen der Familienkasse.
Berücksichtigt man die angeführte Rechtsprechung zur Möglichkeit der Abzweigung des Kindergeldes, war im gesamten Erstattungszeitraum
zumindest offen, ob eine Abzweigung des Kindergelds an den Sozialhilfeträger durchsetzbar gewesen wäre. Es bestand daher für
den Kläger bzw. den von ihm herangezogenen örtlichen Träger der Sozialhilfe hinreichend Anlass, sich mit der Frage des Kindergeldbezugs
für die HE auseinanderzusetzen, diesbezügliche Ermittlungen anzustellen (d.h. festzustellen, ob für sie Kindergeld bezogen
wurde) und - unter Auswertung der Rechtsprechung - zu entscheiden, ob ein Abzweigungsantrag bei der Familienkasse zu stellen
war.
Da auch nach den Angaben des Klägers die Entscheidungen der im Land Sachsen-Anhalt zuständigen Familienkassen über Abzweigungsanträge
nach §
74 EStG im streitigen Zeitraum uneinheitlich waren, verlangte eine pflichtgemäße Aufgabenwahrnehmung, zumindest ein diesbezügliches
Verwaltungsverfahren zu führen, d.h. bei der zuständigen Familienkasse einen Abzweigungsantrag zu stellen. Bei einer uneinheitlichen
Entscheidungspraxis der Familienkassen war nicht abzusehen, welche Ermessensentscheidung von der im Fall der HE (wegen des
Wohnorts der Eltern) zuständigen Familienkasse Magdeburg getroffen worden wäre. Dass Erfolgsaussichten bestanden, räumt selbst
der Kläger ein, indem er auf ein im Jahr 2001 unstreitig beendetes finanzgerichtliches Verfahren verweist, in dem eine Familienkasse
des Landes nach richterlichem Hinweis einem Abzweigungsbegehren des überörtlichen Trägers nachgekommen war (FG LSA, Beschluss
vom 24. Juli 2001, Az.: 4 K 31/01).
Jedenfalls kann - und dies ist entscheidend - für den streitigen Zeitraum nicht festgestellt werden, dass die Geltendmachung
eines Abzweigungsantrags von vornherein aussichtslos war.
Letztlich belegt auch der Umstand, dass ein vom Beklagten im Dezember 2002 gestellter Abzweigungsantrag - zwar erst nach Durchführung
eines finanzgerichtlichen Verfahrens - positiv beschieden wurde, dass realistische Aussichten auf die erfolgreiche Geltendmachung
des Abzweigungsantrags bestanden, die im Erfolgsfall die Sozialhilfeaufwendungen für die HE um die Klageforderung reduziert
hätten.
Der Senat kann offen lassen, ob im Land Sachsen-Anhalt im streitigen Zeitraum einheitlich die Verwaltungsübung bestand, bei
Kontakten der Eltern mit den Kindern bewusst von Abzweigungsanträgen abzusehen. Eine solche Verwaltungspraxis oder entsprechende
Dienstanweisungen wären - nach den obigen Ausführungen - auch rechtswidrig gewesen. Im Übrigen ergeben sich aus den vorgelegten
Dienstprotokollen, insbesondere dem Vermerk vom 20. September 2000, keine Anweisungen für die Handhabung von Abzweigungsansprüchen
nach §
74 EStG und auch keine Hinweise auf die im Land bestehende Verwaltungspraxis hierzu. In den Protokollen geht es um die Überleitung
von Ansprüchen nach §§ 90, 91 BSHG.
Auch aus dem Antwortschreiben des Landkreises Quedlinburg vom 14. Mai 2003 an den Beklagten wird deutlich, dass jedenfalls
er als herangezogener Sozialhilfeträger mit der Abzweigung nach §
74 EStG nicht vertraut war und die Kindergeldproblematik nur im Zusammenhang mit der Unterhaltspflicht nach § 91 Abs. 2 BSHG gesehen hat.
Daher scheitert die vom Kläger begehrte Kostenerstattung i.H.v. noch 6.087,20 EUR daran, dass im Hinblick auf die unterbliebene
Abzweigung des von den Eltern der HE bezogenen Kindergelds die insoweit gewährte Hilfe nicht dem Gesetz i.S.v. § 111 Abs. 1 BSHG entsprach. Weil der Kläger einen nicht von vornherein aussichtslosen Abzweigungsantrag nach §
74 Abs.
1 EStG bei der Familienkasse nicht gestellt hat, hat er den gesetzlichen Nachrang von Sozialhilfeleistungen (§ 2 BSHG) nicht hergestellt und so möglicherweise Leistungen erbracht, die nicht erforderlich waren. Die Nichterweislichkeit eines
hypothetisch negativen Ausgangs des unterlassenen Abzweigungsantrags geht nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu
Lasten des Klägers. Dieser hat die Folgen dafür zu tragen, dass die Tatbestandsmerkmale des geltend gemachten Erstattungsanspruchs
- hier die materielle Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung nach § 111 Abs. 1 BSHG - nicht nachweisbar sind. In Höhe der geltend gemachten Klageforderung steht ihm daher entgegen dem Urteil des SG kein Kostenerstattungsanspruch nach § 103 Satz 1 BSHG zu.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage.
Die Höhe des Streitwertes ergibt sich aus § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Maßgeblich ist die bezifferte Geldleistung; Nebenforderungen bleiben bei der Berechnung des Streitwertes unberücksichtigt.
Hinsichtlich des reduzierten Wertes des Urteils (nach Teilanerkenntnis in der mündlichen Verhandlung i.H.v. 286,00 EUR) ergibt
sich kein Gebührensprung. Gemäß § 68 Abs. 5 iVm § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG ist die Entscheidung über die Höhe des Streitwertes nicht mit der Beschwerde anfechtbar.