Arbeitsunfall
Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen als Folge eines Arbeitsunfalles
Ursachenzusammenhang nach Theorie der wesentlichen Bedingung
Wesentliche Mitursache
1. Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung infolge eines Versicherungsfalles muss zwischen dem Unfallereignis
und den geltend gemachten Unfallfolgen ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen
Bedingung bestehen.
2. Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der
jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine
qua non).
3. Erst nachdem feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis eine naturwissenschaftliche Ursache für einen Erfolg ist, stellt sich
die Frage nach einer wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis.
4. Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist zwischen Ursachen zu
unterscheiden, denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, die für den Erfolg rechtlich unerheblich sind.
5. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu
dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben.
6. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung
der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. des Gesundheitsschadens abgeleitet werden.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob weitere Folgen eines als Arbeitsunfall anerkannten Ereignisses vom 9. März 2011
festzustellen sind.
Der 1981 geborene Kläger erlitt am 9. März 2011 einen Arbeitsunfall, als ihm bei Arbeiten in einer Biogasanlage ein dort zur
Beschwerung einer Abdeckplane abgelegter Autoreifen mit montierter Stahlfelge aus ca. 3 m Höhe auf Kopf und Nacken fiel. Der
Durchgangsarzt diagnostizierte eine Gehirnerschütterung und eine Verstauchung mit Zerrung der Halswirbelsäule. Bildgebende
Befunde ergaben keine Hinweise für eine Fraktur oder Einblutung. Der Kläger befand sich vom 9. - 12. März 2011 in stationärer
Behandlung im Klinikum E. Äußerliche Verletzungszeichen wurden nicht gesichert. Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule war
schmerzhaft eingeschränkt. Neurologische Ausfälle wurden zu keiner Zeit diagnostiziert. Eine MRT-Untersuchung der Halswirbelsäule
vom 22. Juli 2011 ergab eine regelrechte Halswirbelsäule ohne Nachweis eines signifikanten Bandscheibenvorfalls. Im Thorax-Bereich
1/2 zeigte sich eine leichte linksseitig betonte degenerative Veränderung mit diskreter Einengung. Der Nachweis einer Nervenwurzelkompression
konnte nicht geführt werden.
Mit Bescheid vom 18. April 2012 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 9. März 2011 sinngemäß als Arbeitsunfall mit der Folge
einer Gehirnerschütterung sowie einer Verstauchung und Zerrung der Halswirbelsäule an. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe
vom 9. März - 11. April 2011 bestanden. Die weiteren Beschwerden seien Folge eines unfallunabhängigen Bandscheibenschadens.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren wurden ein Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse
des Klägers und ein kernspintomographischer Befund vom 20. August 2012 beigezogen. Nachweise einer posttraumatischen Läsion
im Bereich der Wirbelsäule oder Halswirbelsäule waren darauf nicht erkennbar. Nach Anhörung des Klägers erstattete der Chirurg
Dr. N. am 13. Oktober 2012 ein Sachverständigengutachten. Darin führte er aus, dass der Kläger an einer posttraumatischen
Instabilität und Blockierungen der Halswirbelsäule, einer posttraumatischen Basilaris Migräne und einer posttraumatischen
Belastungsstörung leide. Die minimalen degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule im MRT seien nicht geeignet, eine solche
Beschwerdesymptomatik hervorzurufen. Durch den Aufprall des Autoreifens gegen den Hinterkopf und die Halswirbelsäule sei es
zu einer Lockerung der ligamentären Strukturen der Wirbelsäule gekommen. Trotz fehlenden Nachweises im MRT würden solche Verletzungen
dennoch bestehen. Die MdE betrage zunächst 20 v. H. Beigefügt war dem Gutachten ein Entlassungsbrief der Klinik für Neurologie
W. Dr. M. vom 5. September 2012. Darin wurde die Diagnose einer chronifizierten Basilarismigräne bei Zustand nach stumpfem
Nackentrauma gestellt. Im Auftrag der Beklagten erstattete sodann der Neurologe und Psychiater Dr. B. am 11. Dezember 2012
ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten. Danach liegt beim Kläger ein unauffälliger psychiatrischer Befund vor. Der
elektrophysiologische Befund hinsichtlich der Nervenleitgeschwindigkeit in den Handnerven und im Bereich der Ellenbogen habe
durchweg Normalwerte ergeben. In einem weiteren Gutachten vom 20. Dezember 2012 diagnostizierte der Chirurg Dr. N. als Folgen
des Unfalles erneut eine Lockerung der ligamentären, die Wirbelsäule stabilisierenden Bandkomplexe. Ein Schädel-Hirn-Trauma
I. Grades sei gesichert. Die gegenwärtigen klinischen Befunde entsprächen einem posttraumatischen Zervikal- und Zervikozephalsyndrom.
Ein verletzungsspezifisches Schadensbild ergebe sich in Form des Unfallereignisses vom 9. März 2011. Die MdE betrage 20 v.
H. bis zum Ende des 1. Jahres und danach 10 v. H. Auf Nachfrage der Beklagten bestätigte das Klinikum E. in einer Stellungnahme
vom 18. Januar 2013 das Vorliegen eines Schädel-Hirn-Traumas I. Grades beim Kläger. Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. E.
verneinte in einer Stellungnahme vom 13. Februar 2013 das Vorliegen einer posttraumatischen Instabilität und Blockierung der
HWS, einer posttraumatischen Basilaris Migräne und einer posttraumatischen Belastungsstörung. Weder klinisch noch radiologisch
habe eine unfallbedingte Strukturschädigung nachgewiesen werden können. Der Neurologe Prof. Dr. G. diskutiert in seiner Stellungnahme
vom 22. März 2013 als Unfallfolgen Kopfschmerzen, Schwindelgefühle und Missempfindungen in den Armen. Daraufhin beauftragte
die Beklagte nach Anhörung des Klägers Prof. Dr. J. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens. Der Neurologe Prof.
Dr. J. führt in seinem Gutachten vom 9. März 2014 aus, dass zum aktuellen Zeitpunkt keine Gesundheitsstörungen vorlägen, welche
ursächlich auf den Unfall zurückzuführen seien. Auch unter Annahme eines Schädel-Hirn-Trauma I. Grades sei spätestens nach
einer Woche mit einem vollständigem Rückgang der Beschwerden zu rechnen. Hinweise für weitergehende Verletzungen, wie eine
Hirnblutung oder eine Verletzung der knöchernen oder ligamentären Strukturen der Halswirbelsäule, bestünden nicht. Die ausführlichen
bildgebenden Untersuchungen hätten hierfür keinen Anhalt geliefert. Hinsichtlich der Basilaris Migräne könne dem Unfall allenfalls
der Charakter einer Gelegenheitsursache zukommen. Einer Migräne liege eine angeborene Disposition zugrunde. Eine Auslösung
sei durch zahlreiche Faktoren möglich.
Der Widerspruch des Klägers wurde sodann durch Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2014 zurückgewiesen. Dem Gutachten von Dr.
N. könne nicht gefolgt werden. Dieses genüge nicht den Kausalitätsgrundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Neurologe
Prof. Dr. J. habe in seinem Gutachten vom 9. März 2014 nachvollziehbar dargelegt, dass der Unfall lediglich zu einem Schädel-Hirn-Trauma
I. Grades geführt habe, welches spätestens ab dem 11. April 2011 folgenlos ausgeheilt sei.
Hiergegen hat der Kläger beim Sozialgericht Gotha Klage erhoben. Das Sozialgericht hat den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie
Dr. B. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser führt in seinem Gutachten vom 8. April 2015
aus, dass bereits die im Durchgangsarztbericht und dem Entlassungsbericht des Klinikums Eisenach enthaltene Diagnose einer
Gehirnerschütterung kritisch diskutiert werden müsse. Nach den beschriebenen Symptomen liege die Diagnose einer Schädelprellung
näher. Inwieweit eine Verstauchung und Zerrung der Halswirbelsäule zu diagnostizieren sei, sei der Begutachtung durch einen
Chirurgen vorbehalten. Die Kriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung seien nicht im Ansatz erfüllt. Der Kläger
berichte nicht über Nachhallerinnerungen oder Albträume. Die Diagnose einer Basilaris Migräne könne nicht aufrechterhalten
werden. Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule sei bei der jetzigen Untersuchung in alle Richtungen passiv problemlos gegeben.
Sensibilitäts- oder Koordinationsstörungen seien nicht feststellbar, ebensowenig Muskelatrophien. Folgen auf neurologisch-psychiatrischem
Fachgebiet seien daher nicht nachzuweisen. Der Kläger legte des Weiteren einen Befundbericht von Dr. N. vom 22. Februar 2017
vor. Darin wiederholt dieser seine Diagnosen aus dem Gutachten.
Das Sozialgericht Gotha hat mit Urteil vom 6. März 2017 die Klage abgewiesen. Rechtlich bindend sei durch die Beklagte als
Folge des Arbeitsunfalles vom 9. März 2011 eine Gehirnerschütterung sowie eine Verstauchung und Zerrung der Halswirbelsäule
anerkannt. Insoweit spielten die Zweifel des Sachverständigen Dr. B. am Vorliegen einer Gehirnerschütterung rechtlich keine
Rolle. Weitere Gesundheitsschäden seien nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festzustellen. Der Chirurg Dr. N.
liefere für seine Feststellung einer unfallbedingten posttraumatischen Instabilität und Blockierung der Halswirbelsäule keine
ausreichende Begründung. Der Nachweis einer Strukturschädigung der Halswirbelsäule sei weder klinisch noch radiologisch gelungen.
Der neurologische Sachverständige Dr. B. habe weder eine Nackensteifigkeit noch eine eingeschränkte passive Beweglichkeit
der Halswirbelsäule feststellen können. Dies entspreche den Ergebnissen der neurologischen Begutachtung durch Prof. Dr. J.
im Verwaltungsverfahren. Die Einholung eines unfallchirurgischen Sachverständigengutachtens sei nicht erforderlich. Dass die
Basilaris Migräne nicht mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen sei, folge ebenfalls aus den Ausführungen
des Neurologen Dr. B.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Der neurologische Gutachter Dr. B. habe hinsichtlich der Frage,
ob ein Instabilitätsgefühl in der Halswirbelsäule und weitere Traumafolgen vorlägen, eine chirurgische Begutachtung empfohlen.
Dem sei das Sozialgericht nicht gefolgt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 6. März 2017 aufzuheben und unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 18.
April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2014 einen HWS-Bandscheibenschaden sowie ein posttraumatisches
Zervikal- und Zervikozephalsyndrom mit Nackensteife und eine Basilaris Migräne als weitere Folgen des Arbeitsunfalles vom
9. März 2011 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Einholung eines chirurgischen Sachverständigengutachtens sei nicht erforderlich. Aus den bildgebenden Befunden, zum Beispiel
dem CT-Befund vom 9. März 2011 sowie dem MRT-Befund vom 22. Juli 2011, ergebe sich kein Nachweis einer frischen unfallbedingten
Verletzung. Damit fehle es bereits an einem Körpererstschaden, welcher für die Feststellung einer Unfallfolge auf chirurgischem
Gebiet erforderlich wäre. Ein posttraumatisches Zervikal- und Zervikozephalsyndrom mit Nackensteife sowie eine Basilaris Migräne
als Unfallfolge seien durch die neurologischen Sachverständigengutachten von Dr. B. und Prof. Dr. J. in überzeugender Weise
ausgeschlossen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch den Berichterstatter (§§
124 Abs.
2,
155 Abs.
3,
4 des
Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit aufgrund des im Erörterungstermins vom 29. Januar 2018 erklärten Einverständnisses der Beteiligten
ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter durch Urteil entscheiden (§§
124 Abs.
2,
155 Abs.
3,4
SGG).
Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg (§§
143,
151 SGG).
Das Sozialgericht Gotha hat die Klage zu Recht abgewiesen und einen Anspruch des Klägers auf Feststellung weiterer Unfallfolgen
aufgrund des Ereignisses vom 9. März 2011 verneint. Der Bescheid vom 18. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 29. Juli 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§
54 SGG).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen als Folge des Arbeitsunfalles vom 9. März 2011.
Richtige Klageart für die Feststellung weiterer Unfallfolgen ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach
§
54 Abs.
1 SGG und §
55 Abs.
1,
3 SGG.
Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es unterschiedliche Beweisanforderungen. Für die äußerlich fassbaren und
feststellbaren Voraussetzungen "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses", "Unfallereignis" und
"Gesundheitsschaden" wird eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gefordert, die vorliegt, wenn kein vernünftiger
die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt (Vollbeweis). Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und sonstige
Unterstellungen reichen daher ebenso wenig aus wie eine (möglicherweise hohe) Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit
wird von der ständigen Rechtsprechung für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden
(haftungsbegründende Kausalität) sowie dem Gesundheitserstschaden und der Unfallfolge im Sinne eines länger andauernden Gesundheitsschadens
(haftungsausfüllende Kausalität) für ausreichend erachtet (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2007 - B 2 U 27/06 R- Juris). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände diejenigen so stark überwiegen,
die für den Ursachenzusammenhang sprechen, dass darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -; BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - Juris). Sofern die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht von demjenigen, der sie geltend macht, mit dem von
der Rechtsprechung geforderten Grad nachgewiesen werden, hat er die Folgen der Beweislast dergestalt zu tragen, dass dann
der entsprechende Anspruch entfällt.
Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung infolge eines Versicherungsfalles muss zwischen dem Unfallereignis
und den geltend gemachten Unfallfolgen ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen
Bedingung bestehen. Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie,
nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non).
Erst nachdem feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis eine naturwissenschaftliche Ursache für einen Erfolg ist, stellt sich
die Frage nach einer wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis. Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen
Ursachen für einen Erfolg ist zwischen Ursachen zu unterscheiden, denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, die für
den Erfolg rechtlich unerheblich sind. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer
besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht,
muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. des
Gesundheitsschadens abgeleitet werden (vgl. BSG; Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - Juris).
Ausgehend hiervon steht zur Überzeugung des Senats fest, dass über die im Bescheid der Beklagten vom 18. April 2012 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2014 anerkannten Unfallfolgen einer Gehirnerschütterung sowie einer Verstauchung
und Zerrung der Halswirbelsäule hinaus keine weiteren Unfallfolgen aus dem Ereignis vom 9. März 2011 festzustellen sind. Insbesondere
hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines HWS-Bandscheibenschadens sowie eines posttraumatisches Zervikal- und
Zervikozephalsyndrom mit Nackensteife und einer Basilaris Migräne als Unfallfolge. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen nimmt
der Senat gemäß §
153 Abs.
2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen in dem angegriffenen Urteil des Sozialgerichts Gotha Bezug.
Ergänzend ist auszuführen, dass keine Notwendigkeit für ein weiteres Gutachten von Amtswegen auf orthopädisch-chirurgischem
Fachgebiet besteht. Soweit der Neurologe Dr. B. in seinem Gutachten auf S. 15 ein solches hinsichtlich der Verstauchung und
Zerrung der Halswirbelsäule am Unfalltag empfiehlt, erübrigt sich die Begutachtung bereits deshalb, weil die Beklagte durch
den angegriffenen Bescheid vom 18. April 2012 eine Verstauchung und Zerrung der Halswirbelsäule als Unfallfolge bindend im
Sinne von §
77 SGG anerkannt hat. Soweit der Neurologe und Psychiater Dr. B. auf S. 21 seines Gutachtens zur Klärung des Instabilitätsgefühls
in der Halswirbelsäule und des Bestehens von Traumafolgen an der Halswirbelsäule eine orthopädisch-chirurgische Begutachtung
empfohlen hat, ist dem ebenfalls nicht zu folgen. Zunächst ist auf die Feststellungen des Sachverständigen Dr. B. selbst zu
verweisen. Bei seiner gutachterlichen Untersuchung konnte er keine Nackensteifigkeit feststellen. Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule
war in allen Richtungen passiv problemlos gegeben. Es fanden sich keine Sensibilitäts- oder Koordinationsstörungen. Des Weiteren
konnte er keine Muskelathrophien nachweisen. Eine Begutachtung erübrigt sich im Weiteren deshalb, weil nach dem Unfallereignis
vom 9. März 2011 weder klinisch noch in den bildgebenden Befunden (CT-Untersuchung vom 9. März 2011 und MRT-Untersuchung vom
22. Juli 2011) eine unfallbedingte Strukturschädigung nachgewiesen wurde. Derartige unfallbedingte Strukturschädigungen vermochte
auch der Chirurg Dr. N. in seinem Gutachten vom 20. Dezember 2012 nicht aufzuzeigen. Er führt dort unter dem Gesichtspunkt
"Diskussion des Ursachenzusammenhang" aus, dass es durch den Aufprall des Autoreifens gegen Hinterkopf und Halswirbelsäule
zu einer Hyperflexion der Kopf- und Halsgelenke mit Lockerung der ligamentären, die Wirbelsäule stabilisierenden Bandkomplexe
gekommen sein müsse und eventuell auch zu einer Verletzung der hirnversorgenden Blutgefäße. Solche Verletzungen müssen sich
seiner Auffassung nach nicht im MRT nachweisen lassen, sie bestünden aber dennoch. Damit äußerte der Sachverständige nicht
mehr als eine bloße Vermutung. Seine Ausführungen, dass eine Lockerung der ligamentären Bandkomplexe vorliegen müsse, entsprechen
ferner nicht dem Stand der Wissenschaft. Nach dem aktuellen Forschungsstand (vgl. Thomann u.a., Distorsion der Halswirbelsäule
und isolierte Verletzung der Ligamenta alaria aus gutachterlicher Sicht, Der Medizinische Sachverständige 108 2/2012 S.46
ff.) sind isolierte Verletzungen der Ligamenta alaria aufgrund der bestehenden anatomischen Strukturen nicht plausibel und
bereits theoretisch nahezu auszuschließen. Bestätigt wurden diese Überlegungen sowohl durch kernspintomographische als auch
anantomische Untersuchungen an Unfallopfern, die an Polytraumen oder isolierten Verletzungen der Halswirbel oder des Schädels
verstarben. Bei keiner dieser Untersuchungen konnte eine Verletzung der Ligamenta alaria bestätigt werden. Trotz schwerster
Gewalteinwirkungen auf Kopf und HWS waren diese unverletzt geblieben. Soweit der Sachverständige Dr. N. auf fehlende Beschwerden
des Klägers im Bereich der Halswirbelsäule bis zum Unfallereignis hinweist, reicht dies zur Begründung eines Kausalzusammenhangs
ersichtlich nicht aus. Allein die Beschwerdefreiheit vor einem Unfallereignis kann nach den Beweisgrundsätzen der gesetzlichen
Unfallversicherung nicht die Ursächlichkeit des Unfallereignisses für die Beschwerden belegen. Dies führte im Ergebnis zu
einer Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten, wofür das Gesetz keine Grundlage bietet. Der Sachverhalt ist daher in medizinischer
Hinsicht ausreichend aufgeklärt.
Hinsichtlich der begehrten Unfallfolge Basilaris Migräne weist der Senat darauf hin, dass offen bleiben kann, ob dem Sachverständigen
Dr. B. insoweit zu folgen ist, dass eine solche überhaupt nicht zu sichern ist, da der Bericht von Dr. M. vom Klinikum W.
vom 5. September 2012 nur auf den Angaben des Klägers beruht. Denn auch wenn man vom Vorliegen einer Basilaris Migräne beim
Kläger ausginge, scheiterte die Anerkennung als Unfallfolge daran, dass nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen
Prof. Dr. J. in seinem Gutachten vom 9. März 2014 einer Migräne oft eine angeborene Disposition zugrunde liegt und eine Auslösung
der Migräne durch zahlreiche Faktoren möglich sein kann. Dies steht im Einklang mit der Leitlinie der Deutschen Migräne- und
Kopfschmerzgesellschaft "Die Begutachtung von idiopathischen und symptomatischen Kopfschmerzen", veröffentlicht in Nervenheilkunde
4/2010, S. 229ff., wonach bei der Entwicklung einer Migräne traumaunabhängige Faktoren dominieren.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 SGG nicht vorliegen.