Rechtmäßigkeit der Entziehung der Zulassung zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit
Gröbliche Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten durch eine fortgesetzte massive Verletzung der Privat- und Intimsphäre
der Mitarbeiterinnen
Gründe:
I
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Zulassung als Vertragszahnarzt.
Vorwürfe gegen den 1961 geborenen und seit 1986 als Zahnarzt tätigen Kläger, er habe mittels einer im Umkleideraum der Praxis
installierten Kamera die Praxismitarbeiterinnen über Jahre ohne deren Wissen während des Umkleidens beobachtet und hiervon
Videoaufzeichnungen hergestellt, führten im Frühjahr 2012 zu polizeilichen Ermittlungen. Die auf Grundlage dieser Ermittlungen
von der Staatsanwaltschaft G. am 7.3.2013 erstellte Anklageschrift (431 Js 6285/12) führte ua aus:
"Zu einem nicht mehr konkret bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 19.12.2007 installierte der Angeschuldigte in seiner Zahnarztpraxis
in der C.-Str. in G. eine Überwachungsanlage 4-Kanal-Empfänger VisorTech, um die bei ihm angestellten Zahnarzthelferinnen
ohne deren Wissen während des Umkleidens in einem separaten Raum der Praxis zu beobachten bzw. hiervon Videoaufzeichnungen
herzustellen. Zu diesem Zweck positionierte er die zur Anlage gehörende Miniatur-Kamera, getarnt in einem Batterieladegerät,
so im Umkleideraum, dass der Raum im Ganzen erfasst und aufgezeichnet werden konnte. Mittels Bewegungssensoren wurde die Aufzeichnung
bei Bewegung im Raum jeweils automatisch gestartet. Die von der Überwachungskamera aufgenommenen Videosequenzen ... wurden
von der WLAN-Antenne der Kamera an den im Büro des Angeschuldigten befindlichen WLAN-4-Kanal-Empfänger ... gesendet. Die mit
diesen Geräten verkabelten, ebenfalls im Büro befindlichen Aufzeichnungsgeräte ... zeichneten diese Videosignale in AV-1-Videodateien
mit einer Spit-Dauer von jeweils 10 Sekunden auf eine im Gerät befindliche SD-Speicherkarte auf, wonach sie durch den Angeschuldigten
zu großen Teilen auf seinen PC umgespeichert wurden. Der Angeschuldigte hatte zudem die Möglichkeit, die Überwachungskamera
so einzustellen, dass die Aufnahmen der Mini-Kamera direkt auf dem Bildschirm seines PCs in Echtzeit zu sehen sind. Um die
Geschädigten möglichst von vorn und hinten aufnehmen zu können, war im Umkleideraum die Front eines größeren Schrankes verspiegelt
worden ... .
Während der Taten wurden mehrere Tausend Videodateien, welche jeweils die Zeuginnen ... während des Umkleidens in Unterwäsche
sowie mit entblößtem Ober- bzw. Unterkörper zeigen, auf das im Büro des Angeschuldigten installierte Aufzeichnungsgerät übertragen.
Bei zahlreichen Aufnahmen hatte der Angeschuldigte die Kamera so positioniert, dass insbesondere entweder das Gesäß sowie
der Intimbereich oder aber die Brust der Geschädigten großformatig aufgenommen wurden. Im Tatzeitraum kam es zudem mehrfach
dazu, dass der Angeschuldigte jeweils eine der Zeuginnen, getarnt als "Spaß", absichtlich unter die Dusche trug und dort naß
spritzte, damit er in der Folge wiederum Filmaufnahmen von den Geschädigten während des Umziehens herstellen konnte."
Das Amtsgericht (AG) G. verurteilte den Kläger wegen unbefugten Herstellens oder Übertragens von Bildaufnahmen in 211 tatmehrheitlichen
Fällen jeweils in Tateinheit mit Gebrauchen der Aufnahmen (§
201a StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten ohne Aussetzung der Strafe zur Bewährung (Urteil vom 27.9.2013).
Hiergegen legten sowohl der Kläger als auch die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Eine weitere Anklage der Staatsanwaltschaft
G. vom 5.12.2013 über weitere mehrere Hundert Straftaten nach §
201a StGB ließ das Landgericht (LG) G. zunächst zur Hauptverhandlung zu und eröffnete - neben dem bereits anhängigen Berufungsverfahren
- das Hauptverfahren.
Die Verfahren vor dem Arbeitsgericht (ArbG) G., in denen die Mitarbeiterinnen ua die Verurteilung des Klägers zur Zahlung
von Schmerzensgeld beantragt hatten, endeten überwiegend durch Vergleiche. Der Kläger gab in den arbeitsgerichtlichen Verfahren
zur Begründung seiner Vergleichsbereitschaft ua an: "Die behauptete schwere und unerträgliche Rechtsverletzung erfolgte über
einen Zeitraum von sechs Jahren - jedoch nicht ständig - und gemessen an der Beschäftigungsdauer der Einzelnen - nicht für
jede in gleicher Weise". Er schlug folgende Präambel für die Vergleiche vor: "Die Parteien gehen davon aus, dass anlässlich
des Lebenssachverhaltes, der den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft G., Az.: 431 Js 6285/12 bildet, der Beklagte seinen Mitarbeiterinnen Schmerzensgeldbeträge zahlt" und befürwortete außerdem folgende Formulierung:
"Die Parteien sind sich einig, dass die Forderungen der (jeweiligen) Klägerin gegen den Beklagten aus einer vorsätzlich begangenen
unerlaubten Handlung stammt, welche Gegenstand des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft G. ... gegen
den Beklagten ist."
Nach Zustandekommen der arbeitsgerichtlichen Vergleiche nahmen die Mitarbeiterinnen ihre Strafanträge zurück. Daraufhin stellte
das LG G. beide (zwischenzeitlich verbundenen) Strafverfahren nach §
206a Abs
1 StPO wegen Eintritts eines Verfahrenshindernisses ein (Beschluss vom 2.5.2014). Aufgrund des Ergebnisses eines im Approbationsverfahren
eingeholten amtsärztlichen Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. D. vom 21.9.2016, welches
das Vorliegen von psychischen oder anderen gesundheitlichen Störungen bei dem Kläger verneinte, verzichtete das zuständige
Landesverwaltungsamt auf die Anordnung approbationsrechtlicher Maßnahmen (Schreiben vom 25.1.2017).
Auf Antrag der zu 7. beigeladenen Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) entzog der Zulassungsausschuss (ZA) dem Kläger die
Zulassung (Beschluss vom 5.3.2014). Den Widerspruch des Klägers, mit dem er geltend machte, dass nach Einstellung des Verfahrens
vor dem LG weder das amtsgerichtliche Urteil noch die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft als Grundlage für seine etwaige
Ungeeignetheit zur Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit herangezogen werden dürften und darüber hinaus die ihm zur
Last gelegten Taten nicht im Zusammenhang mit der vertragszahnärztlichen Tätigkeit stünden, wies der beklagte Berufungsausschuss
(BerA) als unbegründet zurück (Beschluss vom 28.1.2015/Bescheid vom 29.5.2015). Das dem Kläger zur Last gelegte Fehlverhalten
stelle eine gröbliche Verletzung seiner vertragszahnärztlichen Pflichten dar, weshalb die Zulassung nach §
95 Abs
6 S 1
SGB V zu entziehen sei.
Das SG hat die gegen die Zulassungsentziehung erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 23.3.2016). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen
(Urteil vom 20.11.2017). Der Kläger habe gröblich gegen seine vertragszahnärztlichen Pflichten verstoßen, indem er über einen
Zeitraum von sechs Jahren wiederholt und in zahlreichen Fällen Videobildaufnahmen von seinen Helferinnen gefertigt habe, als
diese sich umgezogen oder in der Dusche gestanden hätten. Dies stelle einen Eingriff in den Schutz der Intim- und Privatsphäre
der Mitarbeiterinnen innerhalb des dienstlichen Bereiches und in deren allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. Wegen der hohen
Bedeutung der geschützten Grundrechte und der durch den technischen Fortschritt gestiegenen Gefahr des Einsatzes vergleichsweise
leicht zugänglicher Überwachungsmittel sei es geboten, die Herstellung heimlicher Filmaufnahmen ebenso zu behandeln wie beispielsweise
die entwürdigende Behandlung von Untergebenen oder deren sexuelle Belästigung. Es könne dahinstehen, ob der Kläger aus sexuellen
Motiven gehandelt habe. Maßgeblich sei vielmehr, dass dieser unter Ausnutzung der Gegebenheiten seiner Praxis und seiner Arbeitgeberstellung
als Zahnarzt wiederholt und dauerhaft schwere Eingriffe in die Intimsphäre seiner Mitarbeiterinnen vorgenommen habe. Damit
habe er zugleich seine Ungeeignetheit für die Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit iS des § 21 Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (Zahnärzte-ZV) dokumentiert. Ob und inwieweit die beschlagnahmten Unterlagen aus dem strafrechtlichen Verfahren verwertbar gewesen seien,
könne dahinstehen. Denn der Kläger habe die den Vorwurf des Verstoßes gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht tragenden
Tatsachen bereits in den arbeitsgerichtlichen Verfahren eingestanden. Auch habe er gegenüber dem Gutachter Prof. Dr. D. die
wesentlichen Handlungen eingeräumt. Im Übrigen führe der Einstellungsbeschluss nicht zu einem Verwertungsverbot der einschlägigen
Unterlagen. Da der Kläger in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnisse Bezug
genommen und sie in dieses Verfahren eingeführt habe, könnten diese Äußerungen im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt
werden. Die Zulassungsentziehung sei im Hinblick auf die begangenen Pflichtverletzungen auch angemessen und verhältnismäßig.
Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, das LSG habe den Untersuchungsgrundsatz verletzt. Das amtsgerichtliche Strafurteil
sei aufgehoben und entfalte somit für das Zulassungsentziehungsverfahren keine Tatbestandswirkung. Dies gelte ebenso für die
polizeilichen Vernehmungen und Maßnahmen der Staatsanwaltschaft. Dementsprechend hätten die Vorinstanzen eigene Feststellungen
treffen müssen, was jedoch unterblieben sei. Die Formulierungen aus den arbeitsgerichtlichen Vergleichen ersetzten diese fehlenden
Feststellungen nicht. Eine gröbliche Pflichtverletzung oder eine Ungeeignetheit zur Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit
seien zu verneinen. Soweit das LSG sein Verhalten mit dem Verhalten eines Arztes gleichstelle, der einen sexuellen Übergriff
auf eine Auszubildende verübt habe, sei eine solche Gleichsetzung bereits aufgrund der fehlenden Strafbarkeit der gegen ihn
erhobenen Vorwürfe und des fehlenden direkten körperlichen Angriffes auf Mitarbeiter und minderjährige Patienten nicht gerechtfertigt.
§
201a StGB schütze nicht das sexuelle Selbstbestimmungsrecht, sondern nur das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dementsprechend
sei das vertragszahnärztliche Versorgungssystem von dem behaupteten Eingriff in ein Individualrecht eines Einzelnen gerade
nicht betroffen. Im Übrigen verstoße die Zulassungsentziehung auch gegen das Übermaßverbot, denn es werde nicht berücksichtigt,
dass er strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten sei, das im approbationsrechtlichen Verfahren eingeholte Gutachten
eine Patientengefährdung ausgeschlossen habe, er erhebliche freiwillige Zahlungen an die Mitarbeiterinnen geleistet habe,
es keine Patientenbeschwerden gegeben habe und zudem das Anfertigen von Videoaufnahmen eine geringe Verfehlung darstelle.
Aufgrund dieser Umstände hätte der Beklagte allenfalls ein Disziplinarverfahren einleiten oder eine halbe Zulassung entziehen
dürfen.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Thüringer LSG vom 20.11.2017 und des SG Gotha vom 23.3.2016 sowie den Beschluss des Beklagten vom 28.1.2015
aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend. Der Kläger habe selbst eingeräumt, unbemerkt über sechs Jahre hinweg Bilder
von seinen Angestellten hergestellt zu haben. Der Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht stelle eine gröbliche
Pflichtverletzung iS des §
95 Abs
6 S 1
SGB V dar und begründe die Ungeeignetheit des Klägers zur Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit.
Die Beigeladenen zu 7. und 8. beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 7. trägt vor, der Sachverhalt sei ausreichend durch die Aussagen des Klägers - zB in den Sitzungen des
ZA und des BerA - eingeräumt und durch die Gerichte ausermittelt. Im Übrigen könne auch auf die Ergebnisse der staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungen zurückgegriffen werden. Die vom Kläger angefertigten und gespeicherten Filmaufnahmen seien geeignet, sowohl eine
grobe Pflichtverletzung als auch dessen Ungeeignetheit iS von § 21 Zahnärzte-ZV zu begründen.
Auch die zu 8. beigeladene Landeszahnärztekammer hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.
II
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das LSG hat seine Klage zu Recht abgewiesen.
A. Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Entziehung der Zulassung lagen zum Zeitpunkt
der - den alleinigen Streitgegenstand des Verfahrens bildenden (BSG Urteil vom 27.1.1993 - 6 RKa 40/91 - SozR 3-2500 § 96 Nr 1 - Juris RdNr 13 ff) - Entscheidung des Beklagten vor.
Das LSG hat den maßgeblichen Sachverhalt hinreichend aufgeklärt (dazu 1.) und die von ihm ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellungen
tragen die Schlussfolgerung, dass der Kläger seine vertragszahnärztlichen Pflichten gröblich verletzt hat und ihm deshalb
die Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung zu entziehen ist (dazu 2.). Auf ein Wohlverhalten des Klägers kommt es
im Rahmen des vorliegenden Zulassungsentziehungsverfahrens nicht an (dazu 3.). Die Entziehung der Zulassung war auch verhältnismäßig
(dazu 4.). Ob auch der Tatbestand der fehlenden Eignung (§
95 Abs
6 SGB V iVm § 21 S 1 Zahnärzte-ZV) erfüllt ist, lässt der Senat offen (dazu 5.).
1. Der von dem Kläger geltend gemachte Verstoß des LSG gegen die in §
103 SGG normierte Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung liegt nicht vor.
a. Ein solcher Verfahrensmangel ist bereits nicht hinreichend dargetan (§
164 Abs
2 S 3 letzter Teils
SGG). Da es für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit und Erforderlichkeit von Ermittlungen des Gerichts auf dessen
materiell-rechtliche Ansicht ankommt, reicht es zur Rüge eines solchen Verfahrensfehlers nicht aus, lediglich darauf hinzuweisen,
dass nicht alle geeigneten Erkenntnisquellen ausgeschöpft wurden. Wer eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes geltend
macht, muss vielmehr ua auch darlegen, dass sich das LSG auf der Grundlage seiner eigenen Rechtsansicht zu bestimmten weiteren
Beweiserhebungen hätte gedrängt fühlen müssen und zu welchen (BSG Urteil vom 6.5.2004 - B 4 RA 44/03 R - Juris RdNr 2; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
164 RdNr 12a, B. Schmidt, aaO, § 103 RdNr 20 mwN). Hierzu gehört auch die Benennung konkreter Beweismittel, deren Erhebung sich
dem LSG hätte aufdrängen müssen. Es ist ferner darzulegen, zu welchem Ergebnis nach Auffassung des Revisionsklägers die für
erforderlich gehaltenen Ermittlungen geführt hätten und dass hieraus die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne den geltend
gemachten Verfahrensfehler anders entschieden hätte (BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 R 7/15 R - BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr 30, RdNr 14; BSG Urteil vom 30.10.2014 - B 5 R 8/14 R - BSGE 117, 192 = SozR 4-1500 § 163 Nr 7, RdNr 21; BSG Urteil vom 14.7.1993 - 6 RKa 10/92 - Juris RdNr 26).
Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung nicht. Der Kläger beschränkt sich im Wesentlichen auf die Darlegung, dass
sich der Tatbestand der angefochtenen Entscheidung in der Wiedergabe von behördlich oder (nicht rechtskräftig) richterlich
festgestellten Tatsachen erschöpfe. Notwendig wäre jedoch gewesen, das Ergebnis der für erforderlich gehaltenen Ermittlungen
darzulegen und auszuführen, ob und inwieweit dieses nach dem sachlich-rechtlichen Standpunkt des LSG zu einer anderen Berufungsentscheidung
geführt hätte. Dazu wird in der Revisionsbegründung nichts ausgeführt. Dies wäre aber notwendig gewesen, weil der Kern der
Vorwürfe gegenüber dem Kläger - Installation einer Kamera im Umkleideraum der Mitarbeiterinnen und Erstellung sowie Überspielen
der Bilddateien in sein Büro - von diesem selbst nicht in Abrede gestellt wird. Die Auffassung des Klägers, das LSG hätte
sich wegen der Einstellung des Strafverfahrens für seine Feststellungen nicht auf die Anklageschrift und das Strafurteil beziehen
dürfen, könnte ohne nähere Darlegungen zum möglichen Ergebnis weiterer Ermittlungen seiner Rüge allenfalls zum Erfolg verhelfen,
wenn der Kern der Vorwürfe zwischen den Beteiligten streitig wäre. Das ist jedoch gerade nicht der Fall.
b. Im Übrigen hat das LSG den Sachverhalt hinreichend aufgeklärt. Es hat festgestellt, dass der Kläger vor Ende 2007 in seiner
Praxis eine Überwachungsanlage installiert hat, mit deren Hilfe er Aufnahmen seiner Mitarbeiterinnen in (teilweise) unbekleidetem
Zustand beim Umziehen erstellt hat, die dann in sein Büro überspielt und dort aufgezeichnet worden sind. Dieses Vorgehen hat
der Kläger bis zum Jahr 2012 fortgesetzt und die Aufnahmen auf dem dafür vorgesehenen Gerät gespeichert. Diesen Kern des Sachverhaltes
hat das LSG aufgrund der Feststellungen des Urteils des AG G. vom 27.9.2013, der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft G.
und vor allem der eigenen Aussagen des Klägers vor den Zulassungsinstanzen, vor dem AG G. in den Verfahren der Mitarbeiterinnen
gegen den Kläger und gegenüber dem psychiatrischen Gutachter Prof. Dr. D. festgestellt.
Ernstliche Zweifel an der hinreichenden Tatsachenfeststellung im Urteil des LSG sind insbesondere nicht deshalb begründet,
weil das Urteil des AG G., das den Kläger zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt hat, durch
den Einstellungsbeschluss des LG G. vom 2.5.2014 wirkungslos geworden ist. Nach Rücknahme der Strafanträge der ehemaligen
Praxismitarbeiterinnen konnte der Verstoß gegen §
201a StGB (in der hier noch maßgeblichen Fassung des 36. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 30.7.2004, aF) nicht (weiter) verfolgt werden
(vgl §
205 Abs
1 S 1
StGB in der hier noch maßgeblichen Fassung des 41. Strafrechtsänderungsgesetzes zur Bekämpfung der Computerkriminalität vom 7.8.2007,
aF). Die Annahme des Klägers, in einem solchen Fall beruhe die gerichtliche Entscheidung notwendigerweise auf einer unvollständigen
Tatsachengrundlage, geht fehl. Zwar ist zutreffend, dass mit dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Einstellungsentscheidung
nach §
206a StPO das rechtshängige Verfahren beendet wird. Nach Rechtskraft des Beschlusses ist die Fortsetzung des Verfahrens ausgeschlossen.
Die Einstellung eines Strafverfahrens durch Beschluss gemäß §
206a StPO wegen Vorliegens eines Verfahrenshindernisses ist, wie sich schon aus §
206a Abs
2 StPO ergibt, formeller und materieller Rechtskraft fähig. Sie hat grundsätzlich dieselben Rechtswirkungen wie ein verfahrenseinstellendes
Urteil gemäß §
260 Abs
3 StPO (BGH Beschluss vom 21.12.2007 - 2 StR 485/06 - NStZ 2008, 296; Schneider in Karlsruher Kommentar zur
StPO, 8. Aufl 2019, §
206a RdNr 1; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt,
StPO, 62. Aufl 2019, §
206a RdNr 11). Das hat jedoch nicht zur Folge, dass die Zulassungsinstanzen und die Gerichte sich nicht auf die vom AG G. getroffenen
Feststellungen oder die Ergebnisse des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens stützen dürften, zumal diese durch zahlreiche
Aussagen und Unterlagen aus dem maßgeblichen Zeitraum bestätigt werden. Der Senat hat auch keine Bedenken hinsichtlich der
Verwertbarkeit der im arbeitsgerichtlichen Verfahren getätigten Angaben des Klägers und der dort geschlossenen Vergleiche
(zur grundsätzlichen Verwertbarkeit bestandskräftiger gerichtlicher Vergleiche über Honorarkürzungen wegen Unwirtschaftlichkeit
in Zulassungsentziehungsverfahren vgl BSG Beschluss vom 28.8.1996 - 6 BKa 22/96 - Juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 9.12.2004 - B 6 KA 70/04 B - Juris RdNr 8).
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats dürfen die Sozialgerichte bei der Feststellung, ob ein Arzt seine vertragsärztlichen
Pflichten gröblich verletzt und sich als ungeeignet für die vertragsärztliche Tätigkeit erwiesen hat, vorliegende bestandskräftige
Entscheidungen anderer Gerichte und auch die Ergebnisse staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen verwerten (BSG Beschluss vom 2.4.2014 -B6 KA 58/13 B - Juris RdNr 17; BSG Beschluss vom 27.6.2007 - B 6 KA 20/07 B - Juris RdNr 12; BSG Beschluss vom 5.5.2010 - B 6 KA 32/09 B - MedR 2011, 307 = Juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 31.8.1990 - 6 BKa 33/90 - Juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 27.2.1992 - 6 BKa 15/91 - Juris RdNr 27; BSG Beschluss vom 17.1.2018 - B 6 KA 61/17 B - Juris RdNr 9; vgl auch BVerfG Beschluss vom 16.1.1991 - 1 BvR 1326/90). Dies gilt hier auch für die vom AG getroffenen Feststellungen und die Ergebnisse des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens.
Ein gesetzliches Verwertungsverbot besteht insoweit nicht (so auch zur Verwertung staatsanwaltlicher Ermittlungsakten im Approbationsentzugsverfahren
BVerwG Beschluss vom 28.4.1998 - 3 B 174/97 - Juris RdNr 4). Selbstverständlich sind der BerA und die Gerichte in einer solchen Fallgestaltung verpflichtet, die Erkenntnisse
des Ermittlungsverfahrens bzw die vom AG getroffenen Feststellungen einer kritischen Würdigung zu unterziehen und den Sachverhalt
ggf in eigener Verantwortung weiter aufzuklären. So wird grundsätzlich zu berücksichtigen sein, wenn neue wesentliche Gesichtspunkte
vorgetragen werden oder sich die Tatsachenermittlungen nachträglich als offenkundig fehlerhaft erweisen (vgl OVG Lüneburg
Beschluss vom 2.12.2016 - 12 ME 142/16 - VRS 131, 97 = Juris, RdNr 20 ff).
Für eine offenkundige Fehlerhaftigkeit gibt es jedoch nach den Feststellungen der Vorinstanzen keine Anhaltspunkte. Der Kläger
hat sein Verhalten gegenüber den Mitarbeiterinnen ausdrücklich bedauert und sich dafür entschuldigt; seine eigene Darstellung,
dass er die Überwachungsanlage ursprünglich zum Schutz gegen Diebstähle installiert und den Spiegel im Umkleideraum, der ihm
genaue Aufnahmen des Intimbereichs der Betroffenen ermöglichte, als Bestandteil eines zufällig günstig erworbenen Spiegelschranks
mehr oder weniger beiläufig genutzt habe, sollte seine Handlungsweise erklären und ihren Unrechtsgehalt mindern. Auch gegenüber
dem Sachverständigen Prof. Dr. D., dessen Gutachten der Kläger selbst in das Verfahren eingeführt hat, hat er unmissverständlich
erklärt, dass bei ihm der Wunsch entstanden sei, "ähnliche Szenen", also unbekleidete Mitarbeiterinnen in Situationen, in
denen diese sich unbeobachtet wissen, "auch künftig ansehen zu können". Dafür durch ein technisch aufwändiges System gesorgt
und diese Beobachtung über mindestens sechs Jahre mit Tausenden von Einzelaufnahmen fortgesetzt zu haben, ist der Kern des
Vorwurfs gegen den Kläger, und diesen Sachverhaltskern hat das LSG korrekt festgestellt.
Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der Kläger auch keine neuen wesentlichen Gesichtspunkte vorgetragen. Er hat sich vielmehr
darauf beschränkt, in seinen Ausführungen darzulegen, dass sich die Gelegenheiten für die Filmaufnahmen eher zufällig ergeben
hätten, er sich nicht sämtliche Bilder angesehen habe, beim Betrachten der Bilder keine sexuelle Motivation bestanden habe
und die Feststellungen vom LSG nicht unmittelbar durch Beweismittel (Auswertung von Videoaufnahmen oder Vernehmung von Zeugen)
gewonnen worden seien.
2. In der über Jahre fortgesetzten massiven Verletzung der Privat- und Intimsphäre der Mitarbeiterinnen liegt eine gröbliche
Pflichtverletzung iS des §
95 Abs
6 S 1 Alt 3
SGB V, welche die Entziehung der Zulassung begründet. Gemäß §
95 Abs
6 S 1
SGB V ist die Zulassung zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertrags(zahn)arzt die vertragsärztliche
Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Eine Pflichtverletzung
ist gröblich, wenn sie so schwer wiegt, dass ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig
ist (BSG Urteil vom 20.10.2004 - B 6 KA 67/03 R - BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 10; BSG Urteil vom 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R - BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr 26, RdNr 20; BSG Urteil vom 17.6.2009 - B 6 KA 16/08 R - BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 37; BSG Beschluss vom 11.2.2015 - B 6 KA 37/14 B - Juris RdNr 9).
Davon ist nach der Rechtsprechung des BVerfG wie auch des BSG auszugehen, wenn die gesetzliche Ordnung der vertragsärztlichen Versorgung durch das Verhalten des Arztes in erheblichem
Maße verletzt wird und das Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen tiefgreifend und nachhaltig gestört
ist, sodass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt nicht mehr zugemutet werden kann (BSG Beschluss vom 11.2.2015 - B 6 KA 37/14 B - Juris RdNr 9 mwN; BVerfG Beschluss vom 26.9.2016 - 1 BvR 1326/15 - Juris RdNr 40 und Beschluss vom 28.3.1985 - 1 BvR 1245/84, 1254/84 - BVerfGE 69, 233, 244 = SozR 2200 § 368a Nr 12 S 30; vgl auch Pawlita in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB V, 3. Aufl 2016, §
95 RdNr 516). Ebenfalls geklärt ist, dass persönliche Lebensumstände für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für eine Entziehung
der Zulassung vorliegen, ohne Bedeutung sind: Für den Tatbestand einer gröblichen Pflichtverletzung iS von §
95 Abs
6 SGB V ist nicht erforderlich, dass den Vertragsarzt ein Verschulden trifft; auch unverschuldete Pflichtverletzungen können zur
Zulassungsentziehung führen (vgl BSG Beschluss vom 11.2.2015 - B 6 KA 37/14 B - Juris RdNr 11 mwN). Von diesen Maßgaben ausgehend hat das LSG in nicht zu beanstandender Weise eine gröbliche Pflichtverletzung
des Klägers bejaht.
a. Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine Pflichtverletzung iS des §
95 Abs
6 S 1
SGB V nicht bereits deshalb zu verneinen, weil das Beobachten der Praxismitarbeiterinnen beim Umkleiden als Verfehlung außerhalb
des eigentlichen Kernbereiches der vertragsärztlichen Tätigkeit (Behandlung der Versicherten, korrekte Abrechnung) zu bewerten
wäre.
(1) Es ist in der Rechtsprechung des Senats bereits geklärt, dass auch Verfehlungen außerhalb dieses Kernbereichs eine Zulassungsentziehung
rechtfertigen können. Es kann insbesondere nicht nur auf ein Verhalten abgestellt werden, welches das unmittelbare Arzt-Patienten-Verhältnis
betrifft. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das beanstandete Verhalten - wie hier - "im Verlaufe" ("bei Gelegenheit") des Praxisbetriebes
erfolgt. So hat der Senat eine Zulassungsentziehung wegen versuchter Vergewaltigung einer Praxishelferin gebilligt (BSG Beschluss vom 19.6.1996 - 6 BKa 52/95 - Juris; vgl auch BSG Beschluss vom 31.3.2006 - B 6 KA 69/05 B - Juris) und auch sexuelle Übergriffe eines Arztes gegen die von ihm Auszubildenden (BSG Beschluss vom 27.6.2007 - B 6 KA 20/07 B - Juris RdNr 11) sowie fortgesetzte grob beleidigende und diffamierende Äußerungen gegenüber Mitarbeitern und Funktionsträgern
der KÄV (BSG Urteil vom 20.10.2004 - B 6 KA 67/03 R - BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 20 ff) oder verbale Attacken auf Mitarbeiter von Krankenkassen (BSG Beschluss vom 5.11.2003 - B 6 KA 54/03 B - Juris RdNr 18; vgl auch BSG Beschluss vom 19.11.2014 - B 6 KA 45/14 B - zum Verhalten eines Vertragsarztes im Kontext von Gerichtsverfahren) als mögliche Pflichtverletzungen iS des §
95 Abs
6 SGB V benannt (vgl auch LSG Hamburg Urteil vom 7.10.2015 - L 5 KA 20/13 - Juris und LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 8.10.2003 - L 11 KA 165/02 - Juris, zu Vermögensdelikten).
(2) Für die hier in Rede stehenden gravierenden Eingriffe in die Intimsphäre der Praxismitarbeiterinnen gilt nichts anderes.
Dass es - worauf der Kläger ausdrücklich hinweist - zu keinen sexuellen Übergriffen auf seine Angestellten gekommen ist, steht
der Einordnung der begangenen Verfehlungen als gröbliche Pflichtverletzung nicht entgegen. Strafandrohung und Strafrahmen
des §
201a StGB lassen hinreichend deutlich erkennen, welchen Unrechtsgehalt der Gesetzgeber Verletzungen der Intimsphäre zuweist (vgl BVerwG
Urteil vom 16.2.2017 - 2 WD 14/16 - NVwZ-RR 2017, 619). Die Vorschrift ist durch das 36. Strafrechtsänderungsgesetz in das
StGB aufgenommen worden und am 6.8.2004 in Kraft getreten. Mit der Einführung neuer Technologien, durch die der Aufwand bei der
Aufnahme sowie bei der Verbreitung immer geringer geworden ist, ist das praktische Bedürfnis gewachsen, den Persönlichkeitsschutz
im Bildbereich zu stärken (vgl BT-Drucks 15/533 S 3; BT-Drucks 15/2466 S 4). In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, dass
der persönliche Lebensbereich durch Bildaufnahmen in gleicher Weise verletzt werden kann wie durch unbefugtes Abhören (BT-Drucks
15/2466 S 4). Die Vorschrift schützt die individuelle Eigensphäre als einen Freiraum, der für die Entfaltung der menschlichen
Persönlichkeit unerlässlich ist (Kargl in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen,
StGB, 5. Aufl 2017, §
201a StGB RdNr 4 unter Hinweis auf BVerfG Urteil vom 3.3.2004 - 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99 - BVerfGE 109, 279). Erfasst ist damit der durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistete
höchstpersönliche Lebensbereich (BGH Beschluss vom 26.2.2015 - 4 StR 328/14 - GesR 2015, 298; Eisele in Schönke/Schröder,
StGB, 30. Aufl 2019, §
201a RdNr 3).
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Kläger mittels einer von ihm aufwändig installierten technischen Vorrichtung
über einen Zeitraum von sechs Jahren heimlich tausende Videodateien von seinen Mitarbeiterinnen ohne deren Wissen und in intimen
Situationen angefertigt bzw die Mitarbeiterinnen beim Umkleiden in Echtzeit beobachtet. Der Kläger hat damit ein gravierendes
Fehlverhalten gezeigt, welches mit dem Berufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit eines Zahnarztes
schlechthin nicht vereinbar ist. Gerade die Übertragung der Bilder aus dem Umkleideraum in das Büro des Klägers und die Speicherung
mit dem Ziel, diese Bilder öfter anzusehen, machen deutlich, dass der Kläger die Intimsphäre der Mitarbeiterinnen zum Objekt
seiner besonderen Interessen gemacht hat. Die zahlreichen Aufnahmen über einen Zeitraum von sechs Jahren lassen sich nicht
mehr als bloß gelegentliches Fehlverhalten abtun. Der Kläger hat unter Ausnutzung der Gegebenheiten seiner Praxis und seiner
Arbeitgeberstellung wiederholt und dauerhaft schwere Eingriffe in die Intimsphäre seiner Praxismitarbeiterinnen vorgenommen,
die geeignet sind, die Betroffenen nachhaltig zu beeinträchtigen. Dabei hat er den Umstand ausgenutzt, dass die Mitarbeiterinnen
in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu ihm standen. Er hat das Vertrauen der betroffenen Mitarbeiterinnen massiv verletzt,
indem er ohne ihr Wissen und Einverständnis Videoaufnahmen von ihren nahezu unbekleideten Körpern bzw Körperteilen angefertigt
hat. Wenn der Kläger als Arbeitgeber seinen Mitarbeiterinnen einen Umkleide- und Duschraum zur Verfügung stellt, müssen diese
darauf vertrauen können, dass keine Filmaufnahmen von ihnen gefertigt werden, auf denen sie unter Umständen unbekleidet zu
sehen sind.
Diese Pflichtverletzungen sind in ihrem Zusammenhang gröblich, weil sie das Vertrauen der KZÄV und der Krankenkassen in eine
ordnungsgemäße Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit, die mit hohen Erwartungshaltungen an die Integrität des Zahnarztes
behaftet ist, so nachhaltig zerstörten, dass diesen eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht mehr zuzumuten
ist. Die Funktionsfähigkeit des Systems der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung setzt voraus, dass die beteiligten Ärzte,
Krankenkassen und K(Z)ÄVen auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens trotz gegenläufiger Interessen zusammenwirken. Mit einem
Zahnarzt, der grundlegende Anforderungen an das Verhalten im Zusammenhang mit der Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit
über Jahre so gravierend verletzt hat und nicht etwa einmalig einer bestimmten "Versuchung" erlegen ist, müssen die Träger
der vertragszahnärztlichen Versorgung nicht länger zusammenarbeiten. Ihr Vertrauen, der Kläger werde seine vertragszahnärztliche
Tätigkeit in Einklang mit den für die Ausübung des zahnärztlichen Berufs geltenden Vorschriften ausüben, ist nachhaltig erschüttert
und zerstört.
b. Dass der Kläger nicht rechtskräftig strafrechtlich verurteilt worden ist und dass die arbeitsgerichtlichen Verfahren vergleichsweise
unter Zahlung von Entschädigungen an die betroffenen Mitarbeiterinnen erledigt worden sind, ändert nichts daran, dass die
Voraussetzungen für eine Zulassungsentziehung erfüllt sind. Weder aus §
95 Abs
6 SGB V noch aus der Rechtsprechung des Senats sind Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass eine gröbliche Pflichtverletzung nur im
Falle strafbaren Verhaltens angenommen werden darf (BSG Beschluss vom 2.9.2009 - B 6 KA 14/09 B - Juris RdNr
18). Die Entscheidung über eine Zulassungsentziehung nach §
95 Abs
6 SGB V knüpft nicht an ein den Arzt rechtskräftig wegen einer (vorsätzlichen) Tat verurteilendes Strafurteil eines deutschen Gerichts
an. Selbst wenn der Arzt vom Vorwurf einer Straftat rechtskräftig freigesprochen worden ist, sind andere Gerichte an diese
Wertung des Sachverhalts durch das Strafgericht grundsätzlich nicht gebunden, soweit es bei ihren Verfahren nicht um die strafrechtliche
Verantwortlichkeit des Betroffenen geht (vgl auch BVerwG Beschluss vom 24.1.2017 - 2 B 75/16 - NJW 2017, 2295 - Juris RdNr 8 bei Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis). Vielmehr kann auch ein nicht strafbares Verhalten einen so
gewichtigen Unwert darstellen, dass eine gröbliche Pflichtverletzung bejaht werden kann. Dies ist vorliegend nach den Feststellungen
des SG und LSG der Fall.
3. Zu Recht hat das LSG als maßgeblichen Zeitpunkt für die Prüfung des Tatbestandes des §
95 Abs
6 S 1
SGB V auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung des Beklagten - hier am 28.1.2015 - abgestellt
(BSG Urteil vom 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R - Juris; BSG Beschluss vom 17.1.2018 - B 6 KA 61/17 B; BSG Beschluss vom 22.3.2016 - B 6 KA 69/15 B; BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 22/11 R - SozR 4-2500 § 95 Nr 24 RdNr 54 f). Eine Zulassungsentziehung erfordert keine Negativprognose für das künftige Verhalten
des Leistungserbringers im Sinne der Feststellung einer Wiederholungsgefahr, da §
95 Abs
6 S 1
SGB V nicht auf die Steuerung künftigen Verhaltens ausgerichtet ist, sondern eine nachträgliche Reaktion auf ein in der Vergangenheit
liegendes pflichtwidriges Verhalten darstellt (ausführlich dazu BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 22/11 R - BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 §
95 Nr 24, RdNr 56 ff; Pawlita in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB V, 3. Aufl 2016, §
95 SGB V RdNr 522). Soweit der Kläger vorträgt, er habe Maßnahmen ergriffen, sodass eine zukünftige Gefährdung von Mitarbeitern und
Patienten nicht zu befürchten sei, ist dies für die Rechtmäßigkeit der Zulassungsentziehung ohne Bedeutung, sondern nur in
einem eventuellen Verfahren auf Wiederzulassung gegebenenfalls relevant.
4. Die Zulassungsentziehung ist auch verhältnismäßig. Eine lediglich hälftige Entziehung der Zulassung nach §
95 Abs
6 S 2
SGB V war dem Beklagten bereits deshalb nicht möglich, weil eine solche jedenfalls bei Zulassungsentziehungen wegen gröblicher
Pflichtverletzungen nur in Betracht kommt, wenn der betroffene Arzt lediglich über einen hälftigen Versorgungsauftrag verfügt,
mithin auch nur ein hälftiger Versorgungsauftrag entzogen werden kann (BSG Beschluss vom 17.10.2012 - B 6 KA 19/12 B - Juris RdNr 9 ff). Der Kläger verfügte jedoch über einen vollen Versorgungsauftrag.
Auch der Einwand des Klägers, dem Beklagten habe als milderes Mittel die Durchführung eines Disziplinarverfahrens zur Verfügung
gestanden, greift nicht. Angesichts des dargestellten schwerwiegenden Charakters der Pflichtverletzungen ist die Zulassungsentziehung
sachangemessen. Sofern eine der drei Voraussetzungen des §
96 Abs
6 S 1
SGB V vorliegt, ist die Zulassung zu entziehen (vgl BSG Urteil vom 25.10.1989 - 6 RKa 28/88 - BSGE 66, 6, 7). Die Entziehung setzt keine weiteren Tatbestandmerkmale als eine gröbliche Pflichtverletzung, die Nichtaufnahme oder
Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit oder das Nichtvorliegen und das Entfallen der Zulassungsvoraussetzungen voraus.
Ein Grundsatz, dass vor jeder Zulassungsentziehung eine Disziplinarmaßnahme durchzuführen wäre, besteht nicht. Insbesondere
wenn die Pflichtverletzung - wie hier - gröblich ist, reichen Disziplinarmaßnahmen nicht mehr aus (BSG Urteil vom 25.10.1989 - 6 RKa 28/88 - BSGE 66, 6, 8; vgl auch Kremer/Wittmann, Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, 3. Aufl 2018, RdNr 1630; Clemens in Schallen, Zulassungsverordnung,
9. Aufl 2018, § 27 RdNr 31).
5. Das Gutachten von Prof. Dr. D. aus dem Jahr 2016, wonach bei dem Kläger keine psychische Erkrankung vorliegt, die seine
Eignung für die Ausübung der zahnärztlichen Tätigkeit einschränkt, hat im Rahmen der Prüfung des Tatbestandes der gröblichen
Pflichtverletzung in den Jahren 2007 bis 2012 keine Bedeutung. Ob das Gutachten der Annahme des LSG entgegensteht, dass auch
der Entziehungstatbestand der fehlenden Eignung aus gesundheitlichen oder sonstigen in der Person liegenden Gründen erfüllt
ist (§ 21 S 1 Zahnärzte-ZV in Verbindung mit §
95 Abs
6 S 1 Alt 1
SGB V), lässt der Senat offen; für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Beklagten kommt es darauf nicht an.
B. Die Kostenentscheidung folgt aus §
197a Abs
1 S 1 Teils 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten des von ihm ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen. Eine Erstattung der Kosten
der Beigeladenen zu 1. bis 6. ist nicht veranlasst, weil sie keine Anträge gestellt haben (§
162 Abs
3 VwGO).