Kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden Erwerbstätigkeit
täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Hinsichtlich des Sachverhalts bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand des Urteils des Sozialgerichts
Hamburg vom 16. November 2017 verwiesen. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die
be-gehrte Rente, denn er sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Kläger
noch mindestens sechs Stunden einer leichten Arbeit mit qualitativen Einschränkungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeits-marktes nachgehen könne. Auch seien die Wegefähigkeit und die Fähigkeit, Hemmungen ge-genüber einer Arbeitstätigkeit
zu überwinden, erhalten. Dies ergebe sich aus allen vom Ge-richt bestellten ärztlichen Gutachten. Dem Gutachten gemäß §
109 SGG des Sachverständi-gen Dr. D., der ein aufgehobenes Leistungsvermögen annehme, sei nicht zu folgen.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt. Die erstinstanzliche Entschei-dung sei unzutreffend. Tatsächlich
leide er (der Kläger) an ständigen Schmerzen, welche ihn an jeglicher Tätigkeit hinderten. Zu den Schlafproblemen kämen noch
vor allem nächtliche Panikattacken hinzu. Er sei auf Rollator und Rollstuhl angewiesen und auf die Pflege durch seine Frau.
Die behandelnde Ärztin Dr. W. sehe auch kein Leistungsvermögen mehr. Zu den vielen körperlichen Erkrankungen sei jetzt noch
eine Hauterkrankung hinzugetreten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 16. November 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 22. März 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 12. September 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Erwerbsminderungsrente gemäß §
43 SGB VI zu gewähren. Weiter beantragt der Kläger, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Kläger zurückzuweisen.
Die erstinstanzliche Entscheidung sei zutreffend. Nach wie vor liege nach Einschätzung des Facharztes für Innere Medizin Dr.
J. kein Befund vor, der die begehrte Rente begründen könnte.
Im Berufungsverfahren ist der Arzt für Innere Medizin, Arbeitsmedizin, Lungen- und Bronchi-alheilkunde sowie Umweltmedizin
Dr. S. nach Untersuchung des Klägers ausweislich des Gutachtens vom 13. Oktober 2018 zu der Einschätzung gelangt, der Kläger
könne trotz Adipositas, einer koronaren Herzerkrankung mit mehrfacher Stentversorgung, eines Diabetes mellitus mit Polyneuropathie
und einer medikamentös kompensierten Schilddrüsenun-terfunktion noch leichte körperliche Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen
sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Es gebe keinen Anhalt für eine das Leistungsvermögen
zusätzlich einschränkende psychische Erkrankung.
In seinem Gutachten vom 1. April 2019 und seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 2. April 2019 hat der Neurologe/Psychiater
Dr. N. dargelegt, der Kläger sei noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen regelmäßig
vollschichtig, also sechs Stunden und mehr täglich, zu verrichten. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Auch sei der Kläger in
der Lage, etwaige Hemmungen gegenüber einer Arbeitstätigkeit zu überwinden. In der Untersuchung sei auffällig gewesen, dass
der vom Kläger demonstrierte Tremor genau im richtigen Moment der Untersuchung dieser Störung aufgetreten, jedoch ansonsten
nicht zu beobachten gewesen sei. Der Kläger habe eine auffällige, vielfältige Gangstörung gezeigt, die sich aus den eher geringen
körperlichen Einschränkungen gar nicht, aber auch psychisch so nicht erklären ließe. Es sprächen überwiegende Gesichtspunkte
für eine bewusstseinsnahe Ausgestaltung im Sinne eines "Vorspielens". Einen Gehstock, Rollator oder gar einen Rollstuhl bedürfe
der Kläger zur Fortbewegung nicht. Die von Dr. D. angenommene Unfähigkeit, am sozialen Leben teilzunehmen wegen eines Gefangenseins
in der Schmerzwahrnehmung sie nicht nachvollziehbar und auch aus den von ihm erhobenen Befunden nicht ableitbar. Wenn die
behandelnde Ärztin Dr. W. einen Rückzug aus dem (Arbeits-)Leben für unausweichlich halte, übersehe sie die bewusstseinsnahe
Ausgestaltung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Verwaltungsakten
der Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Gerichts gewesen.
Entscheidungsgründe:
Über die Berufung konnte die Berichterstatterin an Stelle des Senats entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden
erklärt haben (§
155 Abs.
4 in Verbindung mit Abs.
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)).
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers (vgl. §§
143,
144,
151 SGG) ist nicht begründet.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
gerichtete Klage abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht insoweit Bezug auf die Begründung des sozialge-richtlichen
Urteils (§
153 Abs.
2 SGG).
Im Berufungsverfahren wurde durch zwei weitere Gutachten diese Einschätzung vollauf be-stätigt. Das Berufungsgericht folgt
diesen überzeugenden Gutachten. Beim Kläger liegt noch ein für den allgemeinen Arbeitsmarkt ausreichendes Leistungsvermögen
vor. Entgegen seiner Darstellung ist er in der Lage sowohl sechs Stunden und mehr täglich leichte Arbeiten mit qualitativen
Einschränkungen zu leisten, als auch die Wege zu und von einer Arbeit zurück zu legen und auch öffentliche Verkehrsmittel
zu benutzen. Auch kann er Hemmungen gegenüber einer Arbeitstätigkeit überwinden. Das Gutachten von Dr. D. überzeugt auch das
Berufungsgericht nicht, denn er unterstellt alle Angaben des Klägers als zutreffend, ohne diese kritisch zu würdigen. Aus
seinem Befund lässt sich ein aufgehobenes Leistungsvermögen nicht herleiten. Auch überzeugt seine Begründung, der Kläger,
der trotz seiner Persönlichkeitsstörung lange Jahre gearbeitet hat, könne nunmehr keine Energie mehr aufbringen, nicht. Die
behandelnde Ärztin Dr. W., die sich für eine Rentengewährung ausspricht, nennt ebenfalls keinen Befund, der auf ein aufgehobenes
Leistungsvermögen schließen lassen würde. Insbesondere hat auch sie keine Erklärung für die vom Kläger demonstrierte Gangunsicherheit.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechts-streits in der Hauptsache.
Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder Nr.
2 SGG ist nicht gegeben.