Anspruch auf fiktive Bemessung des Arbeitslosengeldes nach der Qualifikationsgruppe 3 beim Vorliegen einer außerbetrieblichen
Ausbildung mit Zahlung einer Ausbildungsvergütung nach der Änderung der ständigen Rechtsprechung durch das Bundessozialgericht
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 8. September 2016, durch das seine
Klage gerichtet auf die Bewilligung von höherem Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung
- (
SGB III) für die Zeit vom 27. Februar 2010 bis zum 17. Mai 2010 abgewiesen wurde.
Der 1981 geborene Kläger schloss am 26. Februar 2010 eine am 2. März 2009 begonnene Ausbildung zum Industriemechaniker bei
der Fördergesellschaft für berufliche Bildung A ... ab. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung erzielte er bis zum 31. August
2009 ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 341,78 EUR, vom 1. September 2009 bis zum 31. Januar 2010 in
Höhe von 358,87 EUR und vom 1. Februar 2010 bis zum 26. Februar 2010 in Höhe von 311,02 EUR.
Mit Wirkung zum 27. Februar 2010 meldete sich der Kläger arbeitslos. Mit Bescheid vom 15. März 2010 bewilligte ihm die Beklagte
für die Zeit ab dem 27. Februar 2010 Arbeits-losengeld für 360 Tage in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 5,43 EUR ausgehend
von einem täglichen Bemessungsentgelt von 11,45 EUR. In der Zeit vom 25. Mai 2010 bis zum 22. Juli 2010 absolvierte der Kläger
eine berufliche Weiterbildungsmaßnahme und erhielt im Anschluss daran aufgrund des Änderungsbescheides vom 26. Juli 2010 Arbeitslosengeld
für 245 Tage in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 5,43 EUR. Wegen der Aufnahme einer Beschäftigung am 7. März 2011
hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 7. März 2011 auf. Aufgrund erneuter
Arbeitslosigkeit bewilligte ihm sie ihm mit Bescheid vom 28. Oktober 2011 für die Zeit ab dem 7. September 2011 für einen
Restanspruchsdauer von 21 Tagen Arbeitslosengeld wiederum in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 5,43 EUR.
Am 27. Dezember 2011 beantragte der Kläger die Überprüfung aller Bewilligungsbescheide für die Zeit vom 27. Februar 2010 bis
zum 27. September 2011. Ihm sei das Arbeitslosengeld zu Unrecht nach dem erhaltenen Ausbildungsgeld berechnet worden. Richtigerweise
hätte ihm Arbeitslosengeld fiktiv nach der Qualifikationsgruppe 3 bewilligt werden müssen.
Mit Bescheid vom 10. Februar 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass in seinem Fall das Arbeitslosengeld nach der Qualifikationsgruppe
3 zu bemessen sei und bewilligte ihm mit vier Änderungsbescheiden vom 20. Februar 2012 Arbeitslosengeld für die Zeit vom 18.
Mai 2010 bis zum 24. Mai 2010, vom 5. Mai 2010 bis zum 22. Juli 2010, vom 23. Juli 2010 bis zum 6. März 2011 sowie vom 7.
September 2011 bis zum 27. September 2011 in Höhe von täglich 27,31 EUR. Sie legte ausgehend von der für den Kläger maßgebenden
Qualifikationsgruppe 3 ihrer Berechnung ein Bemessungsentgelt in Höhe von 68,13 EUR zugrunde.
Hiergegen erhob der Kläger am 2. März 2012 Widerspruch und rügte, dass ihm das höhere Arbeitslosengeld nach der Qualifikationsgruppe
3 auch für die Zeit vom 27. Februar 2010 bis zum 17. Mai 2010 zu bewilligen sei. Das Bundessozialgericht habe bereits am 3.
Dezember 2009 im Verfahren Az. B 11 AL 42/08 R in seinem Sinn entschieden und nicht erst mit der Entscheidung vom 18. Mai 2010 im Verfahren Az. B 7 AL 49/08 R. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 2012 zurück. Eine nachträgliche Änderung könne
aufgrund der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 18. Mai 2010 nur für Leistungen ab diesem Zeitpunkt erfolgen.
Der Kläger hat am 22. Mai 2012 Klage erhoben und sein Begehren weiterverfolgt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. September 2016 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass nach §
330 Abs.
1 Alt. 2
SGB III ein unanfechtbarer Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zeit ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen
sei, wenn die in § 44 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buches - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtwidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes nicht vorlägen. Dies
sei vorliegend der Fall. Entgegen der Auffassung des Klägers sei eine Änderung der ständigen Rechtsprechung nicht bereits
mit der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 3. Dezember 2009 eingetreten, sondern erst mit der Entscheidung vom 18.
Mai 2010. Die Rechtsfrage, die das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 3. Dezember 2009 zu entscheiden gehabt habe,
sei die Berücksichtigung von Zeiten der versicherungspflichtigen Beschäftigung zur Berufsausbildung nach §
25 Abs.
1 Satz 2
SGB III ohne Ausbildungsvergütung bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes gewesen. Der Kläger habe jedoch ausweislich der Arbeitsbescheinigung
eine Ausbildungsvergütung erhalten. Die Rechtsfrage, ob das Arbeitslosengeld auch im Fall einer versicherungspflichtigen außerbetrieblichen
Berufsausbildung mit Ausbildungsvergütung nach §
25 Abs.
1 Satz 2
SGB III fiktiv nach der Qualifikationsgruppe zu bemessen sei, habe das Bundessozialgericht erst mit der Entscheidung vom 18. Mai
2010 entschieden.
Gegen das ihm am 15. September 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. Oktober 2016, einem Montag, Berufung eingelegt.
Er verfolgt, ohne einen konkreten Berufungsantrag zu stellen, sein erstinstanzliches Begehren weiter.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 8. September 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Abänderung
des Bescheides vom 20. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2012 für die Zeit vom 27. Februar
2019 bis zum 17. Mai 2010 Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung der fiktiven Berechnung nach der Qualifikationsgruppe 3
zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die nach ihrer Auffassung zutreffende erstinstanzliche Entscheidung und darauf, dass der 3. Senat des Sächsischen
Landessozialgerichts bereits mit Urteil vom 3. Mai 2013 (Az. L 3 AL 74/12) zur Anwendung von § 44 SGB X i. V. m. §
330 SGB III bei Vorliegen einer außerbetrieblicher Ausbildung mit Zahlung einer Ausbildungsvergütung entschieden habe, dass eine rückwirkende
Abänderung der behördlichen Entscheidung über die Zeit vor der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 18. Mai 2010 nicht
in Betracht komme.
Dem Kläger wurde mit richterlichem Schreiben vom 21. Dezember 2016 eine anonymisierte Fassung des Urteils vom 3. Mai 2013
zur Kenntnisnahme übermittelt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene
Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Gericht konnte trotz Ausbleibens des Klägers verhandeln und entscheiden, weil er hierauf in der Ladung hingewiesen
worden ist (vgl. §
153 Abs.
1 i. V. m. §
110 Abs.
1 Satz 2 des
Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).
II. Der zulässigen Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg.
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere gemäß §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG statthaft.
Gemäß §
143 SGG findet die Berufung an das Landessozialgericht gegen die Urteile der Sozialgerichte statt, soweit sich aus den Vorschriften
des Ersten Unterabschnitts zum Zweiten Abschnitt des Zweiten Teils des
Sozialgerichtsgesetzes (§§
143 bis
159 SGG) nichts anderes ergibt. Gemäß §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts,
wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten
Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Das gilt gemäß §
144 Abs.
1 Satz 2
SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.
Der nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG maßgebende Wert des Beschwerdegegenstands ist danach zu bestimmen, was das Sozialgericht dem Rechtsmittelführer versagt hat
und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen weiterverfolgt wird (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 27. Juni 2012 - L 3 AS 148/10 NZB - juris Rdnr. 3; Sächs. LSG, Urteil vom 14. März 2013 - L 3 AS 528/12 - NZS 2013, 480 = juris, jeweils Leitsatz 2; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], §
144 Rdnr. 14, m. w. N.; Udsching, in: Krasney/Udsching, Handbuch des Sozialgerichtlichen Verfahrens [6. Aufl., 2011], Kapitel
VII Rdnr. 67). Maßgebender Zeitpunkt für die Bestimmung ist dabei die Einlegung der Berufung (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom
8. Dezember 2014 - L 3 AS 939/14 B PKH - juris Rdnr. 9, m. w. N.; Leitherer, a. a. O., § 144 Rdnr. 19).
Mit seiner im Rahmen des Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X erhobenen Klage begehrt der Kläger für die Zeit vom 27. Februar 2010 bis zum 17. Mai 2010 ein höheres Arbeitslosengeld unter
Berücksichtigung der fiktiven Bemessung nach der Qualifikationsgruppe 3 nach §
132 Abs.
2 Satz 2 Nr.
3 SGB III (in der vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2012 gelten Fassung; vgl. Artikel 1 Nr. 71 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003
[BGBl. I S. 2848]), welches sich auf insgesamt 27,31 EUR täglich belaufen würde. Bewilligt wurde ihm ein tägliche Arbeitslosengeld
von 5,43 EUR, so dass insgesamt ein höheres Arbeitslosengeld von 1.728,52 EUR (= 79 Tage x 21,88 EUR [= 27,31 EUR - 5,43 EUR])
im Streit steht. Der für die Berufung notwendige Beschwerdewert von mehr als 750,00 EUR wird überschritten. Die Berufung ist
ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft.
2. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts vom 8. September 2016 ist nicht zu beanstanden. Der
Änderungsbescheid vom 20. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2012 ist rechtmäßig. Der Kläger
hat keinen Anspruch auf Bewilligung von höherem Arbeitslosengeld für die Zeit vom 27. Februar 2010 bis zum 17. Mai 2010 unter
Berücksichtigung einer fiktiven Bemessung nach §
132 Abs.
2 Satz 2 Nr.
3 SGB III a. F.
a) Wie die zuständige Einzelrichterin des Senates bereits zur Anwendung von § 44 SGB X i. V. m. §
330 SGB III bei Vorliegen einer außerbetrieblicher Ausbildung mit Zahlung einer Ausbildungsvergütung mit Urteil vom 3. Mai 2013 entschieden
hat, kommt eine rückwirkende Abänderung der behördlichen Entscheidung über die Zeit vor der Entscheidung des Bundessozialgerichts
vom 18. Mai 2010 (Az. B 7 AL 49/08) nicht in Betracht (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 3. Mai 2013 - L 3 AL 74/12 - [nicht veröffentlicht]).
In dieser Entscheidung ist ausgeführt: "Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. §
330 Abs.
1 SGB III liegen nicht vor.
Liegen die im § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil er auf einer
Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für unvereinbar mit dem
Grundgesetz erklärt oder in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden ist, so ist der Verwaltungsakt,
wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder nach
dem Entstehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen (§
330 Abs.
1 SGB III).
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und des Klägers ist mit dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 3. Dezember 2009
(B 11 AL 42/08 R) keine ständige Rechtsprechung im Sinne des §
330 Abs.
1 SGB III entstanden. In dieser Entscheidung hat sich der 11. Senat des Bundessozialgerichts mit der Frage der fiktiven Bemessung des
Arbeitslosengeldes nach absolvierter außerbetrieblicher Ausbildung ohne Zahlung einer Ausbildungsvergütung auseinandergesetzt.
Im Urteil vom 3. Dezember 2009 wurde nicht geklärt, wie diese Rechtsfrage bei absolvierter außerbetrieblicher Ausbildung mit
Zahlung einer Ausbildungsvergütung zu beurteilen ist. So hat die Beklagte folgerichtig die höchstrichterliche Entscheidung
des 11. Senats des Bundessozialgerichts vom 3. Dezember 2009 nur für die gleichgelagerten Bemessungsfälle verbindlich akzeptiert,
bei denen Zeiten der versicherungspflichtigen Beschäftigung zur außerbetrieblichen Berufsausbildung ohne Ausbildungsvergütung
vorlagen. Die Beklagte hat hierzu die Aktualisierung der Durchführungsanweisung zu § 131 - Stand Januar 2010 - vorgelegt,
was zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit steht.
Erst durch das Urteil des 7. Senats des Bundessozialgerichts vom 18. Mai 2010 (B 7 AL 49/08 R, JURIS-Dokument) wurde höchstrichterlich geklärt, dass die in der außerbetrieblichen Ausbildung bezogene Ausbildungsvergütung
kein Arbeitsentgelt im Sinne des Bemessungsentgelt für das Arbeitslosengeld ist, da die Gleichstellung einer Ausbildung in
einer außerbetrieblichen Einrichtung im Rahmen der Versicherungspflicht sich nicht auf das Bemessungsrecht erstreckt. Mangels
Zeiten mit Anspruch auf Arbeitsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen ist dann, so der 7. Senat des Bundessozialgerichts,
ebenso wie bei absolvierter außerbetrieblicher Ausbildung ohne Ausbildungsvergütung eine fiktive Bemessung nach Maßgabe des
§
132 SGB III a.F. vorzunehmen. Mit Aktualisierung der Durchführungsanweisung zu §
131 - mit Stand November 2010 - hat die Beklagte dann die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 18. Mai 2010 (B 7 AL 49/08 R) umgesetzt. Dort ist bestimmt, dass bei aktuellen Entscheidungen die Bemessung nach Maßgabe der geänderten Weisungen vorzunehmen
ist. Weiter ist geregelt, dass in den Fällen, über die am 18. Mai 2010 nicht bestands- oder rechtskräftig entschieden war,
die Höhe des Arbeitslosengeldes rückwirkend unter Berücksichtigung von § 44 Abs. 4 SGB X (§ 44 Abs. 1 SGB X) und in den bestands- und rechtskräftigen Fällen ab 18. Mai 2010 zu korrigieren ist (§ 44 Abs. 1 SGB X i.V.m. §
330 Abs.
1 SGB III).
Eine ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat somit erst mit Urteil vom 18. Mai 2010 vorgelegen, zum einen, weil
erst an diesem Tag vom 7. Senat festgestellt worden ist, dass während einer nach §
25 Abs.
1 Satz 2
SGB III versicherungs-flichtigen außerbetrieblichen Ausbildung in der keine Ausbildungsvergütung bezogen worden ist, eine fiktive
Einstufung gemäß §
132 SGB III a.F. zu erfolgen hat. Des Weiteren haben auch erst an diesem Tag beide mit dem Recht der Arbeitslosenversicherung vor dem
Bundessozialgericht damals befassten Senate sich zur Frage der Höhe der Bemessungsentgelts während einer versicherungspflichtigen
außerbetrieblichen Ausbildung geäußert. Bis dahin bestand noch eine Klärungsbedürftigkeit in der beim Kläger bestehenden Rechtsfrage.
Diese kann, trotz Vorliegens einer höchstrichterlichen Entscheidung, weiterhin bestehen, wenn der Entscheidung in nicht geringem
Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vorherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden. Entscheidend für die
Klärungsbedürftigkeit ist also nicht die Zahl der vorliegenden Entscheidungen, sondern der Gesichtspunkt, inwieweit einer
Entscheidung widersprochen wird (so Sächs. Landessozialgericht, Urteil vom 20. Januar 2011, L 3 AL 47/09). Die Beklagte hat zutreffend nach dem Urteil des 11. Senats des Bundessozialgerichts vom 3. Dezember 2009 ihre Durchführungsanweisung
noch nicht auf alle gleichgelagerten Fälle, z.B. auf diejenigen einer absolvierten außerbetrieblichen Ausbildung mit Zahlung
einer Ausbildungsvergütung ausgedehnt, sondern vielmehr die Entscheidung des mit dieser Rechtsfrage befassten 7.Senats, die
am 18. Mai 2010 erging, abgewartet. Dies ist sachgerecht und nachvollziehbar. Denn zum einen betraf der zu entscheidende Sachverhalt
eine in wesentlichen Punkten andersartige Fallkonstellation, zum anderen kann es jedoch geboten sein, dass die Verwaltung
die Entscheidung mehrere Senate des Bundessozialgerichts abwartet, zumal vorliegend erkennbar war, dass die vorliegende Rechtsfrage
im 7. Senat des Bundessozialgerichts anhängig war. Sind zwei Senate eines Bundesgerichts für das gleiche Rechtsgebiet zuständig
und unabhängig von einander in kurzer zeitlicher Abfolge zur Klärung der gleichen Rechtsfrage berufen, kann vom Entstehen
einer ständigen Rechtsprechung erst dann ausgegangen werden, wenn beide Senate entschieden haben (so Sächs. LSG, Urteil vom
20. Januar 2011 - L 3 AL 47/09). Da nach der Entscheidung vom 3. Dezember 2009 eine Umsetzung durch die Beklagte noch nicht in Fällen einer absolvierten
außerbetrieblichen Ausbildung mit Zahlung einer Ausbildungsvergütung erfolgte, hat die Beklagte folgerichtig noch keine Fiktiveinstufung
vorgenommen."
b) Der Senat teilt die im Urteil vom 3. Mai 2013 dargestellte Rechtsauffassung. Ergänzend zum vorliegenden Verfahren ist auszuführen:
(1) Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem
Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht
oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für
die Vergangenheit zurückzunehmen.
Nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X werden, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, Sozialleistungen nach den Vorschriften
der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei
wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (vgl. §
44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen
sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (vgl. § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X).
(2) Vorliegend stellte der Kläger seinen Überprüfungsantrag am 27. Dezember 2011, so dass der streitbefangene Zeitraum von
§ 44 SGB X erfasst wird. Die Beklagte gab dem Überprüfungsbegehren im Wesentlichen statt und bewilligte dem Kläger für die Zeit ab dem
18. Mai 2010, dem Tag der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 18. Mai 2010 (Az.: B 7 AL 49/08 R), ein höheres Arbeitslosengeld auf der Grundlage der Qualifikationsgruppe 3 nach §
132 Abs.
2 Satz 2 Nr.
3 SGB III a. F. Soweit sie jedoch die Gewährung eines höheren Arbeitslosengeldes auch für die Zeit vom 27. Februar 2010 bis zum 17.
Mai 2010 ablehnt, beruft sie sich zu Recht auf §
330 Abs.
1 SGB III. Danach ist, wenn die in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vorliegen, weil er
auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für nichtig oder für unvereinbar mit dem
Grundgesetz erklärt oder in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden ist, der Verwaltungsakt,
wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab
dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen.
Sinn der Regelung ist es, unnötige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. 17/3404 = Anlage 1 zu BT-Drucks. 17/3958,
S. 114 f. zu Art. 2 Nr.
32 §
40 Abs. 2 Nr. 2). §
330 Abs.
1 SGB III sieht für die Rücknahme von bestandskräftigen Verwaltungsakten eine von § 44 SGB X abweichende Sonderregelung vor, wenn der Verwaltungsakt auf einer Rechtsnorm beruht, die nach dem Erlass des Verwaltungsakts
für nichtig oder für verfassungswidrig erklärt oder in ständiger Rechtsprechung durch die Bundesagentur ausgelegt wird. Die
Vorschrift enthält nur für diese Fälle eine von § 44 SGB X abweichende Regelung für den Anspruch auf Neufeststellung, das heißt auf Erlass eines neuen Verwaltungsakts über den Anspruch.
In anderen Fällen verleibt es bei der Regelung des § 44 SGB X (vgl. Düe, in: Brand,
SGB III [8. Aufl., 2018], §
330 Rdnr. 6).
Zwar hatte der 11. Senat des Bundessozialgerichts mit Urteil vom 3. Dezember 2009 (Az.: B 11 AL 42/08 R) entschieden, dass bei Arbeitslosen, die während ihrer Ausbildung keine Ausbildungsvergütung und somit innerhalb des Bemessungsrahmens
kein Arbeitsentgelt erhalten hatten, als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt nach Qualifikationsgruppen zugrunde
zu legen sei. Hierbei handelte es sich jedoch noch nicht um eine ständige Rechtsprechung der zuständigen Senate des Bundessozialgerichts
zu der hier maßgebenden Rechtsfrage. Eine ständige Rechtsprechung besteht erst dann, wenn eine Rechtsfrage als abschließend
geklärt angesehen werden muss (vgl. Schaumberg, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB III [2. Aufl., 2019], §
330 SGB III, Rdnr. 45, m. w. N.). Diese Voraussetzungen lagen erst mit der Entscheidung des 7. Senats des Bundes-sozialgerichts vom 18.
Mai 2010 (Az.: B 7 AL 49/08 R) vor. Erst mit dieser Entscheidung hat das Bundessozialgericht entschieden, dass bei der Gruppe der außerbetrieblichen versicherungspflichtigen
Auszubildenden, denen - wie hier der Kläger - während der Ausbildung Vergütung gezahlt wurde, die im Rahmen einer außerbetrieblichen
versicherungspflichtigen Ausbildung gezahlte Vergütung kein Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung im Sinne des Bemessungsrechts
für das Arbeitslosengeld ist und eine fiktiver Bemessung des Arbeitslosengelds zu erfolgen hat.
Während die Bundesagentur für Arbeit aufgrund der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 3. Dezember 2009 ihre Weisungslage
bereits bezüglich der dort betroffenen Gruppe dahingehend änderte, dass in den bestandskräftigen Fällen die Korrektur gemäß
§ 44 Abs. 1 SGB X i.V. m. §
330 SGB III auch für die Zeit ab dem 4. Dezember 2009 zu erfolgen habe, wurde die Weisungslage im Übrigen erst nach der Entscheidung
vom 18. Mai 2010 geändert. Wie sich aus der Geschäftsanweisung der Beklagten zu § 44 SGB X (Stand: 06/2010) ergibt, bestand zur Anwendung von §
330 Abs.
1 SGB III die Weisungslage, dass eine Rücknahme ab dem Zeitpunkt vorzunehmen sei, ab dem die ständige Rechtsprechung vorliege und der
jeweilige Zeitpunkt von der Zentrale bestimmt und der Agenturen für Arbeit bekannt gegeben werde (vgl. Nummer 1.1.3.3 der
Geschäftsanweisung zu § 44 SGB X). Im November 2011 (Stand 11/2010) erging die Weisung zur Umsetzung der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 18. Mai
2010, wonach die Anpassung in den bestands- und rechtskräftigen Fällen ab dem 18. Mai 2010 vorzunehmen sei. Die Voraussetzung
zur Anwendung von §
330 Abs.
1 SGB III sind damit erfüllt mit der Folge, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nicht besteht.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG.
IV. Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe dafür (vgl. §
160 Abs.
2 SGG) nicht vorliegen.