Festsetzung von Sozialversicherungs- und Umlagebeiträgen
Verfahrensrüge
Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht
Aufrechterhaltener Beweisantrag
1. Auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann ein Verfahrensmangel nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem
das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
2. Das Übergehen eines Beweisantrags ist aber nur dann ein Verfahrensfehler, wenn das LSG vor seiner Entscheidung darauf hingewiesen
wurde, dass der Beteiligte die Amtsermittlungspflicht des Gerichts noch nicht als erfüllt ansieht.
3. Insoweit ist darzulegen, dass ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag, mit dem sowohl das Beweismittel als auch das Beweisthema
angegeben und aufgezeigt wurde, über welche Tatsachen im Einzelnen Beweis erhoben werden sollte, in der abschließenden mündlichen
Verhandlung oder bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftsätzlich zu einem Zeitpunkt, in dem feststand, dass
das LSG von sich aus Ermittlungen nicht mehr durchführen würde, bis zuletzt aufrechterhalten oder gestellt worden ist.
Gründe:
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit ist die Festsetzung von Sozialversicherungs- und Umlagebeiträgen
sowie Säumniszuschlägen streitig. Die klagende GmbH betreibt ein Baugeschäft. Nach Auswertung strafrechtlicher Ermittlungsergebnisse
im Rahmen einer Betriebsprüfung forderte die Beklagte von ihr für die (illegale) Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. die
Zahlung von Sozialversicherungs- und Umlagebeiträgen sowie Säumniszuschlägen iHv zusammen 76 960,14 Euro (Bescheid vom 21.4.2015
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.9.2015). Das SG Osnabrück hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 1.3.2017). Das
LSG Niedersachsen-Bremen hat die Berufung zurückgewiesen. Nach einer Gesamtabwägung sei von einer Beschäftigung des Beigeladenen
zu 1. auszugehen. Der Geschäftsführer der Klägerin habe die Einsatztage des Beigeladenen zu 1. festgelegt und die von ihm
zu verrichtenden Aufträge vorgegeben (Beschluss vom 1.11.2017). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin
mit ihrer Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 SGG). Die Klägerin hat entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) und des Verfahrensfehlers (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht hinreichend bezeichnet.
1. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen
Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht
die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern
die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon
dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere
rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
Die Klägerin entnimmt dem angegriffenen Urteil des LSG den Rechtssatz, dass "das Kriterium der Zahlung eines hohen Entgeltes
nur in Grenzfällen Relevanz erlangt". Dem stellt sie als Rechtssatz aus dem Urteil des BSG vom 31.3.2017 (B 12 R 7/15 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 30, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) gegenüber, dass die Honorarhöhe ein gewichtiges
Indiz für eine selbstständige Tätigkeit sein könne. Es kann dahingestellt bleiben, ob damit sich widersprechende Rechtssätze
aufgezeigt worden sind. Jedenfalls ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, weshalb die angegriffene Entscheidung
des LSG auf der geltend gemachten Abweichung beruhen soll. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich
danach, welche Umstände das Gesamtbild prägen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der
Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden
Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt
und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG Urteil vom 23.5.2017 - B 12 KR 9/16 R - SozR 4-2400 § 26 Nr 4 RdNr 24 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Unter Berücksichtigung der vom LSG in
die Abwägung eingestellten Gesichtspunkte sowie deren Gewichtung hätte die Klägerin daher darlegen müssen, dass sich ohne
die vermeintliche Abweichung das Gewicht der vom LSG in die vorgenommene Gesamtabwägung eingestellten Indizien so zu ihren
Gunsten verschoben hätte, dass entgegen dem Abwägungsergebnis des LSG eine Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. nicht mehr
hätte angenommen werden können.
2. Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann. Auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann ein Verfahrensmangel nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem
das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Das Übergehen eines Beweisantrags ist aber nur dann ein Verfahrensfehler,
wenn das LSG vor seiner Entscheidung darauf hingewiesen wurde, dass der Beteiligte die Amtsermittlungspflicht des Gerichts
noch nicht als erfüllt ansieht. Insoweit ist darzulegen, dass ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag, mit dem sowohl das
Beweismittel als auch das Beweisthema angegeben und aufgezeigt wurde, über welche Tatsachen im Einzelnen Beweis erhoben werden
sollte, in der abschließenden mündlichen Verhandlung oder bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftsätzlich
zu einem Zeitpunkt, in dem feststand, dass das LSG von sich aus Ermittlungen nicht mehr durchführen würde, bis zuletzt aufrechterhalten
oder gestellt worden ist (vgl BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 6; BSG Beschluss vom 18.12.2000 - B 2 U 336/00 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 51 f; BSG Beschluss vom 28.5.1997 - 9 BV 194/96 - SozR 3-1500 § 160 Nr 20 S 32 f). Dass ein Beweisantrag bis zuletzt gestellt worden sei, ist der Beschwerdebegründung aber nicht zu entnehmen.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 S 1
SGG iVm §
154 Abs
2 und
3 VwGO.
5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm § 52 Abs 1 und Abs 3 S 1, § 47 Abs 1 S 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 S 1 GKG.