Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Leistungen für Unterkunft und Heizung bei einer Leibrentenzahlung ohne Bestehen einer konkreten
Zahlungsverpflichtung
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) für die Zeit vom 21.
März bis 30. September 2005.
Der am 31. Dezember 1986 geborene Kläger lebte im streitigen Zeitraum mit seiner Mutter und zwei Schwestern gemeinsam in einem
Haus. Das Hausgrundstück haben seine Eltern im Jahre 1979 gegen Zahlung einer monatlichen Leibrente in Höhe von damals 400
DM monatlich von den Großeltern des Klägers erworben. Der Anspruch ist im Grundbuch gesichert. Die Höhe der Zahlungen ist
mittels einer Indexklausel gekoppelt an den Lebenshaltungskostenindex. Im streitigen Zeitraum betrug die monatliche Zahlung
an die allein verbliebene Großmutter des Klägers 346,17 Euro. An Nebenkosten fielen ohne Heizkosten monatlich 139,67 Euro
an. Der Kläger erhält nach dem Tod seines Vaters eine Halbwaisenrente in Höhe von 186,83 Euro im Monat und ist seither als
Eigentümer zu 1/12 am Hausgrundstück eingetragen.
Die Zahlungen in Höhe von 346,17 Euro wurden monatlich vom Konto der Mutter des Klägers abgebucht. Eine konkrete oder genau
festgelegte Beteiligung des Klägers war nicht vereinbart. Er zahlte keine Miete an seine Mutter, stellte ihr aber seine Halbwaisenrente
im Rahmen eines gemeinsamen Wirtschaftens zur Verfügung.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger auf seinen Antrag zunächst mit Bescheid vom 21. Juni 2005 für die Zeit vom 21. März bis
30. September 2005 Arbeitslosengeld II (Alg II) in Höhe von 79,81 Euro monatlich (für März anteilig 29,95 Euro). Im folgenden
Widerspruchsverfahren änderte die Beklagte ihre Bewilligungen mit Bescheiden vom 4. Juli (77,91 Euro monatlich) und 30. August
2005 (214,46 Euro monatlich) sowie mit Änderungsbescheid vom 1. September 2005, in dem sie schließlich Leistungen von monatlich
244,46 Euro (für März anteilig 89,64 Euro) bewilligte. Dabei legte die Beklagte einen Bedarf des Klägers in Höhe von 401,29
Euro zu Grunde, der sich aus der Regelleistung in Höhe von 345 Euro sowie KdU in Höhe von 56,29 Euro monatlich zusammensetzte.
Da das Haus von vier Personen bewohnt werde, entfalle ein Anteil von einem Viertel der Neben- und Heizungskosten auf den Kläger.
Von dem Bedarf des Klägers zog die Beklagte die Halbwaisenrente ab, die sie zuvor um eine Versicherungspauschale in Höhe von
30 Euro bereinigte. Den weitergehenden Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2005 zurück.
Das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen hat mit Urteil vom 29. August 2006 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Leibrentenzahlungen
könnten nicht berücksichtigt werden, weil sie den Kaufpreis für das Hausgrundstück darstellten und damit der Vermögensbildung
dienten.
Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 20. Februar 2008 die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es zunächst gemäß §
153 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) auf die Ausführungen des SG verwiesen. Der Senat lasse offen, ob die Berufung nicht bereits deshalb keinen Erfolg haben könne, weil die Zahlung der Leibrente
allein der Mutter des Klägers obliege. Es sei seit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. April 1975 (V C 61.73 - BVerwGE 48, 182) jedenfalls herrschende Meinung, dass Leibrenten, die als Gegenleistung für den Erwerb eines Hausgrundstücks zu entrichten
seien, nicht zu den laufenden Kosten für die in diesem Haus genommene Unterkunft gehörten.
Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision des Klägers. Zur Begründung trägt er vor, es bestünden nach Sinn und
Wortlaut keine Zweifel, dass Kosten, die bei einem selbstbewohnten Eigenheim entstünden, zu den Unterkunftskosten gehörten.
Auch im Wohngeldrecht würden selbstverständlich solche Aufwendungen zu den Unterkunftskosten gerechnet. Das Argument, dass
Leistungen der Grundsicherung nicht zur Vermögensbildung dienen dürften, überzeuge nicht. Der Ausschluss des Wohngeldes für
Empfänger von SGB II-Leistungen dürfte verfassungswidrig sein, wenn die Leistungen, die als Wohngeld bzw als Lastenzuschuss
zu gewähren wären, nicht als Unterkunftskosten im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu berücksichtigen seien. Soweit
Tilgungsraten nicht berücksichtigt würden, führe dies je nach dem Stand des Darlehens zu zufälligen und auch widersinnigen
Ergebnissen. Bei der Leibrente bestehe noch die Besonderheit, dass die Zahlung nicht der Vermögensbildung diene. Das Haus
stehe im Eigentum der Mutter des Klägers. Wäre ein Nießbrauch eingeräumt worden, würden die Zahlungen als Unterkunftskosten
anerkannt. Das gelte auch für den Fall eines Mietvertrages mit der Mutter. Es werde eine Verpflichtung aus dem Kaufvertrag
erfüllt. Es könne aber nicht darauf ankommen, wie zufällig die Vertragsgestaltung erfolgt sei.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Februar 2008 sowie des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29.
August 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihrer Bescheide vom 21. Juni, 4. Juli, 26. August und 1. September
2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2005 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 21. März bis 30.
September 2005 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 86,54 Euro monatlich zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die angegriffenen Urteile für zutreffend.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet, §
170 Abs
1 Satz 1
SGG. Er hat keinen Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach §
22 Abs 1 Satz 1 SGB II.
1. Gegenstand der Klage sind allein Leistungen an den Kläger. Der Kläger bildete hier gemäß § 7 Abs 3 Nr 1 SGB II allein für
seine Person "eine Bedarfsgemeinschaft" (dazu BSGE 97, 211 = SozR 4-4200 § 20 Nr 2, jeweils RdNr 18 mwN). Zwar wohnte er mit seiner Mutter und seinen Schwestern zusammen. Nach § 7
Abs 3 SGB II in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung bestand aber nach Eintritt der Volljährigkeit keine Bedarfsgemeinschaft
mit ihnen mehr.
Die geltend gemachten Ansprüche betreffen die Zeit vom 21. März 2005 bis zum 30. September 2005. Auf diesen Zeitraum beziehen
sich die angefochtenen Bewilligungsbescheide.
Im Rahmen der Anfechtungs- und Leistungsklage sind die Leistungsansprüche des Klägers nach § 22 SGB II unter jedem rechtlichen
Gesichtspunkt zu prüfen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sind zwar beim Streit um höhere Leistungen
auch im SGB II grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (BSG SozR 4-4300 § 428 Nr
3 RdNr 16; Urteil vom 16. Mai 2007 - B 11b AS 29/06 R - RdNr 18; Urteil vom 5. September 2007 - B 11b AS 49/06 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 7 RdNr 19). Der Kläger hat den Streitgegenstand aber zulässig auf die Unterkunfts- und Heizungskosten
begrenzt (vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18 ff). Eine weitere Aufspaltung des Streitgegenstandes in Unterkunfts- und Heizungskosten
ist hingegen rechtlich nicht möglich (BSG aaO RdNr 18, 22).
2. Ob der Kläger die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 iVm § 22 SGB II (idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli
2004, BGBl I 2014) erfüllt, kann auf der Grundlage der bisher vom LSG getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt
werden. Offen ist insbesondere, ob es sich bei dem Eigentumsanteil des Klägers oder - sofern noch eine ungeteilte Erbengemeinschaft
besteht - bei seinem Anteil an dem Nachlass um verwertbares Vermögen handelt (vgl dazu Urteil des Senats vom 27. Januar 2009
- B 14 AS 42/07 R).
Selbst wenn der Kläger die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 SGB II erfüllt, besteht aber kein Anspruch auf Leistungen nach §
22 Abs 1 SGB II. Nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen
erbracht, soweit diese angemessen sind. Unabhängig davon, ob hier tatsächlich Zahlungen auf ein Leibrentenversprechen nach
§
759 Bürgerliches Gesetzbuch erfolgten, - was nach den Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden kann -, und ob diese Zahlungen als Kosten der Unterkunft
berücksichtigungsfähig wären, hat der Kläger bereits deshalb keinen Anspruch, weil ihm keine tatsächlichen Aufwendungen entstanden
sind. Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG wurden die monatlichen Zahlungen vom Konto der Mutter abgebucht. Der
Kläger zahlte keine Miete (vgl zum Mietvertrag unter Verwandten BSG, Urteile vom 7. Mai 2009 - B 14 AS 31/07 R - und vom 3. März 2009 - B 4 AS 37/08 R). Auch war - ungeachtet der Frage, wie dies rechtlich ggf zu qualifizieren wäre - keine feste Beteiligung an den Zahlungen
vereinbart, die seine Mutter an die Großmutter leistete. Allein der Umstand, dass der Kläger seine Halbwaisenrente an seine
Mutter "im Rahmen des gemeinsamen Wirtschaftens" weiterleitete, lässt nach den übrigen Feststellungen des LSG nicht erkennen,
dass ihm KdU iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II entstanden sind. Mit der Aufteilung der KdU nach Kopfteilen, wenn mehrere Familienmitglieder
eine Wohnung gemeinsam nutzen, wird lediglich dem Umstand Rechnung getragen, dass in diesen Fällen in aller Regel eine an
der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen nicht möglich ist (vgl BSG, Urteil
vom 27. Januar 2009 - B 14/7b AS 8/07 R; Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.