Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Leistungsausschluss bei Freiheitsentziehung
Gründe:
I
Streitig ist, ob der Beklagte berechtigt war, die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB
II aufzuheben, weil gegen den Kläger eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt wurde.
Der Beklagte bewilligte dem im Jahr 1983 geborenen Kläger weiterhin auch für die Zeit vom 1.6. bis 30.11.2009 SGB II-Leistungen
in Höhe von 641 Euro monatlich (Bescheid vom 30.4.2009). Nachdem er durch Mitteilung der Justizvollzugsanstalt (JVA) B - vom
13.7.2009 erfahren hatte, dass der Kläger dort in der Zeit ab 7.7.2009 ("Aufnahmetag") bis zum 7.10.2009 ("voraussichtlicher
Austritt") eine Ersatzfreiheitsstrafe im geschlossenen Vollzug verbüßen sollte, hörte er ihn zur beabsichtigen Entziehung
der Leistungen ab 7.7.2009 an (Schreiben vom 20.7.2009) und hob die Bewilligung von SGB II-Leistungen ab diesem Zeitpunkt
auf (Bescheid vom 20.7.2009; Widerspruchsbescheid vom 19.8.2009). Nach seiner Entlassung bereits am 2.9.2009 hat der Kläger
einem Hinweis des Beklagten in dem Aufhebungsbescheid vom 20.7.2009 folgend am 3.9.2009 erneut SGB II-Leistungen beantragt
und sie ab diesem Zeitpunkt erhalten.
Nachdem das SG Bremen den vom Kläger angefochtenen Bescheid vom 20.7.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.8.2009
aufgehoben hatte (Gerichtsbescheid vom 5.1.2010), hat das LSG Niedersachsen-Bremen auf die Berufung des Beklagten den Gerichtsbescheid
des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 17.6.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der
Beklagte sei berechtigt gewesen, die Bewilligung von SGB II-Leistungen wegen Änderung der Verhältnisse für die Zeit ab Aufnahme
des Klägers in die JVA am 7.7.2009 aufzuheben, weil sein Leistungsanspruch entfallen sei. Nach der Rechtsprechung des BSG
sei die Unterbringung in einer stationären Einrichtung iS des § 7 Abs 4 SGB II als gesetzliche Fiktion der Erwerbsunfähigkeit
ausgestaltet, die nur mit der Aufnahme einer mindestens 15 Wochenstunden umfassenden Erwerbsarbeit zu regulären Arbeitsbedingungen
widerlegt werden könne. Es komme ausschließlich auf die objektive Struktur der Einrichtung an. Wenn diese so strukturiert
und gestaltet sei, dass es dem dort Untergebrachten nicht möglich sei, aus der Einrichtung heraus eine Erwerbstätigkeit auszuüben,
die den zeitlichen Kriterien des § 8 SGB II genüge, sei der Hilfebedürftige dem SGB XII zugewiesen. Jedenfalls der Aufenthalt
im sog Regelvollzug einer JVA ohne Freigang sei auch nach dem Rechtszustand vor dem 1.8.2006 eine Leistungen nach dem SGB
II ausschließende Unterbringung in einer stationären Einrichtung gewesen (Hinweis auf BSG Urteile vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 16/07 R, BSGE 99, 88 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 7, und B 14/7b AS 60/06 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 5; Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 9/08 R). Nach diesen Maßstäben unterliege der Kläger dem Leistungsausschluss, weil es ihm aufgrund seiner Unterbringung in der
JVA nicht möglich gewesen sei, eine mindestens dreistündige tägliche Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufzunehmen.
Dem Leistungsausschluss stehe nicht entgegen, dass es sich bei einer Ersatzfreiheitsstrafe nicht um eine unmittelbar richterlich
angeordnete Freiheitsentziehung handele. Mit der Verhängung der Geldstrafe nach Tagessätzen sei zugleich die Ersatzfreiheitsstrafe
richterlich verfügt, die als echte Strafe ohne rechtsgestaltenden Akt an Stelle der Geldstrafe trete. Auch die Voraussetzungen
des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X für eine rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheids seien gegeben, weil der Kläger seiner Pflicht zur Mitteilung wesentlicher
für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen sei. Es liege auf der Hand,
dass Anschriftenänderungen dem Träger der Grundsicherung umgehend mitzuteilen seien, um die postalische Erreichbarkeit, etwa
für Vermittlungsangebote und die Übersendung von Bescheiden etc, zu gewährleisten. Hierauf werde auch in dem Merkblatt "SGB
II-Grundsicherung für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld)" hingewiesen, dessen Erhalt und Kenntnis der Kläger
ausweislich der vorliegenden Leistungsakten mit seinen Unterschriften unter diverse Leistungsanträge, zuletzt mit Datum vom
21.4.2009, bestätigt habe. Aufgrund dieser Hinweise sei es eine naheliegende Überlegung gewesen, dem Beklagten den bevorstehenden
Haftantritt zumindest vorsorglich mitzuteilen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II. Die Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe
sei kein Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung. Die Ersatzfreiheitsstrafe
werde in den Gesetzesmaterialien als richterlich angeordnete Freiheitsentziehung gerade nicht genannt, obwohl diese neben
der Straf- und Untersuchungshaft die dritthäufigste freiheitsentziehende Maßnahme sei. Anders als das LSG meine, komme es
nicht darauf an, dass eine Ersatzfreiheitsstrafe unter strafrechtlichen Gesichtspunkten an die Stelle einer uneinbringlichen
Geldstrafe trete. § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II stelle nicht nur auf die Qualität der Einrichtung, sondern auch auf den individuellen
Grund des Aufenthalts ab. Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe finde häufig im offenen Vollzug statt, dessen Organisation
jedoch Angelegenheit der Länder sei. Der Umstand, dass das Bundesland Bremen den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe in der
gleichen Einrichtung wie zB die Untersuchungshaft durchführe, könne nicht dazu führen, dass Anspruchssteller aus Bremen benachteiligt
würden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landesozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17. Juni 2010 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 5. Januar 2010 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17. Juni 2010 zurückzuweisen.
Er trägt vor, die Unterbringung des Klägers im geschlossenen Vollzug der JVA B - führe zu einem Leistungsausschluss nach §
7 Abs 4 SGB II, weil es sich unstreitig um eine Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung handele.
Für einen Leistungsanspruch nach dem SGB II könne es nur darauf ankommen, ob eine Arbeitsaufnahme objektiv, nach den konkreten
Umständen des Einzelfalls, möglich sei.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat den Gerichtsbescheid des SG vom 5.1.2010 zu Recht aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil der Bescheid vom 20.7.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 19.8.2009 rechtmäßig war. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger von den Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II während seines Aufenthalts in der JVA B - ungeachtet des Umstandes ausgeschlossen war, dass
er "nur" eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßte.
1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß §
70 Nr 1
SGG beteiligtenfähig (vgl Urteile des Senats vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R). Nach § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten
Arbeitsgemeinschaft getreten. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation
des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar.
Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB
II bestehen, weil der Gesetzgeber sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art
91e Abs
1 und
3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt (BSG Urteile vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R).
2. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 20.7.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.8.2009, gegen
den sich der Kläger zu Recht (nur) mit der reinen Anfechtungsklage (§
54 Abs
1 SGG) wendet; mit der Aufhebung dieses Bescheides bleibt die im Bewilligungsbescheid vom 30.4.2009 verfügte Bewilligung von SGB
II-Leistungen für die Zeit vom 1.6. bis 30.11.2009 wirksam.
3. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung ist zunächst § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X. Hiernach ist, soweit in den Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine
wesentliche - zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes führende - Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die
Zukunft aufzuheben. Die Aufhebung erfolgt dabei mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an, soweit der Betroffene
einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse
vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (§
40 Abs
1 Satz 2 Nr
1 SGB II iVm §
330 Abs
3 Satz 1
SGB III iVm § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X).
Die Voraussetzungen für die Anwendung der Vorschrift liegen vor, weil durch den Beginn der Ersatzfreiheitsstrafe des Klägers
im geschlossenen Vollzug ab 7.7.2009 eine leistungsrechtlich relevante Änderung in der Sachlage nach Erlass des maßgeblichen
Bewilligungsbescheids (hier der Leistungsbewilligung vom 30.4.2009) eingetreten ist. Ab diesem Zeitpunkt war der Kläger gemäß
§ 7 Abs 4 Satz 2 SGB II von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Dieser Leistungsausschluss
findet ungeachtet der Tatsache Anwendung, dass der Kläger eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßte. Auch die subjektiven Voraussetzungen
für die Aufhebungsentscheidung lagen vor. Der Beklagte war auch berechtigt, die Bewilligung der SGB II-Leistungen ab 7.7.2009
insgesamt aufzuheben.
4. § 7 Abs 4 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 ([FortentwicklungsG]
BGBl I 1706) bestimmt, dass Leistungen nach dem SGB II nicht erhält, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist,
Renten wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht (Satz
1). Nach Satz 2 ist dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich
angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. In Ausnahme von dem grundsätzlichen Leistungsausschluss des § 7 Abs 4 Satz
1 SGB II erhält Leistungen nach dem SGB II, wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des
Fünften Buches) untergebracht ist (Satz 3 Nr 1) oder wer in einer stationären Einrichtung untergebracht und unter den üblichen
Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist (Satz 3 Nr 2).
Entsprechend der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts hat der 14. Senat des BSG zu § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II in der hier maßgebenden
Fassung entschieden, dass der Leistungsausschluss vom ersten Tag der Aufnahme in die Einrichtung (BSG Urteil vom 6.9.2007
- B 14/7b AS 16/07 R, BSGE 99, 88 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 7, RdNr 16) auch greife, wenn der Hilfebedürftige in der JVA eine Ersatzfreiheitsstrafe nach §
43 Strafgesetzbuch (
StGB) verbüße, weil er sich auch dann in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalte (BSG
Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 81/09 R, RdNr 20, zur Veröffentlichung vorgesehen). Hintergrund des fehlenden Ausspruchs der Ersatzfreiheitsstrafe im Falle der
Nichtzahlung der Geldstrafe im Strafurteil sei, dass der Maßstab der Umrechnung zwischen Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe
im Gesetz bereits bestimmt sei und dem Strafrichter insoweit kein Raum für eine eigene Entscheidung verbleibe (§
43 Abs
2 StGB). Bei jeder Verurteilung zu einer Geldstrafe werde die Ersatzfreiheitsstrafe bei Nichtzahlung der Geldstrafe mitgedacht und
mitverhängt und trete als echte Strafe ohne rechtsgestaltenden Akt an die Stelle der Geldstrafe (BSG Urteil vom 24.2.2011
- B 14 AS 81/09 R, RdNr 21, zur Veröffentlichung vorgesehen; BVerfG NJW 2006, 3626; BGHSt 20, 13 [16]). Im Übrigen könne dahingestellt bleiben, ob der vom 14. Senat in seiner Entscheidung vom 6.9.2007 (B 14/7b AS 16/07 R, BSGE 99, 88 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 7) entwickelte funktionale Einrichtungsbegriff in Bezug auf die Rechtslage nach dem FortentwicklungsG
weiterer Modifizierungen bedürfe. Jedenfalls lasse die ausdrückliche und spezielle Regelung zu den Einrichtungen zum Vollzug
richterlich angeordneter Freiheitsentziehungen nach § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II erkennen, dass diese eine Sonderstellung einnähmen.
Es komme insofern nicht mehr darauf an, ob sie nach ihrer Art die Aufnahme einer mindestens dreistündigen täglichen Erwerbsarbeit
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausschlössen; vielmehr seien Leistungen generell ausgeschlossen. Die gesetzgeberische Entscheidung,
den Aufenthalt in einer JVA dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung - ohne weitere Prüfung des Vorliegens einer solchen
- gleichzustellen, werde auch durch die Gesetzbegründung belegt, wonach es Ziel sei, Personen in diesen Einrichtungen vom
Leistungsbezug nach dem SGB II auszuschließen (BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 81/09 R, RdNr 25, zur Veröffentlichung vorgesehen mit Hinweis auf BT-Drucks 16/1410, S 20). Der erkennende Senat schließt sich
dieser Rechtsprechung des 14. Senats zur Auslegung des § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II an.
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II waren für den Kläger demnach vom ersten Tag des Antritts der
Ersatzfreiheitsstrafe am 7.7.2009 an schon deshalb ausgeschlossen, weil er sich nach den Feststellungen des LSG in der JVA
B - in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung befand.
5. Auch die subjektiven Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 30.4.2009 lagen vor. Der Kläger hat
es nach den Feststellungen des LSG unterlassen, dem Beklagten mit dem Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe seinen Aufenthalt
in der JVA mitzuteilen. Seine Pflicht zur Mitteilung ergibt sich aus § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II, wonach derjenige, der
Sozialleistungen beantragt oder erhält, ua Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich
mitzuteilen hat. Diese Pflicht hat der Kläger nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des LSG grob fahrlässig verletzt.
Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BSG hat das LSG bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit einen subjektiven
Maßstab angelegt (BSG Urteil vom 29.10.2008 - B 11 AL 52/07 R - SozR 4-4300 § 118 Nr 2, RdNr 20; BSG Urteil vom 13.7.2006 - B 7a AL 16/05 R - SozR 4-4300 § 122 Nr 5, RdNr 14) und ist
auch ansonsten nicht von einer unzutreffenden Rechtsansicht hinsichtlich des Begriffs der groben Fahrlässigkeit ausgegangen.
Das Berufungsgericht hat - unangegriffen und damit für den Senat bindend (§
163 SGG) - festgestellt, dass der Kläger mit dem ihm ausgehändigten Merkblatt in ausreichender Weise über seine Mitteilungspflichten
belehrt worden sei und auch persönliche Gründe - wie etwa intellektuelle oder geistige Defizite - seinen Mitteilungspflichten
nicht entgegenstünden.
6. Liegen demnach die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 30.4.2009 vor, musste der Beklagte die
Aufhebung der Leistungsbewilligung nicht auf den Zeitraum vom 7.7.2009 bis zum "voraussichtlichen Austritt" des Klägers aus
der JVA am 7.10.2009 beschränken (vgl Schreiben der JVA B - vom 13.7.2009). § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X stellt für die Aufhebung der Leistungsbewilligung ausdrücklich auf den Zeitpunkt der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse
ab. Bei der hier vorliegenden reinen Anfechtungsklage beurteilt sich die Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheids grundsätzlich
nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses (BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 18; BSGE 79, 223, 225 = SozR 3-1300 § 48 Nr 57; Steinwedel in KassKomm § 48 SGB X RdNr 11, Stand Dezember 2006; vgl auch Urteil des Senats vom 18.2.2010 - B 4 AS 49/09 R, BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16, RdNr 5). Da hier im Übrigen bei Erlass des Aufhebungsbescheids vom 20.07.2009 noch nicht absehbar
war, ob und ggf ab wann der Kläger nach Ablauf der Ersatzfreiheitsstrafe erneut SGB II-Leistungen würde beanspruchen können
und der Beklagte den Kläger in dem Aufhebungsbescheid vom 20.7.2009 auf eine - hier ja auch tatsächlich am 2.9.2009 vorgenommene
- erneute Antragstellung verwiesen hat, liegt insofern auch eine Beschwer des Klägers nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.