Rechtmäßigkeit der Rücknahme einer bindenden Bewilligung von Grundsicherung für Arbeitsuchende wegen zu berücksichtigenden
Einkommens
Gründe:
I
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1.10.2005 bis 31.12.2005 und die Erstattung der gewährten Leistungen in Höhe von 1454,28 Euro.
Der alleinstehende Kläger stellte erstmals am 31.3.2005 einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II. Zu Einkünften aus selbstständiger oder anderer Tätigkeit machte er keine Angaben. Auf dem Zusatzblatt 2 findet sich mit
grünem Stift - der Beraterin - die Einfügung: "Ich-AG 3.2.03 - 1 Jahr Förderung". Der Beklagte gewährte dem Kläger alsdann
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, zunächst für den Zeitraum vom 31.3. bis 30.9.2005 (Bescheid vom 19.4.2005).
Einkommen des Klägers berücksichtigte er bei der Berechnung der Leistungshöhe nicht. In seinem Fortzahlungsantrag vom 28.7.2005
gab der Kläger keine Änderungen der Verhältnisse an, woraufhin der Beklagte Alg II in der selben Höhe wie zuvor (monatlich:
601,89 Euro; Regelleistung: 331 Euro; KdU: 270,89 Euro) auch für den Zeitraum vom 1.10.2005 bis 31.3.2006 bewilligte (Bescheid
vom 16.8.2005).
Auf eine Einladung des Beklagten zu einem Gespräch über seine berufliche Situation und zur Vorlage seiner Bewerbungen legte
der Kläger am 29.12.2005 eine Änderungsmitteilung vor und gab an, er werde vom 9.1.2006 bis 28.2.2006 selbstständig tätig
sein (Abbruch, Entkernung, Maurerarbeiten). Zusammen mit dieser Änderungsmitteilung füllte der Kläger das Zusatzblatt 2.1.
(Einkommenserklärung) aus und legte die Anlage GSE zu seiner Einkommensteuererklärung für 2004 vor. Er teilte zunächst voraussichtliche
Betriebseinnahmen in Höhe von 750 Euro sowie -ausgaben in Höhe von 225 Euro mit. Der Gewinn habe sich gegenüber den Vorjahren
verringert, weil sich die Auftragslage verschlechtert habe. Im Mai und August 2006 reichte der Kläger ferner Betriebswirtschaftliche
Auswertungen (BWA) für die Jahre 2005 und für die bereits abgelaufenen Monate des Jahres 2006 ein und legte mit einem weiteren
Fortzahlungsantrag im Januar 2007 eine am 3.1.2007 erstellte betriebswirtschaftliche Auswertung vor, aus der sich für das
Jahr 2005 insgesamt ein vorläufiges positives betriebswirtschaftliches Ergebnis von 8581,40 Euro ergibt, darunter im letzten
Quartal 2005 - dem hier streitgegenständlichen Zeitraum - in Höhe von 10 115,44 Euro. Am 16.7.2007 gab der Kläger den Einkommensteuerbescheid
für 2005 zu den Akten, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer in Höhe von 10 405 Euro ausweist. In einem vom
Kläger beigefügten Schreiben des Steuerberaters wird zur Erläuterung ausgeführt, dass der Gewinn nach §
4 Abs
3 EStG ermittelt worden sei und sich der in dem Steuerbescheid angesetzte Gewinn in Höhe von 10 405 Euro aus zwei Positionen zusammensetze
- einem Gewinnanteil aus laufendem Geschäftsbetrieb in Höhe von 381 Euro und einem Gewinnanteil in Höhe von 10 024 Euro, der
aus der Auflösung, Neubildung und Verzinsung von Sonderposten mit Rücklageanteil nach §
7g EStG (Ansparabschreibungen) entstanden sei. In dem Schreiben heißt es weiter: "Der hohe Gewinn des Jahres 2003 wurde im Rahmen
der gesetzlichen Regelungen des §
7g EStG in die Folgejahre verschoben. Dieser Gewinnanteil ist im Jahr 2005 nicht zugeflossen und stand damit nicht zur Bestreitung
des Lebensunterhaltes zur Verfügung."
Daraufhin führte der Beklagte eine Neuberechnung der Leistungen für den Zeitraum vom 1.10.2005 bis 31.3.2006 durch und hob
mit Bescheid vom 24.1.2008 den Bewilligungsbescheid vom 16.8.2005 sowie den Änderungsbescheid vom 8.8.2006 unter Hinweis auf
§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X auf. Mit Änderungsbescheid vom 24.4.2008 wurde die Leistungsbewilligung für den noch streitigen Zeitraum vom 1.10.2005 bis
31.12.2005 - der Rechtsstreit hat sich für den Zeitraum ab 1.1.2006 durch angenommenes Teilanerkenntnis in der mündlichen
Verhandlung vor dem SG Dresden erledigt - teilweise in Höhe von monatlich 587,59 Euro aufgehoben und die Erstattungsforderung
für diesen Zeitraum auf monatlich 484,76 Euro, insgesamt 1454,28 Euro, reduziert. Den Widerspruch des Klägers vom 28.1.2008
wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 25.4.2008 zurück.
Durch Urteil vom 22.12.2009 hat das SG die Klage hiergegen abgewiesen. Die streitbefangenen Bescheide seien - im Gegensatz zur Auffassung des Klägers - inhaltlich
hinreichend bestimmt. Der Beklagte habe die rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 16.8.2005 zutreffend auf
§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X gestützt. Der Bescheid vom 16.8.2005 sei bei seinem Erlass rechtmäßig gewesen und es sei eine wesentliche Änderung durch
Zufluss von Einkommen eingetreten. Für den Beklagten habe aufgrund der Angaben des Klägers im Leistungsantrag weder Veranlassung
bestanden, den Bewilligungsbescheid vom 16.8.2005 nur vorläufig zu erlassen, noch aufgrund der Angaben des Klägers in seinem
Antrag auf Bewilligung von Alg II zu vermuten, dass sich im Leistungszeitraum Einkünfte - in wechselnder Höhe - aus selbstständiger
Tätigkeit ergeben könnten. Die Kammer glaube dem Kläger, dass er beim Ausfüllen des Antrags weder Einkünfte gehabt, noch solche
erwartet und deswegen die entsprechenden Felder des Antrags nicht angekreuzt habe. Zu Recht habe der Beklagte die Höhe des
dann zugeflossenen Einkommens ausgehend vom steuerrechtlichen Gewinn ermittelt. Insofern komme dem Einkommensteuerbescheid
für das Jahr 2005 Tatbestandswirkung zu. Der auf die Auflösung der Ansparabschreibungen entfallende Gewinnanteil sei nicht
abzuziehen. Die Auflösung der Rücklage fließe dem Steuerpflichtigen zu, weil Gelder, die ursprünglich für eine Investition
vorgesehen und gebunden gewesen seien, nun wieder - auch zur Bestreitung des Lebensunterhalts - zur Verfügung gestanden hätten.
Das SG hat die Sprungrevision zugelassen. Der Beklagte hat der Einlegung zugestimmt.
Der Kläger rügt mit der Revision (sinngemäß) eine Verletzung des § 11 Abs 1 SGB II und des § 2a Abs 1 Alg II-V iVm §
15 Abs
1 SGB IV. Zu Unrecht habe das SG die Feststellungen des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2005 zugrunde gelegt. Die Auflösung der im Jahr 2003 gebildeten
Ansparabschreibung habe nicht berücksichtigt werden dürfen. Hierbei handele es sich um einen im Jahr 2003 und nicht im maßgeblichen
Zeitraum 2005 zugeflossenen Gewinn. Allein durch die Ausweisung der aufgelösten Ansparabschreibung stünden ihm keine bereiten
Mittel zur Verfügung. Das Geld sei bereits im vorangegangenen Geschäftsjahr zur Deckung der laufenden Betriebskosten verwendet
worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. Dezember 2009 (S 40 AS 2407/08) sowie den Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 2008 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 24. April 2008 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 25. April 2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er schließt sich den Ausführungen des SG an.
II
Die Sprungrevision ist im Sinne der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG begründet.
Der Senat vermochte nicht abschließend zu beurteilen, ob der aufgehobene Bewilligungsbescheid vom 16.8.2005 von Anfang an
rechtswidrig war (§ 45 SGB X) oder durch eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nachträglich rechtswidrig geworden ist (§ 48 SGB X). Es ist vom SG nicht festgestellt worden, ob bei Bescheiderteilung nach den objektiven Verhältnissen Hilfebedürftigkeit vorlag oder die
Hilfebedürftigkeit ggf im Verlaufe des streitigen Zeitraumes entfallen ist.
1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß §
70 Nr 1
SGG beteiligtenfähig (vgl Urteile des Senats vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R). Nach § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten.
Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar.
Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II bestehen, weil der Gesetzgeber sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art
91e Abs
1 und
3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt (BSG Urteile vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R).
2. Streitgegenstand ist der Bescheid des Beklagten vom 24.1.2008 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 24.4.2008 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.4.2008, mit dem der Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II teilweise aufgehoben hat und eine Erstattungsforderung in Höhe von 1454,28 Euro für den noch streitigen Zeitraum vom 1.10.2005
bis 31.12.2005 geltend gemacht hat. Der Kläger hat ihn zutreffend mit der Anfechtungsklage angegriffen.
3. Ob der Beklagte die Aufhebungsentscheidung - die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung unterstellt (s hierzu unter
b) - auf § 48 SGB X stützen konnte, wie das SG annimmt, oder ob ggf § 45 SGB X als Rechtsgrundlage in Betracht kommt, kann vom erkennenden Senat mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen durch
das SG ebenso wenig entschieden werden, wie die Frage, ob der Bewilligungsbescheid materiell-rechtlich rechtswidrig war.
a) Nach § 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem
Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. § 45 SGB X regelt, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender
Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze
2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden darf. § 45 SGB X findet also Anwendung, wenn der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deswegen geändert
werden soll. Beide Normen grenzen sich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts, der
aufgehoben werden soll, ab (vgl BSGE 96, 285 = SozR 4-4300 § 122 Nr 4 RdNr 13; BSGE 59, 206 = SozR 1300 § 45 Nr 20 S 68 und BSGE 65, 221 = SozR 1300 § 45 Nr 45 S 141; vgl auch Urteil des Senats vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - und zuletzt BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 45/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Dabei ist die Verwaltung grundsätzlich verpflichtet, vor Erlass eines Bescheides die
Sachlage vollständig aufzuklären (BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 113 ff = SozR 3-1300 § 32 Nr 2; BSGE 82, 183 = SozR 3-4100 § 71 Nr 2 mwN; BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1), um die objektiven Verhältnisse festzustellen. Insoweit kommt es entgegen der Auffassung des SG nicht darauf an, zu welchen Vermutungen die Verwaltung aufgrund der klägerischen Angaben Anlass gehabt hatte. Erlässt die
Verwaltung einen endgültigen Bescheid auf Grundlage eines nicht endgültig aufgeklärten Sachverhalts und stellt sich später
- nach weiteren Ermittlungen - heraus, dass der Bescheid bereits im Zeitpunkt des Erlasses objektiv rechtswidrig war, ist
ein Fall des § 45 SGB X gegeben. Mangelnde Amtsermittlung kann auch niemals Grund für eine nur vorläufige Leistungsbewilligung sein. Der endgültige
Bescheid ist umgekehrt kein taugliches Instrumentarium in Fällen, in denen - nicht wegen fehlerhafter Ausübung der Amtsermittlungspflicht,
sondern - objektiv nur die Möglichkeit einer prospektiven Schätzung etwa der Einkommenssituation besteht. Eine endgültige
Bewilligung unter Abschlag von der Leistungshöhe aufgrund einer prospektiven Schätzung von Einkommen ohne rechtliche Befugnis
hierzu ist rechtswidrig (BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1). Entscheidet der Träger jedoch endgültig und bewilligt nicht nur vorläufige Leistungen, sind Maßstab
der Überprüfung der Aufhebungsentscheidung § 45 oder § 48 SGB X.
Die objektiven Verhältnisse zum Zeitpunkt des Bewilligungsbescheides können den Feststellungen des SG jedoch nicht entnommen werden. Das SG hat ausgeführt, aufgrund der Angaben des Klägers in seinem Antrag auf Bewilligung von Alg II sei nicht zu vermuten gewesen,
dass sich im Leistungszeitraum Einkünfte - in wechselnder Höhe - aus selbstständiger Tätigkeit ergeben könnten. Die Kammer
glaube dem Kläger, dass er beim Ausfüllen des Antrags weder Einkünfte gehabt, noch solche erwartet und deswegen die entsprechenden
Felder des Antrags nicht angekreuzt habe. Wenn das Gericht in seinen weiteren Ausführungen gleichwohl davon ausgeht, dass
der Kläger Einkommen aus selbstständiger Beschäftigung hatte, brauchte es zwar von seinem Rechtsstandpunkt keine weitere Aufklärung
der tatsächlichen Einkommens- und Vermögenssituation vorzunehmen. Insoweit verkennt es jedoch den rechtlichen Maßstab für
die Beurteilung, ob eine zur Rechtswidrigkeit führende wesentlich Änderung der Verhältnisse oder eine anfängliche Rechtswidrigkeit
gegeben waren.
b) Ob der Bewilligungsbescheid vom 16.8.2005 rechtmäßig war, beurteilt sich zuvörderst danach, ob der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen
für die Leistungsbewilligung nach dem SGB II erfüllt hatte, insbesondere ob er hilfebedürftig war. Nach § 7 Abs 1 Nr 3 iVm § 9 Abs 1 SGB II - jeweils in der Fassung des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl I 2954 - ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine
Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person nicht oder nicht
ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (Nr 1), aus dem zu berücksichtigenden
Einkommen oder Vermögen (Nr 2) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder
von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II - ebenfalls in der Fassung des Gesetzes vom 24.12.2003 - sind als Einkommen Einnahmen in Geld oder Geldeswert, mithin auch
Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit zu berücksichtigen. Vom Einkommen sind ua die auf das Einkommen entrichteten Steuern
abzuziehen (§ 11 Abs 2 Nr 1 SGB II). § 2a Alg II-V (idF der ersten Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 22.8.2005, mit Wirkung vom 1.10.2005, BGBl I 2499) regelt die Einzelheiten der Berechnung des Einkommens aus selbständiger
Arbeit sowie Gewerbebetrieb. Nach § 2a Abs 1 Satz 1 und 2 Alg II-V ist dabei vom Arbeitseinkommen iS des §
15 SGB IV unter Verweis ua auf §
15 Abs
1 EStG auszugehen. Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind gemäß §
15 Abs
1 Satz 1 Nr
1 EStG (idF des Art 1 Nr
4 Gesetz vom 22.12.2003, BGBl I 2840 mit Wirkung vom 1.1.2004) Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen.
Grundsätzlich ist es - im Gegensatz zur Auffassung des Klägers - zwar nicht zu beanstanden, dass das SG von dem Gewinn aus der Auflösung der Ansparrücklage iS des §
7g EStG als Arbeitseinkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit im hier streitigen Zeitraum ausgegangen ist (vgl auch LSG Berlin-Brandenburg
24.4.2007 - L 26 B 422/07 AS ER -; Klattenhoff in Hauck/Noftz,
SGB IV, §
15 RdNr
8, Stand 43. EL XII/2005). Gemäß §
15 Abs
1 Satz 1
SGB IV (idF des Art 3 Nr
2 Gesetz zur Reform der Agrarsozialen Sicherung vom 29.7.1994, BGBl I 1890) ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften
des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Nach der Gesetzesbegründung zu §
15 Abs
1 SGB IV (BT-Drucks 12/5700, S 96) soll das Arbeitseinkommen aus dem Steuerbescheid übernommen werden. Die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften
des Einkommensteuerrechts sind die §§
4 - 7k
EStG (vgl Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, §
15 SGB IV RdNr 10, Stand 44. EL August 2004). Auch die Regelung des §
7g EStG ist Teil der allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften und damit bei der Ermittlung des Arbeitseinkommens zu berücksichtigen
(BSG Urteil vom 6.11.2008 - B 1 KR 28/07 R - SozR 4-2500 §
47 Nr 10; Fischer in jurisPK-
SGB IV, 2. Aufl 2011, §
15 RdNr 43).
Ansparrücklagen sollen dem Selbstständigen ermöglichen, eine Rücklage für künftige Investitionen zu bilden. Durch ihre Bildung
wird verhindert, dass in bestimmter Höhe erzielte Gewinne besteuert werden (siehe zum Ganzen: BSG Urteil vom 5.9.2006 - B 7a AL 38/05 R - SozR 4-4300 § 141 Nr 2). Nach §
7g Abs
3 EStG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.10.2002, BGBl I 4210) können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder
Herstellung eines Wirtschaftsguts iS des §
7g Abs
1 EStG eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden (Ansparabschreibung). Sobald für das begünstigte Wirtschaftsgut Abschreibungen
vorgenommen werden dürfen, ist die Rücklage gemäß §
7g Abs
4 Satz 1
EStG in Höhe von 40 vom Hundert der Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnerhöhend aufzulösen. Ist eine Rücklage am Ende
des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden, so ist sie zu diesem Zeitpunkt gemäß §
7g Abs
4 Satz 2
EStG gewinnerhöhend aufzulösen (siehe hierzu Drenseck in Schmidt,
EStG, 24. Aufl 2005, §
7g RdNr 24; Lambrecht in
EStG-KompaktKommentar, 4. Aufl 2004, §
7g RdNr 48 f; Pinkos, DB 1993, 1688, 1690 ff). Für den Fall, dass der Steuerpflichtige den Gewinn nach §
4 Abs
3 EStG ermittelt, bestimmt §
7g Abs
6 EStG, dass §
7 Abs
3 bis
5 EStG mit Ausnahme von Abs
3 Nr
1 (gemeint: Abs 3 Satz 3 Nr 1) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden ist, dass die Bildung der Rücklage als Betriebsausgabe
(Abzug) und ihre Auflösung als Betriebseinnahme (Zuschlag) zu behandeln ist.
Die Rücklagenbildung hat zur Folge, dass sie im Jahr der Bildung zu einem buchmäßigen Aufwand führt, unabhängig davon, ob
dabei ein Verlust entsteht oder ein bestehender Verlust sich erhöht (§
7g Abs
3 Satz 4
EStG). Durch die Bildung einer Rücklage erhält der Steuerpflichtige mithin einen Steuervorteil unter der Bedingung, dass er spätestens
zwei Jahre nach der (eigenkapitalschonenden) Rücklagenbildung investiert. Die Nichtbesteuerung der erzielten Gewinne in Höhe
der Ansparrücklage führt dazu, dass beim Steuerpflichtigen im Jahr der Bildung der Ansparrücklage eine erhöhte Liquidität
vorliegt; mit dem Ersparten kann und soll der Steuerpflichtige investieren (vgl BSG Urteil vom 5.9.2006 - B 7a AL 38/05 R - SozR 4-4300 § 141 Nr 2).
Bei der Ansparrücklage handelt es sich im hier streitigen Zeitraum auch um Einkommen iS des SGB II. Die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen nimmt das SGB II selbst nicht vor. Wie der Senat im Urteil vom 30.9.2008 (B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15; vgl auch Urteil des Senats vom 13.5.2009 - B 4 AS 49/08 R; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - FEVS 60, 546) dargelegt hat, ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung
bereits hatte (ebenso schon BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17). Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als
maßgeblich bestimmt.
Grundsätzlich gilt für die Ansparrücklage nach diesem Grundsatz - da sie in jedem Fall bereits vor der Antragstellung gebildet
wurde und soweit sie im hier streitigen Zeitraum noch vorhanden war -, dass sie als Vermögen zu werten wäre (vgl Urteil des
erkennenden Senats vom heutigen Tag im Parallelverfahren für den Zeitraum vor dem Inkrafttreten des § 2a Alg II-V, - B 4 AS 22/10 R). Der Senat knüpft bei dieser Wertung an seine bisherige Rechtsprechung an, wonach ein Sparguthaben eines Leistungsberechtigten,
das vor der Antragstellung gebildet wurde, durchgehend Vermögen ist, auch wenn es nach der Antragstellung fällig wird und
zufließt (BSG Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 57/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 16). Dieses gilt insbesondere in Fällen, in denen mit bereits erlangten Einkünften angespart wurde,
zB bei Banken, Sparkassen oder Versicherungen. Denn anderenfalls wertete man den Rückgriff auf Erspartes unzulässig erneut
als Einkommen. Dementsprechend bleibt ein auf längere Zeit angelegtes Sparguthaben auch bei seiner Auszahlung Vermögen (vgl
BVerwG Urteile vom 18.2.1999 - 5 C 16/98 - NJW 1999, 3210 f = juris RdNr 16, und - 5 C 14/98 - NJW 1999, 3137 f = juris RdNr 15). Dieses gilt auch für die Ansparrücklage. Die Ansparrücklage entstammt Jahre zuvor - hier wohl 2003 -
erwirtschaftetem Gewinn, war also zum damaligen Zeitpunkt Einkommen und fließt bei ihrer Auflösung in den Betrieb/das Unternehmen
als Investition zurück (vgl Kratzsch in
EStG, Praxiskommentar, Stand III/2008, §
7g RdNr 63c; s hierzu auch Urteil des erkennenden Senats vom selben Tag - B 4 AS 22/10 R). Tatsächlich handelt es sich mithin um die Freisetzung von angespartem Einkommen, also Vermögen.
Gleichwohl ist der Gewinn aus der aufgelösten Ansparrücklage im hier streitigen Zeitraum Einkommen. Dieses wird durch den
Verweis in § 2a Alg II-V auf die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften normativ bestimmt. Danach ist die aufgelöste oder aufzulösende Ansparrücklage,
obwohl sie vor der Antragstellung gebildet wurde (s zum Sparguthaben BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 16) als Einkommen im jeweiligen Steuerjahr zu berücksichtigen. Grundsätzliche Bedenken gegen die
normative Zuordnung als Einkommen bestehen auf Grundlage der soeben dargelegten Funktion der Ansparrücklage mit im Wesentlichen
Steuerstundungseffekt (vgl hierzu Kratzsch in
EStG, Praxiskommentar, Stand III/2008, §
7g RdNr 63c) nicht.
Soweit das SG allerdings auf Grundlage des § 2a Alg II-V allein darauf abstellt, dass der im Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Gewinn als Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit
anzusehen sei und der Steuerbescheid Tatbestandswirkung habe, übersieht es, dass die Anwendung des §
15 SGB IV und der einkommensteuerrechtlichen Regelungen hier nur als Berechnungselement zur Ermittlung des Anspruchs auf existenzsichernde
Leistungen dienen. So zeigen Wortlaut, Begründungen des Verordnungsgebers mit Blick auf die Geschichte der Regelung der Berechnungsweise
für Einkommen aus selbstständiger Beschäftigung, systematischer Zusammenhang und Sinn und Zweck der Regelung, dass die Anbindung
an das Steuerrecht im Einzelfall unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des SGB II hinterfragt werden muss (zu anderen Fallgruppen der Durchbrechung der Anbindung an das Steuerrecht, zB im Unterhaltsrecht
vgl BSG Urteil vom 6.11.2008 - B 1 KR 28/07 R - SozR 4-2500 § 47 Nr 10 - juris RdNr 25 ff). Der Steuerbescheid entfaltet folglich keine Tatbestandswirkung in dem Sinne,
dass dessen Feststellungen ohne Berücksichtigung des Umstandes, ob es sich bei dem ausgewiesenen Gewinn um bereite Mittel
handelt, zur Berechnung des Alg II herangezogen werden können.
Bereits der Wortlaut zeigt deutlich, dass §
15 SGB IV und der dortige Verweis auf die Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts, also auch auf §
7g EStG, nur die Grundlage für die Berechnung des Einkommens Selbstständiger sein soll. Wörtlich heißt es in § 2a Abs 1 Satz 1 Alg II-V, von dem nach diesen Vorschriften bestimmten Einkommen sei "auszugehen". Diese Formulierung lässt erkennen, dass der einkommensteuerrechtlich
relevante Gewinn nicht mit dem bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigenden
Einkommen gleichgesetzt werden kann.
Dies wird durch die wechselvolle Geschichte der Vorschriften der Alg II-V im Hinblick auf die Berechnung von Einkommen Selbstständiger bestätigt. Wertungswidersprüche zwischen der steuerrechtlichen
Betrachtung und dem Bedarfsdeckungsprinzip des SGB II hat der Verordnungsgeber selbst erkannt und zum Anlass genommen, die hier anzuwendende Fassung des § 2a Alg II-V zum 1.1.2008 wiederum zu ändern. Seit 1.1.2008 stellt er im Hinblick auf die möglichen Unterschiede (zu Gunsten und zu Lasten
der Leistungsberechtigten) zwischen steuerrechtlichem Arbeitseinkommen und real zur Lebensunterhaltssicherung zur Verfügung
stehendem Einkommen auf die Betriebseinnahmen, die tatsächlich zufließen, ab (vgl § 3 Alg II-V idF der VO vom 17.12.2007, BGBl I 2942). Zur Begründung hat er ausgeführt: "... Der Einkommensteuerbescheid ist nicht mehr
relevant ... Die Erfahrungen in der praktischen Anwendung des bisherigen § 2a Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung haben gezeigt, dass durch die Berücksichtigung aller steuerlich möglichen Absetzungen vom Einkommen das zu berücksichtigende
Arbeitseinkommen vielfach geringer war als das tatsächlich (für den Lebensunterhalt) zur Verfügung stehende Einkommen ...".
Im Grundsatz entspricht es auch dem durchgängigen System des Grundsicherungsrechts sowie der ständigen Rechtsprechung des
BSG, auf den tatsächlichen Zufluss einer Einnahme abzustellen, wenn sie als Einkommen im Rahmen der Berechnung der SGB II-Leistung den Leistungsanspruch mindern soll. §9 Abs 1 SGB II bringt zum Ausdruck, dass SGB II-Leistungen nicht für denjenigen erbracht werden sollen, der sich nach seiner tatsächlichen Lage selbst helfen kann. Es kommt
also auf den tatsächlichen Zufluss "bereiter Mittel" an (BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 32/08 R, RdNr 20, zur Veröffentlichung vorgesehen). Entsprechend der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II muss korrespondierend bei der Festlegung der zu berücksichtigenden Einkommensteile an die tatsächliche Lage des Hilfebedürftigen
angeknüpft werden. Zwar gilt insoweit, dass der Hilfesuchende sein Einkommen auch dann zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage
für sich verwenden muss, wenn er sich dadurch außerstande setzt, anderweitig bestehende Verpflichtungen zu erfüllen (BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14/7b AS 10/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 18, RdNr 25); andererseits kann ein Leistungsanspruch auch dann gegeben sein, wenn das zu berücksichtigende
Einkommen tatsächlich nicht uneingeschränkt zur Verfügung steht (BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 ff = SozR 4-4200 § 9 Nr 7, RdNr 32; BSG Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 23/06 R - BSGE 99, 262 ff = SozR 4-3500 § 82 Nr 3, RdNr 15). In diesem Sinne regelt § 11 SGB II in der bis zum 31.3.2011 geltenden Fassung (nunmehr § 11b SGB II idF des RegelbedarfsÄndG vom 24.3.2011, BGBl I 453), dass das Einkommen um zahlreiche Absetzbeträge zu bereinigen ist, bevor
es zur Leistungsberechnung heranzuziehen ist. Grund hierfür ist, nicht nur einen Anreiz für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
zu schaffen, sondern auch, nur diejenigen Einkünfte tatsächlich bei der Höhe des Alg II-Anspruchs zu berücksichtigen, die
tatsächlich zur Lebensunterhaltssicherung eingesetzt werden können. Deutlich wird dieses auch im System des § 2a Alg II-V selbst. Von der Regelberechnung nach § 2 a Abs 2 S 1 Alg II-V, wonach das Einkommen auf Jahresbasis zu berechnen ist, ist nach § 2 a Abs 2 S 2 Alg II-V abzuweichen, wenn Arbeitseinkommen nur während eines Teils des Kalenderjahres erzielt wird. Dies kann zB der Fall sein, wenn
die selbstständige Tätigkeit nur während eines Teils des Jahres ausgeübt wird oder wenn die noch zu Beginn des Jahres erzielten
Einnahmen im Laufe des Jahres wegfallen. In diesem Fall ist das monatliche Einkommen auf Basis des Teilzeitraums des Kalenderjahres
zu berechnen, in dem die Einnahmen tatsächlich erzielt werden. Diese Abweichung dient nach der Begründung des Verordnungsgebers
dazu, eine Gefährdung der Sicherung des Lebensunterhalts zu vermeiden. Es kommt also auch hier letztlich darauf an, ob eine
auf das gesamte Jahr bezogene Durchschnittsbetrachtung die tatsächlichen Einnahmen im Bedarfszeitraum widerspiegelt (vgl Mecke
in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 11 RdNr 78) und damit ob bereite Mittel zur Verfügung standen, um den Lebensunterhalt zu decken (siehe dazu auch Senatsurteil
vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - mwN).
Sinn und Zweck der hier anzuwendenden Fassung des § 2a Alg II-V ist es mithin, im Interesse der Verwaltungsvereinfachung die einkommensteuerrechtlichen Festsetzungen als Anknüpfungspunkt
für die grundsicherungsrechtliche Berechnung des berücksichtigungsfähigen Einkommens heranzuziehen. Die tatsächliche Berücksichtigung
bei der Berechnung des Alg II hat allerdings unter der grundsicherungsrechtlichen Einschränkung zu erfolgen, dass der einkommensteuerrechtlich
ermittelte Gewinn auch tatsächlich zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung steht. Nur so kann der Zweck des SGB II, die Existenzsicherung zu gewährleisten, erfüllt werden
Insoweit fehlt es an Feststellungen des SG. Es wird diese vor allem vor dem Hintergrund des Vortrags des Klägers nachzuholen haben, dass er die Ansparrücklage bereits
vor ihrer einkommensteuerrechtlichen Veranlagung als Gewinn iS des §
7g EStG verbraucht habe, sie ihm also nicht zur Lebensunterhaltssicherung zur Verfügung gestanden habe; er mithin trotz der steuerlichen
Veranlagung hilfebedürftig und demnach leistungsberechtigt war. Es würde alsdann bereits an der Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheides
mangeln. War die aufgelöste Ansparrücklage oder waren Teile hiervon hingegen bei der Bescheiderteilung für den hier streitigen
Zeitraum noch oder bereits vorhanden, so könnte ein Fall des § 45 SGB X gegeben sein. Ist sie erst nach Bescheiderteilung aufgelöst worden, liegt ein Fall von § 48 SGB X vor.
4. Das SG wird im wieder eröffneten erstinstanzlichen Gerichtsverfahren auch Feststellungen zum Vermögen des Klägers zu treffen haben.
Solche fehlen hier, obwohl hierzu nach dem eigenen Vorbringen des Klägers Anlass bestanden hätte. Der Kläger hat selbst vorgebracht,
der "hohe Gewinn des Jahres 2003" aus seinem Gewerbebetrieb sei "in die Folgejahre verschoben" worden und er habe auf dieses
Geld auch tatsächlich Zugriff gehabt und es verbraucht. Daher hätte Anlass zur Prüfung bestanden, wie hoch die Gewinne der
letzten Jahre waren und wofür sie verwendet wurden bzw wie viel davon in die Bildung von Ansparrücklagen geflossen ist, um
letztlich beurteilen zu können, wie hoch das Vermögen des Klägers bei Bescheiderteilung am 16.8.2005 war. Diesbezüglich ist
der Grundsatz zu beachten, dass auch nicht bereite Mittel, wenn es sich um verwertbares Vermögen handelt, zur Existenzsicherung
einzusetzen sind (vgl Senatsurteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 70/09 R).
5. Ferner kann es für eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits darauf ankommen, ob der Kläger zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung
oder während des Bewilligungszeitraums über anderweitiges Einkommen aus seiner Erwerbstätigkeit verfügt hat. Die Angaben des
Klägers in den BWA geben durchaus Anlass, insoweit, unabhängig von der einkommensteuerrechtlichen Veranlagung, in eine nähere
Prüfung einzutreten. Das SG wird dabei insbesondere den Sachvortrag des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren zu berücksichtigen haben, wonach er aufgrund
der betrieblichen Überschüsse im letzten Quartal 2005 seinen gesamten monatlichen Bedarf in Höhe von 601,89 Euro habe decken
können.
6. Sollte vorliegend § 45 SGB X Anwendung finden, wäre der Umstand, dass der Beklagte seinen Bescheid auf § 48 SGB X gestützt hat, alleine nicht klagebegründend (Senatsurteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R; vgl auch BSG Urteil vom 5.9.2006 - B 7a AL 38/05 R - SozR 4-4300 § 141 Nr 2). Denn das so genannte "Nachschieben von Gründen" (richtigerweise:
Stützen der Entscheidung auf eine andere Rechtsgrundlage) ist zulässig, soweit der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem
Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen in nicht zulässiger Weise beeinträchtigt
oder erschwert wird (BSGE 29, 129, 132 = SozR Nr 123 zu §
54 SGG; BSGE 87, 8, 12 = SozR 3-4100 § 152 Nr 9; BSG Urteil vom 18.9.1997 - 11 RAr 9/97 - juris RdNr 22; BSG Urteil vom 25.4.2002 - B 11 AL 69/01 R - juris RdNr 16 f). Weil die §§ 45, 48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsakts, gerichtet sind, ist das Auswechseln dieser Rechtsgrundlagen
grundsätzlich zulässig (BSG Urteil vom 25.4.2002, aaO).
Wäre der rechtliche Maßstab für die Aufhebungsentscheidung vorliegend § 45 SGB X, so kann dies bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung jedoch nur dann unbeachtet bleiben, wenn es einer Ermessensentscheidung
nicht bedurfte, denn eine Ermessensentscheidung wurde hier von dem Beklagten nicht getroffen. § 40 Abs 1 Nr 1 SGB II verweist auf §
330 Abs
2 SGB III; dieser ordnet an, dass bei Vorliegen der in § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes diese - im Wege einer gebundenen
Entscheidung, also ohne Ermessen - auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. Das SG hat bisher noch keine Tatsachen festgestellt, nach denen beurteilt werden kann, ob der Tatbestand des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X erfüllt ist. Das SG wird - sollte es zur Anwendung des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X gelangen - auch zu prüfen haben, ob der Beklagte eine Anhörung zu den tatsächlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift vorgenommen
hat und die Frage zu klären haben, ob eine ggf fehlende Anhörung hierzu auch nach einer Zurückverweisung durch das BSG im weiteren Verfahren wirksam iS des § 41 Abs 1 Nr 3, Abs 2 SGB X durchgeführt werden kann.
Das SG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.