Altersrente für besonders langjährig Versicherte
Revision gegen die Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts
Inhaltliche Anforderungen an eine Revisionsbegründung
Auseinandersetzung mit dem vorinstanzlichen Urteil
Aufwand und Intensität des Eingehens auf die tatrichterlichen Feststellungen
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte für den Zeitraum September
2014 bis März 2015.
Der am geborene Kläger war nach einer Fachschulausbildung im August 1968 mit der Aufnahme einer beruflichen Ausbildung in
das Arbeitsleben eingetreten und langjährig berufstätig. Zu Beginn des Jahres 2014 war er bei der "N. Transport K. GmbH" (im
Folgenden: Arbeitgeberin) im Bereich des Rechnungswesens beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis kündigte die Arbeitgeberin
am 12.12.2013 zum 31.1.2014. In einer Bescheinigung vom 10.6.2014 erklärte sie, dass die Kündigung als Kostensenkungsmaßnahme
eine seinerzeit drohende Insolvenz abwenden sollte. Im Ergebnis blieb diese Maßnahme jedoch ohne Erfolg. Am 31.3.2014 stellte
die Arbeitgeberin den Insolvenzantrag. Ab Februar 2014 bezog der Kläger Arbeitslosengeld (Alg) von der Bundesagentur für Arbeit
(BA), die aufgrund des Leistungsbezugs auch Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtete.
Am 26.8.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte
ab September 2014. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2.10.2014 ab, weil der Kläger statt der erforderlichen
540 Monate nur 533 Wartezeitmonate zurückgelegt habe. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 17.12.2014 zurück. Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung könnten in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nur
bei der Wartezeit berücksichtigt werden, sofern das vorangegangene Beschäftigungsverhältnis durch eine Insolvenz oder vollständige
Geschäftsaufgabe beendet worden sei. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Kündigung durch die Arbeitgeberin sei
bereits vor der Stellung des Insolvenzantrags erklärt worden.
Bereits im September 2014 hatte der Kläger eine geringfügige versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen, die er bis
März 2015 ausübte. Unter Berücksichtigung der sich daraus ergebenden sieben weiteren Beitragsmonate bewilligte die Beklagte
dem Kläger mit weiterem Bescheid vom 25.3.2015 die begehrte Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab April 2015.
Gegen die Ablehnung der Rente für den Zeitraum September 2014 bis März 2015 hat der Kläger beim SG Stade Klage erhoben. Mit
Urteil vom 14.9.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die vom Kläger eingelegte Berufung hat das LSG Niedersachsen-Bremen mit Urteil vom 2.3.2016 zurückgewiesen.
Im Zeitraum September 2014 bis März 2015 sei die Wartezeit von 45 Jahren für die Bewilligung einer Altersrente für besonders
langjährig Versicherte noch nicht erfüllt gewesen. Die sieben Monate des Alg-Bezugs mit Beitragszahlung durch die BA von Februar
bis August 2014 könnten nicht auf die Wartezeit angerechnet werden, weil sie in den letzten zwei Jahren vor dem gewünschten
Rentenbeginn lägen und daher nach den Vorgaben des §
51 Abs
3a S 1 Nr
3 SGB VI für die Berechnung der 45-jährigen Wartezeit nicht berücksichtigungsfähig seien. Die (Rück-)Ausnahmeregelung, wonach solche
Zeiten gleichwohl angerechnet werden dürften, wenn der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung durch eine Insolvenz
oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt sei, greife nicht ein. Die Arbeitgeberin habe sich im Zeitpunkt
der Kündigung im Dezember 2013 zwar in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden, sei aber seinerzeit noch nicht in Insolvenz
geraten. Der Insolvenzantrag sei vielmehr erst am 31.3.2014 gestellt worden. Eine Auslegung, wonach auch eine nur zur Abwehr
einer möglicherweise in Betracht kommenden Insolvenz ausgesprochene Kündigung für das Eingreifen der (Rück-)Ausnahmeregelung
ausreiche, sei mit dem Gesetzeswortlaut nicht zu vereinbaren. Es finde sich auch keine tragfähige Grundlage in den Gesetzesmaterialien
und in der Systematik, die die Annahme rechtfertige, dass eine solche Auslegung über den Wortlaut hinaus dem gesetzgeberischen
Willen entspreche. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung bestünden im Ergebnis nicht.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des §
51 Abs
3a SGB VI. Das Berufungsgericht habe den Anwendungsbereich der Norm verkannt. Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung
seien auf die Wartezeit von 45 Jahren auch dann anzurechnen, wenn der Insolvenzantrag noch nicht gestellt worden, die Kündigung
aber dennoch - wie in seinem Fall - durch die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers bedingt sei, also zeitlich mit ihr in unmittelbarem
Zusammenhang stehe. Nach dem Wortlaut der Vorschrift müsse die Kündigung nur durch eine Insolvenz bedingt sein. In der Gesetzesbegründung
fänden sich keinerlei Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber die Ausnahmeregelung von der Stellung eines Insolvenzantrags oder
der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens abhängig habe machen wollen. In der
Insolvenzordnung (
InsO) sei die drohende Zahlungsunfähigkeit der Zahlungsunfähigkeit als Eröffnungsgrund eines Insolvenzverfahrens gleichgestellt.
Es reiche daher bereits die Zahlungsunfähigkeit oder drohende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers und die kausale Verknüpfung
zwischen Kündigung und Zahlungsunfähigkeit bzw drohender Zahlungsunfähigkeit aus. Sofern dieser Argumentation nicht gefolgt
werde, müsse die Regelung jedenfalls verfassungskonform auf den Fall einer Kündigung im Rahmen einer Insolvenz, dh einer zeitlich
kurz vor der Stellung eines Insolvenzantrags ausgesprochenen Kündigung angewandt werden. Dies gebiete der allgemeine Gleichbehandlungssatz
des Art
3 Abs
1 GG bei einem Vergleich mit Personen, die nach der Anmeldung einer Insolvenz gekündigt würden. Beide Personengruppen seien unfreiwillig
und unverschuldet entlassen worden. Auch könnten bei beiden die objektiven Umstände, die zu einer Kündigung geführt hätten,
von außen überprüfbar und unkompliziert nachvollzogen werden. Zudem handele es sich bei beiden Gruppen um Härtefälle, bei
denen die gesetzliche (Rück-)Ausnahme greifen soll. Sofern auch eine verfassungskonforme Auslegung nicht für möglich gehalten
werde, müsse das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage der Verfassungsmäßigkeit des §
51 Abs
3a SGB VI zur Entscheidung vorgelegt werden. Die Vorschrift verstoße neben Art
3 Abs
1 GG zudem in der Auslegung des LSG gegen Art
14 GG. Es liege ein unverhältnismäßiger Eingriff in rentenrechtliche Anwartschaften vor.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 2. März 2016 und des Sozialgerichts Stade vom 14. September
2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Oktober 2014 und den Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2014 aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Altersente für besonders langjährig Versicherte bereits für den Zeitraum vom
1. September 2014 bis einschließlich 31. März 2015 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
II
A. Die kraft Zulassung durch das LSG statthafte Revision (§
160 Abs
1 und
3 SGG) ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere entgegen den von dem Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung
geäußerten Bedenken formgerecht iS des §
164 Abs
2 S 1 und S 3
SGG begründet.
Wendet sich die Revision - wie hier - gegen die Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts, ist nach der Rechtsprechung
des erkennenden Senats in der Begründung sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei darzulegen, weshalb die Norm in
der angefochtenen Entscheidung - bezogen auf den festgestellten Sachverhalt - nicht oder nicht richtig angewandt worden ist.
Dies setzt voraus, dass sich die Begründung mit dem vorinstanzlichen Urteil auseinandersetzt. "Auseinandersetzung" bedeutet,
auf den Gedankengang des Vordergerichts einzugehen. Dazu muss der Revisionsführer - zumindest kurz - rechtlich auf die Gründe
der Vorinstanz eingehen; er muss mithin erkennen lassen, dass er sich mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und inwieweit
er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (Senatsbeschlüsse vom 10.2.2016 - B 5 RS 1/15 R - BeckRS 2016, 66775 RdNr 6; vom 5.5.2015 - B 5 R 18/14 R - BeckRS 2015, 69242 RdNr 6; vom 9.1.2014 - B 5 RE 1/14 R - BeckRS 2014, 65978 RdNr 7 und vom 23.2.2017 - B 5 SF 5/16 AR - Juris RdNr 13). Diesen Anforderungen kann eine Rüge der Verletzung materiellen Rechts nur genügen, wenn sie den vom Vordergericht
festgestellten entscheidungserheblichen Lebenssachverhalt (im Sinne einer Gesamtheit rechtlich relevanter Tatumstände) vollständig
darlegt (Senatsbeschluss vom 23.2.2017 - B 5 SF 5/16 AR - Juris RdNr 14).
Welche inhaltlichen Anforderungen an eine Revisionsbegründung in Bezug auf die Darstellung des entscheidungserheblichen Lebenssachverhaltes
im Rahmen der Rüge der Verletzung materiellen Rechts konkret zu stellen sind, entzieht sich einer verallgemeinerungsfähigen
Beantwortung. Aufwand und Intensität des Eingehens auf die tatrichterlichen Feststellungen richten sich nach deren eigener
Qualität und sind naturgemäß am geringsten, wenn das Tatsachengericht in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich kundgetan
hat, wovon es aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens überzeugt ist und was es demgemäß festgestellt hat. Die Aufgabe
des Revisionsführers wächst in dem Umfang, in dem das LSG von dieser Idealform abweicht und Feststellungen auf den Gesamttext
seiner Entscheidung verteilt und/oder nur mittelbar in der Weise trifft, dass allenfalls aus seiner weiteren Rechtsanwendung
deutlich wird, von welchem Sachverhalt es überzeugt war. Insoweit muss die Revisionsbegründung als Ergebnis eigener geistiger
Arbeit (BSG vom 25.7.1968 - 8 RV 361/66 - SozEntsch BSG 1/4 § 164 Nr 17 - Juris RdNr 15) - und nicht von "copy and paste" - darlegen, in welcher Weise sie dem angefochtenen Urteil den mitgeteilten
Sachverhalt als dessen geistigen Gehalt entnimmt (Senatsbeschluss vom 23.2.2017 - B 5 SF 5/16 AR - Juris RdNr 22; zustimmend 12. Senat des BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 KR 16/14 R - Juris RdNr 20 ff, zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR).
Eine formgerechte Revisionsbegründung erfordert daher weder stets eine geschlossene Darstellung des Streitstoffs und der angegriffenen
Entscheidung als Ganzes noch bedarf sie zwingend der wörtlichen Wiedergabe der vom Vordergericht festgestellten, rechtlich
relevanten Tatumstände (BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 KR 16/14 R - Juris RdNr 23). Unzulässig sind solche Formen der Darstellung des entscheidungserheblichen Lebenssachverhalts allerdings
nicht. Etwas Gegenteiliges ist auch nicht dem Urteil des 13. Senats des BSG vom 24.2.2016 (B 13 R 31/14 R - SozR 4-1500 § 164 Nr 4 RdNr 20) zu entnehmen. Dieser hat lediglich darauf hingewiesen, dass die Wiedergabe des kompletten
Berufungsurteils in der Revisionsbegründung wegen deren Überfrachtung mit Unwesentlichem und der damit verbundenen Erschwernis
der Arbeit des Revisionsgerichts nicht wünschenswert ist.
Der Kläger, der in der Revisionsbegründung die angefochtene Entscheidung nahezu vollständig wiedergegeben hat, hat mit dieser
Art der Darstellung - unabhängig von der Frage ihrer Sachdienlichkeit - den rechtlichen Anforderungen an die gebotene Form
genügt.
B. Die Revision ist allerdings unbegründet.
Zu Recht hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung
einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte bereits ab 1.9.2014. Er hat die gesetzlichen Voraussetzungen zu diesem
Zeitpunkt noch nicht erfüllt (dazu I.). Auch verstößt §
51 Abs
3a S 1 Nr
3 Buchst a Teils 2 und 3
SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz)
vom 23.6.2014 (BGBl I 787) nicht gegen die Verfassung (dazu II.). Eine Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage an das BVerfG
nach Art
100 Abs
1 GG kommen daher nicht in Betracht.
I. Einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage ist §
236b Abs
1 iVm Abs
2 S 1
SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes vom 23.6.2014. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte,
die vor dem 1.1.1953 geboren sind, Anspruch auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte, wenn sie das 63. Lebensjahr
vollendet (Abs 1 Nr 1) und die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt haben (Abs 1 Nr 2). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Zwar ist der Kläger vor dem 1.1.1953 - am 29.12.1950 - geboren und hatte am 1.9.2014 das 63. Lebensjahr vollendet. Er erfüllte
jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht die 45-jährige Wartezeit.
1. Welche Zeiten auf die 45-jährige Wartezeit angerechnet werden, regelt §
51 Abs
3a S 1
SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes vom 23.6.2014. Danach werden auf die Wartezeit von
45 Jahren Kalendermonate angerechnet mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (Nr 1), Berücksichtigungszeiten
(Nr 2), Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung (Nr 3 Buchst a), Leistungen bei Krankheit (Nr 3
Buchst b) und Übergangsgeld (Nr 3 Buchst c), soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind (Teils 1), wobei
Zeiten nach Buchst a in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt werden (Teils 2), es sei denn, der Bezug
von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung ist durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers
bedingt (Teils 3). Ferner werden auf die Wartezeit von 45 Jahren unter bestimmten Voraussetzungen Kalendermonate mit freiwilligen
Beiträgen angerechnet (Nr 4).
Nach den nicht angegriffenen und damit bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) hat der Kläger bis Ende Januar 2014 533 Kalendermonate zurückgelegt, die auf die 45-jährige Wartezeit (= 540 Monate) anrechenbar
sind. Die darüber hinaus von Februar bis August 2014 zurückgelegten 7 Monate des Bezugs von Alg, einer Entgeltersatzleistung
der Arbeitsförderung (§
3 Abs
4 Nr
1 SGB III), sind nach den Vorgaben des §
51 Abs
3a S 1 Nr
3 Buchst a Teils 2 und 3
SGB VI nicht anrechnungsfähig. Sie liegen in den letzten zwei Jahren vor dem gewünschten Rentenbeginn 1.9.2014 (Teils 2), ohne dass
der Alg-Bezug durch eine Insolvenz - die vorliegend allein als Rückausnahmefall in Betracht kommt - bedingt ist (Teils 3).
Insolvenzbedingt ist der Alg-Bezug nur dann, wenn sich die Beendigung einer Beschäftigung - die ihrerseits Ursache der Arbeitslosigkeit
als Voraussetzung für Alg ist (§
136 Abs
1 Nr
1 SGB III) - als Ergebnis einer verfahrensrechtlich durch die
InsO gelenkten Tätigkeit darstellt. Dies ist der Fall, wenn die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses auf der Erklärung
zB Kündigung einer Person beruht, deren Handlungsbefugnis durch die
InsO begründet ist. Als solche Person kommt der (vorläufige) Insolvenzverwalter oder der Arbeitgeber in der Funktion als Schuldner
in Eigenverwaltung in Betracht.
Ein solches Verständnis des im Gesetz nicht näher umschriebenen und auch durch den Sprachgebrauch nicht eindeutig bestimmten
Rechtsbegriffs der "Insolvenz" (dazu a) ergibt sich unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm (dazu b) sowie systematischer
Erwägungen (dazu c) insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit.
a) § 51a Abs 3a
SGB VI definiert den Begriff "Insolvenz" nicht. Ebenso wenig ergibt sich ein eindeutiger Wortsinn aus dem allgemeinen Sprachgebrauch.
Insoweit wird unter dem Begriff "Insolvenz" insbesondere "Zahlungsunfähigkeit" (Gabler, Lexikon Recht in der Wirtschaft, 1998,
S 519; Duden, Das große Fremdwörterbuch, 4. Aufl 2007, S 631), aber auch zusätzlich "Bankrott, Ruin, Pleite, Illiquidität"
(Duden, Das Synonymwörterbuch, Bd 8, 6. Aufl 2014, S 530) verstanden, wobei die Erläuterung "Zahlungsunfähigkeit" teilweise
mit dem Hinweis verbunden wird, dass die
InsO das Verfahren zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger eines Schuldners regelt (Der Brockhaus in einem Band, 14.
Aufl 2011, S 416). Ähnlich verhält es sich im allgemeinen rechtlichen Sprachgebrauch, bei dem unter dem Begriff "Insolvenz"
ua auf das Insolvenzrecht und das Insolvenzverfahren nach der
InsO verwiesen wird (vgl Creifelds, Rechtswörterbuch, 21. Aufl 2014, S 669 iVm 672). Danach bezeichnet der Begriff "Insolvenz"
entweder inhaltlich einen bestimmten finanziellen Zustand oder aber ist in Anlehnung an die
InsO verfahrensrechtlich geprägt.
b) Unter Berücksichtigung des sich aus den Gesetzesmaterialien ergebenden Sinns und Zwecks des §
51 Abs
3a S 1 Nr
3 Buchst a Teils 2 und 3
SGB VI ist der Begriff "Insolvenz" in letzterem Sinn zu verstehen.
Welches Verständnis dem Begriff "Insolvenz" bei der Konzeption des §
51 Abs
3a SGB VI zugrunde gelegt worden ist, geben die Gesetzesmaterialien nicht ausdrücklich an. Der ursprüngliche Entwurf des §
51 Abs
3a SGB VI sah weder eine Ausnahme von der Anrechenbarkeit der Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung auf
die 45-jährige Wartezeit noch eine Rückausnahmeregelung für bestimmte Fälle vor (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung über
Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung [RV-Leistungsverbesserungsgesetz] vom 25.3.2014 - BT-Drucks
18/909, S 7 Anlage 1 Art 1 Nr 2 und S 13 f Begründung A.I.). Erst im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens empfahl der Ausschuss
für Arbeit und Soziales zwecks Vermeidung von Fehlanreizen, die sich aus der Anrechnung von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen
der Arbeitsförderung auf die Wartezeit von 45 Jahren bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte ergeben könnten,
diese Zeiten nicht zu berücksichtigen, wenn sie in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn lägen; um Härtefälle zu verhindern,
sollten diese Zeiten zwei Jahre vor Rentenbeginn nur dann anrechnungsfähig sein, wenn sie durch Insolvenz oder vollständige
Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt seien (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales
[11. Ausschuss] vom 21.5.2014 - BT-Drucks 18/1489, S 5 und S 26 zu Buchst b). Welche Voraussetzungen an das Vorliegen einer
Insolvenz zu stellen sind, ist dabei nicht erläutert worden.
Anhaltspunkte für die Bedeutung des Begriffs "Insolvenz" bzw "durch eine Insolvenz ... des Arbeitgebers bedingt" lassen sich
aber der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
vom 22.7.2014 (BT-Drucks 18/2186) entnehmen, in der die Formulierung Vermeidung bzw Verhinderung von "Fehlanreizen" wieder
aufgenommen wird. Im Einzelnen heißt es dort (BT-Drucks 12/2186, S 9):
"Bereits bei Kabinettsbeschluss bestand Einigkeit, dass im parlamentarischen Verfahren zu prüfen sein wird, wie Frühverrentung
verhindert werden kann. Denn Ziel der sogenannten Rente ab 63 soll nicht sein, bereits zwei Jahre vor Rentenbeginn aus dem
Erwerbsleben auszuscheiden und über den Bezug von Arbeitslosengeld in die abschlagsfreie Rente zu gehen. Um derartige Missbräuche
von vornherein auszuschließen, werden Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs in den letzten zwei Jahren vor Eintritt in die abschlagsfreien
Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab 63 Jahre nicht mitgezählt. Eine Ausnahme gilt für diejenigen Zeiten des
Arbeitslosengeldbezugs, die durch eine Insolvenz oder eine vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers verursacht wurden.
Denn in diesen Fällen liegt typischerweise keine missbräuchliche Frühverrentung vor.
Zutreffend ist, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch aus anderen Gründen als einer Insolvenz oder einer vollständigen
Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers unverschuldet arbeitslos werden können. Die Einführung großzügigerer Kriterien als einer
Insolvenz oder einer vollständigen Geschäftsaufgabe wäre jedoch missbrauchsanfällig und daher ungeeignet, Fehlanreize zu verhindern.
Denn in anderen als den geregelten Ausnahmefällen ist kein Nachweis darüber möglich, dass für die Arbeitslosigkeit allein
Gründe maßgeblich waren, die frei von missbräuchlichen Absichten sind."
Das Ziel, eine missbräuchliche Frühverrentung von vornherein auszuschließen, ist regelmäßig nur erreichbar, wenn die Insolvenz
in einem durch die
InsO geprägten Sinn zu verstehen ist.
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw der Anordnung vorläufiger Maßnahmen bereits vor der Eröffnung verliert der Arbeitgeber
die Verfügungs- bzw unkontrollierte Verfügungsbefugnis über sein Unternehmen oder fällt dieses bei Ablehnung des Antrags auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse als Basis von Beschäftigungen weg mit der Folge, dass zumindest im Regelfall
rechtlich oder faktisch eine missbräuchliche Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zwecks Frühverrentung durch ein Zusammenwirken
von Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgeschlossen ist (dazu aa). Dieses Ziel ist nicht erreichbar, wenn dem Begriff "Insolvenz"
die Bedeutung einer bloßen Zahlungsunfähigkeit oder eines vergleichbaren finanziellen Zustands beigemessen wird (dazu bb).
aa) (1) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, ernennt das Insolvenzgericht im Regelfall einen Insolvenzverwalter (§
27 Abs
1 S 1
InsO). Mit der Eröffnung des Verfahrens tritt der Insolvenzverwalter in die Arbeitgeberstellung ein (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus,
Insolvenzrecht, 2. Aufl 2010, S 643 RdNr 4; Müller-Glöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 17. Aufl 2017,
Einführung
InsO RdNr 37, §
113 RdNr 1). Damit ist er aus den Arbeitsverhältnissen, die auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbestehen (§
108 Abs
1 S 1
InsO), nach Maßgabe der geltenden Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Arbeitsvertragsregelungen und Gesetze berechtigt und
verpflichtet (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO). Die Kündigungs- und Anfechtungsbefugnis gehen auf ihn über (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus,
aaO; Berscheid, Arbeitsverhältnisse in der Insolvenz, 1999, RdNr 518). Bereits vor der Eröffnung hat das Insolvenzgericht
die Befugnis, vorläufige Maßnahmen zur Sicherung des Schuldnervermögens anzuordnen. Bei der Anordnung der vorläufigen Verwaltung
wird differenziert zwischen der sog "schwachen" Verwaltung mit Zustimmungsvorbehalt gemäß §
21 Abs
2 Nr
2 Alt 2
InsO und der sog "starken" Verwaltung mit Verfügungsverbot gemäß §
21 Abs
2 Nr
2 Alt 1, §
22 InsO (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO, S 641 RdNr 2). Die Anordnung der "schwachen" vorläufigen Verwaltung hat keine Auswirkung
auf die Arbeitgeberstellung; der Insolvenzschuldner bleibt Arbeitgeber (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO; Berscheid, aaO,
RdNr 499). Eine von ihm ausgesprochene Kündigung von Arbeitsverhältnissen ist jedoch nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters
wirksam, sofern sich nichts anderes aus den Anordnungen des Insolvenzgerichts ergibt (vgl BAG Urteil vom 10.10.2002 - 2 AZR 532/01 - Juris RdNr 23 ff; Rüntz in Kayser/Thole,
Insolvenzordnung, 8. Aufl 2016, S 227 RdNr 17). Ordnet das Insolvenzgericht die "starke" vorläufige Verwaltung an, so geht mit diesem Zeitpunkt
die Arbeitgeberstellung, insbesondere das Kündigungsrecht auf den Insolvenzverwalter über (vgl Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus,
aaO; Berscheid, aaO, RdNr 492).
Im Regelinsolvenzverfahren hat damit der Arbeitgeber nach Eröffnung des Verfahrens keine Möglichkeit mehr, Arbeitsverhältnisse
zu beenden und ist auch vor dem Eröffnungsbeschluss bei Anordnung vorläufiger Maßnahmen zumindest von der Zustimmung des vorläufigen
Insolvenzverwalters bei Kündigungen abhängig.
Ordnet das Gericht dagegen ausnahmsweise (dazu Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO, S 498 RdNr 7) Eigenverwaltung an (§§
270 ff
InsO), erhält der Schuldner zwar die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse, unterliegt aber der umfassenden
Aufsicht und Überwachung eines vom Insolvenzgericht eingesetzten Sachwalters (§
270 Abs
1 S 1
InsO; Undritz in Schmidt,
InsO, 19. Aufl 2016, §
270 InsO RdNr 25; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 3. Aufl 2017, §
270 RdNr 29). Dabei schließt der Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen (§§
21 ff
InsO) grundsätzlich nicht aus (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO, S 502 RdNr 14).
Bei Anordnung der Eigenverwaltung wird der Schuldner daher zumindest in seinen Verfügungen kontrolliert.
(2) Die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse gemäß §
26 Abs
1 S 1
InsO führt etwa bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften, Genossenschaften und Offenen Handelsgesellschaften
sowie Kommanditgesellschaften, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, zu deren Auflösung
(§ 60 Abs 1 Nr 5 GmbHG, § 262 Abs 1 Nr 4 AktG, § 81a Nr 1 GenG, § 131 Abs 2 Nr 1 HGB, § 161 Abs 2 HGB). Die Auflösung führt zur Abwicklung (Liquidation) der Gesellschaft (vgl Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl 2017, § 60 RdNr 2; Kamanabrou in Oetker, HGB, 5. Aufl 2017, § 131 RdNr 19; Füller in Bürgers/Körber, Aktiengesetz, 4. Aufl 2017, § 262 RdNr 12) und anschließender Beendigung (vgl Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl 2016, § 60 RdNr 19 mwN; vgl zur Löschung vermögensloser Gesellschaften und Genossenschaften § 394 FamFG). Damit entfällt in diesen Fällen das Unternehmen als Basis der Beschäftigung des Arbeitnehmers, sodass eine missbräuchliche
Kündigung insoweit ebenfalls ausscheidet. Dies gilt letztlich ebenso, wenn der Arbeitgeber eine natürliche Person ist. Auch
diese ist im Fall ihrer - durch Beschluss des Insolvenzgerichts nachgewiesenen - Vermögenslosigkeit wirtschaftlich nicht in
der Lage, ein Unternehmen fortzuführen.
bb) Verstünde man dagegen unter Insolvenz iS von §
51 Abs
3a S 1 Nr
3 Buchst a Teils 3
SGB VI nur den Zustand der Zahlungsunfähigkeit oder einen vergleichbaren finanziellen Zustand, bliebe die Verfügungsbefugnis des
Arbeitgebers rechtlich uneingeschränkt, sodass ein Zusammenwirken zwischen ihm und dem Arbeitnehmer nicht ausgeschlossen werden
kann. Interne, nicht dokumentierte Absprachen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die sich eines Nachweises entziehen,
sind insoweit immer möglich. Abgesehen davon wäre auch die Zahlungsunfähigkeit nicht in einem geregelten Verfahren festgestellt
worden, was zusätzlich Raum für eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Alg und anschließender Rente bietet.
c) Für das hier vertretene Begriffsverständnis sprechen schließlich auch systematische Erwägungen, insbesondere der zweite
gesetzlich geregelte Rückausnahmetatbestand, die vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers. Hierbei entfällt die Basis
vorhandener Beschäftigungsverhältnisse und damit die Gelegenheit für eine missbräuchliche Frühverrentung durch ein Zusammenwirken
von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die zweite Rückausnahmeregelung entspricht insoweit der oben dargestellten zweiten Variante
einer verfahrensrechtlich geprägten Insolvenz, der Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse,
und ist mit der aufgezeigten ersten verfahrensrechtlichen Insolvenzvariante, der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, in der
Wirkung vergleichbar. Beide schließen typischerweise einen Missbrauch aus, die vollständige Geschäftsaufgabe in tatsächlicher
Hinsicht durch Wegfall der Beschäftigungsbasis und das eröffnete Insolvenzverfahren in rechtlicher Hinsicht durch Wegfall
der uneingeschränkten oder unkontrollierten Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers.
Darüber hinaus verwenden auch die sonstigen Bücher des SGB, soweit sie Rechtsfolgen an die Insolvenz knüpfen, einen durch
die
InsO verfahrensrechtlich geprägten Insolvenzbegriff.
So setzt zB in §
165 Abs
1 S 1
SGB III der Anspruch auf Insolvenzgeld den Eintritt eines Insolvenzereignisses voraus, das in §
165 Abs
3 S 2
SGB III definiert wird. Danach gilt als Insolvenzereignis die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers,
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit
im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich
mangels Masse nicht in Betracht kommt. Im
SGB IV normiert zB §
28a Abs
1 S 1 Nr
3 eine Meldepflicht des Arbeitgebers oder eines anderen Meldepflichtigen bei der Einzugsstelle für jeden in der Kranken-, Pflege-,
Rentenversicherung oder nach dem Recht der Arbeitsförderung kraft Gesetzes Versicherten bei Eintritt eines Insolvenzereignisses.
§ 8a der Verordnung über die Erfassung und Übermittlung von Daten für die Träger der Sozialversicherung, der die Meldepflicht für bereits vor dem Insolvenzereignis freigestellte Beschäftigte betrifft (vgl Erkelenz in Jahn/Jansen,
SGB IV, §
28a RdNr 16a, Stand 30.6.2015), konkretisiert diesen Begriff iS der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder dessen Nichteröffnung
mangels Masse. §
19 Abs
1a S 1
SGB V nennt die Insolvenz einer Krankenkasse als Grund für das Ende der Mitgliedschaft eines Versicherten. §
171b SGB V, der die "Insolvenz von Krankenkassen" näher regelt, bestimmt in Abs 1, dass vom 1.1.2010 an die
InsO für die Krankenkassen nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze gilt und regelt in Abs 5, dass mit dem Tag der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens oder dem Tag der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels
Masse abgelehnt worden ist, die Krankenkasse mit der Maßgabe geschlossen ist, dass die Abwicklung der Geschäfte der Krankenkasse
im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach den Vorschriften der
InsO erfolgt. Hiermit übereinstimmend definiert §
171d Abs
1 SGB V den Insolvenzfall als Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Krankenkasse oder die rechtskräftige Abweisung
der Eröffnung mangels Masse.
Ein insolvenzbedingter Alg-Bezug im dargelegten Sinn liegt bei dem Kläger nicht vor. Seine Arbeitgeberin hat ihre Befugnis
zur Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses am 12.12.2013 nicht aus den Regelungen der
InsO abgeleitet. Das Insolvenzverfahren war vielmehr zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingeleitet.
2. Eine analoge Anwendung des §
51 Abs
3a S 1 Nr
3 Buchst a Teils 3
SGB VI auf Fälle des Alg-Bezugs aufgrund der Kündigung eines Beschäftigungsverhältnisses zur Abwendung einer dann doch eingetretenen
Insolvenz des Arbeitgebers oder gar auf sämtliche unfreiwilligen und unverschuldeten Beendigungen von Arbeitsverhältnissen
kommt nicht in Betracht.
Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz voraus (BGHZ 149, 165, 174; BGH NJW 2007, 992, 993 und 2008, 1446 Tz 14; BAG NJW 2003, 2473, 2474 f; BFH NJW 2006, 1837). Eine solche liegt hier nicht vor. Dem Gesetzgeber war bewusst, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch aus anderen
Gründen als einer Insolvenz oder einer vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers unverschuldet arbeitslos werden können.
Er hat sich trotz dieser Erkenntnis lediglich für die zwei genannten Rückausnahmen entschieden, weil in allen anderen Fällen
kein Nachweis darüber möglich sei, dass die Arbeitslosigkeit nicht auf missbräuchlichen Absichten beruhe (vgl Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.7.2014 - BT-Drucks
18/2186, S 9). Der Gesetzgeber hat daher wissentlich und willentlich eine nur enge Rückausnahmeregelung geschaffen.
II. §
51 Abs
3a S 1 Nr
3 Buchst a Teils 2 und 3
SGB VI stehen mit der Verfassung in Einklang.
1. Ein Verstoß gegen Art
3 Abs
1 GG liegt nicht vor.
a) Es ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar, dass Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung
gemäß §
51 Abs
3a S 1 Nr
3 Buchst a Teil 2
SGB VI in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn entgegen der Grundregel des Teils 1 nicht auf die Wartezeit von 45 Jahren angerechnet
werden.
Der allgemeine Gleichheitssatz iS von Art
3 Abs
1 GG gebietet zwar, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung
verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten
anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie
die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl nur BVerfGE 117, 272, 300 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 - stRspr).
Die Regelung des Teils 2 benachteiligt die Personengruppe, die Zeiten im Sinne des Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a
SGB VI in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn zurückgelegt hat, gegenüber der Personengruppe, die derartige Zeiten vor diesem
Zeitraum absolviert hat und damit der Grundregel des Teils 1 unterfällt.
Die unterschiedliche Behandlung der dargestellten Gruppen durch den Gesetzgeber wird durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt.
Da eine Anordnung des Gesetzgebers, Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, soweit sie Pflichtbeitragszeiten
oder Anrechnungszeiten sind, auf die 45-jährige Wartezeit anzurechnen, angesichts der weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers
im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit (BVerfGE 122, 1, 23; 130, 240, 254 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1; BVerwGE 101, 86, 95; BSGE 70, 62, 67 = SozR 3-5750 Art 2 § 62 Nr 6) aus Verfassungsgründen nicht geboten war, kann es ihm grundsätzlich auch nicht verwehrt
sein, für sie zeitliche Grenzen zu setzen. Insoweit liegt ein Vergleich mit der Zulässigkeit von Stichtagsregelungen nahe
(vgl BVerfGE 80, 297, 311 = SozR 5795 § 4 Nr 8).
Dem Gesetzgeber ist es durch Art
3 Abs
1 GG nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse
Härten mit sich bringt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Einführung eines Stichtags überhaupt notwendig ist und sich
die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und damit sachlich vertretbar ist (vgl zB BVerfGE 101, 239, 270; 117, 272, 301 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7; BVerfGE 123, 111, 128; 126, 369, 399 = SozR 5050 § 226 Nr 9).
Einer Prüfung anhand dieser Kriterien hält §
51 Abs
3a S 1 Nr
3 Buchst a Teils 2
SGB VI stand.
aa) Der Gesetzgeber durfte die Einführung einer zeitlichen Begrenzung der Anrechnung von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen
der Arbeitsförderung auf die Wartezeit von 45 Jahren iS eines Berücksichtigungsausschlusses in den letzten zwei Jahren vor
Rentenbeginn für notwendig halten.
Die Ausschlussregelung iS des Teils 2 ist in das Gesetz aufgenommen worden, um eine missbräuchliche Frühverrentung von vornherein
zu verhindern. Die sog "Rente ab 63" dient - wie bereits oben ausgeführt - nicht dem Ziel, bereits zwei Jahre vor Rentenbeginn
aus dem Erwerbsleben auszuscheiden und über den Bezug von Alg in die abschlagsfreie Rente zu wechseln (Antwort der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.7.2014 - BT-Drucks 18/2186,
S 9). Der Gesetzgeber durfte von der Gefahr einer missbräuchlichen Frühverrentung ausgehen. Es liegt im Einschätzungsspielraum
des Gesetzgebers, bei einer nicht eindeutig geklärten und auch nicht ohne Weiteres aufklärbaren Sachlage seinen Entscheidungen
über zu ergreifende Maßnahmen eine Gefährdungsprognose zugrunde zu legen, wobei er sich allerdings nicht auf eine der Lebenserfahrung
geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebenssachverhalte stützen darf (BVerfGE 138, 136 RdNr 144 mwN). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Die Einschätzung einer missbräuchlichen Frühverrentung kann sich nicht auf empirisch nachweisbare Befunde stützen; ebenso
wenig ist ein derartiger Sachverhalt im voraus aufklärbar oder vorhersehbar, weil das Rentenzugangsgeschehen multifaktoriell
ist und sich aus dem Zusammenwirken verschiedener Akteure, wie zB individuellen Überlegungen aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebersicht,
ergibt (vgl schriftliche Stellungnahme der BA zur öffentlichen Anhörung vom Sachverständigen am 5.5.2014 - Ausschussdrucks
18[11]82 S 32, 33). Es stellt auch keine der Lebenserfahrung widersprechende Würdigung des Lebenssachverhalts dar, dass ältere
Arbeitnehmer, die bereits ein langes und in der Regel anstrengendes Erwerbsleben absolviert, die 45-jährige Wartezeit möglicherweise
aber dennoch nicht erfüllt haben, sich unter Inanspruchnahme von Alg aus dem Erwerbsleben verabschieden, um ggf über den Leistungsbezug
die noch nicht erfüllte Wartezeit zu erreichen und anschließend mit 63 in die abschlagsfreie Rente zu wechseln. Die Möglichkeit,
ein langes Erwerbsleben bei vorhandener sozialer Absicherung vorzeitig beenden zu können, stellt einen nicht zu leugnenden
Anreiz dar (so auch die Einschätzung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der BA - schriftliche Stellungnahmen
zur öffentlichen Anhörung vom Sachverständigen am 5.5.2014 - Ausschussdrucks 18[11]82, S 27, 28 und 33, 34; vgl auch schriftliche
Stellungnahme des Prof. Dr. Bromsdorf zur öffentlichen Anhörung vom Sachverständigen am 5.5.2014 und Information des ULA-Deutschen
Führungskräfteverbandes - Ausschussdrucks 18[11]82 S 63, 65 und 82), der durch interne Absprachen zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer unschwer umgesetzt werden kann. Angesichts dieser Lebenswirklichkeit hält der Senat den moralischen Vorwurf der
Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, die Ausschlussregelung stelle Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter den
"Generalverdacht" einer missbräuchlichen Absprache über die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses (Sachstand WD 6 -
3000 - 133/14 S 9), für nicht gerechtfertigt. Erst recht vermag er nicht die Legitimität der gesetzgeberischen Erwägung in
Frage zu stellen.
bb) Ein Ausschluss der Anrechnung für die letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn orientiert sich auch am gegebenen Sachverhalt
und ist damit vertretbar.
Die Altersrente für besonders langjährig Versicherte wird gemäß §
236b SGB VI frühestens ab Vollendung des 63. Lebensjahres geleistet. Die Personen, die von der Ausschlussregelung des Teils 2 betroffen
sind, haben daher mindestens das 61. Lebensjahr vollendet. Versicherte dieser Altersgruppe erhalten nach §
147 Abs
2 SGB III - vorbehaltlich des Vorliegens der weiteren dort normierten Anspruchsvoraussetzungen - Alg für 24 Monate, mithin also zwei
Jahre. Der vom Gesetzgeber im Teils 2 gewählte Ausschlusszeitraum entspricht damit dem Zeitraum, in dem Alg maximal vor dem
Rentenbeginn bezogen werden kann.
cc) Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass die Regelung des Teils 2 eine Härte für ihn - und vergleichbar betroffene Personen
- darstellt, weil die Kündigung durch seine Arbeitgeberin zu einem Zeitpunkt (12.12.2013) erklärt worden ist, zu dem der Entwurf
des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes noch nicht vorgelegen hat, sodass missbräuchliche Absichten bezogen auf die ab 1.7.2014
neu geregelte Altersrente für besonders langjährig Versicherte nicht vorgelegen haben können. Gleichwohl ist der Teils 2 zur
Überzeugung des Senats mit dem allgemeinen Gleichheitssatz zu vereinbaren, weil jede Stichtagsregelung gewisse Härten mit
sich bringt und Art
3 Abs
1 GG dem Gesetzgeber nicht aufgibt, die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung zu wählen (BVerfGE 84, 348, 359; 110, 412, 436; 122, 151, 714 = SozR 4-2600 § 237 Nr 16). Dies gilt umso mehr, als der Kläger seinerzeit kein Vertrauen
auf die Anrechenbarkeit von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung innerhalb der letzten zwei
Jahre vor Rentenbeginn auf die 45-jährige Wartezeit haben konnte, weil derartige Zeiten nach der damaligen Rechtslage insoweit
überhaupt nicht berücksichtigungsfähig waren (vgl §
51 Abs
3a SGB VI idF von Art 1 Nr 17 des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen
der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007, BGBl I 554).
b) Ebenso erweist sich die Rückausnahmeregelung des §
51 Abs
3a S 1 Nr
3 Buchst a Teils 3
SGB VI, nach dem Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn
in den Fällen angerechnet werden, in denen dieser Bezug durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers
bedingt ist, als mit Art
3 Abs
1 GG vereinbar.
Da die Rückausnahmeregelung des Teils 3 die Personengruppen begünstigt, die aufgrund einer Insolvenz oder vollständigen Geschäftsaufgabe
des Arbeitgebers zwei Jahre vor Rentenbeginn Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung beziehen, kommen als Vergleichsgruppen
solche Personengruppen in Betracht, die aus anderen betriebsbedingten Gründen ihren Arbeitsplatz verloren haben und ebenfalls
im vorgenannten Zeitraum Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung beziehen. Ihnen wird anders als den begünstigten Personengruppen
diese Zeit nicht auf die 45-jährige Wartezeit angerechnet, was zu einem Rentenausschluss führt, falls die Wartezeit nicht
bereits zu diesem Zeitpunkt erfüllt ist.
aa) Die unterschiedliche Behandlung der dargestellten Gruppen durch den Gesetzgeber wird durch hinreichende sachliche Gründe
gerechtfertigt.
Der Gesetzgeber hat die Anrechnung von Zeiten des Alg-Bezugs in den letzten zwei Jahren vor Eintritt in die abschlagsfreie
Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab 63 Jahre grundsätzlich ausgeschlossen, um - wie bereits oben dargelegt
- eine missbräuchliche Frühverrentung zu verhindern. Versicherte sollen nicht bereits zwei Jahre vor Rentenbeginn aus dem
Erwerbsleben ausscheiden und über den Bezug von Alg in die abschlagsfreie Rente gehen. Eine Ausnahme gilt für diejenigen Zeiten
des Alg-Bezugs, die durch eine Insolvenz oder die vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers verursacht werden, weil in
diesen Fällen typischerweise keine missbräuchliche Frühverrentung vorliegt. Nach der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.7.2014 (BT-Drucks 18/2186, S 9) ist die Einführung
großzügigerer Kriterien missbrauchsanfällig und daher ungeeignet, Fehlanreize zu verhindern. In anderen als den geregelten
Ausnahmefällen sei kein Nachweis darüber möglich, dass für die Arbeitslosigkeit allein Gründe maßgeblich waren, die frei von
missbräuchlichen Absichten sind.
Diese Gründe sind sachgerecht. Der Arbeitgeber verliert im Fall der Insolvenz, dh der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw
der Anordnung vorläufiger Maßnahmen vor der Eröffnung die Verfügungs- bzw uneingeschränkte oder unkontrollierte Verfügungsbefugnis
über sein Unternehmen oder bei einer Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse das Unternehmen als Basis von Beschäftigungen
mit der Folge, dass zumindest im Regelfall rechtlich oder faktisch eine missbräuchliche Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses
zwecks Frühverrentung durch ein Zusammenwirken von Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgeschlossen ist (vgl B.I.1.b aa). Letzteres
gilt auch für die vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers (vgl B.I.1.c).
Für alle sonstigen Fälle eines betriebsbedingten Verlustes des Arbeitsplatzes lässt sich dagegen ein Missbrauch nicht ausschließen.
Zwischen einem Arbeitgeber, der die unkontrollierte und uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über seinen laufenden Betrieb
hat, und Arbeitnehmern sind vielmehr interne Absprachen über die Auflösung von Arbeitsverhältnissen möglich, die sich eines
Nachweises entziehen.
bb) Schließlich liegen auch keine Fälle unzulässiger Typisierung vor.
Insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen - wie der Normierung von Voraussetzungen für den Anspruch einer gesetzlichen
Rente - sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG
im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl nur BVerfGE 103, 310, 319; 113, 167, 236 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 136; stRspr); der Gesetzgeber hat sich dabei am Regelfall zu orientieren.
Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, solange eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der
Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl nur BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob durch sie eintretende Härten und
Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl nur BVerfGE 133, 377, 413). Außerdem ist zu beachten, dass die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers besonders groß bei einer bevorzugenden Typisierung
ist (BVerfGE 17, 1, 24 = SozR Nr 52 zu Art
3 GG; BVerfGE 103, 310, 319).
(1) Die in den Teils 3 aufgenommenen Ausnahmefälle stellen gemessen am Normzweck Regelfälle dar. Der Gesetzgeber hat die Anrechnung
von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung innerhalb der letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn auf
die Wartezeit ausgenommen, um von vornherein eine missbräuchliche Frühverrentung auszuschließen (BT-Drucks 18/2186, S 9).
Hiervon hat er lediglich die Fälle der Insolvenz und der vollständigen Geschäftsaufgabe rückausgenommen, weil in diesen typischerweise
keine Frühverrentung vorliegt, während in anderen Fällen kein Nachweis möglich ist, dass die Arbeitslosigkeit nicht auf missbräuchlichen
Absichten beruht (BT-Drucks aaO).
(2) Auch wird durch die vom Gesetzgeber vorgenommene Typisierung nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt.
Nach der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
vom 2.9.2016 (BT-Drucks 18/9513, S 4) sind von 199 560 im Jahre 2014 gestellten Neuanträgen auf Gewährung einer Altersrente
für besonders langjährig Versicherte 195 833 Anträge bewilligt und 1653 Anträge abgelehnt worden, wobei die Ablehnung von
1425 Anträgen wegen Nichterfüllung der Wartezeit erfolgt ist. Damit sind lediglich 0,714 % der 2014 gestellten Anträge an
der Nichterreichung der 45-jährigen Wartezeit gescheitert. Im Jahr 2015 ist dieser Anteil noch geringer ausgefallen. Von 264
236 Neuanträgen auf Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte sind 260 394 Anträge bewilligt und 1488
abgelehnt worden, von denen 1250 auf dem Ablehnungsgrund "Wartezeit nicht erfüllt" beruhen (BT-Drucks 18/9513, S 4). Dies
entspricht einem Anteil von 0,4731 % an allen gestellten Rentenanträgen.
Zwar handelt es sich bei diesen Werten nicht um eine präzise Berechnung der Auswirkungen der zum 1.7.2014 in Kraft getretenen
Regelung des §
51 Abs
3a S 1 Nr
3 Buchst a Teils 2 iVm 3
SGB VI. Denn die og Zahlen erfassen auch Personen, die nach altem Recht (vor dem 1.7.2014) eine Altersrente für besonders langjährig
Versicherte ab Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch nehmen konnten (vgl BT-Druck 18/9513, S 3 und 4), und auf die sich
die umstrittene Regelung möglicherweise nicht ausgewirkt hat. Außerdem könnte ein Teil der Ablehnungsfälle aufgrund nicht
erfüllter Wartezeit auf anderen Gründen als der Regelung des Teils 2 iVm Teils 3 beruhen. Insoweit ist insbesondere zu bedenken,
dass nicht nur Versicherte aus der Arbeitslosigkeit heraus, sondern auch "Beschäftigte", "geringfügig Beschäftigte", Personen
"ohne Versicherungsereignis" und "Sonstige" die Gewährung einer "Rente ab 63" beantragt haben (so Versichertenbericht der
Deutschen Rentenversicherung 2016, S 24 über die Rentenzugänge aus diesen Gruppen im Jahr 2014). Bei den zuletzt genannten
Gruppen kann die Wartezeit von 45 Jahren ebenso nicht erfüllt sein, ohne dass hierfür die umstrittene Regelung ursächlich
gewesen sein dürfte. Auch unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte behalten die ermittelten Werte indes eine hinreichend
verlässliche Aussagekraft. Da nur weniger als ein Prozent aller Rentenanträge an der nicht erfüllten Wartezeit gescheitert
sind, erlaubt dieser Befund trotz einer gewissen Ungenauigkeit die Aussage, dass die Ausschlussregelung in Verbindung mit
den eng gefassten Rückausnahmen nur einen geringen Anteil von Personen erfasst.
(3) Schließlich wiegt die Ungleichbehandlung auch nicht sehr intensiv. Wie der Fall des Klägers zeigt, können Versicherte,
die mangels Anrechenbarkeit von Zeiten des Alg-Bezugs in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn die Wartezeit von 45 Jahren
nicht erfüllen, die fehlenden Beitragsmonate durch Ausübung einer (geringfügigen) versicherungspflichtigen Beschäftigung nachträglich
erwirtschaften. Angesichts der Arbeitsmarktlage ist der Fall des Klägers auch nicht als Ausnahmefall anzusehen. In der Begründung
des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 25.3.2014 (BT-Drucks 18/909, Begründung A I S 14) ist darauf hingewiesen, dass
sich seit dem Jahr 2000 die Erwerbsbeteiligung der 60- bis 64-Jährigen von knapp 20 % auf 46,5 % im Jahr 2012 mehr als verdoppelt
hat. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung realisierten immer mehr Unternehmen, dass ältere Erwerbstätige dringend
gebraucht würden, um dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Entsprechend sei die Wertschätzung der Unternehmen gegenüber
ihren älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern deutlich gestiegen. Die Unternehmen investierten im eigenen Interesse zunehmend
in altersgerechte Arbeitsbedingungen, Weiterbildung und Gesundheitsmanagement. Es seien keine Anzeichen erkennbar, dass sich
dieser Trend umkehren könnte. Dem entspricht die Hintergrundinformation der BA - Statistik - vom Dezember 2015 (S 2 und 7):
Danach hat die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung älterer Arbeitnehmer in den letzten Jahren auch aus demografischen
Gründen stark zugenommen. Seit 2009 sei die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten über 63 kontinuierlich gestiegen.
Nach Einführung der "Rente ab 63" im Juli 2014 habe sich zwar die Beschäftigtenzahl verringert; ein Zusammenhang mit der Einführung
der Rente könne plausibel vermutet werden. In der Altersgruppe der 61 und 62-Jährigen ist von 2010 bis Ende 2015 ein Beschäftigungsanstieg
zu verzeichnen.
Angesichts der nachträglich möglichen Erfüllung der 45-jährigen Wartezeit durch Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung
stellt die Regelung des Teils 2 iVm 3 für die nicht privilegierten Personengruppen entgegen der Ansicht der Wissenschaftlichen
Dienste des Deutschen Bundestages (Sachstand WD 6 - 3000 - 133/14 S 10 f) auch keine unzumutbare Belastung dar.
(4) Schließlich wäre die durch die Ungleichbehandlung entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar.
Bei einer Privilegierung auch solcher Personen, die aus anderen Gründen als der Insolvenz oder der vollständigen Geschäftsaufgabe
des Arbeitgebers betriebsbedingt ihren Arbeitsplatz verloren haben, könnte die Regelung ihre Zweckbestimmung, Missbrauchsfälle
von vornherein auszuschließen, nicht erreichen. Nach der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener
Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.7.2014 ist in anderen als den geregelten Ausnahmefällen kein Nachweis
darüber möglich, dass für die Arbeitslosigkeit allein Gründe maßgeblich waren, die frei von missbräuchlichen Absichten sind
(BT-Drucks 18/2186, S 9). Diese Erwägung ist vor dem Hintergrund stets möglicher, nicht dokumentierter Absprachen zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer nachvollziehbar und plausibel.
(5) Letztlich ist im Rahmen der Prüfung eines Gleichheitsverstoßes zu bedenken, dass es sich bei der Rückausnahme des Teils
3 um eine bevorzugende Typisierung handelt, bei der die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers weiter gespannt ist als bei einer
benachteiligenden Typisierung (BVerfGE 17, 1, 23 f = SozR Nr 52 zu Art
3 GG; BVerfGE 65, 325, 356; 103, 310, 319).
Ob eine bevorzugende oder benachteiligende Typisierung vorliegt, ist ausgehend vom Normalfall zu beurteilen, dh ausgehend
von dem Fall, der nach Sinn und Zweck des Gesetzes in der Regel erfasst werden soll und erfasst wird (BVerfGE 17, 1, 23 f = SozR Nr 52 zu Art
3 GG). Grundsätzlich will der Gesetzgeber keine Anrechnung von Zeiten des Bezugs von Leistungen der Arbeitsförderung in den letzten
zwei Jahren vor Rentenbeginn, um eine missbräuchliche Frühverrentung zu verhindern (BT-Drucks 18/2186, S 9). Ausgehend hiervon
stellt die Rückausnahme der in Teils 3 privilegierten Personengruppen eine Bevorzugung dar. Die Zahl der infolge der Typisierung
bevorzugten Personen dürfte sich in solchen Grenzen halten, die angesichts der bei Bevorzugungen weit gespannten Gestaltungsfreiheit
des Gesetzgebers hingenommen werden kann (vgl hierzu BVerfGE 17, 1, 25 = SozR Nr 52 zu Art
3 GG).
Nach dem Versichertenbericht der Deutschen Rentenversicherung 2016 (S 24) wechseln in die Altersrente für besonders langjährig
Versicherte vor allem beschäftigte Personen. Im Jahr 2014 stellten "Beschäftigte" 77 % der Zugänge in diese Rente. Die restlichen
23 % entfielen auf "geringfügig Beschäftigte", "Arbeitslose", Personen "ohne Versicherungsereignis" und "Sonstige". Der Anteil
der Arbeitslosen lag hierbei bei nur knapp 10 %. Hiervon wird nach der Lebenserfahrung nur ein Teil zu denjenigen gehören,
die Leistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn infolge einer Insolvenz oder vollständigen
Geschäftsaufgabe ihres Arbeitgebers bezogen haben und nur über die Rückausnahmeregelung des Teils 3 und die hierdurch mögliche
Anrechnung dieser Zeiten die Wartezeit erfüllt haben. Eine nicht mehr hinnehmbare Begünstigungsquote von mehr als 10 % (vgl
hierzu Jarass in ders/Pieroth,
GG, 14. Aufl 2016, Art
3 RdNr 31) wird auf keinen Fall erreicht.
2. Ebenso wenig liegt eine Verletzung des Art
14 Abs
1 S 1
GG vor.
Was zum "Inhalt" des Eigentums gehört, bestimmen entsprechend Art
14 Abs
1 S 2
GG die Gesetze (BVerfGE 52, 1, 27). Der Gesetzgeber schafft auf der Ebene des objektiven Rechts diejenigen Rechtssätze, die die Rechtsstellung des Eigentümers
begründen und ausformen; sie können privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sein (BVerfGE 58, 300, 330).
Die Anrechnung von Zeiten des Alg-Bezugs auf die 45-jährige Wartezeit ist erst durch §
51 Abs
3a S 1 Nr
3 Buchst a
SGB VI mit Wirkung zum 1.7.2014 angeordnet worden, wobei zugleich die Berücksichtigung dieser Zeiten für die letzten zwei Jahre
vor Rentenbeginn ausgeschlossen worden ist. Die Vorschrift hat damit nicht in eine den Versicherten bereits zuerkannte Rechtsposition
eingegriffen, sondern ihnen vielmehr von Anfang an nur eine beschränkte Rechtsposition eingeräumt. Art
14 GG schützt aber lediglich Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen (BVerfGE 68, 193, 222 = SozR 5495 Art 5 Nr 1; BVerfGE 78, 205, 211; 95, 173, 187 f).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 und 4
SGG.