Regelaltersrente nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Die Klägerin begehrt in der Hauptsache die Gewährung einer Regelaltersrente nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG), hilfsweise die Erstattung ihrer Beiträge, die sie für die Zeit vom 1.6.1979 bis 31.10.1986 nach dem Gesetz über eine Altershilfe
für Landwirte (GAL) entrichtet hat. Diesen Anspruch hat das LSG verneint. Für einen Anspruch auf Regelaltersrente erfülle
die Klägerin nicht die Wartezeit von 15 Jahren. Die Beitragszeiten vor dem 1.1.1995 könnten wegen fehlender "Lückenlosigkeit"
der Beitragsentrichtung nicht angerechnet werden, sodass auch eine Anrechnung von Pflichtbeitragszeiten nach den Vorschriften
des
Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (
SGB VI) nicht in Frage komme. Die Klage hinsichtlich des hilfsweise gestellten Anspruchs auf Beitragserstattung sei bereits mangels
durchgeführten Verwaltungs- und Vorverfahrens unzulässig (Urteil vom 29.5.2019).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim BSG Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die sie mit dem Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung begründet.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG). Der mit der Beschwerde ausschließlich geltend gemachte Revisionsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach §
160 Abs
2 Nr
1 SGG ist nicht ordnungsgemäß dargelegt worden.
1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss
daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen
sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder
der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer
muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete)
Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten
Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl Senatsbeschlüsse vom 30.9.2019 - B 10 LW 3/19 B - juris RdNr 4 und vom 6.8.2018 - B 10 EG 5/18 B - juris RdNr 4 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht gerecht.
Die Klägerin hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:
"Verstoßen die Vorschriften des § 90 Abs. 1 S. 1, § 17 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung (ASR - Änderungsgesetz vom
15.12.1995 Bundesgesetzblatt I 1814) gegen die Grundrechte der Beitragslücken aufweisenden Versicherten aus Art.
14 Abs.
1 und Art.
3 Abs.
1 GG?"
"Verstößt die in § 11 Abs. 1 Nr. 2 ALG geregelte Wartezeit für eine Regelaltersrente von 180 Kalendermonaten gegen die Grundrechte der Versicherten, die nicht berücksichtigte
Beitragsleistungen für mindestens 60 Monate erbracht haben, aus Art.
14 Abs.
1 und Art.
3 Abs.
1 GG?"
"Ist es mit Art.
14 Abs.
1 und Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz vereinbar, wenn Beitragszahlungen zur Alterskasse der Landwirte im Umfang von weniger als 180 Kalendermonaten vor dem 01.01.1995
ohne Erstattung im Rahmen einer dafür vorgesehenen Härtefallregelung entschädigungslos und ohne entsprechende Gegenleistung
entfallen?"
Die Klägerin hat jedoch die Klärungsbedürftigkeit der von ihr aufgeworfenen Fragestellungen nicht hinreichend dargetan. Die
Klärungsbedürftigkeit ist zu verneinen, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist, wenn die Antwort unmittelbar
aus dem Gesetz zu ersehen ist, wenn sie so gut wie unbestritten ist, wenn sie praktisch außer Zweifel steht oder wenn sich
für die Antwort in vorliegenden höchstrichterlichen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte ergeben. Denn auch dann
gilt eine Rechtsfrage bereits als geklärt (stRspr, zB BSG Beschluss 12.4.2019 - B 9 SB 4/19 B - juris RdNr 7 f; Senatsbeschlüsse vom 30.9.2019 - B 10 LW 3/19 B - juris RdNr 7 und vom 2.10.2015 - B 10 LW 2/15 B - juris RdNr 6, jeweils mwN). Wer eine Verfassungsverletzung geltend macht, darf sich nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze
beschränken, sondern muss unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den gerügten Verfassungsnormen in substantieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen
haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (Senatsbeschlüsse vom 12.11.2019 - B 10 EG 5/19 B - juris RdNr 10 und vom 1.6.2017 - B 10 ÜG 30/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 14 RdNr 16, jeweils mwN). Es ist aufzuzeigen, dass der Gesetzgeber die gesetzlichen Grenzen seines Gestaltungsspielraums überschritten und in unzulässiger
Weise verletzt hat (vgl Senatsbeschluss vom 30.9.2019 - B 10 LW 3/19 B - juris RdNr 7 mwN).
Eine solche substantiierte Erörterung der vom LSG im angefochtenen Urteil (und ergänzend von der Beklagten in ihrer Beschwerdeerwiderung)
zitierten Rechtsprechung des BVerfG und des BSG bezogen auf die hier maßgeblichen einfachgesetzlichen und verfassungsrechtlichen Normen (insbesondere § 11 Abs 1 Nr 2, § 17 Abs 1 Satz 1, § 90 Abs 1 Satz 1 ALG einerseits und Art
3 Abs
1 und Art
14 Abs
1 GG andererseits) lässt die Beschwerdebegründung vermissen.
Zwar benennt die Klägerin einige Entscheidungen des BVerfG und des BSG, hier insbesondere das Senatsurteil vom 24.4.2003 (B 10 LW 15/02 R) und den Senatsbeschluss vom 18.2.2004 (B 10 LW 10/03 B), und behauptet eine fehlende Auseinandersetzung dieser Entscheidungen mit den von ihr aufgeworfenen verfassungsrechtlichen
Bedenken der vorliegend im Streit stehenden Regelungen über die Gewährung einer Regelaltersrente aus der landwirtschaftlichen
Alterssicherung nach Erfüllung einer Wartezeit ohne Anrechnung von Beitragszeiten vor dem 1.1.1995 und deren Erstattung. Sie
befasst sich aber nicht im Einzelnen mit der Rechtslage, da sie die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 11 Abs 1 Nr 2, 17 Abs 1 Satz 1 und 90 Abs 1 Satz 1 ALG weder benennt noch inhaltlich darstellt. Im Anschluss unterzieht sie sich nicht der im Rahmen der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit
unerlässlichen Mühe, sich mit der (auch vom LSG und der Beklagten) zitierten Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu diesem Rechtsfragenkomplex in der gebotenen Umfänglichkeit auseinanderzusetzen. Allein die hiervon losgelöste Darstellung
der eigenen Rechtsansicht zu einem Verstoß gegen Art
3 Abs
1 GG und Art
14 Abs
1 GG reicht nicht. So hat etwa das BVerfG in seiner aktuellen Entscheidung zur Hofabgabeklausel ausgeführt, dass die Voraussetzungen
für die Entstehung von Anwartschaften und Ansprüche auf eine Regelaltersrente nach § 11 Abs 1 ALG (Erreichen der Regelaltersgrenze und Erfüllen der Wartezeit) Art
14 Abs
1 Satz 1
GG nicht verletzten (BVerfG Beschluss vom 23.5.2018 - 1 BvR 97/14 - BVerfGE 149, 86 RdNr
74 und
76). Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art
3 Abs
1 GG durch die Anwendung der von der Beschwerde angeführten Regelungen hat der Senat ebensowenig gesehen (Beschluss vom 2.10.2015 - B 10 LW 2/15 B - juris RdNr 8). Das BVerfG hat bereits zu § 27 Abs 1 GAL entschieden, dass die Möglichkeit zu einer freiwilligen Weiterentrichtung von Beiträgen
zum Erwerb eines Rentenanspruchs keine Ungleichbehandlung enthält (BVerfG Beschluss <Dreierausschuss> vom 3.9.1982 - 1 BvR 114/79 - SozR 5850 § 27 Nr 5 Seite 8 f). Auch das BSG hat für die Zeit vor dem 31.12.1994 bereits entschieden, dass die Regelung, wonach in Folge des Ausscheidens aus der landwirtschaftlichen
Alterskasse Ansprüche weder auf eine soziale Sicherung nach dem GAL noch auf Erstattung der entrichteten Beiträge zustehen,
nicht verfassungswidrig ist (Urteil vom 20.4.1993 - 4 RLw 7/91 - juris RdNr 32 und 33 zu Art
3 GG und Art
14 GG). Hiermit hätte sich die Klägerin auseinandersetzen und dartun müssen, inwiefern sich daraus keine hinreichenden Anhaltspunkte
für die Beantwortung der von ihr gestellten Fragen, vor allem zur vermeintlichen Verfassungswidrigkeit der Nichterfüllung
der Wartezeit aufgrund des Bestehens von Beitragslücken, entnehmen ließen. Hinsichtlich des zusätzlich geltend gemachten Erstattungsbegehrens
fehlt es neben Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit auch bereits an einer Darlegung der Klärungsfähigkeit in einem anschließenden
Revisionsverfahren, da sich die Klägerin insoweit bereits nicht mit dem erforderlichen vorgeschalteten Verwaltungs- und Vorverfahren
- wie vom LSG ausgeführt - auseinandersetzt.
Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.