Höhe der zu erstattenden Aufwendungen des Klägers bei Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren, Überschreitung
der Schwellengebühr bis zur Mittelgebühr, rechtliche Bewertung der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe der von der Beklagten zu erstattenden Aufwendungen des Klägers für die Hinzuziehung
eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren.
Dem Kläger wurde von seinem Arbeitgeber im Juli 2004 fristlos mit der Begründung gekündigt, er habe während der Arbeitszeit
in alkoholisiertem Zustand einen Unfall verursacht. Der Kläger erhob daraufhin Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht und
beantragte bei der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg). Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 5.11.2004 den Eintritt einer Sperrzeit
von zwölf Wochen mit der Begründung fest, der Kläger habe durch arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des
Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch grob fahrlässig seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt.
Gegen den Bescheid vom 5.11.2004 erhob der Kläger, vertreten durch seinen bevollmächtigten Rechtsanwalt, Widerspruch. Mit
Schreiben vom 8.3.2005 übersandte der Bevollmächtigte des Klägers der Beklagten das Protokoll eines am 4.3.2005 vor dem Arbeitsgericht
geschlossenen Vergleichs, aus dem hervorging, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung endete
und der Arbeitgeber den Vorwurf der Schadensverursachung durch den Kläger im alkoholisierten Zustand während der Arbeitszeit
fallen ließ.
Mit Abhilfebescheid vom 20.4.2004 hob die Beklagte den Sperrzeitbescheid vom 5.11.2004 auf und erklärte sich bereit, die im
Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Kosten auf Antrag zu erstatten.
Mit seiner bei der Beklagten eingereichten Kostennote machte der Bevollmächtigte des Klägers eine Geschäftsgebühr von 318,50
Euro, eine Erledigungsgebühr von 367,50 Euro, eine Auslagenpauschale von 20 Euro sowie 112,96 Euro Umsatzsteuer geltend, insgesamt
818,96 Euro. Die Beklagte erkannte als im Widerspruchsverfahren entstandene notwendige Aufwendungen jedoch nur 301,60 Euro
an und lehnte im Übrigen eine Kostenerstattung ab (Bescheid vom 1.7.2005). Der anerkannte Betrag setzte sich wie folgt zusammen:
240 Euro Geschäftsgebühr gemäß Nr 2500 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der bis 30.6.2006 geltenden Fassung, 20 Euro Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsleistungen sowie
41,60 Euro Umsatzsteuer. Auf den Widerspruch des Klägers erkannte die Beklagte zusätzlich noch Kopierkosten in Höhe von 8,70
Euro an (Bescheid vom 4.8.2005), wies jedoch im Übrigen den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 22.9.2005).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 18.5.2007). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil
des SG geändert, die Beklagte unter Abänderung der streitgegenständlichen Bescheide verurteilt, die erstattungsfähigen Kosten des
Widerspruchsverfahrens auf 726,16 Euro festzusetzen und an den Kläger weitere 415,86 Euro zu zahlen; im Übrigen hat das LSG
die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 5.5.2009). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Die auf der Grundlage
der Nr 2500 VV RVG geltend gemachte Geschäftsgebühr von 318,50 Euro sei nicht unbillig. Die Tätigkeit des Anwalts sei schwierig gewesen. Es
habe sich um ein sozialrechtliches Spezialproblem aus dem Arbeitsförderungsrecht gehandelt, in das sich der Bevollmächtigte
habe einarbeiten müssen. Das Arbeitsförderungsrecht sei ein Rechtsgebiet, für das ein Rechtsanwalt Spezialwissen benötige.
Der Schwierigkeitsgrad sei aus der Sicht des Allgemeinanwalts zu beurteilen; für ihn seien Fälle aus dem Sozialrecht jedenfalls
dann schwierig, wenn sie von einem sozialrechtlichen Standard- und Routinefall abwichen. Auch spreche die Bildung von Kammern
und Senaten mit Spezialzuständigkeiten sowie die Einführung einer Fachanwaltschaft in einem Rechtsgebiet für dessen Schwierigkeit.
Diese rechtfertige im vorliegenden Fall den Ansatz einer um 40 Euro oberhalb der Schwellengebühr (240 Euro) liegenden Gebühr,
also der Mittelgebühr in Höhe von 280 Euro; diese habe der Bevollmächtigte um 13,75 % auf 318,50 Euro erhöhen dürfen. Darüber
hinaus sei auch eine Erledigungsgebühr gemäß Nr 1005 VV RVG angefallen. Das nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erforderliche besondere Tätigwerden des Rechtsanwaltes
liege darin, dass er im arbeitsgerichtlichen Verfahren erkennbar darauf hingewirkt habe, den Wahrheitsgehalt der vom Arbeitgeber
zur Begründung der außerordentlichen Kündigung angeführten, für die Entscheidung der Beklagten maßgeblichen Tatsachen in Frage
zu stellen, und dass er das Ergebnis seiner Bemühungen im Kündigungsschutzprozess unverzüglich in das Widerspruchsverfahren
eingeführt habe. Als Erledigungsgebühr angemessen sei aber nur die Mittelgebühr von 280 Euro; der vom Kläger angesetzte Wert
von 367,50 Euro weiche um 31,25 % von der Mittelgebühr ab und sei nicht mehr vom anwaltlichen Beurteilungsspielraum gedeckt.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte Verletzungen formellen und materiellen Rechts. Sie macht ua geltend,
es bestehe kein Anspruch auf Zubilligung einer 240 Euro übersteigenden Geschäftsgebühr, weil die Tätigkeit des Bevollmächtigten
im Widerspruchsverfahren weder umfangreich noch schwierig gewesen sei. Zur Subsumtion des Sachverhalts unter die einschlägige
Rechtsnorm des §
144 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) habe es nur eines flüchtigen Blickes in das Gesetz bedurft, nicht aber einer weitreichenden rechtlichen Detailprüfung. Auch
eine Erledigungsgebühr sei mangels besonderer anwaltlicher Mitwirkung nicht angefallen. Das Übersenden des arbeitsgerichtlichen
Vergleichs sei lediglich als logische Fortsetzung und Beendigung der ursprünglichen Widerspruchsbegründung anzusehen, nicht
aber als weitere, auf gütliche Einigung gerichtete und gesondert zu vergütende Tätigkeit. Soweit ein besonderes Bemühen im
Prozess vor dem Arbeitsgericht vorgelegen habe, könne dies nur im dortigen Verfahren eine Einigungsgebühr rechtfertigen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 5.5.2009 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 18.5.2007 insgesamt zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet (§
170 Abs
2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Beklagte hat die dem Kläger zu erstattenden notwendigen Aufwendungen zutreffend festgesetzt, so dass auf die
Revision das Urteil des LSG zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des SG insgesamt zurückzuweisen ist.
1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensfehler stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Die Revision und die Berufung
sind nicht nach §
144 Abs
4 SGG iVm §
165 Satz 1
SGG ausgeschlossen, da in der Hauptsache über die Kosten eines isolierten Vorverfahrens (§§
78 ff
SGG, §
63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch [SGB X]) gestritten wird (BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 13 S 30; BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 9; Urteil des Senats vom 25.2.2010, B 11 AL 24/08 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 11 mwN). Der Kläger verfolgt sein Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs-
und Leistungsklage; der Erhebung einer Verpflichtungsklage auf Bestimmung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts
nach § 63 Abs 3 Satz 2 SGB X bedarf es nicht, da die Beklagte diese Notwendigkeit zumindest konkludent anerkannt hat (vgl ua BSG, Urteile vom 5.5.2009,
B 13 R 137/08 R, RdNr 12, und vom 21.12.2009, B 14 AS 83/08 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 13).
2. Die angefochtenen Bescheide vom 1.7.2005 und 4.8.2005, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.9.2005,
sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Insbesondere besteht kein Anspruch auf Erstattung einer
den Betrag von 240 Euro übersteigenden Geschäftsgebühr (dazu im Folgenden unter b) und auch kein Anspruch auf Erstattung einer
Erledigungsgebühr (dazu unter c).
a) Nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat,
verpflichtet, dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen
zu erstatten. Nach § 63 Abs 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen ua eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten
notwendig war. Gebühren und Auslagen iS des § 63 Abs 2 SGB X sind nur die gesetzlichen Gebühren und Auslagen (BSGE 78, 159, 161 f = SozR 3-1300 § 63 Nr 7 S 25 f; SozR 4-1300 § 63 Nr 8 RdNr 16). Diese sind bei Beauftragung eines Rechtsanwalts seit
dem 1.7.2004 nach Maßgabe des RVG sowie des VV der Anlage 1 zum RVG zu bestimmen (vgl § 1 Abs 1 und § 2 Abs 2 Satz 1 RVG, jeweils idF des Art 3 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts [KostRMoG] vom 5.5.2004, BGBl I 718; zum Inkrafttreten Art 8 KostRMoG, zum Übergangsrecht §§ 60, 61 RVG).
b) Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Geschäftsgebühr ist Nr 2500 des VV zum RVG in der vorbezeichneten Fassung (aF; gleichlautend inzwischen Nr 2400 in der ab 1.7.2006 geltenden Fassung [nF], vgl Art 5 Abs 1 Nr 4 Buchst b KostRMoG). Danach erhält der Rechtsanwalt in sozialrechtlichen
Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (vgl § 3 RVG) ua für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (vgl Vorbemerkung 2 zu Nr 2500 VV RVG aF) eine Geschäftsgebühr (zur Anwendbarkeit bei Leistungsempfängern iS des §
183 Satz 1
SGG vgl BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 18). Die Geschäftsgebühr nach Nr 2500 VV RVG aF umfasst einen Betragsrahmen von 40 bis 520 Euro, wobei eine Gebühr von mehr als 240 Euro nur gefordert werden kann, wenn
die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (so genannte Schwellengebühr).
Nach der Rechtsprechung des BSG zu Nr 2500 VV RVG aF (= Nr 2400 VV RVG nF) hat die Schwellengebühr von 240 Euro die so genannte Mittelgebühr, die sich aus der Mindestgebühr zuzüglich der Hälfte
des Unterschieds zwischen Mindest- und Höchstgebühr errechnet (bei Nr 2500 aF also 280 Euro), nicht ersetzt (BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 22 ff). Die Einführung der Schwellengebühr hat aber zur Folge, dass die in einem ersten
Schritt ausgehend von der Mittelgebühr bestimmte Gebühr in einem zweiten Schritt in Höhe des Schwellenwertes gekappt wird,
wenn weder der Umfang noch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mehr als durchschnittlich sind (BSGE aaO RdNr 22;
vgl auch BSG SozR 4-1935 § 14 Nr 1 RdNr 16). Umfang oder Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit müssen also über dem Durchschnitt
liegen, um im Ergebnis eine höhere Gebühr als die Schwellengebühr zu rechtfertigen. Von einer umfangreichen oder schwierigen
Tätigkeit in diesem Sinne kann aber unter den konkreten Umständen des vorliegenden Falles nicht die Rede sein, weshalb der
von der Beklagten anerkannte und festgesetzte Betrag von 240 Euro nicht weiter zu erhöhen ist.
Dass die anwaltliche Tätigkeit weder umfangreich noch schwierig iS der Nr 2500 VV RVG aF war, ist den vom LSG festgestellten, das Revisionsgericht bindenden Tatsachen (§
163 SGG) zu entnehmen. Das LSG hat zunächst zum Umfang der Tätigkeit des Bevollmächtigten des Klägers nach Hinweis auf die Erhebung
des Widerspruchs und das Schreiben vom 8.3.2005 ausgeführt, die Tätigkeit sei nicht umfangreich gewesen. Ein überdurchschnittlicher
Umfang der Tätigkeit wird auch vom Kläger selbst nicht behauptet. Das LSG hat im Übrigen tatsächliche Feststellungen zum Inhalt
und zur Intensität der Tätigkeit des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren getroffen. Danach hat der Bevollmächtigte als
Allgemeinanwalt die rechtliche Prüfung vorgenommen, ob der Kläger durch arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung
des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber gegeben und dadurch seine Arbeitslosigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig
herbeigeführt hat, ob also eine Sperrzeit gemäß §
144 Abs
1 Satz 2 Nr
1 SGB III eingetreten ist. Im Rahmen und in der Folge dieser Prüfung hat der Bevollmächtigte das Protokoll über den vor dem Arbeitsgericht
geschlossenen Vergleich vorgelegt. Diese Feststellungen des LSG sind maßgebend für die rechtliche Beurteilung des Senats,
ob die Tätigkeit schwierig iS der Nr 2500 VV RVG aF war.
Eine überdurchschnittlich schwierige Tätigkeit kommt in Betracht, wenn erhebliche, sich üblicherweise nicht stellende Probleme
auftreten, die sowohl im tatsächlichen als auch im juristischen Bereich liegen können (BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 33; vgl hierzu auch Schafhausen in jurisPR-SozR 10/2010 Anm 6). Abzustellen ist auf
einen Rechtsanwalt, der sich bei Wahrnehmung des Mandats darauf beschränken kann und darf, den Fall mit den einschlägigen
Rechtsvorschriften, gegebenenfalls unter Heranziehung von Rechtsprechung und Literatur, zu bearbeiten (BSGE aaO RdNr 32 mwN).
Ausgehend von diesen Maßstäben ist im vorliegenden Fall eine über dem Durchschnitt liegende Schwierigkeit zu verneinen. Denn
die rechtliche Überprüfung der Frage des Eintritts einer Sperrzeit gemäß §
144 Abs
1 Satz 2 Nr
1 SGB III war nicht mit besonderen, sich üblicherweise nicht stellenden Problemen verbunden. Die einschlägige Norm ist weder schwer
verständlich noch bedurfte es bei der Subsumtion des konkreten Sachverhalts unter die Norm der Auswertung umfangreicher Rechtsprechung
oder spezieller Literatur. Auch in tatsächlicher Hinsicht ergeben die Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte für das Vorliegen
besonderer Schwierigkeiten. Der Sachverhalt war überschaubar und nicht ungewöhnlich; die konkrete Verteidigungsstrategie konnte
nur darauf hinauslaufen, den Vorwurf der Veranlassung der Kündigung durch arbeitsvertragswidriges Verhalten zu widerlegen
oder zu entkräften. Insgesamt handelte es sich somit um einen Normal- oder Routinefall (vgl BSGE aaO RdNr 35).
Der Auffassung des LSG, die Schwierigkeit ergebe sich bereits aus der Einführung einer Fachanwaltschaft für das Sozialrecht
sowie aus der Bildung von Fachkammern und Fachsenaten im Arbeitsförderungsrecht, folgt der Senat nicht. Das BSG hat bereits
entschieden, dass es bei der Einordnung, ob die rechtliche Schwierigkeit durchschnittlich bzw über- oder unterdurchschnittlich
ist, nicht angebracht ist, nach einzelnen Rechtsgebieten bzw Teilrechtsgebieten zu differenzieren (BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 35; aA etwa Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl 2008, § 14 RdNr 16). Abzustellen ist also in jedem Rechtsgebiet auf den konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände (vgl
auch § 14 Abs 1 Satz 1 RVG).
Dass der Bevollmächtigte des Klägers zunächst selbst davon ausging, seine Tätigkeit im Widerspruchsverfahren sei nicht schwierig
gewesen, ergibt sich im Übrigen aus seiner der Beklagten vorgelegten Kostennote. Die geforderte Geschäftsgebühr von 318,50
Euro war nämlich auf der Grundlage der Nr 2400 VV RVG aF (= Nr 2300 VV RVG nF) berechnet, wobei der Bevollmächtigte rechtsirrig annahm, die Gebühr richte sich nach dem Gegenstandswert. Der Betrag
von 318,50 Euro ergab sich aus einem unterstellten Streitwert von 3.731,28 Euro (Alg für zwölf Wochen) und einer Gebühr von
1,3 gemäß Nr 2400 VV RVG aF (vgl § 13 Abs 1 RVG iVm der Anlage 2 zum RVG: volle Gebühr 245 Euro, Gebühr von 1,3 also 318,50 Euro). Bei Annahme einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit wäre die
Berechnung einer höheren Geschäftsgebühr zu erwarten gewesen, da nach Nr 2400 VV RVG aF (= Nr 2300 VV RVG nF) eine Gebühr von mehr als 1,3 gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.
c) Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Erledigungsgebühr ist Nr 1005 VV RVG iVm Nr 1002 VV RVG (jeweils idF des KostRMoG). Danach erhält der Rechtsanwalt eine Gebühr für die Erledigung in sozialrechtlichen Angelegenheiten,
in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG); die Gebühr umfasst einen Rahmen von 40 bis 520 Euro. Die Gebühr entsteht, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise
nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt
(vgl Erläuterungen zu Nr 1002 VV RVG). Entgegen der Auffassung des LSG sind die Voraussetzungen für das Entstehen einer Erledigungsgebühr nicht erfüllt.
Nach der Rechtsprechung des BSG zu Nr 1005 bzw 1002 VV RVG kann eine Gebühr für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens nur beansprucht werden, wenn der Rechtsanwalt
eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat (ua BSG SozR 4-1300
§ 63 Nr 8 RdNr 20 ff; Urteil vom 21.3.2007, B 11a AL 53/06 R, RdNr 16; SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1, RdNr 14 mwN; zustimmend
ua Roos in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, Anhang zu § 63 RdNr 43b). Erforderlich ist eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung, die über das Maß hinausgeht, das schon durch
den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im Widerspruchsverfahren abgegolten wird (vgl BSG SozR 4-1300
§ 63 Nr 8 RdNr 22). Eine solche qualifizierte, eine Erledigungsgebühr begründende Tätigkeit liegt beispielsweise vor, wenn
der Rechtsanwalt zum Zwecke des Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen unaufgefordert neue Beweismittel, etwa während
des Vorverfahrens neu erstattete Befundberichte, beibringt (BSG SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1 RdNr 15). Dagegen bewegt sich
die Vorlage präsenter Beweismittel noch im Rahmen der dem Widerspruchsführer ohnehin obliegenden Mitwirkung (§ 21 Abs 2 SGB X) und ist bereits mit der Geschäftsgebühr bzw der Auslagenpauschale abgegolten (BSG, Urteil vom 2.10.2008, B 9/9a SB 3/07
R, RdNr 16, 17).
Unter Zugrundelegung dieser in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe kann in der durch den Bevollmächtigten des Klägers
vorgenommenen Übersendung des vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleichs keine die Gebühr nach Nr 1005 VV RVG rechtfertigende besondere Tätigkeit gesehen werden. Das LSG hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass die für den Vergleichsabschluss
ausschlaggebende Tätigkeit nicht im Widerspruchsverfahren, sondern in einem anderen, vom Kläger gesondert anhängig gemachten
Verfahren entfaltet worden ist. Denn die Gebühr nach Nr 1005 iVm Nr 1002 VV RVG entsteht bei Erledigung einer Rechtssache nach Aufhebung oder Änderung eines angefochtenen Verwaltungsakts (vgl Erläuterungen
zu Nr 1002 VV RVG), woraus deutlich wird, dass die anwaltliche Mitwirkung im konkreten Verfahren stattfinden muss und dass ein Tätigwerden
in einem anderen Verfahren regelmäßig nicht ausreicht (vgl Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl 2008, Nr 1002 VV RVG RdNr 12 mwN).
Nach den getroffenen Feststellungen hat der Bevollmächtigte im arbeitsgerichtlichen Prozess darauf hingewirkt, den Wahrheitsgehalt
der vom Arbeitgeber zur Begründung der außerordentlichen Kündigung angeführten Tatsachen in Frage zu stellen. Aufgrund dieser
besonderen Bemühungen des Bevollmächtigten ist auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Einigungsgebühr gemäß Nr 1000 VV
RVG angefallen. Demgegenüber kommt der anschließenden Übersendung des Vergleichstextes an die Beklagte nur untergeordnete Bedeutung
zu; sie kann nicht etwa der Beibringung neuer im Vorverfahren beschaffter Beweismittel (BSG SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1) gleichgesetzt
werden.
Der Senat folgt in diesem Zusammenhang nicht der Auffassung des LSG, die Bemühungen des Bevollmächtigten vor dem Arbeitsgericht
seien "hauptsächlich" für das Widerspruchsverfahren bedeutsam gewesen. Auszugehen ist vielmehr davon, dass der Bevollmächtigte
des Klägers auch und gerade aus arbeitsrechtlichen Gründen verpflichtet war, die Kündigungsgründe in Frage zu stellen und
auf die Feststellung der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung hinzuwirken. Die Vorlage des Vergleichs im Widerspruchsverfahren
ist deshalb lediglich im Rahmen der Verpflichtung des Rechtsanwalts, das Verfahren gewissenhaft und sorgfältig zu betreiben,
erfolgt und durch die Geschäftsgebühr nach Nr 2500 VV RVG aF (= Nr 2400 VV RVG nF) abgedeckt.
d) Die angefochtenen Kostenfestsetzungsbescheide sind auch im Übrigen zutreffend. Dies gilt für die anerkannten Kosten für
Ablichtungen, die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen und für die Umsatzsteuer (Nr 7000,
7002 und 7008 VV RVG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.