Zulassung eines strukturierten Behandlungsprogramms für die Versorgung von Brustkrebspatientinnen in der gesetzlichen Krankenversicherung;
Geltendmachung eines früheren Zeitpunktes durch die Krankenkasse mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über den Zeitpunkt der Wirksamkeit einer Zulassung eines strukturierten Behandlungsprogramms (Disease-Management-Programm
[DMP]) für die Versorgung von Brustkrebspatientinnen in Bayern (DMP Curaplan Brustkrebs).
Die Anforderungen an die Zulassung strukturierter Behandlungsprogramme nach §
137f Abs
2 SGB V sind seit Inkrafttreten der Vierten Verordnung zur Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (4. RSA-ÄndV) am 1.7.2002
in § 28b bis § 28h Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (RSAV) geregelt (Art 1 Nr 6 der 4. RSA-ÄndV vom 27.6.2002, BGBl I 2286).
Ziffer 1.4.3.6 (operative Therapie der Axilla) der Anlage 3 zur 4. RSA-ÄndV bestimmt: "Die Axilladissektion sollte bei allen
Patientinnen mit einem invasiven operablen Mammakarzinom durchgeführt werden. Aus Level I und II sollten hierbei insgesamt
mindestens 10 Lymphknoten entfernt und untersucht werden. Nur bei klinischem Befall dieser Level sollte auch die Entfernung
von Lymphknoten des Levels III erfolgen. Auf die axilläre Lymphonodektomie kann verzichtet werden bei mikroinvasiven Karzinomen
(≤ 2 mm), bei tubulären Karzinomen, die kleiner als 1 cm sind sowie bei im Gesunden exstirpierten DCIS" (ductale Carcinoma
in situ). Erst die 13. RSA-ÄndV (vom 23.1.2006, BGBl I 228) sieht ab 1.2.2006 die Sentinel-Lymphknoten-Biopsie (Sentinel-LK-Biopsie)
als neue, DMP-konforme Behandlungsmethode vor. Die Sentinel-LK-Biopsie beruht auf der Annahme, dass Sentinel-Lymphknoten (Wächter-Lymphknoten)
besonderen Aufschluss über einen Metastasenbefall geben. Erweisen sich diese Lymphknoten bei einer Untersuchung als gesund,
soll sich eine Entfernung weiterer Lymphknoten erübrigen.
Die klagende AOK vereinbarte das strukturierte sektorenübergreifende Behandlungsprogramm Curaplan Brustkrebs am 1.4.2004 mit
der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (Vertrag zur Durchführung des strukturierten Behandlungsprogramms nach §
137f SGB V Brustkrebs; im Folgenden: der KV-Vertrag) und am 18.6.2004 mit der Bayerischen Krankenhausgesellschaft e.V. (Rahmenvereinbarung
zur Durchführung eines strukturierten Behandlungsprogramms Brustkrebs nach §
137f SGB V iVm §
137g SGB V; im Folgenden: Krankenhaus-Rahmenvertrag). §
1 Abs
1 Krankenhaus-Rahmenvertrag bestimmt, dass der am 1.4.2004 geschlossene KV-Vertrag Bestandteil des Vertrages ist. Er ist als
Anlage 1 dem Krankenhaus-Rahmenvertrag beigefügt. Die Anlage 5 des KV-Vertrages stellt die Versorgungsinhalte dar. Sie entspricht
der Anlage 3 der 4. RSA-ÄndV. Anlage 8 des KV-Vertrages und Anlage 5 des KrankenhausRahmenvertrages regeln die Qualitätssicherung
(QS). Der Abschnitt über die operative Therapie des Mammakarzinoms benennt als QS-Ziel die Sicherstellung einer ausreichenden
Anzahl entfernter Lymphknoten, als QS-Kriterien Entfernung und Untersuchung von mindestens zehn Lymphknoten aus Level I und
II, als QS-Maßnahme ua eine Auswertung durch die Gemeinsame Einrichtung (KV-Vertrag) bzw durch die Krankenkasse (Krankenhaus-Rahmenvereinbarung)
und als QS-Indikatoren: "Möglichst viele Behandlungsfälle mit Entfernung von mindestens 10 LK bei Axilladissektion bei allen
invasiven Karzinomen (außer Patientinnen in Studien zur Sentinel-LK-Biopsie)."
Die Klägerin beantragte bei der beklagten Bundesrepublik (Bundesversicherungsamt [BVA]), das DMP Curaplan Brustkrebs zuzulassen
(Schreiben vom 12.7.2004/Eingang 16.7.2004). Die Vertragspartner des KV-Vertrages vereinbarten ua die Streichung des Klammerzusatzes
(Nachtrag zum KV-Vertrag vom 10.9.2004). Die Vertragspartner beider Verträge vollzogen das DMP bereits vor der Zulassung.
Die Beklagte beanstandete Etliches (Schreiben vom 15.10.2004). Unter anderem sei die Ausnahmeregelung von der Mindestzahl
der zu entnehmenden Lymphknoten im KV-Vertrag nach Maßgabe der Methode der Sentinel-LK-Biopsie rechtswidrig, da sie mit der
Anlage 3 zur 4. RSA-ÄndV nicht übereinstimme. Die Mängel seien zum Teil so wesentlich, dass das DMP Curaplan Brustkrebs derzeit
nicht zulassungsfähig sei und keine rückwirkende Heilung, sondern eine Zulassung frühestens ab dem Zeitpunkt einer künftigen
Nachbesserung in Betracht komme. Die Vertragspartner änderten am 12.4.2005 den Krankenhaus-Rahmenvertrag: Es sollte die Anlage
8 (des in Bezug genommenen KV-Vertrages) in der Version vom 24.1.2005, die keine Ausnahme für Teilnehmerinnen an Sentinel-LK-Biopsie-Studien
enthielt, anstelle der nun ungültigen Anlage 5 idF vom 18.6.2004 gelten, die eine solche Ausnahme vorsah. Auf die Sentinel-LK-Biopsie
wurde ausdrücklich verzichtet. Die Klägerin berief sich ua darauf, sie habe bereits am 10.9.2004 durch eine erste Nachtragsvereinbarung
zum KV-Vertrag die Sentinel-LK-Biopsie aus dessen Anlage 8 gestrichen. Hingegen habe die Beklagte in ihrem Schreiben vom 14.1.2005
nicht darauf hingewiesen, dass auch in der Anlage 5 zum Krankenhaus-Rahmenvertrag die Sentinel-LK-Biopsie zu streichen sei.
Das DMP Curaplan Brustkrebs sei daher rückwirkend ab dem 10.9.2004 zuzulassen. Die Beklagte ließ das DMP Curaplan Brustkrebs
für Bayern ab 12.4.2005 befristet bis zum 11.4.2008 mit der Auflage zu, bis zum 31.10.2006 einen über den 31.3.2007 hinausgehenden
bis zum Ablauf der Zulassung gültigen KV-Vertrag nachzuweisen. Eine Zulassung für die vorangegangene Zeit lehnte die Beklagte
ab (Bescheid vom 29.7.2005).
Das SG hat die Klage, mit der die Klägerin begehrt hat, unter Abänderung des entgegenstehenden Bescheides das DMP Curaplan Brustkrebs
für die Region Bayern zum 12.7.2004 zuzulassen, abgewiesen (Urteil vom 22.2.2008). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen:
Entscheidend sei nach §
137g Abs
1 Satz 7
SGB V, dass die mit den Leistungserbringern geschlossenen Verträge erst ab dem 12.4.2005 in Einklang mit den Anforderungen der
RSAV gestanden hätten (Urteil vom 25.3.2010).
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung des §
137f SGB V und des §
137g Abs
1 Satz 7
SGB V. Sie trägt vor, die Beklagte müsse das DMP Curaplan Brustkrebs bereits zum 12.7.2004 zulassen, da zu diesem Zeitpunkt alle
gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen erfüllt gewesen seien. Der Klammerzusatz, der bis zum 9.9.2004 in der Anlage 8 des
KV-Vertrages und bis zum 11.4.2005 in der Anlage 5 des Krankenhaus-Rahmenvertrages enthalten gewesen sei, stelle keinen zulassungserheblichen
Mangel dar, weil er die anzuwendende Operationsmethode nicht abweichend von Ziffer 1.4.3.6 der Anlage 3 zur 4. RSA-ÄndV regele.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. März 2010 und des Sozialgerichts München vom 22. Februar 2008 aufzuheben
und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 29. Juli 2005 zu verurteilen, das strukturierte Behandlungsprogramm
"AOK Curaplan Brustkrebs" für die Region Bayern ab dem 12. Juli 2004 zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der klagenden AOK ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung gegen das die Klage abweisende
SG-Urteil zurückgewiesen, denn die Klägerin hat gegen die beklagte Bundesrepublik keinen Anspruch auf Zulassung des DMP Curaplan
Brustkrebs vor dem 12.4.2005.
1. Der erkennende Senat ist geschäftsplanmäßig für die Sache zuständig, da es sich um einen Streit der gesetzlichen Krankenversicherung
handelt, für den kein anderer Senat des BSG zuständig ist. Streitbefangen ist der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte,
das DMP Curaplan Brustkrebs für die Region Bayern vor dem 12.4.2005 zuzulassen. Die Sache betrifft lediglich Vorfragen des
Risikostrukturausgleichs.
Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin macht ihren
Anspruch zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage geltend (§
54 Abs
1 SGG). Über den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Zulassung eines DMP hat die Beklagte nämlich durch Verwaltungsakt zu entscheiden
(vgl dazu 2.).
2. Rechtsgrundlage des Begehrens der Klägerin ist §
137g SGB V (hier anzuwenden idF durch Art 204 Nr 1 Achte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 25.11.2003, BGBl I 2304 mWv 28.11.2003). Nach §
137g Abs
1 SGB V hat das BVA auf Antrag einer Krankenkasse (KK) oder eines Verbandes der KKn die Zulassung von Programmen nach §
137f Abs
1 SGB V zu erteilen, wenn die Programme und die zu ihrer Durchführung geschlossenen Verträge die in der Rechtsverordnung nach §
266 Abs
7 SGB V genannten Anforderungen erfüllen. Dabei kann es wissenschaftliche Sachverständige hinzuziehen. Die Zulassung ist zu befristen.
Sie kann mit Auflagen und Bedingungen versehen werden. Die Zulassung ist innerhalb von drei Monaten zu erteilen. Die Frist
nach Satz 5 gilt als gewahrt, wenn die Zulassung aus Gründen, die von der KK zu vertreten sind, nicht innerhalb dieser Frist
erteilt werden kann. Die Zulassung wird mit dem Tage wirksam, an dem die in der Rechtsverordnung nach §
266 Abs
7 SGB V genannten Anforderungen erfüllt und die Verträge nach Satz 1 geschlossen sind, frühestens mit dem Tag der Antragstellung,
nicht jedoch vor dem Inkrafttreten dieser Verordnungsregelungen. Für die Bescheiderteilung sind kostendeckende Gebühren zu
erheben.
§
137g SGB V ist verfassungsgemäß (vgl BVerfGE 113, 167 = SozR 4-2500 §
266 Nr
8). §
137g Abs
1 Satz 1
SGB V gibt den Antragsberechtigten nach dem klaren Wortlaut einen gebundenen Anspruch auf Zulassung von Programmen nach §
137f Abs
1 SGB V durch Bescheid (§
137g Abs
1 Satz 8
SGB V). Die Möglichkeit, wissenschaftliche Sachverständige hinzuziehen (§
137g Abs
1 Satz 2
SGB V), begründet keinen Beurteilungsspielraum des BVA (aA Hess in: Kasseler Komm, Stand April 2011, §
137g SGB V RdNr 2; Wille in: jurisPK-
SGB V, Stand: 26.01.2010, §
137g RdNr 27). Vielmehr sieht diese Regelung eine kostenrelevante Variante der Amtsermittlung vor, ohne die gerichtliche Prüftiefe
zu mindern. Rechtssystematisch handelt es sich um eine Sonderregelung gegenüber dem SGB X, wie sie der Gesetzgeber auch im Rahmen der Bestimmungen unmittelbar zum RSA vorgesehen hat (vgl hierzu BSGE 90, 231, 244 = SozR 4-2500 § 266 Nr 1 RdNr 41).
Das BVA hat bei einer Zulassung eines DMP auch den Tag festzusetzen, mit dem die Zulassung wirksam wird (§
137g Abs
1 Satz 7
SGB V). Das Gesetz gibt die materiellen Kriterien für die Festsetzung vor, ohne eine Verwaltungsentscheidung zu erübrigen. Der
Zeitpunkt der Wirksamkeit der Zulassung des DMP muss für alle Betroffenen zweifelsfrei aufgrund der Zulassungsentscheidung
feststehen, um - zusammen mit der Einschreibung der Versicherten in die DMP - verlässliche Grundlagen zur Bildung besonderer
Versichertengruppen für den Risikostrukturausgleich zu haben (vgl §
266 Abs
4 Satz 2
SGB V aF, §
266 Abs
7 Satz 1 Nr
3 SGB V).
Entgegen der Auffassung der Beklagten kann ein nach §
137g Abs
1 Satz 1
SGB V Antragsbefugter gerichtlich geltend machen, sein DMP sei zu einem früheren Zeitpunkt als vom BVA festgesetzt zuzulassen,
obwohl der Risikostrukturausgleich inzwischen für den betroffenen Zeitraum durchgeführt worden und der Zeitraum der höchstzulässigen
Befristung abgelaufen ist (§
137g Abs
1 Satz 3
SGB V, § 28g Abs 5 RSAV). Andernfalls unterläge die Zulassungsentscheidung über DMP keiner wirksamen gerichtlichen Kontrolle. Zudem kann die
Zulassung eines Programms verlängert werden (§ 28g Abs 5 RSAV). Ergibt sich im Gerichtsverfahren, dass ein früherer Zulassungszeitpunkt
festzusetzen ist, und sind bereits zu diesem früheren Zeitpunkt auch Versicherte in das Programm eingeschrieben gewesen, hat
das BVA dies bei der nächsten Ermittlung der Höhe der Zuweisungen zu berücksichtigen (vgl §
266 Abs
6 Satz 7
SGB V und hierzu BSGE 90, 231, 258 = SozR 4-2500 §
266 Nr 1 RdNr 87 f).
3. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs der Klägerin darauf, dass die Beklagte einen Wirksamkeitszeitpunkt
vor dem 12.4.2005 für das DMP Curaplan Brustkrebs für die Region Bayern festsetzt, sind nicht erfüllt. Eine KK kann die Festsetzung
der Wirksamkeit eines DMP zu einem früheren Zeitpunkt als vom BVA entschieden nur dann beanspruchen, wenn bereits zu einem
vor dem vom BVA festgesetzten Wirksamkeitstermin des DMP die Zulassungsvoraussetzungen nach §
137g Abs
1 Satz 1
SGB V unter Beachtung der Anforderungen des §
137g Abs
1 Satz 7
SGB V, mithin kumulativ folgende sieben Voraussetzungen erfüllt gewesen sind: (1.) Ein zulässiger Antrag muss gestellt worden sein.
(2.) Der Antrag muss sich auf ein Programm nach §
137f Abs
1 SGB V (DMP) beziehen. (3.) Das im Antrag bezeichnete DMP muss die in der RSAV (Rechtsverordnung nach §
266 Abs
7 SGB V) genannten Anforderungen erfüllt haben. (4.) Das bezeichnete DMP muss verdeutlichen, welche Verträge zu seiner Durchführung
abzuschließen sind. (5.) Die zur Durchführung des bezeichneten Programms erforderlichen Verträge müssen geschlossen worden
sein. (6.) Diese geschlossenen Verträge müssen die in der RSAV genannten Anforderungen erfüllt haben. (7.) Die RSAV muss in
Kraft getreten sein.
An den unter (6.) genannten Voraussetzungen fehlt es. Die zunächst zur Durchführung des DMP Curaplan Brustkrebs geschlossenen
Verträge erfüllten nicht vollständig die in der RSAV genannten Anforderungen (dazu a). Die späteren Verträge zur Durchführung
des DMP Curaplan Brustkrebs sind erst am 12.4.2005 geschlossen worden (dazu b).
a) Der am 18.6.2004 geschlossene Krankenhaus-Rahmenvertrag zur Durchführung des DMP Curaplan Brustkrebs widersprach jedenfalls
insoweit den Anforderungen der RSAV, als er in seiner Anlage 5 (Qualitätssicherung) unter QS-Indikatoren den Absatz enthielt:
"Möglichst viele Behandlungsfälle mit Entfernung von mindestens 10 LK bei Axilladissektion bei allen invasiven Karzinomen
(außer Patientinnen in Studien zur Sentinel-LK-Biopsie)." Denn Ziffer 1.4.3.6 (operative Therapie der Axilla) der Anlage 3
der 4. RSA-ÄndV enthält keine entsprechende Ausnahme. Sie fordert vielmehr die Entfernung von mindestens zehn Lymphknoten
der Level I und II bei Axilladissektion, ohne eine Ausnahme für Patientinnen in Studien zur Sentinel-LK-Biopsie zu machen.
§ 28b Abs 1 Satz 2 RSAV sieht in allen seit 2004 geltenden Fassungen ua ausdrücklich vor, dass für die Zulassung eines Programms
jeweils die Vorgaben in Ziffer 1 der Anlage 3 zur RSAV zu beachten sind.
Entgegen der Auffassung der Klägerin genügt es nicht, dass etwa Anlage 8 des KV-Vertrages von Anfang an in den Krankenhaus-Rahmenvertrag
einbezogen war und (erst ab 10.9.2004) den Anforderungen der RSAV entsprach. Soweit infolgedessen ab dem 10.9.2004 bis 11.4.2005
die Bewertung der Sentinel-LK-Biopsie im Krankenhaus-Rahmenvertrag an zwei Stellen (in der Anlage 5 einerseits und in der
in Bezug genommenen Anlage 8 des KV-Vertrags andererseits) unterschiedlich geregelt war, erfüllt dies auch ab 10.9.2004 nicht
die RSAV-Vorgaben. Auch die Anforderungen an die Qualitätssicherung in Anlage 5 des Krankenhaus-Rahmenvertrages müssen vielmehr
die Anforderungen der RSAV beachten.
Ebenso wenig kann sich die Klägerin mit Erfolg auf § 28b Abs 1 Satz 3 RSAV berufen. Die Norm regelt, dass, soweit die Vorgaben
des § 28b Abs 1 Satz 2 RSAV Inhalte der ärztlichen Therapie betreffen, diese Vorgaben den zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrags
im Einzelfall erforderlichen ärztlichen Behandlungsspielraum nicht einschränken. Mit der Ausnahme für "Patientinnen in Studien
zur Sentinel-LK-Biopsie" wird indes keine Fallgruppe umschrieben, bei welcher der zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrags
im Einzelfall erforderliche ärztliche Behandlungsspielraum betroffen wäre. So läge es nur, wenn der betroffene Personenkreis
aus anerkannten medizinischen Gründen von den Maßstäben der RSAV dispensiert werden müsste, um ordnungsgemäß ärztlich behandelt
werden zu können. Die Teilnehmerinnen an einer Studie über eine ärztliche Behandlungsmethode sind indes zu Studienzwecken,
nicht aber zur Ermöglichung der im Einzelfall erforderlichen ordnungsgemäßen Behandlung zusammengefasst.
b) Erst die am 12.4.2005 beschlossenen Änderungen des Krankenhaus-Rahmenvertrages zur Durchführung des DMP Curaplan Brustkrebs
beseitigten den aufgezeigten Mangel. §
137g Abs
1 Satz 1
SGB V setzt ausdrücklich geschlossene Verträge voraus (vgl näher BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 21/10 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Nachteile für die KKn erwachsen daraus nicht. Sie haben nämlich die Möglichkeit, sich
die Übereinstimmung ihres Programms mit den in der RSAV geregelten Anforderungen vorab vom BVA bestätigen zu lassen, bevor
sie auf dieser Grundlage in die Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern eintreten (vgl BT-Drucks 14/7395 S 6).
4. Die Klägerin kann sich auch weder erfolgreich auf eine Fiktion der Zulassung noch darauf berufen, zu ihren Gunsten hätte
die Beklagte eine Zulassung mit einer Nebenbestimmung oder eine teilweise Zulassung zu einem früheren Zeitpunkt erteilen müssen.
a) Überschreitungen der Frist von drei Monaten, binnen derer das BVA über einen Antrag auf Zulassung eines DMP zu entscheiden
hat (§
137g Abs
1 Satz 5
SGB V), führen nicht zu einer Zulassungsfiktion. Fiktive Zulassungen sieht das Gesetz ausdrücklich vor, wenn sie gewollt sind.
Das belegt etwa §
135 Abs
1 Satz 5
SGB V. Danach darf eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode in der vertragsärztlichen oder vertragszahnärztlichen Versorgung
zu Lasten der KK erbracht werden, obwohl der Gemeinsame Bundesausschuss keine Empfehlung ausgesprochen hat, wenn innerhalb
der Frist des §
135 Abs
1 Satz 4
SGB V kein Beschluss zustande kommt. Schuldhafte Fristversäumnisse können - außerhalb solch ausdrücklich angeordneter Fiktionen
- allenfalls Amtshaftungsansprüche auf Schadensersatz in Geld begründen.
b) Aus der Möglichkeit, die Zulassung mit Auflagen und Bedingungen zu versehen (§
137g Abs
1 Satz 4
SGB V), ist ebenfalls nichts zugunsten der Klägerin abzuleiten. Die in Betracht kommende aufschiebende Bedingung, dass die geschlossenen
Verträge (aufgrund genau bezeichneter Änderungen) den Anforderungen der RSAV genügen, hat eine Steuerungswirkung nur für die
Zukunft, hilft aber nicht für die Vergangenheit, um die es vorliegend allein geht. Eine Zulassung unter der Auflage, die geschlossenen
Verträge den Anforderungen der RSAV innerhalb einer bestimmten Frist anzupassen, widerspräche den dargelegten Anforderungen
des §
137g Abs
1 Satz 1
SGB V. Anpassungsfristen sieht die RSAV lediglich vor, wenn die geschlossenen Verträge an geänderte Bedingungen der RSAV anzupassen
sind.
c) Auch eine teilweise Zulassung des DMP Curaplan Brustkrebs zu einem früheren Zeitpunkt ist nicht möglich. Zulassungen nach
§
137g Abs
1 Satz 1
SGB V sind Dauerverwaltungsakte, die in zeitlicher Hinsicht teilbar sind; sie sind zu befristen (§
137g Abs
1 Satz 3
SGB V). Dagegen ist es rechtlich nicht möglich, eine sachliche Teilzulassung eines DMP mit Blick auf geschlossene Vertragsteile
auszusprechen. Das
SGG gibt selbst nicht vor, wann und unter welchen Voraussetzungen die Regelungen eines Verwaltungsaktes teilbar und damit der
teilweisen Bestandskraft zugänglich sind. Vielmehr knüpft es an die nach materiell-rechtlichen Vorschriften zu beurteilende
Teilbarkeit an (vgl §
54 Abs
1 Satz 1 iVm §
131 Abs
1 Satz 1
SGG und BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 1 KR 10/10 R - SozR 4-2500 § 35 Nr 4 RdNr 17, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen; BSGE 59, 137, 143 = SozR 2200 § 368a Nr 13 S 43; BVerwG Beschluss vom 2.1.1997 - 8 B 240/96; BVerwG Beschluss vom 30.7.2010 - 8 B 125/09; BFH Beschluss vom 24.3.2009 - III B 120/07; Hauck in: Zeihe,
SGG, Stand 1.11.2010, §
131 Anm 3 mwN). Der für das materielle Recht maßgebliche §
137g Abs
1 Satz 1
SGB V setzt für die DMP-Zulassung indes ua voraus, dass die zur Durchführung von Programmen nach §
137f Abs
1 SGB V geschlossenen Verträge insgesamt die in der RSAV genannten Anforderungen erfüllen. Das ergibt sich nicht nur aus Wortlaut
und Entstehungsgeschichte (vgl dazu bereits oben, II. 3. b), sondern auch aus dem Regelungszweck. Die Zulassung unter den
genannten Voraussetzungen sichert, dass die für den RSA gebildeten Versichertengruppen klar und einfach zu ermitteln sind.
Komplizierte Auslegungen der geschlossenen Verträge, wann und unter welchen Voraussetzungen Vertragsteile noch oder nicht
mehr den Anforderungen in der RSAV entsprechen, lassen sich hiermit nicht vereinbaren.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus §
197a Abs
1 Satz 1 Halbs 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO, diejenige über den Streitwert aus §
197a Abs
1 Satz 1 Halbs 1
SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 sowie § 47 Abs 1 GKG.