Pflegeversicherung
Grundsatzrüge
Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage
Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
Genügen der Darlegungspflicht
Gründe:
I
Das LSG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 14.12.2016 das Urteil des SG Berlin vom 29.11.2013 insoweit bestätigt, als dieses
die Klägerin, die einen ambulanten Pflegedienst betreibt, zur Rückzahlung von Vergütungen in Höhe von 103 369,50 Euro an die
Beklagte verurteilte. Daneben hat es auf die Anschlussberufung der Beklagten das Urteil insoweit geändert, als es die Klägerin
darüber hinaus zu weiteren Zahlungen nebst Zinsen verurteilte.
Die Klägerin hat die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG ausdrücklich auf Rückforderungen in
Höhe von 99 351 Euro für die Leistungserbringung zugunsten des Versicherten Y. im Zeitraum von März bis August 2009 beschränkt.
Diesbezüglich wird in der Begründung der Berufungsentscheidung ausgeführt, der Klägerin habe insoweit kein Vergütungsanspruch
zugestanden, weil die Leistungen unter Verletzung zentraler vertraglicher Bestimmungen, die der Qualitätssicherung dienten,
erbracht worden seien. Bei der Pflege des Versicherten Y. von März bis August 2009 habe sich die Klägerin unter Verstoß gegen
§ 17 Abs 2 des mit der Beklagten geschlossenen Vertrages eines Dritten bedient, nämlich des Pflegedienstes K.. Die Klägerin
habe zur Weitergabe des Pflegeauftrages mit diesem Pflegedienst einen Kooperationsvertrag vereinbart und sich darin verpflichtet,
die von der Beklagten erhaltene Vergütung vollständig an den Pflegedienst K. weiterzureichen. In der Folgezeit seien ausschließlich
Mitarbeiter dieses Pflegedienstes tätig geworden. Überdies hätten die Pflegekräfte teilweise nicht die erforderliche Qualifikation
aufgewiesen. Es handele sich dabei nicht um Verstöße gegen bloße Ordnungsvorschriften. Die Klägerin habe sich vielmehr außerhalb
des Leistungssystems gestellt und eine besonders schwere Vertragsverletzung begangen. Denn Zweck der vertraglichen Regelung
sei, dass die Krankenkasse stets die Kontrolle darüber habe, von welchem Unternehmen ihre Versicherten Behandlungspflege erhielten.
Nach der Rechtsprechung des BSG stehe der Klägerin daher für die Leistungen keinerlei Vergütung zu. Dem Erstattungsanspruch stehe auch nicht die Fristenregelung
nach § 14 Abs 12 des Vertrages entgegen, weil es sich nicht um eine Rechnungsbeanstandung im Sinne dieser Regelung handele.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, soweit es um die Rückforderung in Höhe von 99 351 Euro
für die Leistungserbringung zugunsten des Versicherten Y. im Zeitraum von März bis August 2009 geht. Insoweit macht sie die
grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
II
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie den geltend gemachten Zulassungsgrund der Revision nicht formgerecht
dargetan hat (vgl §
160a Abs
2 S 3
SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 2 und 3
SGG).
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung
des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren
Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese
noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts
erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Entscheidung des LSG beruhe auf der Rechtsfrage,
"ob Vergütung für durch Pflegefachkräfte erbrachte Leistungen der Behandlungspflege von einer Krankenkasse zurückgefordert
werden kann, wenn die ausführenden Pflegefachkräfte nicht bei dem abrechnenden Leistungserbringer, sondern bei einem anderen
Pflegedienst angestellt sind. Anders formuliert ist fraglich, ob Leistungen der Behandlungspflege, die durch Pflegefachkräfte
erbracht worden sind, die nicht beim abrechnenden Leistungserbringer angestellt sind, abrechenbar sind."
Wie die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung im Folgenden ausführt, bezieht sich das Berufungsgericht zur Begründung des
Rückforderungsanspruchs auf einen Verstoß gegen das Vermittlungsverbot aus § 17 Abs 2 des Vertrages, der nach den unangefochtenen
Feststellungen im Sachverhalt des Berufungsurteils zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossen wurde. Soweit es sich
danach um einen Einzelvertrag handelt, sind Darlegungen zur Revisibilität der Auslegung und Anwendung solcher einzelvertraglicher
Regelungen grundsätzlich unverzichtbar. Denn nach §
162 SGG kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts
oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk
des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Der Beschwerdebegründung kann aber nicht entnommen werden, welche bundesrechtliche
oder sonstige revisible Rechtsnorm durch das Urteil verletzt sein könnte. Schon aus diesem Grund entspricht sie nicht den
gesetzlichen Anforderungen.
Die Klägerin bezieht sich zur Begründung ihrer Beschwerde im Wesentlichen darauf, der vertraglichen Regelung des Vermittlungsverbots
nach § 17 Abs 2 des Vertrages komme eine reine Ordnungsfunktion zu, weshalb ein Verstoß dagegen nicht ohne Weiteres die Erstattung
der Vergütung rechtfertige. Die Abgrenzung zwischen Vorschriften mit reiner Ordnungsfunktion und solchen mit bestimmten formalen
und inhaltlichen Voraussetzungen sei höchstrichterlich nicht hinreichend geklärt.
Das Berufungsgericht bezieht sich hierzu jedoch auf verschiedene Entscheidungen des BSG (BSG Urteil vom 17.3.2005 - B 3 KR 2/05 R - BSGE 94, 213 = SozR 4-5570 § 30 Nr 1 sowie Urteil vom 20.4.2016 - B 3 KR 23/15 R - SozR 4-2500 § 124 Nr 4, jeweils mwN) und führt dazu aus, § 17 Abs 2 des Vertrages diene den berechtigten Kontroll- und
Qualitätsprüfungsinteressen der Krankenkasse. Die Steuerungsfunktion bestimmter formaler und inhaltlicher Voraussetzungen
der Leistungserbringung könne nicht durchgesetzt werden, wenn auch rechtswidrig bewirkte Leistungen zu vergüten seien.
Vor diesem Hintergrund kann die einfache Behauptung, § 17 Abs 2 des Vertrages komme eine reine Ordnungsfunktion zu und die
Abgrenzung zu Vorschriften mit bestimmten formalen und inhaltlichen Voraussetzungen sei höchstrichterlich nicht hinreichend
geklärt, den Darlegungserfordernissen nicht gerecht werden. Hierzu wäre vielmehr eine Auseinandersetzung mit der Begründung
des LSG und der bisherigen Rechtsprechung des BSG erforderlich. Letzteres hat bereits in der genannten Entscheidung vom 17.3.2005 (B 3 KR 2/05 R - BSGE 94, 213 = SozR 4-5570 § 30 Nr 1) ausgeführt, dass der Anspruch auf die Leistungsvergütung grundsätzlich nur bei Erfüllung aller formalen
und inhaltlichen Voraussetzungen der Leistungserbringung gegeben ist und eine Ausnahme hiervon (nur) angenommen worden ist,
als lediglich die Art und Höhe der Abrechnung der Leistung, dh die abrechnungsrechtliche Einstufung der Leistung bei Fehlen
einer dazu erforderlichen Mitteilung, nicht aber die grundsätzliche Berechtigung zur Abrechnung streitig gewesen ist. Der
Beschwerdebegründung kann ein weiterer Klärungsbedarf in Bezug auf den vorliegenden Sachverhalt daher nicht entnommen werden.
Schließlich wird auch die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage nicht hinreichend dargelegt, an der es fehlt, wenn eine
klärungsbedürftige Rechtsfrage im konkreten Rechtsstreit nicht notwendigerweise beantwortet werden muss, weil die Entscheidung
der Vorinstanz mit anderer rechtlicher Begründung bestätigt werden kann (vgl BSG SozR 4-1500 §
160a Nr 5; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
160 RdNr 9g mwN). Wie die Beklagte in ihrer Beschwerdeerwiderung zutreffend ausführt, ist die Frage, ob § 17 Abs 2 des Vertrages
eine bloße Ordnungsfunktion zukommt, dann nicht notwendigerweise im Revisionsverfahren zu beantworten, wenn sich der Erstattungsanspruch
der Beklagten auch aus Verstößen gegen andere vertragliche oder gesetzliche Regelungen ergibt.
Unter diesem Gesichtspunkt waren Ausführungen zur Erfüllung der vertraglichen Regelungen nach § 10 Abs 7 und Abs 12 des Vertrages
unverzichtbar, weil sich nach dem vorliegenden Sachverhalt Zweifel hieran geradezu aufdrängen mussten. In der Berufungsentscheidung
wird ausgeführt, dass die leistungserbringenden Pflegekräfte des Unternehmens K. teilweise nicht die erforderliche Qualifikation
aufgewiesen hätten (vgl hierzu § 10 Abs 7 des Vertrages), und nach § 10 Abs 12 des Vertrages ist die Leistungserbringung durch
Personen, die nicht der Weisungsbefugnis und fachlichen Verantwortung der Pflegedienstleitung unterliegen und nicht im jeweiligen
Pflegedienst umfassend integriert sind, unzulässig. Obwohl die Klägerin in der Beschwerdebegründung selbst auf diese Vorschriften
hinweist und sie als solche qualifiziert, die bestimmte formale oder inhaltliche Voraussetzungen aufstellen, fehlen jegliche
Ausführungen dazu, aus welchen Gründen der Rückforderungsanspruch der Beklagten nicht mit einem Verstoß gegen diese Vorschriften
begründet werden könnte. Dann wäre die aufgeworfene Rechtsfrage im Revisionsverfahren nicht notwendigerweise zu beantworten.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197a Abs
1 S 1
SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG und berücksichtigt, dass die Nichtzulassungsbeschwerde auf die Rückforderung in Höhe von 99 351 Euro begrenzt ist.