Krankenversicherung
Leistungen der häuslichen Krankenpflege
Grundsatzrüge
Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage
Genügen der Darlegungspflicht
Gründe:
I
Das LSG Niedersachsen-Bremen hat mit Urteil vom 27.10.2016 die auf drei Feststellungsanträge gerichtete Berufung der Klägerin
gegen das Urteil des SG zurückgewiesen.
Das SG hat die beklagte Krankenkasse rechtskräftig zur Zahlung weiterer Vergütung nebst Zinsen und Rechtsanwaltskosten an die Klägerin,
die einen ambulanten Pflegedienst betreibt, verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Im Streit standen Vergütungsansprüche
der Klägerin für erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege für eine ärztlich verordnete "intensivierte Insulintherapie"
zugunsten der verstorbenen Versicherten S. . Die Beklagte hatte Teilbeträge der Vergütung zurückbehalten, bis die Klägerin
Unterlagen (Blutzuckermessprotokolle) an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung übersandte, um die ärztlichen Verordnungen
zu überprüfen. Nach rechtskräftiger Stattgabe ihrer Zahlungsklage hat die Klägerin ihr Klagebegehren im Berufungsverfahren
mit drei Feststellungsanträgen weiterverfolgt, die sich auf die Genehmigungspraxis der Beklagten bei verordneter intensivierter
Insulintherapie bezogen.
Das LSG hat die Feststellungsanträge als unzulässig beurteilt, weil sie nicht der Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses
dienten. Es handele sich um die Feststellung einzelner Verfahrensregelungen im Vorfeld eines künftigen Zahlungsanspruchs.
Hierfür fehle der Klägerin das notwendige Fortsetzungsfeststellungsinteresse (§
131 Abs
1 S 3
SGG). Die von der Klägerin begehrten Feststellungen seien Teilaspekte im Sinne einer Elementenfeststellung für die Zahlungsklage.
Dies könne kein ausreichendes Feststellungsinteresse begründen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Sie beschränkt ihren Beschwerdeantrag
auf die Feststellung, dass die von der Beklagten genehmigte Vergabe von Insulininjektionen ohne Blutzuckermessung durch die
Klägerin bei verordneter intensivierter Insulintherapie rechtswidrig sei und die Beklagte durch diese Genehmigungsentscheidung
vertragliche Pflichten gegenüber der Klägerin verletze (Nr 2 der Anträge im Berufungsverfahren). Die Klägerin beruft sich
auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf eine Rechtsprechungsabweichung (§
160 Abs
2 Nr
1 und
2 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen
Bedeutung und der Divergenz nicht formgerecht dargetan hat (§
160a Abs
2 S 3
SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 2 und 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung
des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren
revisiblen Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen,
dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung
des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin hält für grundsätzlich bedeutsam:
1. "Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Pflegedienste die Reichweite und den Umfang der aus der Vereinbarung nach
§
132a SGB V resultierenden vertraglichen Pflichten einer Krankenkasse im Wege der Feststellungsklage auch außerhalb einer konkreten Vergütungsstreitigkeit
einer gerichtlichen Klärung zuführen können."
2. "Auch die Frage, ob eine Krankenkasse bei einer Verordnung intensivierter Insulintherapie (Messung des Blutzuckerspiegels
und daran anschließende Verabreichung einer sich nach dem Messergebnis richtenden Insulinmenge) bei bloßer Genehmigung der
Insulininjektion ohne Blutzuckermessung dem Pflegedienst aus der Vereinbarung nach §
132a Abs
2 SGB V zustehende vertragliche Pflichten verletzt."
Es ist bereits fraglich, ob die Klägerin damit Rechtsfragen zur Auslegung und zum Anwendungsbereich einer bundesrechtlichen
Norm (§
162 SGG) gestellt hat. Insbesondere lässt sich die Frage zu 2. nur beantworten, wenn die Klägerin den Inhalt der vertraglichen Vereinbarung
nach §
132a SGB V in der Beschwerdebegründung näher dargelegt hätte.
Doch selbst wenn Rechtsfragen gestellt wären, fehlte es der Frage zu 1. an der Darlegung ihrer Klärungsbedürftigkeit. Die
Klägerin weist selbst auf die Rechtsprechung des BSG hin, durch die geklärt sei, "dass §
55 Abs
1 Nr
1 SGG auch die Feststellung einzelner Beziehungen oder Berechtigungen aus dem Rechtsverhältnis erfasst" (Hinweis auf BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 10/08 R - Juris, Beschwerdebegründung S 3). Daneben verweist sie auf das Urteil des BSG vom 10.7.1996 (3 RK 29/95 - SozR 3-2500 § 125 Nr 6, Juris RdNr 18), "dass die Vertragsparteien eines Leistungserbringervertrages berechtigt sind, im Rahmen einer Feststellungsklage
nach §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG einzelne auf dem Vertragsverhältnis basierende Rechte und Pflichten klären zu lassen. Dabei wurde ausdrücklich darauf verwiesen,
dass diese gerade nicht auf eine Klärung im Wege der Leistungsklage im Hinblick auf die im Einzelfall erbrachten Leistungen
im Rahmen konkreter Abrechnungsverhältnisse verwiesen werden dürfen. Ein solcher Verweis habe zur Folge, dass der Leistungserbringer
bis zur rechtskräftigen Entscheidung aller anhängig gemachten Prozesse gezwungen sei, jeweils in Vorleistung zu treten und
das Ausfallrisiko hierfür zu tragen, was diesen unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht zugemutet werden könne, seien über
das Feststellungsbegehren die im Streit befindliche Frage im Ganzen und vorab geklärt werden könne" (Beschwerdebegründung
S 6). Wenn die Klägerin zugleich vorträgt, dass die geschilderte Konstellation ihrem Fall entspreche, so hat sie selbst dargelegt,
dass das BSG die Rechtsfrage bereits geklärt habe. Es fehlt aber an Darlegungen, dass und aus welchen Gründen sich insoweit neuer Klärungsbedarf
im angestrebten Revisionsverfahren ergeben könnte. Eine - damit nur geltend gemachte - unrichtige zweitinstanzliche Rechtsanwendung
(hier auf der Basis der Rechtsprechung des BSG) stellt demgegenüber keinen Revisionszulassungsgrund dar (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Im Hinblick auf die Frage zu 2. fehlt es bereits an ausreichenden Darlegungen zur Entscheidungserheblichkeit. Denn die Klägerin
führt aus, dass "das Sozialgericht und das Landessozialgericht sich zu dieser Frage nicht - im Übrigen auch nicht im Rahmen
der Entscheidung über die Zahlungsklage - geäußert" haben (Beschwerdebegründung S 5). Unklar bleibt daher, aus welchem Grund
das Revisionsgericht über die aufgeworfene Frage überhaupt tragend entscheiden sollte. Es genügt nicht, dass die Klägerin
behauptet, die Beantwortung der Frage würde unmittelbar zur Begründetheit des Feststellungsantrags führen. Im Übrigen ist
nicht zu übersehen, dass das SG im rechtskräftigen Urteil über die Zahlungsklage ausgeführt hat, dass seiner Ansicht nach eine vorherige Blutzuckermessung
im Fall der intensivierten Insulintherapie bei der Versicherten S. medizinisch erforderlich gewesen sei und dass der Vergütungsanspruch
nach der vertraglichen Vereinbarung nicht von der Genehmigungsentscheidung der Beklagten abhängig gewesen sei (SG-Urteil S 8). Welches berechtigte Interesse die Klägerin darüber hinaus an der Klärung der aufgeworfenen Frage und der begehrten
Feststellung (s Berufungsantrag zu 2.) hat, erhellt sich nicht. Sie hat weder substantiiert vorgetragen, dass sich weitere
konkrete Rechtsstreitigkeiten mit der Beklagten im Hinblick auf die Leistungserbringung für Versicherte zu dieser Problematik
wiederholen könnten oder dass sie solche bereits führt. Ebenso fehlt es an Vortag zu einem möglichen Schadensersatzinteresse.
Es reicht hingegen nicht aus, wenn die Klägerin darauf hinweist, dass sie "viele Versicherte" der Beklagten wegen verordneter
intensivierter Insulintherapie behandeln müsse.
2. Die Klägerin hat auch keine Rechtsprechungsabweichung formgerecht aufgezeigt.
Die Klägerin ist der Meinung, dass eine Divergenz vorliege, weil das LSG den Rechtssatz aufgestellt habe,
"dass im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse, eine generelle Klärung der
bestehenden Rechte und Pflichten nur inzident im Einzelfall möglich ist, um eine Zahlung zu erreichen und in allen anderen
Fällen eine isolierte Elementfeststellung vorliege, die kein Feststellungsinteresse begründen könne".
Damit weiche das Urteil des LSG von dem Urteil des BSG vom 10.7.1996 (3 RK 29/95 - SozR 3-2500 § 125 Nr 6, Juris RdNr 18) ab, das ausgeführt habe, dass die Vertragsparteien eines Leistungserbringervertrags berechtigt seien,
im Rahmen einer Feststellungsklage nach §
55 Abs
1 Nr
1 SGG einzelne auf dem Vertragsverhältnis basierende Rechte und Pflichten klären zu lassen.
Vorliegend ist bereits nicht dargetan, dass es auf die behauptete Divergenz im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich
ankommen könnte. Denn selbst wenn die behauptete Rechtsprechungsabweichung vorläge, ist nicht nachvollziehbar, aus welchem
Grund das Revisionsgericht zur Feststellung veranlasst sein könnte, "dass die von der Beklagten genehmigte Vergabe von Insulininjektionen
ohne Blutzuckermessung durch die Klägerin bei verordneter intensivierter Insulintherapie rechtswidrig ist und die Beklagte
durch die Genehmigungsentscheidung vertragliche Pflichten gegenüber der Klägerin verletzt" (S 7 der Beschwerdebegründung).
Denn wie bereits ausgeführt (unter 1. zu Frage 2.), hat das SG die medizinische Notwendigkeit von Blutzuckermessungen bei der Versicherten S. bejaht und den Vergütungsanspruch nach der
vertraglichen Vereinbarung unabhängig von der Genehmigung der Beklagten beurteilt. Ein weitergehendes entscheidungserhebliches
Interesse an einer gerichtlichen Feststellung hat die Klägerin nicht hinreichend geltend gemacht.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm §
63 Abs
2 S 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG.