Gewährung von Berufsschadensausgleich
Substantiierung einer Divergenz
Widerspruch in Rechtssätzen
Zulässiger Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde
1. Eine Abweichung (Divergenz) im Sinne des §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG ist nur dann ausreichend dargetan, wenn in der Beschwerdebegründung schlüssig erklärt wird, in welchem genau bestimmten entscheidungserheblichen
Rechtssatz das angegriffene Urteil des LSG von welcher genau bestimmten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht.
2. Dazu genügt es nicht darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entspricht, die etwa das BSG aufgestellt hat, sondern es ist aufzuzeigen, inwiefern das LSG diesen Kriterien ausdrücklich widersprochen, also andere rechtliche
Maßstäbe entwickelt hat.
3. Zudem ist anzugeben, inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruhen kann.
4. Es stellt keinen zulässigen Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde dar, ob das LSG richtig entschieden hat.
Gründe:
Die 1949 geborene Klägerin wurde am 28.2.1950 in der ehemaligen DDR in ein Mütter- und Säuglingsheim eingewiesen, in dem sie
sich bis zum 31.5.1953 befand. Im Zusammenhang mit der Inhaftierung ihres Vaters wegen Spionage war sie ständigen Überwachungen,
Bespitzelungen und Benachteiligungen ausgesetzt. Aufgrund dieses begangenen Unrechts erhält die Klägerin Beschädigtenversorgung
wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie Angst und Depression nach einem Grad der Schädigung (GdS) von 60 nach
dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz. Einen - hier streitigen - zusätzlichen Anspruch der Klägerin auf Gewährung
von Berufsschadensausgleich hat der beklagte Freistaat abgelehnt (Bescheid vom 6.2.2008, Widerspruchsbescheid vom 30.12.2008).
Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (SG-Urteil vom 11.12.2012; LSG-Urteil vom 4.9.2014). Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Klägerin
beim BSG Beschwerde eingelegt, die sie mit dem Vorliegen einer Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) sowie von Verfahrensmängeln (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) begründet.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Keiner
der in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden (§
160a Abs
2 S 3
SGG).
Eine Abweichung (Divergenz) im Sinne des §
160 Abs
2 Nr
2 SGG ist nur dann ausreichend dargetan, wenn in der Beschwerdebegründung schlüssig erklärt wird, in welchem genau bestimmten entscheidungserheblichen
Rechtssatz das angegriffene Urteil des LSG von welcher genau bestimmten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 21, 29, 54). Dazu genügt es nicht darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entspricht, die etwa das BSG aufgestellt hat, sondern es ist aufzuzeigen, inwiefern das LSG diesen Kriterien ausdrücklich widersprochen, also andere rechtliche
Maßstäbe entwickelt hat (vgl dazu BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 67; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26). Zudem ist anzugeben, inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruhen kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54, 67).
Diesen Anforderungen hat die Klägerin nicht hinreichend Rechnung getragen. Sie behauptet zwar sinngemäß eine Abweichung des
LSG in seiner angefochtenen Entscheidung von dem Urteil des BSG vom 17.4.2013 (B 9 V 1/12 R), unterlässt es jedoch, aus dem vorliegenden Urteil des Thüringer LSG vom 4.9.2014 (L 5 VU 389/13) einen konkreten abstrakten Rechtssatz herauszuarbeiten, der einer konkret zu benennenden oberstgerichtlichen Rechtsprechung
entgegenstehen könnte. Der dem Urteil des LSG auf Seite 8 unten/9 oben herausgearbeitete Satz: "Dies gilt insbesondere auch
im Hinblick auf die Belastungen, die durch die Vorgänge um das Anwesen ..... einschließlich der Zwangsräumung hervorgerufen
wurden und die die Klägerin als Fortsetzung des DDR-Unrechts betrachtet", stellt in diesem Sinne keinen Rechtssatz dar, sondern
eine aus dem Zusammenhang gerissene Bewertung des Sachverhalts. Tatsächlich kritisiert die Klägerin mit ihrer Divergenzrüge
eine unrichtige Kausalitätsbeurteilung durch das LSG, womit sie allerdings eine Divergenz der angefochtenen Entscheidung des
LSG nicht dargelegt hat. Es stellt keinen zulässigen Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde dar, ob das LSG richtig entschieden
hat (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie von der Klägerin - darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem
die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan
werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller
Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 §
160a Nr 14, 36). Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§
109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs
1 S 1
SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG
ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diesen Kriterien hat die Klägerin nicht hinreichend Rechnung getragen.
Eine insoweit von der Klägerin gerügte Verletzung der Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§
103 SGG) ist nicht schlüssig dargelegt. Es fehlt bereits an der Bezeichnung eines berücksichtigungsfähigen Beweisantrags. Die Klägerin
hätte darlegen müssen, welchem konkreten Beweisantrag im Sinne der
ZPO das LSG nicht gefolgt sein soll. Dabei hätte sie diesen Beweisantrag so genau bezeichnen müssen, dass er für das Revisionsgericht
ohne Weiteres auffindbar ist (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5; Becker, SGb 2007, 328, 331). Dies hat sie versäumt, denn sie hat nicht einmal behauptet, einen berücksichtigungsfähigen Beweisantrag gestellt und
bis zuletzt aufrechterhalten zu haben (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11).
Vielmehr kritisiert die Klägerin im Wesentlichen die vermeintliche Nichtverwertung eines Gutachtens gemäß §
109 SGG von Prof. Dr. K. vom 3.4.2012 in einem parallelen Rechtsstreit vor dem SG Gotha in dessen Urteil vom 11.12.2012 (S 36 VU 457/06). Damit kritisiert die Klägerin aber keinen Verfahrensmangel des hier angefochtenen Urteils des LSG. Die Entscheidung des
SG Gotha vom 11.12.2012 (S 36 VU 457/06) ist nicht Teil des vorliegenden Rechtsstreits, sodass es auch hierzu Ausführungen bedurft hätte, weshalb der vermeintliche
Verfahrensmangel im hier zu bewertenden Verfahren beachtlich sein soll. Damit geht auch die Rüge gegenüber dem SG in dem Parallelverfahren fehl, dieses habe das Gutachten des Prof. Dr. K. zu Unrecht nicht verwertet und die Beauftragung
eines anderen Gutachters abgelehnt. Es wird nicht ersichtlich, weshalb in dem Vorgehen des SG Gotha im parallelen Rechtsstreit
im hiesigen Verfahren ein Verstoß gegen §
407a Abs
2 S 1
ZPO zu sehen sein könnte. Für das hiesige Verfahren hätte es insgesamt der Darlegung bedurft, welche konkreten Tatsachen im vorliegenden
Verfahren durch das angeblich streitige Gutachten hätten bewiesen werden sollen und dass dieses überhaupt geeignet gewesen
sei, hierzu verlässliche Aussagen zu treffen.
Soweit die Klägerin ferner sinngemäß eine Verletzung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs geltend macht, hat sie
einen Verstoß gegen §
62 SGG, der den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art
103 Abs
1 GG für das sozialgerichtliche Verfahren konkretisiert, ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Weder hat sie vorgetragen, dass
sie durch die Entscheidung des LSG überrascht worden sei, noch, dass sie sich zu Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen
nicht oder nicht ausreichend habe äußern können. Ebenso wenig hat sie dargetan, dass das LSG ihr Vorbringen nicht zur Kenntnis
genommen oder nicht in seine Erwägungen miteinbezogen habe. Sie hat vielmehr eine Verletzung des rechtlichen Gehörs allein
mit der Begründung behauptet, das LSG habe (aufgrund der Nichtverwertung des Gutachtens von Prof. Dr. K. durch das SG Gotha
in parallelen Verfahren gleichzeitig) seine Pflicht zur Amtsermittlung (§
103 SGG) verletzt und zu ihrem (der Klägerin) Nachteil entschieden. Das reicht nicht aus (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22).
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 3
SGG).
Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.