Zulässigkeit der Berufung im sozialgerichtlichen Verfahren bei der Absenkung von Arbeitslosengeld II wegen Nichterfüllung
von Pflichten aus einer Eingliederungsvereinbarung
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB
II) verhängten Sanktion.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 21.02.2006 für den Zeitraum vom 01.03.2006 bis 31.08.2006 Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 734,04 EUR. Diese setzten sich zusammen aus der Regelleistung in Höhe
von 345 EUR und den Kosten der Unterkunft in Höhe von 389,04 EUR.
Mit Eingliederungsvereinbarung vom 03.02.2006 verpflichtete sich der Kläger zu Eigenbemühungen von mindestens zehn Bewerbungen
pro Monat in den nächsten sechs Monaten, durch Nutzung des Internets, der Gelben Seiten und der aktuellen Presse. Der Nachweis
sollte durch Vorlage von Bewerbungsschreiben, Ausdrucke aus dem Internet und Zeitungsannoncen erfolgen. Anlässlich eines Beratungsgesprächs
am 20.04.2006 konnte der Kläger lediglich eine aktuelle Bewerbung als Maschinenbediener vorlegen. Persönliche oder telefonische
Bewerbungen, auf die er hinwies, konnte er nicht belegen.
Mit Bescheid vom 24.04.2006 kürzte die Beklagte dem Kläger die Regelleistung um 30 Prozent in Höhe von monatlich 104 EUR für
den Zeitraum vom 01.05.2006 bis 31.07.2006 wegen Nichterfüllung der Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung vom 03.02.2006
und hob den ursprünglichen Bewilligungsbescheid gemäß § 48 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) insoweit auf. Mit einem weiteren Bescheid, ebenfalls vom 24.04.2006, setzte die Beklagte die Höhe der monatlichen Leistungen
auf insgesamt 630,04 EUR fest.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger ausreichende Eigenbemühungen geltend. Er rufe vielfach direkt beim Arbeitgeber
an, zudem würden Bewerbungen nicht zurückgesandt, so dass keine Absagen vorgelegt werden könnten. Auf Bewerbungen auf einige
beim Arbeitsamt gemeldete Stellen hätte er zu 90 Prozent die Mitteilung erhalten, dass die Stellen schon besetzt seien. Der
Kläger legte drei Bewerbungsschreiben aus dem Monat Februar 2006 und eine Bewerbung aus dem Monat März 2006 vor sowie weitere
von Ende April 2006.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2006 als unbegründet zurück.
Die dagegen erhobene Klage wies das Sozialgericht München (SG) mit Urteil vom 20.11.2008 ab. Die Voraussetzungen des Sanktionstatbestandes des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b SGB II seien erfüllt. Die erforderliche Rechtsfolgenbelehrung sei in der Eingliederungsvereinbarung
enthalten, ein wichtiger Grund im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht geltend gemacht worden. Auch fordere die Eingliederungsvereinbarung
zumutbar zehn Bewerbungen pro Monat mit entsprechenden Nachweisen. Der Kläger habe sich auf Anlern- und Hilfstätigkeiten beworben,
so dass bei den Bewerbungen außer dem jeweiligen Anschreiben keine weiteren Unterlagen erforderlich gewesen seien. Zudem habe
er die Möglichkeiten des Systems jobpilot.com genutzt, was keine Bewerbungskosten in größerem Umfang auslöste. Nachdem die
finanziellen Belastungen durch die Bewerbungen gering waren (Porto 0,55 EUR pro Bewerbung), sei die Eingliederungsvereinbarung
vom 03.02.2006 nicht wegen Fehlens einer Zusicherung zur Übernahme von Bewerbungskosten unwirksam. Das SG hat die Berufung nicht zugelassen.
Gegen das am 08.12.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 08.01.2009 Nichtzulassungsbeschwerde
erhoben und Zulassungsgründe gemäß §
144 Abs.
2 Nr.
1 und Nr.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) geltend gemacht. Die Fragen: "Ist es für eine Sanktion aus einer Nichtbefolgung einer Eingliederungsvereinbarung, welche
zehn Bewerbungen pro Monat verlangt, erforderlich, dass diese Eingliederungsvereinbarung eine Aussage über die Kosten der
Bewerbungen trifft?" und "Ist es dem Hilfebedürftigen grundsätzlich zumutbar, die Kosten für eine Bewerbung aus der Regelleistung
zu bestreiten, wenn hierfür in der Regelsatzberechnung keinerlei Bedarf vorgesehen ist?" seien von grundsätzlicher Bedeutung
und obergerichtlich noch nicht geklärt. In der Verwaltungspraxis erfolgten daher unterschiedliche Handhabungen. Diese grundsätzlichen
Fragen seien auch entscheidungserheblich, da bei Unzumutbarkeit der auferlegten Pflichten im konkreten Fall die Sanktion wegen
der Nichtbefolgung entfiele.
Zur Ergänzung des Sachverhalst wird auf die Leistungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte der ersten und zweiten Instanz
Bezug genommen.
II. Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß §
145 Abs.1 Satz 2
SGG zulässig, sie erweist sich jedoch als nicht begründet.
Nach §
144 Abs.1 Satz 1
SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geldleistung betrifft,
insgesamt 750 EUR nicht übersteigt. Dieser Gegenstandswert wird hier nicht erreicht (3 x 104 EUR = 312 EUR).
Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist ausschließlich die Frage, ob ein Zulassungsgrund vorliegt, der nach §
144 Abs.
2 SGG die Zulassung der Berufung rechtfertigt, nicht aber die Frage, ob das SG in der Sache richtig oder falsch entschieden hat.
Da keiner der in §
144 Abs.
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe vorliegt, ist die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Nach §
144 Abs.
2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Bayer. Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der
obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die
Entscheidung beruhen kann.
Die Rechtssache hat, entgegen den Ausführungen des Klägers, keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von §
144 Abs.
2 Nr.
1 SGG. Dafür müsste die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt,
um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterbildung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse genügt nicht. Die Rechtsfrage
muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig,
SGG, 9. Auflage, §
144 RdNr. 28).
Bei der vom Kläger aufgeworfenen Frage, ob aufgrund einer Eingliederungsvereinbarung eine Sanktion verhängt werden kann, wenn
die Eingliederungsvereinbarung den Hilfebedürftigen zu Bewerbungen verpflichtet, aber keine Kostenübernahme zusichert, handelt
es sich um eine klärungsfähige Rechtsfrage, die jedoch nicht ungeklärt ist. Nach §
16 Abs.
2 SGB II iVm §
46 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (
SGB III) können diese Kosten übernommen werden. Der in §
16 Abs. 2 SGB II enthaltene Anspruch auf Ausübung pflichtgemäßen Ermessens wird durch die Eingliederungsvereinbarung gebunden.
Daher ergibt sich aus dieser Vorschrift iVm der Eingliederungsvereinbarung ohne weiteres, dass ein Anspruch auf Kostenerstattung
besteht. Die Beantwortung der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage steht damit von vornherein praktisch außer Zweifel (Meyer-Ladewig,
aaO.
§ 160 RdNr. 8a) und ergibt sich aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung aus dem Gesetz.
Auch die weiter vom Kläger aufgeworfene Frage, ob es dem Hilfebedürftigen grundsätzlich zumutbar ist, die Kosten für eine
Bewerbung aus der Regelleistung zu bestreiten, wenn hierfür in der Regelsatzberechnung keinerlei Bedarf vorgesehen ist, ist
nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Es fehlt ebenso an der vorausgesetzte Klärungsbedürftigkeit. Nach dem Willen des Gesetzgebers
sichert die Regelleistung des § 20 Abs. 2 SGB II den gesamten notwendigen Lebensunterhalt als soziokulturelles Existenzminimum
des Hilfebedürftigen. Es handelt sich hierbei um eine gesetzlich pauschalierte Leistung (vgl. Bundestagsdrucksache 15/1516
S. 56 f), die nach Maßgabe der §§ 16, 21, 22, 23 SGB II für besonders aufgeführte Mehrbedarfe Ausnahmen zulässt. Das Bundessozialgericht
hat in seiner Entscheidung vom 23.11.2006 (Az. B 11b AS 1/06 R) keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber dieser Pauschalierung erhoben und die Leistungen zur Eingliederung in
Arbeit, auch gemäß § 16 SGB II, als zentralen Bestandteil gewertet (vgl. BSG aaO. RdNr. 47 und 53). Daher steht die Antwort
von vornherein außer Zweifel (Meyer-Ladewig, aaO.).
Zulassungsgründe im Sinne von §
144 Abs.
2 Nr.2 und Nr.
3 SGG sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht dezidiert geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar. Nach §
145 Abs.4 Satz 2
SGG wird das Urteil des SG mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig.