Vertragsarztrecht
Richtigstellung vertretungsweise abgerechneter orthopädischer EBM-Ziffern
Bindung an Fachgebietsgrenzen
Fachbereichsübergreifende Gemeinschaftspraxen
Bindung an den Zulassungsstatus
1. In einer Berufsausübungsgemeinschaft werden zwar die vertragsärztlichen Leistungen der Berufsausübungsgemeinschaft als
solcher zugeordnet; dies bedeutet aber nicht, dass die in ihr tätigen Ärzte von den für alle übrigen Vertragsärzte geltenden
Fachgebietsbegrenzungen und Qualifikationsanforderungen befreit sind.
2. Die Genehmigung einer fachübergreifenden Berufsausübungsgemeinschaft darf nicht dazu führen, dass Grundprinzipien des Vertragsarztrechts,
v.a. die Bindung an den Zulassungsstatus, ausgehöhlt werden, weil die Leistungserbringung durch einen dazu nicht berechtigten
Arzt, insbesondere wegen seiner auf ein bestimmtes Fachgebiet beschränkten Zulassung, nicht verhindert werden kann.
3. Dies gilt auch für den Fall der Vertretung; von Vertretern sind grundsätzlich alle Regelungen in den Abrechnungsbestimmungen
zu beachten, die die Fachgebietsgrenzen und die gesetzlich vorgesehene Trennung der Versorgungsbereiche hausärztliche Versorgung
und fachärztlicher Versorgung umsetzen.
4. Das Bundessozialgericht hat ausdrücklich entschieden, dass bei der Vertretung zwischen einer durch zugelassene Vertragsärzte
und einer durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte zu unterscheiden ist; bei zugelassenen Vertragsärzten
ist deren Zulassungsstatus ausschlaggebend.
5. Dies hat das Bundessozialgericht zwar nur für die Differenzierung zwischen dem hausärztlichen und dem fachärztlichen Versorgungsbereiche
entschieden: die Rechtsprechung ist jedoch auch auf die Einhaltung der Fachgebietsgrenzen übertragbar, da nur so der Facharztstandard
und die Erfordernisse der Bedarfsplanung garantiert werden können.
Tatbestand
Streitig ist die Richtigstellung vertretungsweise abgerechneter orthopädischer EBM-Ziffern durch ein Mitglied der BAG, zugelassen
als Facharzt für rehabilitative Medizin, in den Quartalen 2 und 3/2011.
Die Klägerin ist eine fachübergreifende Gemeinschaftspraxis (ein Facharzt für Orthopädie, als Orthopäde zugelassen, ein Facharzt
für Physikalische und Rehabilitative Medizin und Orthopädie, nur als Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin
zugelassen) in A-Stadt.
Mit Bescheiden vom 16.11.2011 und vom 15.02.2012 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25.04.2012 und vom 06.02.2013 setzte
die Beklagte insgesamt 188 Leistungen nach den GOP 34221, 34233, 34234, 34232, 34230 und 34237 ab. Diese Leistungen der diagnostischen Radiologie seien fachfremd für den Arzt
der Klägerin, der als Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin zugelassen ist. Die Beklagte weise darauf hin,
dass zur Durchführung notwendiger Leistungen (von Notfällen abgesehen) der Patient an einen dafür zugelassenen Kollegen zu
verweisen sei. Auch im Falle der Vertretung seien Vertragsärzte an die Grenze des jeweiligen Fachgebiets gebunden.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht München. Sie wendet ein, dass die Beklagte dem Arzt der Klägerin die
Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Leistungen der diagnostischen Radiologie zwar erteilt habe, ihm aber mitgeteilt
habe, er dürfe von dieser keinen Gebrauch machen. Die Ärzte der Klägerin hätten deshalb den Praxisbetrieb so organisiert,
dass der lediglich für Rehabilitative und Physikalische Medizin zugelassene Arzt nur noch vertretungshalber bei Abwesenheit
des Kollegen und in Notfällen Röntgenleistungen erbringe. Die abgesetzten Röntgenleistungen seien vertretungshalber erbracht
worden. Selbstverständlich habe der Arzt den Kollegen als Orthopäde und nicht als Facharzt für Rehabilitative und Physikalische
Medizin vertreten. Er sei zwar nicht als Orthopäde zugelassen, habe aber die gebietsgleiche Qualifikation. Externe Vertretungen
als Orthopäde seien ihm nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung erlaubt, dasselbe müsse auch für praxisinterne Vertretungen
gelten. Dies sei im ländlichen Bereich auch für die Versorgung der Patienten von Bedeutung.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 16.10.2014 ab. Die Bindung an die Fachgebietsgrenzen gelte auch in fachbereichsübergreifenden
Gemeinschaftspraxen.
Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein. Zur Begründung wiederholte und vertiefte sie ihre Ausführungen.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 16.10.2014 und die Richtigstellungsbescheide vom 16.11.2011 und vom 15.02.2012 in
Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25.04.2012 und vom 06.02.2013 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die beigezogenen Beklagtenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässigen Berufungen sind unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheide vom 16.11.2011 und vom 15.02.2012 in Gestalt
der Widerspruchsbescheide vom 25.04.2012 und vom 06.02.2013 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten,
wie das Sozialgericht München im Urteil vom 16.10.2014 zutreffend festgestellt hat. Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen
Richtigstellung ist §
106a Abs.
1, Abs.
2 Satz 1
SGB V. Die von der Beklagten vorgenommenen Richtigstellungen sind zutreffend. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Vergütung
der von Dr. R. in Vertretung innerhalb der Berufsausübungsgemeinschaft erbrachten Leistungen.
In einer Berufsausübungsgemeinschaft werden zwar die vertragsärztlichen Leistungen der Berufsausübungsgemeinschaft als solcher
zugeordnet. Dies bedeutet aber nicht, dass die in ihr tätigen Ärzte von den für alle übrigen Vertragsärzte geltenden Fachgebietsbegrenzungen
und Qualifikationsanforderungen befreit sind. Die Genehmigung einer fachübergreifenden Berufsausübungsgemeinschaft darf nicht
dazu führen, dass Grundprinzipien des Vertragsarztrechts, v.a. die Bindung an den Zulassungsstatus, ausgehöhlt werden, weil
die Leistungserbringung durch einen dazu nicht berechtigten Arzt, insbesondere wegen seiner auf ein bestimmtes Fachgebiet
beschränkten Zulassung, nicht verhindert werden kann. Dies gilt auch für den Fall der Vertretung. Von Vertretern sind grundsätzlich
alle Regelungen in den Abrechnungsbestimmungen zu beachten, die die Fachgebietsgrenzen und die gesetzlich vorgesehene Trennung
der Versorgungsbereiche hausärztliche Versorgung und fachärztlicher Versorgung umsetzen (BSG Urteil vom 14.12.2011, B 6 KA 31/10 R).
Das Bundessozialgericht hat in dieser Entscheidung ausdrücklich entschieden, dass bei der Vertretung zwischen einer durch
zugelassene Vertragsärzte und einer durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte zu unterscheiden ist.
Bei zugelassenen Vertragsärzten ist deren Zulassungsstatus ausschlaggebend (a.a.O. Rn. 42, 43). Dies hat das Bundessozialgericht
in der genannten Entscheidung zwar nur für die Differenzierung zwischen dem hausärztlichen und dem fachärztlichen Versorgungsbereiche
entschieden. Die Rechtsprechung ist jedoch auch auf die Einhaltung der Fachgebietsgrenzen übertragbar, da nur so der Facharztstandard
und die Erfordernisse der Bedarfsplanung garantiert werden können.
Damit war die Berufung zurückzuweisen.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Entscheidung der vorliegenden Rechtsfragen aus der zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts
vom 14.12.2011 abgeleitet werden kann.