Anspruch auf Gewaltopferentschädigung bei nachbarschaftlichem Fehlverhalten; Erfolgsaussicht für den Anspruch auf Prozesskostenhilfe
Gründe:
I. Die 1934 geborene Klägerin begehrt Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (
OEG) in Verbindung mit den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).
Der Beklagte und hiesige Beschwerdegegner hat es mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung A-Stadt vom 09.11.2004
in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 27.01.2005 abgelehnt,
der Klägerin Beschädigtenversorgung nach dem
OEG zu gewähren. Ein anspruchsbegründender Sachverhalt im Sinne von §
1 Abs.1
OEG habe sich auch nach Beiziehung der Unterlagen der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht A-Stadt nicht nachweisen lassen.
Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens hat die Beschwerdeführerin vor allem nachbarschaftliche Schikanemaßnahmen
begangen von M. K., O. K., U. K. und R. S. vorgetragen (z.B. erhebliche Lärmbelästigung bis in die Nachtstunden, Urinieren
in Kellerabteile u.a.).
Das Sozialgericht München hat es mit Beschluss vom 30.03.2009 - S 30 VG 25/08 - abgelehnt, Prozesskostenhilfe zu gewähren. Gemäß §
114 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) bestehe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Klägerin habe als erlittene Beeinträchtigungen zum allergrößten Teil
Sachbeschädigungen und verbale Handlungen vorgetragen, die selbst im Falle eines Nachweises nicht zu einem Anspruch nach dem
OEG führen würden, weil es sich hierbei nicht um Gewalttaten gehandelt habe. Straftaten gegen dritte Personen müssten ohnehin
vollkommen außer Betracht bleiben. Soweit die Klägerin Tätlichkeiten gegen sie selbst bis hin zum Mordversuch vorgetragen
habe, hätten sich in jahrelangen Verwaltungsverfahren und dem vorangegangenen gerichtlichen Rechtsstreit keine Anhaltspunkte
für nachweisbare vorsätzliche rechtswidrige Taten eines Kontrahenten ergeben. Bei unterstelltem Nachweis müsste in einem weiteren
Schritt ein Kausalzusammenhang zu gegenwärtig anhaltenden Schädigungsfolgen in einem rentenberechtigenden Ausmaß gelingen.
Auch in dieser Hinsicht erscheine ein Prozesserfolg äußerst unwahrscheinlich. Die Klägerin habe fortdauernde Verletzungen
aufgrund von Gewalttaten nicht vorgetragen.
Mit Beschwerdeschrift vom 30.03.2009 hat die Beschwerdeführerin hervorgehoben, allein die ständige Angst vor Angriffen und
die hieraus resultierenden seelischen Belastungen würden jede Klage rechtfertigen. M. K. habe auch den Hausmeister F. angegriffen
und wolle ihn verletzen bzw. erwürgen. Zu erwähnen seien auch die vielen Angriffe auf andere Personen (B. R., P., H. u.a.).
Die Beschwerdeführerin könne ihre Wohnung nur dann verlassen, wenn die Verursacher nicht in der Anlage seien; abendliche Ausgänge
zu Konzerten oder Theaterbesuche seien ganz unmöglich. Auch ständige Beleidigungen von Seiten des K., W., B. u.a. würden eine
seelische Belastung darstellen. Außerdem sei der Rollator wiederholt beschädigt worden. Sie beantrage daher die Bewilligung
von Prozesskostenhilfe für eine anwaltschaftliche Vertretung.
Das Sozialgericht München hat den Vorgang dem Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) mit den Akten zur Entscheidung vorgelegt.
Der Beklagte und hiesige Beschwerdegegner ist mit Nachricht vom 16.04.2009 entsprechend in Kenntnis gesetzt worden.
II. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist zulässig (§§ 73a, 172 ff.
SGG in Verbindung mit §
127 Abs.2
ZPO), jedoch nicht begründet.
Nachbarschaftliche Schikanemaßnahmen bzw. erhebliches Fehlverhalten können nicht mit den Mitteln des Opferentschädigungsgesetzes
(
OEG) abgewehrt werden. Vielmehr ist in §
1 Abs.1
OEG bestimmt, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff gegen seine
oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der
gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes.
Die Klägerin und hiesige Beschwerdeführerin sei daran erinnert, dass auch sie ihren Strafantrag gegenüber M. K. zurückgezogen
hat. Sie hat am 25.01.2004 im Polizeipräsidium A-Stadt angerufen und erklärt, dass sie nicht beim Arzt gewesen sei und auch
keine Verletzungen geltend mache. Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht A-Stadt hat das Ermittlungsverfahren 459 Js 302754/04 mit Verfügung vom 01.03.2004 gemäß §
170 Abs.2 der
Strafprozessordnung (
StPO) eingestellt. Aufgrund der sich widersprechenden Angaben der Beteiligten lasse sich nicht feststellen, wie sich der Vorgang
tatsächlich zugetragen habe. Es stünden letztendlich Aussage gegen Aussage, ohne dass einer der Aussagen von vornherein ein
erhöhter Beweiswert zukomme und ohne dass unbeteiligte Zeugen zur Verfügung stünden, die mit ihren Angaben ausreichenden Aufschluss
über das tatsächliche Geschehen geben könnten. Andere objektive Beweismittel seien nicht vorhanden. Unter diesen Umständen
sei für die Erhebung einer öffentlichen Klage kein Raum.
Der Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht A-Stadt hat der Beschwerde vom 13.03.2004 gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft
beim Landgericht A-Stadt vom 01.03.2004 mit Bescheid vom 28.05.2004 - VIII Zs 1597/2004 - keine Folge gegeben.
Das BayLSG verkennt nicht, dass vor allem M. K. wegen Raubdelikten, Sachbeschädigung und Bedrohung aktenkundig strafrechtlich
in Erscheinung getreten ist. Dies bedingt jedoch nicht den Nachweis einer Gewalttat zu Lasten der hiesigen Beschwerdeführerin,
zumal diese gegenüber dem Polizeipräsidium A-Stadt ausdrücklich erklärt hat, dass sie nicht beim Arzt gewesen sei und auch
keine Verletzungen geltend mache.
Wie bereits erwähnt, bedingen die glaubhaft vorgetragenen nachbarschaftlichen Schikanemaßnahmen durch M. K. und Angehörige
bzw. aus dessen Freundeskreis keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen nach dem
OEG. Es wird nochmals darauf aufmerksam gemacht, dass nach den Vorschriften des
OEG das vorgetragene nachbarschaftliche Fehlverhalten, auch wenn es noch so erheblich ist, nicht abgewehrt werden kann.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist nicht anfechtbar (§§
177,
183 SGG in Verbindung mit §
127 Abs.4
ZPO).