Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob dem Kläger Leistungen der Pflegestufe II ab 1. Januar 2008 bis 31. August 2008 zu
gewähren sind.
Der 1952 geborene bei der Beklagten versicherte Kläger erhielt seit 2006 Leistungen der Pflegestufe I. Am 7. Februar 2007
beantragte er Leistungen der Pflegestufe III. Die Beklagte zog Berichte über stationäre Krankenhausaufenthalte vom 31. Januar
bis 16. Februar 2007und vom 11. Juni bis 20. Juni 2007 bei. Im Gutachten nach Aktenlage vom 23. Februar 2007 führte die Pflegefachkraft
des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK) aus, unter kritischer Würdigung der vorliegenden Unterlagen
liege der grundpflegerische Hilfebedarf unter 46 Minuten pro Tag. Pflegebedürftigkeit liege somit nicht vor. Im Gutachten
des MDK vom 27. März 2007 nach Hausbesuch am 23. März 2007 erklärte die Pflegefachkraft, der Kläger leide an einer Pseudarthrose
der Tibia nach Trümmerfraktur, Allodynie bei Peronaeusparese und Läsion des Nervus tibialis, außerdem an Lendenwirbelschmerzen
und Adipositas. Der Zeitbedarf im Bereich der Körperpflege betrage 33 Minuten und im Bereich der Mobilität 25 Minuten. Damit
bestehe insgesamt ein Zeitbedarf im Bereich der Grundpflege von 58 Minuten.
Mit Bescheid vom 24. April 2007 gewährte die Beklagte dem Kläger befristet bis zum 31. Dezember 2007 Leistungen der Pflegestufe
I.
Im Gutachten vom 10. Dezember 2007 führte die Pflegefachkraft des MDK nach Hausbesuch am 7. Dezember 2007 aus, der Zeitbedarf
im Bereich der Körperpflege betrage nun 28 Minuten, im Bereich der Mobilität 19 Minuten. Im Vergleich zum Vorgutachten ergebe
sich keine wesentliche Veränderung des Hilfebedarfs, der Zeitbedarf im Bereich der Grundpflege betrage 47 Minuten pro Tag.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Bescheid vom 14. Dezember 2007 mit, dass der Hilfebedarf weiterhin die Voraussetzungen
der Pflegestufe I erfülle. Die Leistung werde bis zum 31. August 2008 befristet.
Mit Widerspruch vom 20. Dezember 2007 wandte der Kläger ein, sein Pflegebedarf werde im Rahmen der Pflegestufe I nicht gedeckt.
Der MDK erklärte in der Stellungnahme nach Aktenlage vom 18. Januar 2008, bei intakten oberen Extremitäten sei der Kläger
sehr gut in der Lage, Teilbereiche der Grundpflege selbständig auszuführen. Die Teilhilfen aufgrund der derzeitigen Einschränkungen
unter Einbeziehung des Erschwernisfaktors seien im Gutachten vom 7. Dezember 2007 ausreichend berücksichtigt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2008 zurück.
Zur Begründung der Klage übersandte der Kläger einen Bericht des behandelnden Arztes Prof. Dr. B. über den stationären Aufenthalt
vom 24. Juni bis 28. Juni 2008 zur Entfernung der inneren Fixationsvorrichtung am Unterschenkel sowie ein Gutachten des Orthopäden
Dr. P. vom 20. Februar 2008 für die deutsche Rentenversicherung, in dem ausgeführt wurde, der Kläger könne keine Tätigkeiten
von wirtschaftlichem Wert verrichten. Außerdem legte der Kläger ein Gutachten des Orthopäden Dr. F., erstellt im Schwerbehindertenverfahren
des Klägers für das Sozialgericht München, vor. Darin wird ausgeführt, der Kläger erscheine zur Untersuchung mit zwei Krücken,
seine Tochter helfe ihm beim An- und Auskleiden. Das linke Bein könne wegen der operierten Schienbeinpseudarthrose nicht belastet
werden. An den oberen Extremitäten ergebe sich kein höhergradiger pathologischer Befund. Auffällig stark beschwielt seien
die Kleinfingerballen, so dass der Schluss nahe liege, dass der Kläger die Krücken recht häufig einsetze. Weiter bestünden
eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und massive Bandscheibenschädigungen. Die Möglichkeit der Fortbewegung sei in sehr
hohem Maße eingeschränkt. Im Hinblick auf die Fixateure sei es erforderlich, dem Kläger das Merkzeichen "aG" zu gewähren.
Das Gericht zog Berichte der behandelnden Ärzte, insbesondere über stationäre Behandlungen in den Jahren 2006 bis 2008, bei.
Im Gutachten vom 10. September 2008 nach Hausbesuch vom 9. September 2008 führte die Pflegefachkraft des MDK aus, bei einer
derzeit nur leichten Teilhilfe in den Bereichen der Körperpflege, die 10 Minuten erfordere und der Mobilität (2 Minuten) sowie
einer verbesserten Selbstständigkeit werde eine Pflegestufe nicht mehr erreicht.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 15. September 2008 mit, im Hinblick auf das Ergebnis der Nachuntersuchung
vom 9. September 2008 endeten die Leistungen entsprechend der im Bescheid vom 14. Dezember 2007 genannten Befristung zum 31.
August 2008.
Der Kläger wies mit Schreiben vom 30. Oktober 2008 darauf hin, seine körperliche Beeinträchtigung sei nach wie vor außerordentlich.
Er könne sich in weiten Bereichen des täglichen Lebens nicht selbst versorgen. Als Folge der notwendigen Schmerzmedikamente
komme es zu einer Verschlimmerung der Beschwerden im Magen-Darm-Trakt, zusätzlich träten Müdigkeit und Mattheit auf.
Das Sozialgericht teilte dem Kläger und der Beklagten mit Schreiben vom 22. September 2008 mit, es erwäge, durch Gerichtsbescheid
zu entscheiden. Mit den Schreiben vom 30. Oktober 2008 und 14. November 2008 nahm der Kläger zum Streitgegenstand Stellung.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. November 2008 ab. Auch das Vorbringen des Klägers lasse einen
Grundpflegebedarf von 120 Minuten täglich in keiner Weise plausibel erscheinen. Ein Zeitbedarf von 20 Minuten täglich für
die morgendliche Ganzkörperwäsche, wie er vom MDK im Gutachten vom 10. Dezember 2007 angenommen worden sei, erscheine auch
unter Schilderung des Waschvorganges durch den Kläger völlig ausreichend. Selbst wenn die Fußwäsche noch nicht berücksichtigt
sein sollte, könne hierfür allenfalls ein Zeitbedarf von etwa 10 Minuten berücksichtigt werden. Das Rasieren sei mit einer
Minute berücksichtigt; der Kläger habe angegeben, dass er sich selbst rasieren könne. Der Zeitaufwand von 4 Minuten täglich
für die Zahnpflege erscheine nicht zu knapp angesichts der Tatsache, dass die Arme des Klägers völlig intakt seien und die
Feinmotorik nicht eingeschränkt. Selbst wenn man für die abendliche Körperwäsche noch einmal 20 Minuten ansetzen würde, werde
ein Grundpflegebedarf von 120 Minuten täglich nicht erreicht. An- und Auskleiden seien im Gutachten berücksichtigt und ein
höherer Zeitbedarf auch nicht vom Kläger behauptet. Weder die Anfahrtszeit der Tochter noch die Zeit, um den Kläger in deren
Wohnung zu bringen, stellten Grundpflegebedarf dar. Auch der vom Kläger weiter vorgetragene Hilfebedarf gehöre nicht in den
Bereich der Grundpflege, sondern zur hauswirtschaftlichen Versorgung, wie z.B. Herrichten des Frühstücks, Wegräumen der Wäsche,
Aufräumen und Kochen.
Mit der Berufung machte der Kläger geltend, insbesondere im Hinblick auf die letzte Operation vom 12. März 2009 sei ein höherer
Grundpflegebedarf gegeben. Er dürfe jetzt das Bein in keiner Weise belasten und sei noch mehr als im Oktober 2008 auf fremde
Hilfe und Unterstützung angewiesen. Verletzt seien §
106 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) sowie das Grundrecht des rechtlichen Gehörs.
Die Beklagte übersandte ein Gutachten des MDK vom 30. Januar 2009 nach Hausbesuch am 23. Januar 2009. Darin wird ausgeführt,
der Zeitbedarf im Bereich der Körperpflege betrage 10 Minuten, im Bereich der Mobilität 2 Minuten, also bestehe ein Zeitbedarf
im Bereich der Grundpflege von 12 Minuten pro Tag. Der Kläger könne den Großteil der Pflegeverrichtungen bei bereitgelegten
Utensilien selbständig tätigen. Hilfe beim Waschen des Rückens und der Füße sei berücksichtigt. Auch im Bereich der Zahnpflege
sei über das Bereitlegen der Utensilien hinaus kein Hilfebedarf gegeben. Eine zweite Ganzkörperwäsche sei nicht plausibel
gemacht. Zudem könne der Kläger Teile des Körpers sowie Hände und Gesicht selbständig waschen. Die angegebenen Darm- und Magenbeschwerden
wirkten sich nicht pflegerelevant aus.
Vom Kläger wurden Berichte über zahlreiche Krankenhausaufenthalte und Operationen im Zeitraum vom Juni 2007 bis März 2009
übersandt.
Der Kläger stellt den Antrag,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 16. November 2008 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Sozialgericht
München zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten
Bezug genommen.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich insofern begründet, als der Gerichtsbescheid vom
16. November 2008 aufzuheben und die Sache an das Sozialgericht München zurückzuverweisen ist.
Das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör ist durch den Gerichtsbescheid vom 16. November 2008 verletzt. Zwar wurde der
Kläger mit Schreiben vom 22. September 2008 darauf hingewiesen, dass das Gericht erwäge, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.
Obwohl der Kläger mit Schreiben vom 30. Oktober 2008 und 14. November 2008 zum Streitgegenstand Stellung nahm und insbesondere
eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes geltend machte, erfolgte - trotz dieses neuen Tatsachenvortrags -keine erneute
Anhörungsmitteilung.
Das Gericht hat es daher versäumt, die Anhörungsmitteilung zu wiederholen und darauf hinzuweisen, dass weiterhin beabsichtigt
war, durch Gerichtsbescheid, ohne mündliche Verhandlung, zu entscheiden.
Daher leidet das Verfahren des Sozialgerichts an einem wesentlichen Mangel, nämlich der Verletzung des rechtlichen Gehörs
des Klägers. Der Kläger hat die fehlende Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat weiterhin geltend gemacht und
dementsprechend Antrag auf Aufhebung des Gerichtsbescheides und Zurückverweisung des Rechtsstreits gestellt.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.