Beitragsbemessung für hauptberuflich selbständige Erwerbstätige; Verfassungsmäßigkeit des Verweises auf die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften
des Einkommenssteuerrechts; Zulässigkeit der Beitragsfestsetzung zur sozialen Pflegeversicherung für freiwillig krankenversicherte
Mitglieder
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen Beitragsbescheid der Beklagten bezüglich des Zeitraums vom 1. September 2006 bis zum
31. August 2007.
Die bei der Beklagten freiwillig krankenversicherte Klägerin führt in der Nachfolge ihres zwischenzeitlich schwer erkrankten
Ehemannes seit dem 15. März 2004 ein Einzelgewerbe. Die von der Klägerin bei der Beklagten eingereichten und dort am 2. Oktober
2006 eingegangenen Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2004 und 2005 wiesen für die Klägerin und ihren Ehemann folgende
Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus:
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Ehemann
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Ehefrau
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2004
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- 22.158
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- 3.671
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2005
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- 20.340
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34.068
|
Mit Bescheid vom 30. Oktober 2006 setzte die Beklagte für die Zeit ab 1. September 2006 die monatlichen Beiträge der Klägerin
in Höhe von 517,88 Euro (Krankenversicherung) und 58,30 Euro (Pflegeversicherung) neu fest. Den hiergegen gerichteten Widerspruch
wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2007 zurück. Zu dessen Begründung führte sie aus: Die Beiträge seien
auf der Grundlage der im Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2005 ausgewiesenen Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit von
34.068,- Euro festgesetzt worden. In diesem Jahr habe die Klägerin vom 25. Juli bis zum 26. September 2005 aufgrund von Arbeitsunfähigkeit
Anspruch auf Krankengeld gehabt und sei somit beitragsfrei in der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung gewesen. Da
Krankengeld eine Lohnersatzleistung darstelle und nur gewährt werden könne, sofern aufgrund der Arbeitsunfähigkeit kein Arbeitseinkommen
erzielt werde, seien diese Zeiten bei der Ermittlung des durchschnittlichen Einkommens unberücksichtigt zu lassen. Das Einkommen
aus Gewerbebetrieb, verteilt auf die verbleibenden 298 Tage, ergebe ein durchschnittliches monatliches Einkommen im Jahre
2005 von 3.429,66 Euro.
Sowohl vor als auch nach dem streitigen Zeitraum - letzteres festgesetzt durch den Bescheid der Beklagten vom 3. September
2007 für die Zeit ab 1. September 2007 - beliefen sich die von der Klägerin zu zahlenden Beiträge unter Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage
auf 277,46 Euro (Krankenversicherung) und 31,24 Euro (Pflegeversicherung) monatlich.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin vorgebracht, die Beklagte habe übersehen, dass sie und ihr Ehemann die Verluste aus dem gleichen
Gewerbebetrieb realisierten; die Verluste ihres Ehemannes resultierten aus derjenigen gewerblichen Tätigkeit, die sie fortführe.
Bei einer Gesamtveranlagung ergäben sich für das Jahr 2005 Einkünfte in Höhe von 13.728,- Euro. Unter Berücksichtigung der
Pauschalbeträge und der Kinderfreibeträge ergebe sich ein negatives Einkommen von 7.016,- Euro. Indem die Beklagte darüber
hinaus den auch im Einkommensteuerbescheid 2005 ausgewiesenen Verlustvortrag in Höhe von 21.210,- Euro nicht berücksichtige,
verfolge sie eine "Rosinentheorie".
Mir Urteil vom 7. Mai 2008, der Klägerseite zugestellt am 6. Juni 2008, hat das Sozialgericht Potsdam die Klage abgewiesen
und zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2007 verwiesen. Ergänzend hat es ausgeführt, dass die Beklagte
die Beiträge in Übereinstimmung mit §
240 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) i.V.m. §
15 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV) sowie ihrer Satzung festgesetzt habe.
Zur Begründung ihrer am 4. Juli 2008 eingelegten Berufung bringt die Klägerin vor, ihre Argumentation konzentriere sich im
wesentlichen darauf, dass sie §
15 SGB IV für verfassungswidrig halte, weil der Gesetzgeber insoweit nicht die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von
Selbständigen für die Beitragsbemessung zu Grunde lege, sondern von einem fiktiv hohen Einkommen von Selbständigen ausgehe,
indem er, vergleichbar einem Rosinenpicken, nur auf die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts
abstelle und die gesamten anderen steuerlichen Grundsätze wie z. B. Investitionsentscheidungen oder Verlustvortrag unberücksichtigt
lasse. Aus ihrem Gewerbebetrieb habe ihr im Jahr 2005 zu Entnahmezwecken tatsächlich nur 4.632,76 Euro zur Verfügung gestanden.
Dieser Betrag ergebe sich aus dem tatsächlichen Liquiditätszufluss in Höhe von 16.067,09 Euro, abzüglich der getätigten Investitionen
in Höhe von 11.434,33 Euro. Aufgrund dessen habe die Beklagte nur den Regelbeitrag festsetzen dürfen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 2. Mai 2007 bezüglich der darin festgesetzten Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung insgesamt und bezüglich der Beiträge
zur gesetzlichen Krankenversicherung insoweit aufzuheben, als diese höher als 277,46 Euro monatlich festgesetzt wurden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten
und der Verwaltungsakten Bezug genommen, die vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte durch den Berichterstatter (§
155 Abs.
3 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -) und ohne mündliche Verhandlung (§
153 Abs.
1 in Verbindung mit §
124 Abs.
2 SGG) entscheiden, nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Das Urteil des Sozialgerichts war zu ändern, da die angefochtenen Bescheide
teilweise rechtswidrig sind. Die Beklagte hätte Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung überhaupt nicht und Beiträge zur
gesetzlichen Krankenversicherung lediglich in Höhe von 428,69 Euro monatlich festsetzen dürfen.
1. Die Beklagte als Krankenkasse hätte - worauf der Berichterstatter im Erörterungstermin vom 17. Juli 2009 hinwies - nicht
über die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung entscheiden dürfen. Über Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung darf eine
Krankenkasse nur in ihrer Eigenschaft als Einzugsstelle bei gegen Entgelt Beschäftigten nach §
28 h Abs.
2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV) entscheiden. Für die Entscheidungen über die Höhe des Beitrags in diesem Versicherungszweig ist im übrigen ausschließlich
die Pflegekasse zuständig (Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2007, Az.: L 9 B 584/07 KR ER; Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom Landessozialgericht - LSG - Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19. Oktober 2006,
Az.: L 5 ER 189/09 KR; beide veröffentlicht in Juris). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass gemäß §
46 Abs
2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (
SGB XI) Organe der Pflegekassen die Organe der Krankenkassen sind, bei denen sie errichtet sind. Zwar mag im Einzelfall, wenn nicht
zweifelhaft ist, dass die Pflegekasse die Entscheidung - jedenfalls im Widerspruchsbescheid - getroffen hat, eine ausdrückliche
Angabe im Bescheid, dass er von der Pflegekasse stammt, entbehrlich sein (Bundessozialgericht - BSG - SozR 3-3300 § 20 Nr.
2). Im vorliegenden Fall sind jedoch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, dass die angegriffenen Bescheide auch durch oder
zumindest auch im Namen der Beigeladenen erlassen wurden. Dass nach §
46 Abs.
2 Sätze 4 und 5
SGB XI in der seit dem 1. Juli 2008 geltenden Fassung Krankenkassen und Pflegekassen unter bestimmten Bedingungen die Höhe der Beiträge
in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen können, wirkt sich auf den vorliegenden Fall noch nicht aus.
Allein wegen dieses Fehlers ist der angefochtene Verwaltungsakt zwar nicht nach § 40 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nichtig, wohl aber rechtswidrig und daher allein aus diesem Grund aufzuheben. Denn der Mangel der sachlichen Zuständigkeit
gehört nicht zu den Fehlern, die nach § 41 SGB X unbeachtlich sind, aber auch nicht zu den Fehlern, derentwegen nach § 42 Satz 1 SGB X die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht verlangt werden kann (BSG SozR 3-3300 § 20 Nr. 5).
2. Die Beklagte hätte die Beiträge der Klägerin zur gesetzlichen Krankenversicherung nur in Höhe von 428,69 Euro monatlich
festsetzen dürfen. Für höhere Beiträge gab es keine Rechtsgrundlage.
Hierbei kann offen bleiben, ob der von der Beklagten gewählte Ansatz, die von der Klägerin im Jahre 2005 erzielten Einkünfte
aus Gewerbebetrieb nur auf die Tage, an denen diese arbeitsfähig war, zu verteilen (was einem höherem monatlichen Arbeitseinkommen
führt), mit dem damals geltenden Recht in Einklang stand. Denn jedenfalls hätte ein solches Vorgehen eine entsprechende Regelung
in der Satzung der Beklagten erfordert. Hieran fehlte es im Jahr 2005.
a. Maßgeblich für die Betragsbemessung bei freiwilligen Mitgliedern ist §
240 Abs.
1 SGB V, hier in der vom 1. August 2006 bis zum 15. Dezember 2008 geltenden Fassung. Nach §
240 Abs.
1 Satz 1
SGB V wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die (jeweilige) Satzung geregelt wird. Dabei ist sicherzustellen,
dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigt (Abs. 1 Satz 2). Die
Satzung der (jeweiligen) Krankenkasse muss mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem
vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (Abs.
2 Satz 1). Nach §
240 Abs.
4 Satz 1
SGB V gilt als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße ("Mindestbeitragsbemessungsgrenze").
Für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, gilt nach Satz 2 dieser Vorschrift als beitragspflichtige
Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§
223 SGB V), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße.
§ 15 der Satzung der Beklagten (in der in den Jahren 2006 und 2007 geltenden Fassung) regelte unter weitgehender Wiederholung
der o.g. gesetzlichen Vorschriften die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder. Welche Einnahmen bei hauptberuflich selbständig
Erwerbstätigen heranzuziehen sind, ergibt sich indirekt (auch) aus Ziffer (2) Buchst. b) Ziffer 3 Abs.
5 Satz 2 dieser Satzungsregelung, wonach "Arbeitseinkommen nach §
15 SGB IV, steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie positive oder negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung [...]
dem letzten ergangenen Steuerbescheid zu entnehmen" sind. Weitergehende Regelungen zur Berücksichtigung von Einkünften aus
selbständiger Tätigkeit enthielt die Satzung nicht.
Gemäß §
15 Abs.
1 Sätze 1 und 2
SGB IV ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus
einer selbständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht
zu bewerten ist. Die "allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts" sind für die in §
2 Abs
1 Satz 1 Nr.
1 bis
3 Einkommenssteuergesetz (
EStG) genannten Einkommensarten, d.h. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb und aus selbständiger Tätigkeit,
die §
4 bis § 7k
EStG. Der Gewinn ist demzufolge grundsätzlich durch Vergleich des Betriebsvermögens am Ende des Wirtschaftsjahres mit dem Betriebsvermögen
am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen,
festzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2001, Az.: B 5 RJ 46/00 R, veröffentlicht in Juris).
b. In Übereinstimmung mit diesen Vorgaben hat die Beklagte als Bemessungsgrundlage zunächst einen Betrag von 34.068,- Euro
entsprechend den im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005 ausgewiesen Einkünften der Klägerin aus Gewerbebetrieb herangezogen.
aa. Der von der Klägerin im Jahre 2005 erzielte, nach dem
EStG ermittelte und im o.g. Einkommenssteuerbescheid festgestellte Gewinn aus ihrer selbständigen Tätigkeit war nicht um die von
der Klägerin im Laufe des Rechtsstreits angesprochenen Positionen (z.B. den Verlustvortrag nach §
10 d Abs.
2 EStG) zu verringern, da sich in den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des
EStG (§§
4 bis 7k
EStG) hierfür keine Grundlage findet.
bb. §
15 SGB IV verletzt kein Verfassungsrecht. Dies kann exemplarisch am Ausschluss des abschnittsübergreifenden Verlustausgleichs (nach
der Terminologie des §
10 d EStG: des Verlustrücktrags und Verlustvortrags) dargestellt werden. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz
vor. Dabei ist nicht nur an die Vergleichsgruppe der abhängig Beschäftigten anzuknüpfen.
In Betracht kommt Art.
3 Abs.
1 GG als Prüfungsmaßstab auch deshalb, weil eine Ungleichbehandlung mit der Gruppe derjenigen Selbständigen vorliegt, die (mehr
oder weniger zufällig) von starken jährlichen Einkommensschwankungen mit "negativen" Einkünften verschont bleiben und in den
einzelnen Veranlagungszeitraum keine höheren Einkünfte erzielen als die Klägerin im Durchschnitt der Jahre. Jene haben im
Gegensatz zur Gruppe der Selbständigen mit stark schwankenden Jahreseinkommen - wie offensichtlich die Klägerin - Beiträge
in im wesentlichen gleichmäßiger Höhe zu zahlen.
Es bestehen jedoch gewichtige Gründe, bei der Ermittlung der Beitragsbemessungsgrundlage nur auf die Gewinne Selbständiger
im Veranlagungszeitraum des dem letzten Einkommenssteuerbescheid zugrunde liegenden Jahres abzustellen und weder einen Verlustrücktrag
noch einen Verlustvortrag zuzulassen (grundlegend hierzu: BVerfGE 82, 60; BSG, Urteile vom 8. Dezember 1993, Az.: 10 RKg 2/93, und vom 16. Mai 2001, Az.: B 5 RJ 16/00 R, jeweils veröffentlicht in Juris). Bereits die gesetzliche Regelung kommt Selbständigen weitgehend entgegen. Da seit der
Neuregelung von §
15 SGB IV zum 1. Januar 1995 steuerliche Vergünstigungen, die in den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts
mannigfach enthalten sind (z.B. Sonderabschreibungen), sich nicht mehr einkommenserhöhend auswirken, toleriert es der Gesetzgeber,
dass Steuervergünstigungen auf die Beitragshöhe in späteren Zeiträumen durchschlagen. Da ferner sowohl der horizontale als
auch - mit Einschränkungen - der vertikale Verlustausgleich (§
2 Abs.
3 EStG) im jeweiligen Veranlagungszeitraum berücksichtigt werden, ist die Parallelität von Einkommensteuerrecht und Sozialrecht
bei der Gewinnermittlung weitgehend hergestellt. Der Hintergrund des abschnittsübergreifenden Verlustabzugs sind meist Sonderabschreibungen
mit Subventionscharakter. Auch in anderen Fällen ist die nur auf §
4 bis §
7 k
EStG verweisende Regelung gerechtfertigt, weil das Nebeneinander "fiktiver" und "realer" Verluste, die Jahr für Jahr entstehen
und ein Jahr zurück- und eine beliebige Zahl von Jahren vorgetragen werden können, zu einem unverhältnismäßigen und nicht
zu bewältigenden Verwaltungsaufwand führen würde. Bei der Ausgestaltung von §
15 Abs.
1 Satz 1
SGB IV konnte der Gesetzgeber der Verwaltungspraktikabilität das entscheidende Gewicht beimessen und die mögliche Ungerechtigkeit
im Einzelfall an dem Verwaltungsaufwand messen, der dadurch entstehen würde, dass die Krankenkassen zur "Auseinanderrechnung"
der fiktiven und realen Verluste wirtschaftliche und steuerliche Ermittlungen und Wertungen vornehmen müssten, für die sie
erst sachlich und personell ausgestattet werden müssten. Der dadurch verursachte Verwaltungsaufwand würde den mit der Anrechnungsregelung
verfolgten Einsparungseffekt zu einem erheblichen Teil wieder zunichte machen. Die Anknüpfung an das Steuerrecht in §
15 Abs.
1 Satz 2
SGB IV soll nämlich der Verwaltungsvereinfachung dienen und es dem zuständigen Versicherungsträger erlauben, den steuerrechtlichen
Gewinn unverändert aus dem Steuerbescheid des Selbständigen zu übernehmen (BT-Drs. 12/5700 S. 92). Dieses gesetzgeberische
Anliegen ist nur zu erreichen, wenn die Verwaltung von der Notwendigkeit zu weiteren Nachprüfungen zum Zustandekommen des
im Steuerbescheid ausgewiesenen Gewinns enthoben wird (Sächsisches LSG, Urteil vom 26. Juni 2008, Az.: L 2 U 126/07, veröffentlicht in Juris).
Im übrigen kennen das Sozialrecht und das Recht der sozialen Transferleistungen aus den gleichen wohlerwogenen Gründen noch
weit schärfere Einschränkungen für einen Verlustausgleich und die Anrechnung "negativer" Einkünfte als §
15 Abs.
1 Satz 1
SGB IV in der hier vertretenen Auslegung (vgl. z.B. § 6 Abs. 1 des insoweit zum 31. Dezember 2008 außer Kraft getretenen Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG), und §
21 Abs.
1 Bundesausbildungsförderungsgesetz (
BAföG), § 82 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - i.V.m. § 4 der Verordnung zur Durchführung von § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch; § 10 Abs. 1 Wohngeldgesetz (WoGG) in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung). Alle genannten Regelungen schließen generell den vertikalen sowie den
abschnittsübergreifenden Verlustausgleich aus und steuerliche Vergünstigungen mindern selbst im ersten Veranlagungszeitraum
nicht das für die Beitragsbemessung zugrunde zu legende Einkommen. Vordringliches Ziel des Gesetzgebers war es, zu verhindern,
dass sich über die Besteuerung vorgenommene Subventionierungen auf die Sozialleistung auswirken (BVerfGE 82, 60). Für die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung kann insoweit nichts anderes gelten. Zusammenfassend
ist somit festzuhalten, dass es weder aus dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Rechtsordnung noch aus sonstigen verfassungsrechtlichen
Gründen geboten ist, die durch §
10d EStG ermöglichte Durchbrechung des Prinzips der sog (Jahres-)Abschnittsbesteuerung auf das Sozialrecht zu übertragen (BSG, Urteil
vom 16. Mai 2001, aaO.).
Aus welchen Gründen für die weiteren von der Klägerin geltend gemachten steuerlichen Absetzungspositionen etwas anderes gelten
sollte, ist weder ihrem Vorbringen zu entnehmen noch anderweitig ersichtlich.
c. Die Beklagte war allerdings nicht berechtigt, entgegen §
223 Abs.
2 Satz 2, 3. Alt.
SGB V die im Jahre 2005 aus selbständiger Tätigkeit erzielten Einkünfte der Klägerin nur auf 298 Tage zu verteilen und auf dieser
Grundlage den kalendertäglichen bzw. monatlichen Beitrag festzusetzen.
Durch die unter b. genannten Vorschriften überlässt das Gesetz für freiwillige Mitglieder die Bestimmung der in der Krankenversicherung
beitragspflichtigen Einnahmen grundsätzlich den Satzungen der Kassen. Der Auftrag des §
240 Abs
1 S 1
SGB V an den Satzungsgeber geht jedoch weiter. Dem Satzungsgeber ist gestattet und aufgetragen, die Einzelheiten der Beitragsbemessung
für die freiwilligen Mitglieder - ausgerichtet an der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des jeweiligen Mitglieds
- in der Satzung so konkret zu regeln, dass für typische Sachverhalte eine einheitliche Bewertung sichergestellt ist. Die
Krankenkassen können etwa Bestimmungen darüber treffen, welche Einnahmearten zu berücksichtigen sind, dass einmalige Einnahmen
mit einem Zwölftel des zu erwartenden Jahresbetrages monatlich anzusetzen und wie steuerliche Vergünstigungen zu behandeln
sind. Stößt die Feststellung der beitragspflichtigen Einnahmen auf erhebliche Schwierigkeiten oder stehen hierfür verschiedene
Berechnungsweisen zur Verfügung und lassen sich dem Gesetz keine eindeutigen Bewertungsmaßstäbe entnehmen, setzt die Berücksichtigung
der Einnahmen insoweit eine konkretisierende Satzungsregelung voraus (BSG, Urteil vom 22. Mai 2003, Az.: B 12 KR 12/02 m.w.N,
veröffentlicht in Juris).
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben hätte es einer Satzungsregelung bedurft, die die Verteilung von Einkünften aus selbständiger
Tätigkeit abweichend von §
223 Abs.
2 Satz 2, 3. Alt.
SGB V nur auf Tage, für die nicht wegen Arbeitsunfähigkeit Krankengeld gewährt wurde, vorsieht. Denn ob die der Verfahrensweise
der Beklagten zugrunde liegenden rechtlichen Überlegungen zutreffen, ist weder ober- noch höchstgerichtlich geklärt. Eindeutige
Bewertungsmaßstäbe fehlen. Ohne eine entsprechende Satzungsregelung kann demzufolge ein bei der Beklagten freiwillig krankenversicherter
hauptberuflich selbständig Erwerbstätiger nicht erkennen, mit welcher Beitragsbelastung er zu rechnen hat (zu diesem Kriterium
vgl. BSG aaO.).
d. Auf der Grundlage eines monatlichen Arbeitseinkommens von (34.068.- Euro ÷ 12 Monate =) 2.839,- Euro und dem für die Klägerin
maßgeblichen Beitragssatz von 15,1 % ergibt sich daher ein monatlicher Beitrag in Höhe von 428,69 Euro.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.