Tatbestand
Streitig sind Regresse wegen unzulässiger Verordnung von Arzneimitteln in den Quartalen I bis III/2007. Der Regress betreffend
Quartal IV/2006 ist Gegenstand des Verfahrens L 11 KA 71/14.
Der Kläger ist praktischer Arzt und war im streitgegenständlichem Zeitraum in C zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Unter dem 10.03.2008 beantragte die zu 1) beigeladene AOK Rheinland/Hamburg bei der Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen
Nordrhein, die Verordnungen des Klägers im Quartal I/2007 zu prüfen. Er habe 117 Patienten Methadon bzw. L-Polamidon verordnet,
ohne dass die Substitutionen genehmigt gewesen und nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgerechnet worden seien.
Trotz ihrer Abhängigkeitsanamnesen habe der Kläger den Versicherten zusätzlich Benzodiazepine, d.h. Medikamente mit hohem
eigenen Suchtpotential, verordnet. Es werde ein Regress in Höhe von 15.247,22 EUR beantragt, der sich zusammensetzte aus 124,09
EUR für die Verschreibung von Bezodiazepinen (Diazepam, Rivotril und Tranxilium) sowie 15.123,13 EUR für die Substitution
mittels Methadon und L-Polamidon. Alle Einzelfälle schlüsselte die Beigeladene zu 1) nach dem verordneten Medikament, dem
vollständigen Namen des Versicherten, der Versicherungsnummer, Verordnungsdatum und -nummer sowie den Verordnungskosten auf.
Mit Schreiben vom 17.03.2008 beantragte sie auch für das Quartal II/2007 die Prüfung der Verordnungen des Klägers. Dieser
habe allein 71 ihrer Versicherten substituiert und darüber hinaus weitere 142 Versicherte anderer Kassen, obwohl ihm kassenübergreifend
nur für 80 Patienten die Substitution genehmigt worden sei. Trotz Abhängigkeitsproblematik habe er den Versicherten erneut
zusätzlich Medikamente mit hohem eigenem Suchtpotential verschrieben. Insoweit wurde ein Regress in Höhe von 22.447,44 EUR
beantragt. Dieser setze sich zusammen aus 190,86 EUR für die Verschreibung von Benzodiazepinen (Diazepam, Rivotril und Tranxilium)
sowie 22.256,58 EUR für die Substitution mittels Methadon, L-Polamidon, Subutex und Methadicct. Auch für das Quartal II/2007
schlüsselte die Beigeladene zu 1) alle Einzelfälle nach verordnetem Medikament, vollständigem Namen des Versicherten, Versicherungsnummer,
Verordnungsdatum und -nummer sowie Verordnungskosten auf.
Unter dem 10.04.2008 beantragte sie, das Quartal III/2007 ebenfalls zu prüfen. Der Kläger habe in diesem Quartal allein für
sie 76 Versicherte substituiert und daneben 152 Versicherte anderer Kassen. Die Substitutionen seien weder genehmigt noch
nach EBM abgerechnet worden. Den Versicherten seien trotz ihrer Abhängigkeitsanamnese weiter zusätzlich Medikamente mit hohem
Suchtpotential verordnet worden. Insgesamt seien 26.509,50 EUR zu regressieren (korrigierter Betrag, Schreiben vom 19.05.2008),
davon 330,98 EUR für die Verordnungen von Diazepam und Rivotril sowie 26.208,52 EUR für die Verschreibung von Methadon und
L-Polamidon.
Die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein gab dem Kläger mit Schreiben vom 03. und 30.04. sowie vom 26.05.2008
Gelegenheit, zu den Anträgen Stellung zu nehmen. Davon machte er keinen Gebrauch.
Daraufhin setzte die Prüfungsstelle Regresse in Höhe von 14.729,76 EUR für das Quartal I/2007, 21.800,93 EUR für das Quartal
II/2007 und 26.503,57 EUR für das Quartal III/2007 fest (Bescheid vom 07.07.2008). Zur Begründung führte sie aus, die Regressforderung
für das Quartal II/2007 sei wegen Additions- bzw. Übertragungsfehlern bei zwei Patienten um 11,22 EUR bzw. 5,93 EUR zu korrigieren
gewesen. Im Übrigen seien die Substitutionen der opiatabhängigen Versicherten wegen Verstößen gegen die Richtlinie des Gemeinsamen
Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche
Versorgung - MVV-RL) rechtswidrig. Nach § 7 Abs. 2 der Anlage I MVV-RL seien Beginn und Beendigung einer Substitution durch
den Arzt unverzüglich der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und der leistungspflichtigen Krankenkasse anzuzeigen. Dies habe
man überprüft. Danach habe der Kläger in acht von der Beigeladenen zu 1) beanstandeten Fälle die Substitution vorschriftsmäßig
angezeigt; sie seien daher nicht regressiert worden. Weiter sei § 4 der Anlage I Ziffer 2 MVV-RL zu beachten gewesen. Danach
dürfe nicht substituiert werden, wenn und solange der Substitution medizinisch allgemein anerkannte Ausschlussgründe entgegenstünden,
beispielsweise eine primäre/hauptsächliche Abhängigkeit von anderen psychotropen Substanzen wie z.B. Benzodiazepinen. Gemäß
§ 8 der Anlage I Ziffer 2 MVV-RL sei die Substitution schließlich zu beenden, wenn eine Ausweitung und Verfestigung des Gebrauchs
von Suchtstoffen neben der Substitution vorliege. Daher hätte der Kläger Benzodiazepine wie Diazepam, Rivotril und Tranxilium
nicht neben der Methadonsubstitution verordnen dürfen. Anders sei dies nur, wenn die Verordnung besonders begründet und dokumentiert
werde. Das habe der Kläger nicht getan und hierzu auch im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht Stellung genommen.
Am 15.07.2008 hat der Kläger zunächst gegen die "Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein" und deren Bescheid
vom 07.07.2008 Klage erhoben. Hierzu hat er vorgetragen, ihm sei die Genehmigung erteilt worden, 100 und nicht nur 80 opiatabhängige
Versicherte zu substituieren. Weiter sei zu berücksichtigen, dass der Beigeladenen zu 1) durch die Verordnungen kein Schaden
entstanden sei. Die Versicherten wären - wenn nicht durch ihn, dann durch andere Vertragsärzte - substituiert worden. Darüber
hinaus bestreite er, rechtswidrig Benzodiazepine neben den Methadon-Substitutionen verordnet zu haben. Die Prüfungsstelle
habe nicht geklärt, ob in den betroffenen Fällen eine entsprechende Indikation bestanden habe, was der Fall gewesen sei. Er
habe die Medikamente verordnet, um Angstsyndrome zu behandeln und so den Drogenentzug zu unterstützen.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die AOK Rheinland/Hamburg sowie die KV Nordrhein zum Verfahren beigeladen (Beschluss vom 04.05.2009), dabei
allerdings offengelassen, ob es sich um eine einfache oder notwendige Beiladung handelt. Die Beigeladenen haben die Regresse
für zutreffend erachtet. Richtig sei zwar, dass Benzodiazepine in Ausnahmefällen auch an Substitutionspatienten verabreicht
werden dürften. Bei den Regressen sei allerdings darauf abgestellt worden, dass für die konkreten Verordnungen die erforderlichen
Begründungen und Dokumentationen fehlten. Im Übrigen solle die Verordnung von Benzodiazepinen gemäß Abschnitt J 36 der Arzneimittelrichtlinie
(AMR) grundsätzlich nicht länger als vier Wochen andauern. Diesen Zeitraum habe der Kläger überschritten.
Das SG hat den Kläger aufgefordert mitzuteilen, ob ihm für weitere, bisher nicht berücksichtigte Versicherte die Substitution genehmigt
worden sei. Darauf hat er nicht reagiert. Weiter hat das SG die den Kläger betreffende Akten der Staatsanwaltschaft C - 920 Js 169/08 R - beigezogen und die Klage als Widerspruch gegen den Bescheid der Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein
vom 07.07.2008 gewertet. Nach Anhörung der Beteiligten hat es das Verfahren bis zur Entscheidung des Beklagten über diesen
Widerspruch ausgesetzt (Beschluss vom 27.10.2011).
Der Beklagte hat den Widerspruch zurückgewiesen (Beschluss vom 13.02.2012 aus der Sitzung vom 22.11.2011). Zur Begründung
hat er ausgeführt, die Regresse aufgrund der Verordnungen von Methadon, Methadicct, L-Polamidon und Subutex sowie Diazepam,
Rivotril und Tranxilium seien zu bestätigen. Die nach der MVV-RL erforderlichen Anzeigen des Beginns und der Beendigung der
jeweiligen Substitution lägen nur für acht Versicherte der Beigeladenen zu 1) vor. Darüber hinaus habe der Kläger auch durch
die Verordnung von Medikamenten mit hohem Suchtpotential an substituierte Versicherte ohne entsprechende Begründung und Dokumentation
sowie über vier Wochen hinaus gegen die MVV-RL und Abschnitt J 36 AMR verstoßen.
Der Kläger ist im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Er hat sinngemäß beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom 13.02.2012 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage zurückzuweisen.
Er hat auf den streitbefangenen Bescheid Bezug genommen.
Die Beigeladenen haben keine eigenen Anträge gestellt.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15.01.2014). Dabei ist es der Argumentation des Beklagten sowie der Beigeladenen gefolgt.
Gegen das am 05.06.2014, einem Donnerstag, zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.07.2014, einem Dienstag, Berufung eingelegt.
Der Senat hat ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt (Beschluss vom 12.10.2015). Wegen der "Beiverordnung bei Opioid-Substitutionsbehandlung"
führt der Kläger zur Begründung der Berufung aus, dass diese Verordnung nicht verboten sei, sondern eine geeignete Behandlungsmethode
für psychische Begleiterkrankungen darstelle. Bezüglich der Substitution begehre er, die Revision unter "Umgehung des Berufungsinstanz"
zuzulassen.
Der Kläger ist im Termin zur mündlichen Verhandlung am 05.04.2017 nicht erschienen. Er beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des SG Düsseldorf vom 15.01.2014 abzuändern und den Beschluss vom 13.02.2014 aufzuheben, soweit er wegen der "Beiverordnung"
von Benzodiazepinen bei gleichzeitiger Opiatsubstitution regressiert worden ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Regress aufgrund der "Beiverordnung" von Benzodiazepinen sei rechtmäßig. Diese Verordnungen seien im konkreten Einzelfall
nicht indiziert gewesen. Auf die entsprechenden Fachinformationen werde verwiesen. Etwas anderes lasse sich weder dem Vorbringen
des Klägers im Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren noch aus anderen Quellen entnehmen. Soweit der Kläger die Zulassung der
Sprungrevision anstrebe, sei nicht das Landessozialgericht (LSG) zuständig, sondern das SG. Im Übrigen habe er - der Beklagte - dem Antrag nicht zugestimmt.
Die Beigeladenen haben keine eigenen Anträge gestellt.
Der Senat hat den vorliegenden Rechtsstreit von dem Verfahren L 11 KA 71/14 abgetrennt, in dem es um einen Regress für das Quartal IV/2006 geht (Beschluss vom 20.04.2016). Zudem hat er die AOK Rheinland/Hamburg
und die KV Nordrhein notwendig zum Verfahren beigeladen und den Antrag des Klägers auf Zulassung der Sprungrevision infolge
Unzuständigkeit als unzulässig verworfen (Beschlüsse vom 05.04.2017).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die Verwaltungsvorgänge
des Beklagten Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.