Gründe:
I. Die am 00.00.2011 geborene Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der Kosten einer
Kopforthesenbehandlung (Helmtherapie).
Sie leidet seit ihrer Frühgeburt und verstärkt durch anschließende krankheitsbedingte Lagerungen auf dem Rücken unter einer
Brachycephalie (Abflachung des Hinterkopfes) mit plagiozephalem Anteil (Asymmetrie des Kopfes). Ziel der begehrten Behandlung
ist eine Normalisierung der Kopfform durch dauerhaftes Tragen eines nach Maß angefertigten Kunststoffhelmes, wodurch der kindliche
Schädel in die - entsprechend des Kopfwachstums regelmäßig anzupassende - Form symmetrisch hineinwachsen soll.
U.a. unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung des Oberarztes der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des St. K Hospital
C, Dr. I, vom 20.09.2011 und eines Kostenvoranschlages eines Sanitätshauses vom 21.09.2011 in Höhe von 1.623,44 EUR beantragte
die Antragstellerin die Kostenübernahme der Therapie zur Abwehr von Folgeschäden am Haltungs- und Bewegungsapparat. Nach Einholung
einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Westfalen-Lippe lehnte die Antragsgegnerin die Kostenübernahme
mit Bescheid vom 10.10.2011 ab. Die Wirkung einer Kopforthese sei bislang nicht ausreichend getestet und nachgewiesen. Alternativ
wurden eine konsequente Umlagerungstherapie, Förderung der Vertikalisierung, Abänderung der häuslichen Wohn- und Schlafsituation
sowie entsprechende physiotherapeutische/chiropraktische Maßnahmen vorgeschlagen. Hiergegen legte die Antragstellerin am 13.10.2011
Widerspruch ein.
Am gleichen Tag hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen (u.a.) unter Vorlage einer eidesstattlichen Erklärung ihrer Mutter über ihren Krankheitsverlauf sowie einer
Stellungnahme des Arztes für Kinder- und Jugendmedizin Dr. B einen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt. Bei der Kopfverformung
handele es sich um eine behandlungsbedürftige Krankheit. Die beantragte Behandlung sei notwendig. Es seien sämtliche Behandlungsmethoden
und Varianten angewandt und ohne Erfolg durchgeführt worden. Eine besondere Eile sei geboten, da Umformungen eines Kopfes
maximal bis zum 13. Lebensmonat möglich seien. In vergleichbaren Fällen habe die Antragsgegnerin in der Vergangenheit die
Kosten für eine solche Behandlung übernommen. Nachgehend hat die Antragstellerin vorgetragen: Ihren Eltern sei es gelungen,
die Ärzte davon zu überzeugen, die Behandlung zu beginnen, weil sie - ihre Eltern - in Aussicht gestellt hätten, sich darlehensweise
Gelder von Verwandten und Bekannten geben zu lassen, um wenigstens einen gewissen Betrag leisten zu können. Zahlungen an das
Sanitätshaus seien bisher nicht erfolgt. Es sei nicht sichergestellt, dass die Gelder ausreichten, um die Behandlung, für
die bislang 150,00 EUR gezahlt worden sei, zu bezahlen.
Die Antragstellerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Kosten für eine Kopforthesenbehandlung zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragstellerin habe keinen Anordnungsanspruch. Zum Einsatz von Kopforthesen habe der medizinische Dienst der Spitzenverbände
der Krankenkassen im September 2005 eine umfassende Bewertung vorgenommen. Diese habe gezeigt habe, dass auf Basis randomisierter
und mit Schwächen behafteter Studien hinsichtlich der Beeinflussung der Schädeldeformität zwar positive Behandungsergebnisse
erzielt worden seien; das könne jedoch auch durch konsequente Lagerungsbehandlungen und andere etablierte Behandlungen erreicht
werden. Bislang gebe es keine gesicherten Richtlinien zur Indikation, Durchführung und Nachweis der Überlegenheit gegenüber
konservativen Vorgehensweisen. Der therapeutische Nutzen sei, auch in Hinblick auf Spätschäden, nicht durch Studien mit der
nötigen Evidenz belegt. Insbesondere sei nicht ausreichend untersucht, ob überhaupt bzw. ab welchem Ausmaß einer Schädeldeformität
ein Krankheitswert zukomme. Ungeachtet dessen handele es sich um eine sogenannte neue Behandlungsmethode, deren Bewertung
durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) bisher nicht erfolgt sei.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 14.12.2011 abgelehnt. Die Kopforthesenbehandlung sei als neue Behandlungsmethode - noch
- nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung. Es könne daher nach summarischer Prüfung nicht festgestellt werden,
dass die Antragstellerin in der Hauptsache Erfolg hätte. Auch liege kein Anordnungsgrund vor, da die Antragstellerin zwischenzeitlich
mit der angepassten Kopforthese versorgt worden sei und die Behandlung derzeit ohne Vorschussansprüche durchgeführt werde.
Die entsprechende Zahlungsverpflichtung der Antragstellerin als solche könne die Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung,
die das Ergebnis der Hauptsache vorwegnehme, allein nicht rechtfertigen.
Gegen diese erstinstanzliche Entscheidung wendet sich die Antragstellerin sich ihrer am 05.01.2012 eingelegten Beschwerde.
Sie vertrete weiterhin die Auffassung, dass sie einen Anspruch auf Kostenübernahme habe. Allein die Tatsache, dass die Behandlung
bereits deutliche Erfolge gezeigt habe, belege wie notwendig die Behandlung sei. Zudem führe der Umstand, dass die Kosten
in vergleichbaren Fällen übernommen worden seien, zu einer Ungleichbehandlung. Zudem sei auch Eilbedürftigkeit gegeben, da
die Bezahlung weiterhin nicht sichergestellt sei.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Antragsgegnerin unter Abänderung des Beschlusses des SG Gelsenkirchen vom 14.12.2011 zu verpflichten, die Kosten für eine
Kopforthesenbehandlung zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,
die Beschwerde abzuweisen.
Sie verweist auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang
der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II. Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin
vom 10.10.2011 ist nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung rechtmäßig. Der Antragstellerin
steht der geltend gemachte Anordnungsanspruch nicht zu.
Nach §
86b Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) können einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erfolgen,
wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind
insoweit glaubhaft zu machen (§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 der
Zivilprozessordnung). Das einstweilige Rechtsschutzverfahren dient vorläufigen Regelungen. Nur wenn dies zur Gewährung einstweiligen Rechtschutzes
schlechterdings notwendig ist, d. h. wenn die sonst zu erwartende Nachteile für den Antragsteller/in unzumutbar wären und
ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht, weil dem Rechtschutzsuchenden ein bestimmter
Anspruch zusteht, ist ausnahmsweise die Vorwegnahme der Hauptsache, wie sie hier von der Antragstellerin begehrt wird, im
vorläufigen Rechtsschutzverfahren zulässig (vgl. hierzu Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Auflage 2012, §
86b Rdn. 31 m.w.N.).
Ein solch hoher Grad an Wahrscheinlichkeit ist indes zu verneinen. Das SG hat zu Recht die Auffassung vertreten, dass die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch hat. Zur Begründung bezieht sich
der Senat entsprechend §
153 Abs.
2 SGG auf die zutreffenden erstinstanzlichen Entscheidungsgründe, denen er sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage vollinhaltlich
anschließt.
Das Vorbringen der Antragstellerin erschöpft sich in einer Wiederholung ihrer bisherigen Begründung und rechtfertigt keine
andere Entscheidung des Senats. Lediglich ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
Gemäß §
27 Abs.
1 S. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (
SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Senat lässt es dahin stehen, ob die Schädeldeformität
an sich Krankheitswert hat, der mit der Helmtherapie wirksam begegnet werden kann (vgl. insofern etwa zu den unterschiedlichen
Auffassungen von Kinderärzten Funke und Biedermann, Plagiozephalus bei Säuglingen: Diagnostik, Relevanz -Therapie in Zeitschrift
des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte e.V. 2010 S. 437 und 724, www.kinder-undjugendarzt.de). Der Behandlungs- und
Versorgungsanspruch gegen die gesetzliche Krankenversicherung unterliegt jedenfalls den sich aus §§
2 Abs.
1 und
12 Abs.
1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Die Leistungen müssen hiernach ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein, sie dürfen das
Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Qualität und Wirksamkeit haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen
Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Die Krankenkassen sind hingegen nicht bereits
dann zur Leistung verpflichtet, wenn die streitige Therapie nach eigener Einschätzung des Versicherten bzw. - wie hier - seiner
gesetzlichen Vertreter oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben.
Vielmehr muss die Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sein. Dies ist
bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß §
135 Abs.
1 S. 1
SGB V nur der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach §
92 Abs.
1 S. 2 Nr.
5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Denn durch Richtlinien
nach §
92 Abs.
1 S. 2 Nr.
5 SGB V wird geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs-
und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen und damit der Umfang der den Versicherten
von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (ständige Rechtsprechung u.v.a. Bundessozialgericht
(BSG), Urteil vom 16.09.1997 - 1 RK 28/95 -). Eine solche Empfehlung des GBA liegt (bislang) indes nicht vor (vgl. www.g-ba.de).
Ein Ausnahmefall, in dem trotz fehlender Empfehlung eine neuartige Therapie nach gesetzlicher Konzeption beansprucht werden
kann, ist ebenso nicht gegeben. Denn die Voraussetzungen des sog. Systemversagens werden nicht erfüllt. Anhaltspunkte dafür,
dass die fehlende Anerkennung der Helmtherapie darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der
für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde,
bestehen nicht und werden auch nicht geltend gemacht.
Auch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgericht vom 06.12. 2005 - 1 BvR 347/98 - kann die Antragstellerin keinen Anspruch herleiten. Danach ist es mit den Grundrechten aus Art.
2 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art.
2 Abs.
2 Satz 1
GG nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine
allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende medizinische Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung
einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht
auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Auch diese Voraussetzungen liegen
erkennbar nicht vor.
Nach alledem hat die Beschwerde der Antragstellerin keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§
177 SGG).