Statthaftigkeit der Beschwerde gegen einen Beschluss über die Streitwertfestsetzung im sozialgerichtlichen Verfahren; Maßgebender
Zeitpunkt für die maßgebende Wertberechnung
Gründe
I.
Umstritten ist die Höhe des Streitwerts für das Klageverfahren S 8 KA 218/09 bzw S 8 KA 232/12 (Sozialgericht - SG - Mainz).
Der Kläger ist zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung auf Überweisung ua durch fachärztliche Internisten ermächtigt.
Durch Bescheid vom 17.2.2009 und Widerspruchsbescheid vom 10.9.2009 entschied die Beklagte über eine sachlich-rechnerische
Richtigstellung der Abrechnung der vom Kläger im Quartal IV/2008 erbrachten vertragsärztlichen Leistungen, soweit es um Behandlungen
auf Überweisung durch hausärztliche Internisten ging.
Am 6.10.2009 hat der Kläger Klage erhoben (S 8 KA 218/09) und in seinem Schriftsatz vom 2.10.2009 den Streitwert mit 16.658,07 EUR beziffert. Mit Schriftsatz vom 18.12.2009 hat er
beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu verurteilen, die "abgerechneten Infusionstherapien
(EBM-Ä-Nr 02101)" in Höhe von 13.571,85 EUR zu vergüten. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht (SG) Mainz am 30.3.2011 haben sich die Beteiligten vergleichsweise darauf geeinigt, dass die Beklagte den angegriffenen Bescheid
dahingehend abändern werde, dass die Hälfte des Betrages der sachlich-rechnerischen Berichtigung gestrichen werde, und sich
"somit" verpflichtete, an den Kläger 8.329,-- EUR auszuzahlen. Durch Beschluss vom 3.5.2011 hat das SG den Streitwert für das Verfahren S 8 KA 218/09 auf 13.571,85 EUR festgesetzt. Der Senat hat die hiergegen vom Kläger eingelegte Beschwerde durch Beschluss vom 6.9.2011
(L 5 KA 48/11 B) zurückgewiesen.
Mit Schreiben an den Kläger vom 12.7.2011 hatte die Beklagte zuvor den am 30.3.2011 geschlossenen Vergleich wegen Irrtums
angefochten und vor dem SG vorgetragen: Aus dem Bescheid vom 17.2.2009 ergebe sich eindeutig, dass sie ausschließlich Berichtigungen nach der Nr 02101
EBM-Ä vorgenommen habe; Anhaltspunkte dafür, dass sie daneben Kosten für Infusionen zurückfordern könnte, ergäben sich aus
diesem Bescheid nicht; der Streitwert belaufe sich daher nur auf knapp 200,-- EUR. Das Klageverfahren vor dem SG ist daraufhin unter dem Aktenzeichen S 8 KA 232/12 fortgeführt worden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung beim SG am 11.12.2013 haben sich die Beteiligten darauf geeinigt, dass die Beklagte den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern
werde, dass sie an den Kläger 100,-- EUR auszuzahlen habe; der Kläger und die Beklagte trügen jeweils die Hälfte der Kosten
des Verfahrens.
Durch Beschluss vom 16.12.2013 hat das SG Mainz den Beschluss vom 3.5.2011 gemäß §
197a Abs
1 Satz 1 1. Halbsatz
SGG i.V.m. § 63 Abs 3 Gerichtskostengesetz (GKG) abgeändert und den Streitwert für den Zeitraum vom 6.10.2009 bis zum 27.12.2009 auf 16.658,07 EUR, für den Zeitraum vom
28.12.2009 bis zum 10.12.2013 auf 13.571,85 EUR und für den 11.12.2013 auf 204,03 EUR festgesetzt. Gegen diesen Beschluss
richtet sich die am 16.1.2014 eingelegte Beschwerde des Klägers, welcher das SG nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfebeschluss vom 28.2.2014). Zur Begründung hat das SG angeführt, wie sich aus der Niederschrift vom 11.12.2013 ergebe, seien sich die Beteiligten darüber einig gewesen, dass zuvor
von einer falschen Regresssumme ausgegangen worden sei und diese nicht mehr Grundlage des Vergleichsabschlusses sein solle.
Der Kläger trägt vor: Die Beschwerde richte sich allein gegen die Festsetzung des Streitwerts für den 11.12.2013. Der Streitwert
sei insoweit auf 8.329,-- EUR festzusetzen. Er, der Kläger, habe noch im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11.12.2013 an
seiner Rechtsauffassung festgehalten, dass er aufgrund des formalen Vergleichsabschlusses vom 30.3.2011 einen Anspruch auf
Zahlung von 8.329,-- EUR gegen die Beklagte habe; nur vergleichsweise sei er aus übergeordneten Gründen bereit gewesen, den
Anspruch auf 100,-- EUR zu reduzieren.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 68 Abs 1 GKG). Nach § 68 Abs 1 Satz 1 GKG findet gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Abs 2 GKG), die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- EUR übersteigt. Diese Voraussetzung ist erfüllt.
Ob die Grenze von 200,-- EUR überschritten ist, richtet sich nach dem Unterschied der Höhe der Gerichtsgebühren ausgehend
von dem Antrag des Beschwerdeführers gegenüber der erstinstanzlichen Festsetzung. Wenn der Beschwerdeführer anwaltlich vertreten
war, ist die Differenz der Gebühren des Anwalts (zuzüglich Mehrwertsteuer) hinzurechnen (Binz/Dörndorfer, GKG, FamGK, JVEG, 3. Auflage 2014, § 68 GKG Rn 6). Ausgehend davon überschreitet der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- EUR (vgl Schriftsatz des Klägers vom 4.9.2014),
wie zwischen den Beteiligten zu Recht nicht umstritten ist.
Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet. Der Streitwert für den 11.12.2013 ist antragsgemäß auf 8.329,-- EUR festzusetzen;
der angefochtene Beschluss ist insoweit abzuändern. Der Streitwert richtet sich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für
ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach dem Ermessen des Gerichts (§ 52 Abs 1 GKG). Für die Wertberechnung ist nach § 40 GKG der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend. Wird der Verfahrensgegenstand verändert,
ändert sich ab diesem Zeitpunkt der Gebührenwert (LSG Rheinland-Pfalz 25.8.2011 L 5 KA 38/11 B, unveröffentlicht; Oberlandesgericht - OLG Thüringen 27.4.2012 1 WF 199/12, [...] Rn 28). Die Änderung ist dann grundsätzlich mit dem Zeitpunkt des Eingangs des Antrags, der den veränderten Verfahrensgegenstand
enthält, bei Gericht erfolgt (vgl OLG Thüringen aaO, [...] Rn 29). Vorliegend hat sich indes der Streitgegenstand am 11.12.2013
nicht verändert. Vor dem an diesem Tag geschlossenen (abgeänderten) Vergleich hatte der Kläger noch eine weitere Vergütung
von 8.329,-- EUR begehrt, welche die Beklagte in Hinblick auf ihre Anfechtung des am 30.3.2011 geschlossenen Vergleichs nicht
zahlen wollte. Der Vergleichsabschluss hat nicht zu einer Herabsetzung dieses Wertes des Verfahrensgegenstandes von 8.329,--
EUR geführt. Insoweit kann nämlich nichts anderes gelten, als wenn ein abschließendes Urteil zu einem Teilerfolg des Klägers
geführt hätte, wodurch sich der Streitwert ebenfalls nicht reduziert hätte.
Der Senat ist nicht befugt, die Festsetzung des Streitwerts für das Verfahren S 8 KA 232/12 insoweit von Amts wegen zu ändern, als der Streitwert für den Zeitraum vom 31.3.2011 bis zum 10.12.2013 nur 8.329,-- EUR
beträgt. Nach § 63 Abs 3 Satz 1 Nr 2 GKG kann das Rechtsmittelgericht zwar die Streitwertfestsetzung von Amts wegen ändern, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache
oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Eine Änderung ist aber nach § 63 Abs 3 Satz 2 GKG nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren
sich anderweitig erledigt hat. Da sich das Klageverfahren S 8 KA 232/12 am 11.12.2013 durch Vergleich erledigt hat, ist wegen Ablaufs der Sechsmonatsfrist eine Abänderung der Streitwertfestsetzung
nach § 63 Abs 3 GKG ausgeschlossen.
Die Gebührenfreiheit des Beschwerdeverfahrens und die Kostenentscheidung folgen aus § 68 Abs 3 GKG.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Bundessozialgerichts nicht zulässig (§ 68 Abs 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs 3 Satz 3 GKG).