Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Krankengeld über den 18. Februar 2011 hinaus bis zum 20. November
2011 hat.
Der Kläger war seit mehreren Jahren immer im Sommerhalbjahr bei einer Firma beschäftigt, die Dachbeschichtungen ausführt.
Zuletzt stand er dort als Dachdecker (-helfer) vom 1. April bis zum 8. August 2010 in einem sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnis.
Am 24. Mai 2010 erkrankte der Kläger arbeitsunfähig wegen eines Polytraumas aufgrund eines Motorradunfalls. Nach Ablauf der
Entgeltfortzahlung leistete die Beklagte Krankengeld. Mit Schreiben vom 23. Juli 2010 kündigte der Arbeitgeber des Klägers
diesem das Arbeitsverhältnis zum 8. August 2010, da der Kläger infolge der erlittenen schweren Verletzungen zukünftig nicht
mehr in der Lage sein würde, seinen Beruf auszuüben, ohne sich und andere in Gefahr zu bringen. Der Kläger wurde vom 24. Mai
bis 16. Juni 2010 sowie vom 15. Juli bis 27. Juli 2010 stationär im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus K___,
behandelt. Vom 27. Juli 2010 bis 21. August 2010 befand er sich zur Anschluss-Rehabilitation in der Reha-Klinik in D___. Die
Beklagte wies den Kläger am 31. August 2010 schriftlich auf die Notwendigkeit einer lückenlosen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
sowie auf die Folgen einer verspäteten Feststellung hin. Die Bescheinigungen für Krankengeldzahlung enthalten ebenfalls entsprechende
Hinweise. Die Hausärzte des Klägers M_____ und S________ attestierten am 18. Januar 2011 das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit
auf der Bescheinigung für die Krankengeldzahlung "b.a.w.". Der Kläger sei noch arbeitsunfähig und noch behandlungsbedürftig.
Als nächster Praxisbesuch war der 18. Februar 2011 (Freitag) vorgesehen. Erst am 21. Februar 2011 stellten die Ärzte die weitere
Arbeitsunfähigkeit des Klägers fest. Mit Bescheinigung für die Krankengeldzahlung vom selben Tage attestierten sie, dass der
Kläger noch arbeitsunfähig sei. Das Feld "ggf. voraussichtlich bis" wurde nicht ausgefüllt. Der nächste Praxisbesuch wurde
für den 21. März 2011 festgelegt. Weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen liegen nicht vor.
Mit Bescheid vom 25. Februar 2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine Krankengeldzahlung bis zum 18. Februar 2011
erfolgen könne und das bisherige Versicherungsverhältnis an diesem Tage ende. Zur Prüfung eines Anspruchs auf Krankengeld
im Rahmen eines nachgehenden Leistungsanspruchs für die am 21. Februar 2011 festgestellte Arbeitsunfähigkeit bat die Beklagte
den Kläger, einen beigefügten Fragebogen auszufüllen und zurückzusenden.
Am 9. März 2011 erhielt die Beklagte ein Attest der Hausärzte des Klägers vom selben Tage. In diesem teilten sie mit, dass
der Kläger am 18. Februar 2011 bettlägerig erkrankt gewesen sei. Die Bescheinigung für die Krankengeldzahlung habe daher erst
am 21. Februar 2011 ausgestellt werden können. Auf telefonische Nachfrage der Beklagten teilte die Hausarztpraxis mit, dass
der Kläger den vereinbarten Termin wegen Bettlägerigkeit telefonisch abgesagt habe. Eine ärztliche Untersuchung habe deshalb
nicht stattgefunden. Nach dem 18. Januar 2011 habe der Kläger sich wieder am 21. Februar 2011 in der Praxis vorgestellt. Mit
Schreiben vom 24. März 2011 bestätigte die Arztpraxis, dass der Kläger den Termin aus Krankheitsgründen abgesagt habe.
Mit Bescheid vom 24. März 2011 lehnte die Beklagte nochmals nach Überprüfung des Sachverhalts eine weitere Zahlung von Krankengeld
über den 18. Februar 2011 hinaus ab. Der Kläger habe den Termin am 18. Februar 2011 selbst abgesagt. Es sei eine Obliegenheit
des Versicherten, die Arbeitsunfähigkeit ärztlich feststellen zu lassen. Die Folgen einer nicht rechtzeitigen Feststellung
seien vom Versicherten zu tragen. Der Kläger sei über die Folgen einer nicht rechtzeitig festgestellten Arbeitsunfähigkeit
im Vorwege informiert worden. Die Mitgliedschaft habe ebenfalls am 18. Februar 2011 geendet.
Mit Attest vom 25. März 2011 führten die Hausärzte aus, dass es unsinnig sei, den Polytrauma-Patienten für drei Tage gesundschreiben
zu wollen. Der Kläger habe den Termin am 18. Februar 2011 wegen Bettlägerigkeit abgesagt. Mit Schreiben vom 31. März 2011
legte der Kläger gegen den Bescheid vom 24. März 2011 Widerspruch ein. Er habe aus Krankheitsgründen und daher unverschuldet
am 18. Februar 2011 den Termin beim Hausarzt nicht wahrnehmen können. Am 11. April 2011 beantragte der Kläger den Erlass einer
einstweiligen Anordnung, der mit Beschluss vom 27. April 2011 durch das Sozialgericht Schleswig abgelehnt wurde. Ein Ausnahmefall
für eine unterbliebene frühere Feststellung von Arbeitsunfähigkeit liege nicht vor. Nach den bekannten Umständen hinderten
den Kläger weder Handlungs- noch Geschäftsunfähigkeit, die Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig vor Ablauf des 18. Februar 2011
feststellen zu lassen. Der Kläger sei erkrankt gewesen. Dass es ihm nicht möglich gewesen sei, in einer Arztpraxis zu erscheinen,
sei nicht ersichtlich. Die Beklagte habe mehrfach auf die Notwendigkeit der Arztvorstellung spätestens am letzten Tag der
vorhergehenden Arbeitsunfähigkeit hingewiesen. Mit Telefax vom 17. Mai 2011 teilte der Kläger mit, er habe am 18. Februar
2011 wegen Fiebers (über 39 Grad) das Bett nicht verlassen können. Dieser Umstand könne ihm nicht angelastet werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Versicherte hätten Anspruch
auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig mache (§
44 SGB V). Der Anspruch auf Krankengeld entstehe von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung folge (§
46 Satz 1 Nr. 2
SGB V). Die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger bleibe erhalten, solange Anspruch auf Krankengeld bestehe (§
192 Abs.
1 Nr.
2 SGB V). Bei einem Versäumnis des Versicherten, die Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig durch einen Arzt feststellen zu lassen, entstehe
der Anspruch auf Krankengeld erst mit dem auf die ärztliche Feststellung folgenden Tag. Der Versicherte habe dann keinen Krankengeldanspruch
für die vorausgehenden Tage seiner Arbeitsunfähigkeit. Der tatsächliche Beginn der Arbeitsunfähigkeit sei für das Entstehen
des Anspruchs und damit auch für die Dauer der Krankengeldzahlung insoweit unbeachtlich. Die Arbeitsunfähigkeit müsse jeweils
erneut vom Arzt festgestellt werden. Bei jeder erneuten Arbeitsunfähigkeit entstehe der Anspruch jeweils von dem Tage an,
der auf den Tag der ärztlichen Feststellung folge. Das Bundessozialgericht habe an den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit hohe
Anforderungen geknüpft. Das Erfordernis einer ununterbrochenen Krankschreibung durch einen Arzt sei eine allgemeinkundige
Obliegenheit des Versicherten gegen sich selbst. Krankenkassen seien nicht verpflichtet, hierbei von Amts wegen zu beraten.
Dies gelte auch, wenn das Ende der Mitgliedschaft drohe. Grundvoraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld sei die ärztliche
Feststellung von Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit. Das bloße Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit genüge nicht. Das bei Entstehen
eines Krankengeldanspruchs bestehende Versicherungsverhältnis bestimme, wer in welchem Umfang als Versicherter Anspruch auf
Krankengeld habe. Der nahtlose Bezug von Krankengeld setze voraus, dass spätestens am letzten Tag, für den zunächst Arbeitsunfähigkeit
bescheinigt sei, eine Attestierung über das Weiterbestehen von Arbeitsunfähigkeit ausgestellt werde. Eine Feststellungslücke
auch für das Wochenende führe zur Beendigung einer nach §
192 SGB V weiter bestehende Mitgliedschaft. Ein Anspruch auf Krankengeld für diese Feststellungslücke bestehe nicht. Der Anspruch auf
Krankengeld für die verspätet festgestellte Arbeitsunfähigkeit richte sich dann nach dem dann gegebenenfalls bestehenden Versicherungsverhältnis.
Eine ausnahmsweise rückwirkende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sei nur zulässig, wenn die rechtzeitige Feststellung oder
Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch gravierende Tatbestände verhindert oder verzögert worden sei, die den Betroffenen in
die Lage versetzt hätten, den nächsten Behandlungstermin nicht wahrnehmen zu können. Das sei beispielsweise bei Handlungs-
oder Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen anzunehmen. Vorliegend zeige die Tatsache, dass eine telefonische Absage möglich
gewesen sei, dass Handlungsfähigkeit vorliege. Einen ausreichenden Grund, warum die Arbeitsunfähigkeitsfeststellung nicht
spätestens am 18. Februar 2011 erfolgt sei, habe der Kläger nicht benannt. Wenn der Kläger der Überzeugung gewesen sei, weiter
arbeitsunfähig zu sein, hätte er dies durch eine fortwährende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nachweisen müssen. Dieser
Obliegenheitspflicht sei der Kläger nicht nachgekommen. Über das Erfordernis einer nahtlosen Feststellung von Arbeitsunfähigkeit
und den Folgen einer verspäteten Feststellung sei der Kläger am 31. August 2010 schriftlich informiert worden. Entsprechende
Hinweise fänden sich auch auf den Bescheinigungen für die Krankengeldzahlung. Da der Kläger für die Zeit vom 19. Februar 2011
bis 21. Februar 2011 keinen Anspruch auf Krankengeld gehabt habe, habe die bisherige Mitgliedschaft auch nicht gemäß §
192 Abs.
1 Nr.
2 SGB V erhalten bleiben können. Aus der Familienversicherung (§
44 Abs.
2 Nr.
1 SGB V) bzw. aus der Versicherung als Rentenantragsteller habe der Kläger keinen Anspruch auf Krankengeld. Auch nachgehende Leistungsansprüche
würden wegen des bestehenden Versicherungsschutzes ausscheiden. Aus medizinischer Sicht sei der Kläger sicherlich auch über
den 18. Februar 2011 hinaus weiter arbeitsunfähig erkrankt gewesen.
Hiergegen hat der Kläger am 4. November 2011 Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben und zur Begründung sein bisheriges
Vorbringen wiederholt. Er sei nach wie vor arbeitsunfähig.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24. März 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2011
zu verpflichten, ihm vom 19. Februar 2011 bis zum 20. November 2011 weiterhin Krankengeld zu gewähren und ihn als Mitglied
nach §
192 Abs.
1 Nr.
2 SGB V zu führen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihr bisheriges Vorbringen verwiesen und geltend gemacht, dass das Urteil des Bundessozialgerichts vom 10. Mai
2012 (B 1 KR 20/11 R) im vorliegenden Fall nicht einschlägig sei. Mit diesem Urteil habe das Bundessozialgericht lediglich in dem ihm vorliegenden
Einzelfall entschieden, dass eine zeitlich nicht befristet festgestellte Arbeitsunfähigkeit ausreiche, um die Voraussetzung
"Feststellung der Arbeitsunfähigkeit" im Sinne von §
46 SGB V zu erfüllen. Aus der Urteilsbegründung werde jedoch nicht deutlich, in welcher Form der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit in
dem dem Bundesozialgericht vorliegenden Fall erbracht worden sei. Es sei anzumerken, dass es sich hierbei um eine formlose
ärztliche Bescheinigung gehandelt habe. Im vorliegenden Fall habe der behandelnde Arzt dagegen auf der Bescheinigung für die
Krankengeldzahlung (Mustervordruck 17) am 18. Januar 2011 als voraussichtliches Arbeitsunfähigkeits-bis-Datum "a.u." eingetragen
und als letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit "b.a.w." vermerkt. Der nächste Vorstellungstermin sei für den 18. Februar 2011
vorgesehen gewesen. Die nächste Bescheinigung für die Krankengeldzahlung sei am 21. Februar 2011 ausgestellt worden. Zur weiteren
Arbeitsunfähigkeit werde lediglich dessen Vorliegen durch ein Ankreuzfeld bestätigt und keine weitere Prognose abgegeben.
Darüber hinaus lägen keine weiteren Arbeitsunfähigkeitsnachweise vor. Die vertragsärztliche Versorgung sei unter Beachtung
der gesetzlichen Bestimmungen, Richtlinien und Verträge zu erbringen. Die vertragsärztliche Versorgung umfasse neben der ärztlichen
Behandlung u. a. das Ausstellen von Bescheinigungen. Der Bundesmantelvertrag-Ärzte verweise auf die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien.
Darin werde in den §§ 5 und 6 differenziert nach der Entgeltfortzahlungsphase und dem sich anschließenden Krankheitsverlauf
auf die Mustervordrucke 1 und 17 verwiesen. In den Erläuterungen zur Vordruckvereinbarung unter Allgemeines (Ziffer 5) werde
darauf hingewiesen, dass die Vordrucke vom Vertragsarzt u. a. vollständig auszufüllen seien. Dies werde im weiteren Verlauf
zu Muster 1 und Ziffer 6 dahingehend konkretisiert, dass die Daten sechsstellig im Format TTMMJJ anzugeben seien, damit missbräuchliche
Änderungen verhindert würden. Deshalb liege hier bei vertragsärztlicher Behandlung und Nutzung der Mustervordrucke mit dem
Eintrag "b.a.w." eine Vertragsverletzung vor. Darüber hinaus sei der Kläger im bisherigen Krankheitsverlauf mehrfach darauf
hingewiesen worden, dass die ausführliche Beantwortung der Fragen auf dem Mustervordruck für die Prüfung des weiteren Krankengeldanspruchs
von grundsätzlicher Bedeutung sei. Eine "formlose" Bescheinigung, die z. B. auf dem Briefbogen des Arztes und gegebenenfalls
aus besonderem Anlass erstellt werde, auf der Diagnosen stünden usw., habe demgegenüber einen ganz anderen Beweiswert. Die
Bescheinigung für die Krankengeldzahlung erfülle diesen Tatbestand nicht. Es werden gemäß § 6 Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien
retrospektiv eine Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen. Gerade durch die regelmäßige Nutzung der Bescheinigung für die Krankengeldzahlung
dokumentiere der Arzt bewusst, dass Arbeitsunfähigkeit nur für jeweils kurze überschaubare Zeiträume festgestellt werde. Die
hier strittige Bescheinigung auf dem Auszahlungsschein sei also nicht gleichzusetzen mit einer Bescheinigung, die vermutlich
die Grundlage des vor dem Bundessozialgericht verhandelten Falls gewesen sei. Wolle der Arzt anderes dokumentieren, müsse
er bewusst ein Attest schreiben. Zudem sei nicht zwangsläufig der ärztliche Sprachgebrauch "b.a.w." auf dem Auszahlungsschein
gleichzusetzen mit einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung, wie sie offenbar im bundessozialgerichtlichen Verfahren
streitgegenständlich gewesen sei. Dort sei konkret auf den Einzelfall bezogen formuliert worden, dass der Wiedereintritt der
Arbeitsunfähigkeit nicht absehbar sei, zumal sich alles noch verschlechtert habe. Gemäß Duden werde "bis auf Weiteres" umgangssprachlich
auch mit "erstmal" gleichgesetzt. Folge man der Auffassung des Gerichts, hätten es die Versicherten in der Hand, nach dem
Erhalt der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bzw. der Bescheinigung für die Krankengeldzahlung mit dem Hinweis "b.a.w." sich
der weiteren Behandlung und weiteren Arbeitsunfähigkeitsprognosen zu entziehen und somit stets und schlimmstenfalls sogar
bei einem "Schnupfen" eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeitsprognose zur Erlangung von Krankengeld zu erhalten. Die Beschränkung
der Arbeitsunfähigkeitsdauer würde somit dem MDK übertragen, der seiner Bestimmung nach jedoch lediglich die Bewertung des
Arztes beurteile und nicht selbst die Arbeitsunfähigkeit feststelle. Das hieraus resultierende Verwaltungsverfahren würde
der Vorgabe zügiger Leistungsentscheidung entgegenwirken. Jedenfalls lägen der Beklagten auch in dem hier zu entscheidenden
Fall keine weiteren Arbeitsunfähigkeitsnachweise vor. Auch die Deutsche Rentenversicherung erkenne offenbar ein Leistungsvermögen
des Versicherten, da der Rentenantrag zunächst abgelehnt worden sei.
Mit Urteil vom 29. Januar 2013 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 19. Februar 2011 bis zum 20.
November 2011 Krankengeld zu gewähren und ihn als Mitglied nach §
192 Abs.
1 Nr.
2 SGB V zu führen.
Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt:
"Versicherte haben nach §
44 Abs.
1 Satz 1
SGB V Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Anspruch entsteht gemäß §
46 Abs.
1 Nr.
2 SGB V von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Nach § 48 Abs. 1 SGB Verhalten
Versicherte Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Erkrankung jedoch für
78 Wochen innerhalb von je drei Jahren.
Unter Berücksichtigung dieser gesetzlichen Bestimmungen hat der Kläger wegen seiner seit dem 24.05.2010 bestehenden Arbeitsunfähigkeit
Anspruch auf Krankengeld seit Beendigung der Entgeltzahlung zum 4.7.2010, also vom 5.7.2010 bis zum Ende der Höchstbezugsdauer
am 20.11.2011. Es ist unstreitig, dass der Kläger in der fraglichen Zeit weiterhin arbeitsunfähig erkrankt war. Dies ergibt
sich auch aus dem vom Kläger eingereichten Gutachten der R______ aus 07/2012.
Der Anspruch auf Krankengeld entfällt auch nicht deshalb, weil der Kläger nach der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit mit
Bescheinigung vom 18.1.2011 erst wieder am 21.2.2011 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von seinem Arzt hatte ausstellen
lassen, obwohl nächster Praxistermin der 18.2.201 f gewesen war.
Ein Anspruch auf Krankengeld setzt zwar grundsätzlich voraus, dass der Versicherte die Arbeitsunfähigkeit vor Inanspruchnahme
auf Krankengeld angezeigt hat (Bundessozialgericht, Urteil v. 8.11.2005, B 1 KR 30/04 R; zitiert nach [...]). Dies gilt auch bei Fortzahlung des Krankengeldes nach dem Ablauf der vorherigen Befristung der Krankschreibung
(Bundessozialgericht, Urteil v. 8.2.2000, B 1 KR 11/99 R, zitiert nach [...]). Bei der Meldung der Arbeitsunfähigkeit handelt es sich um eine Obliegenheit des Versicherten. Die Folgen
einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Meldung sind grundsätzlich von ihm zu tragen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat deshalb in ständiger Rechtsprechung die Gewährung von Krankengeld bei verspäteter Meldung selbst dann ausgeschlossen,
wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben waren und dem Versicherten keinerlei Verschulden an dem
unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung zur Last gelegt werden konnte. Nur in den Fällen, in denen die
Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verzögert wurde, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse und nicht dem
des Versicherten zuzurechnen sind, hat das Bundessozialgericht hiervon eine Ausnahme gemacht (vgl. Bundessozialgericht, Urteil
v. 30.6.2009, B 1 KR 22108 R; zitiert nach [...]).
Der Kläger ist jedoch seiner diesbezüglichen Obliegenheit nachgekommen. Mit Folgebescheinigung vom 18.1.2011 wurde die Arbeitsunfähigkeit
des Klägers ab diesem Zeitpunkt weiterhin durch den behandelnden Arzt festgestellt. Anspruch auf Krankengeld entsteht nach
§
46 Satz 1 Nr. 2
SGB V von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Dem Kläger wurde hier bescheinigt,
dass Arbeitsunfähigkeit weiterhin .b. a. w.", d. h. bis auf weiteres bestehe. Der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit
war somit nicht absehbar. Die zeitlich weit über den 18.2.2011 hinausreichende Bescheinigung des (Vertrags-)Arztes ist nicht
etwa deshalb unbeachtlich, weil die Beklagte entschied, die Krankengeldzahlung an den Kläger mit dem 18.2.2011 zu beenden.
Wird das Krankengeld abschnittsweise gewährt, ist zwar das Vorliegen der leistungsrechtlichen Voraussetzungen des Krankengeldes
für jeden weiteren Bewilligungsabschnitt neu zu prüfen. Dieser Grundsatz schließt es indes nicht aus, eine ärztliche Feststellung
aus vorangegangener Zeit, die den weiteren Bewilligungsabschnitt mit umfasst, als für §
46 S. 1 Nr. 2
SGB V ausreichend anzusehen. Der Krankengeldanspruch kann somit nicht daran scheitern, dass keine weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
ausgestellt worden sind, wenn der behandelnde Arzt die Arbeitsunfähigkeit zeitlich unbefristet festgestellt hat (Bundessozialgericht,
Urteil v. 10.5.2012, B 1 KR 20/11 R; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 11.11.2011, L 4 KR 446/09; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 23.11.2011, L 5 KR 309/11 B, zitiert nach [...]). Auch die Tatsache, dass der behandelnde Arzt hier zugleich als nächsten Praxistermin den 18.2.2011
festhielt, führt nicht dazu, dass dadurch die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit auf den 18.2.2011 befristet wurde. Hiermit
wollte der behandelnde Arzt nicht zum Ausdruck bringen, die Arbeitsunfähigkeit bis zu diesem Termin befristen zu wollen. Die
Angaben in der Bescheinigung für die Krankengeldzahlung sind insoweit eindeutig. Hätte der behandelnde Arzt dies tun wollen,
hätte er anstelle "b.a.w." bei der Frage "noch ggf. voraussichtlich bis" arbeitsunfähig, dieses Datum eingetragen.
Auch durch die weitere am 21.2.2011 ausgestellte Bescheinigung für die Krankengeldzahlung wurde die unbefristete Feststellung
der Arbeitsunfähigkeit nicht aufgehoben. Hier kreuzte der behandelnde Arzt lediglich auf die Frage "Noch weiterhin arbeitsunfähig?"
"ja" an und ließ die Frage "ggf. voraussichtlich bis" offen. Damit brachte er jedoch zum Ausdruck, dass er weiterhin an seiner
in der Bescheinigung vom 18.1.2011 festgelegten Prognose .b.a.w." festhalten wollte und ein Ende der Arbeitsunfähigkeit nicht
absehbar war.
Unerheblich ist, dass der Arzt ggf. mit dieser Art der Arbeitsunfähigkeitsattestierung gegen die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien
verstieß. Die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien gestalten den leistungsrechtlichen Krankengeldtatbestand nicht aus. Insoweit
sind auch die Form sowie die Art und Weise, in welcher die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch den Arzt attestiert wird,
unerheblich (Bundessozialgericht, Urteil v. 10.5.2012, B 1 KR 20/11 R; zitiert nach [...]).
Die Krankenkasse ist zwar zur Beendigung von Krankengeldzahlungen vor Ablauf ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit befugt.
Denn ein Attest mit der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit hat lediglich die Bedeutung einer gutachtlichen Stellungnahme.
Sie bildet eine Grundlage für den über den Krankengeldbezug zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse, ohne dass Krankenkasse
und Gerichte an den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung gebunden sind. Die Krankenkasse kann sich insoweit aber nicht auf
das Fehlen einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsfeststellung berufen, obwohl ihr eine solche Feststellung vorliegt. Liegt der
Krankenkasse eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsmitteilung zwecks Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für Krankengeld vor,
die die Rechtsposition des Versicherten erkennbar stützt, bedarf es keiner weiteren Arbeitsunfähigkeitsmeldung (Bundessozialgericht,
Urteil v. 10.5.2012, B 1 KR 20/11 R; zitiert nach [...]).
Die Höchstdauer des Krankengeldanspruchs gemäß §
48 Abs.
1 S. 1
SGB V ist nicht überschritten. Danach erhalten Versicherte Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit
wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des
Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. In dieser Zeit bestand die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten nach §
192 Abs.
1 Nr.
2 SGB V fort. "
Gegen dieses der Beklagten am 7. Juni 2013 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die am 2. Juli 2013 bei dem Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgericht eingegangen ist. Die Beklagte hält die Ausführungen des Bundessozialgerichts im Urteil B 1 KR 20/11 für
nicht auf diesen Rechtsstreit übertragbar. Entgegen den Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils sei die Nachweislücke über
das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit nach dem 18. Januar 2011 nicht geschlossen. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass
der behandelnde Arzt auf dem Mustervordruck Nr. 17 die Arbeitsunfähigkeit "bis auf Weiteres" bescheinigt habe. Die Daten hätten
jeweils sechsstellig im Forma TTMMJJ angegeben werden müssen. Dies sei vorliegend vorschriftswidrig nicht erfolgt. Der Vorschrift
zugrundeliegender Schutzzweck sei die Verhinderung von Missbrauchstatbeständen. Außerdem habe der Kläger entgegen der Ansicht
des Sozialgerichts Obliegenheitspflichten verletzt. Er sei mehrfach schriftlich darauf hingewiesen worden, dass eine ausführliche
Beantwortung der Fragen auf dem Mustervordruck Nr. 17 für die Prüfung des weiteren Krankengeldanspruchs von grundsätzlicher
Bedeutung sei. Den Kläger hätten weder Handlungs- noch Geschäftsunfähigkeit im Sinne eines Ausnahmefalls gehindert, die Arbeitsunfähigkeit
rechtzeitig vor Ablauf des 18. Februar 2011 feststellen zu lassen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 29. Januar 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und ist außerdem der Auffassung, dass eine Nahtlosigkeit der Bescheinigung
von Arbeitsunfähigkeit bestehe, wenn zwischen dem letzten Tag der attestierten Arbeitsunfähigkeit und der erneuten Feststellung
der Arbeitsunfähigkeit kein weiterer Arbeitstag liege. Das sei hier der Fall, da der 18. Februar 2011 ein Freitag gewesen
sei und er seinen Arzt am 21. Februar 2011 aufgesucht habe. Außerdem legt der Kläger aus dem Verfahren S 21 R 99/12 vor dem Sozialgericht Schleswig das Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. L___ vom 8. August 2013 und das Urteil vom 31.
Januar 2014 vor, mit dem seine auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gerichtete Klage abgewiesen wurde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen ebenso wie das Verfahren S 10 KR 7/11 ER, den einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht Schleswig betreffend. Sämtliche Akten sind Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen.
Die insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Im Hinblick auf die Berufungsbegründung der Beklagten und die weiteren Ermittlungen des Senats ist lediglich Folgendes zu
ergänzen:
Das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit im streitigen Zeitraum wurde auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Die Ermittlungen
des Senats haben dies bestätigt. Der Kläger hat als Dachdecker (Helfer) gearbeitet, als er am 24. Mai 2010 den zur Arbeitsunfähigkeit
führenden Motorradunfall erlitten hat, bei dem es zu einem Polytrauma gekommen war (linkes oberes Sprunggelenk, Oberschenkel
rechts, mehrere Rippen, Unterarm rechts, vorderer Beckenring rechts). In dem vom Senat beigezogenen Gutachten des Arztes für
Orthopädie Dr. L___ vom 8. August 2013 wird überzeugend dargelegt, dass der Kläger nur noch leichte und gelegentlich mittelschwere
Arbeiten verrichten kann. Neben weiteren Leistungseinschränkungen schließt der Gutachter ausdrücklich Arbeiten auf Leitern
und Gerüsten aus. Damit kann der Kläger weder seine letzte Tätigkeit noch vergleichbare Tätigkeiten auf Baustellen ausüben,
worauf auch Dr. L___ in dem Gutachten hinweist. Aufgrund der Schwere der Verletzungen war bereits Anfang 2011 absehbar, dass
der Kläger bis zum Ende der Höchstbezugsdauer von Krankengeld arbeitsunfähig sein würde. In einem medizinischen Verlaufsbericht
(Stand 07/12) kam Dr. E________ zu dem Ergebnis, dass wegen weiterer erforderlicher Operationen frühestens Anfang 2013 mit
Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation begonnen werden könne. Eigene medizinische Ermittlungen (z. B. Gutachten des MDK)
hat die Beklagte nicht veranlasst.
Zutreffend hat das Sozialgericht dargelegt - und auch dies wird von der Beklagten nicht bestritten -, dass die Beklagte dem
Kläger im Anschluss an die Beendigung der Entgeltfortzahlung zum 4. Juli 2010 ab 5. Juli 2010 Krankengeld gezahlt hat. Bis
zum hier geltend gemachten Ende des Krankengeldanspruchs am 20. November 2011 ist die Höchstbezugsdauer von 78 Wochen seit
Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am Unfalltag (24. Mai 2010) eingehalten.
Letztlich hätte die Krankenkasse die rechtliche Möglichkeit gehabt, die nicht den Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien entsprechende
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gegenüber dem Arzt nicht zu akzeptieren und diesen aufzufordern, eine neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
mit einem Endzeitpunkt auszufüllen. Die streitige Bescheinigung (Arbeitsunfähigkeit "bis auf Weiteres", nächster Praxisbesuch
18. Februar 2011) lag der Beklagten bereits am 20. Januar 2011 vor. Für die Beklagte war unschwer erkennbar, dass der Kläger
als Dachdecker wegen der Folgen des Motorradunfalls (Polytrauma) noch deutlich länger als bis zum 18. Februar 2011 arbeitsunfähig
sein würde. Die Krankenkasse hat jedoch keinen Handlungsbedarf gesehen und die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit "bis auf
Weiteres" akzeptiert. Umso befremdlicher ist es, dann im Nachhinein eine andere Interpretation der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
zu Lasten des Klägers vorzunehmen und die Zahlung von Krankengeld einzustellen.
Damit steht fest, dass dem Kläger nahtlos auch über den 18. Februar 2011 hinaus Arbeitsunfähigkeit ärztlich bescheinigt worden
ist, so dass es nicht darauf ankommt, dass er nicht am 18. Februar, sondern erst am 21. Februar 2011 den behandelnden Arzt
aufgesucht hat, der die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit (bis auf Weiteres) an diesem Tage bestätigte, ohne das Feld "ggf.
voraussichtlich bis" auszufüllen. Weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen liegen nicht vor und sind auch nicht erforderlich,
weil die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit "bis auf Weiteres" keiner weiteren Bestätigung bedurfte und die Beklagte die Zahlung
des Krankengeldes aus Rechtsgründen und nicht wegen fehlender Arbeitsunfähigkeit eingestellt hatte.