Unterbringung eines Obdachlosen; Freiwilligkeit der Obdachlosigkeit; Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft ist keine
Dauerlösung
Gründe
I.
Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin
vom 29.01.2019 wiederhergestellt, mit dem die Einweisungsverfügung der Antragsgegnerin vom 01.08.2016 widerrufen wurde. Mit
der Einweisungsverfügung vom 01.08.2016 war die Antragstellerin zur Vermeidung von Obdachlosigkeit in das Haus xxx xxxxxxxxxxx
x xx xxxxxxxx untergebracht worden. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Verfügung sei aller Voraussicht
nach rechtswidrig, da die Antragstellerin unfreiwillig obdachlos zu werden drohe, sobald die Antragsgegnerin ihr keine Unterkunft
mehr zur Verfügung stelle. Zwar könne man von einem Obdachlosen grundsätzlich verlangen, sich vorrangig selbst um eine dauerhafte
Unterkunft zu bemühen. Hierbei müsse jedoch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bzw. der Zumutbarkeit Beachtung finden.
Dies gelte insbesondere dann, wenn der Unterkunft Benötigende wie hier an einer schweren Erkrankung leide. Nach Aktenlage
sei die Antragstellerin auf polizeiliche Hilfe der Antragsgegnerin existenziell angewiesen. Auch eine vermeintliche Unterbringungsunfähigkeit
der Antragstellerin befreie die Antragsgegnerin nicht von ihrer Pflicht zur Abwehr der mit einer Obdachlosigkeit der Antragstellerin
einhergehenden Gefahren.
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde, mit der sie die Zurückweisung des Antrags der Antragstellerin
auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes begehrt. Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten.
II.
1. Der Antragstellerin ist nach §
166 Abs.
1 Satz 1
VwGO i.V.m. §
114, §
119 Abs.
1 Satz 2
ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt xxxxx xxxx beizuordnen, da sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann und der Prozessgegner Rechtsmittel eingelegt hat.
2. Die zulässige Beschwerde ist nur im tenorierten Umfang begründet, im
Übrigen unbegründet. Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die
streitgegenständliche Verfügung ist weiterhin zulässig (a). Er ist aber nur insoweit begründet, als sie die Wiederherstellung
der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs bis zum Ablauf des 30.04.2020 verlangen kann (b und c).
a) Für den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die streitgegenständliche
Verfügung besteht weiterhin ein Rechtsschutzinteresse, da - wovon auch die Antragsgegnerin ausgeht - eine Erledigung nicht
eingetreten ist. Zwar ist die Antragstellerin am 02.10.2019 freiwillig aus der xxxxxxxxxxxxxxx x ausgezogen, da die Antragsgegnerin
diese Obdachlosenunterkunft aufgegeben hat, und in eine Containersiedlung der Antragsgegnerin umgezogen. Die streitgegenständliche
Verfügung ist jedoch weiterhin auf den Widerruf einer für die Antragstellerin günstigen Rechtsposition gerichtet.
b) Das Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin rechtfertigt keine Ablehnung des Antrags der Antragstellerin auf einstweiligen
Rechtsschutz in Gänze.
aa) Unbegründet ist die Rüge der Beschwerde, das Verwaltungsgericht habe eine lediglich summarische und oberflächliche Rechtsprüfung
zum Maßstab seiner Entscheidung gemacht. Das Verwaltungsgericht hat die sich stellenden Rechtsfragen entschieden und nicht
in unzulässiger Weise offengelassen. Die Beschwerde vermag das auch nicht konkret zu belegen.
bb) Ohne Erfolg macht die Antragsgegnerin geltend, die Antragstellerin sei nicht (mehr) unfreiwillig obdachlos.
Obdachlos im polizeirechtlichen Sinn ist derjenige, der nicht Tag und Nacht über eine Unterkunft verfügt, die Schutz vor den
Unbilden des Wetters bietet, Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lässt und insgesamt den Anforderungen an eine menschenwürdige
Unterkunft entspricht. Die Obdachlosigkeit bemisst sich allein nach objektiven Kriterien, sodass es nicht darauf ankommt,
worauf sie zurückzuführen ist und insbesondere nicht darauf, ob den Betroffenen an ihrem Eintritt ein Verschulden trifft (vgl.
Senat, Beschl. v. 23.09.2019 - 1 S 1698/19 - , v. 18.12.2015 - 1 S 2151/15 - und v. 05.03.1996 - 1 S 470/96 - VBlBW 1996, 233; OVG Bremen, Beschl. v. 01.10.1993 - 1 B 120/93 -, DÖV 1994, 221; HessVGH, Beschl. v. 30.04.1991 - 11 TG 567/91 -, NVwZ 1992, 503; Huttner, Die Unterbringung Obdachloser durch die Polizei- und Ordnungsbehörden, 2014, S. 5; Ehmann, Obdachlosigkeit, 2.
Aufl., S. 25). Denn für die Frage, ob eine Gefahr oder Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinn der §§ 1, 3 PolG vorliegt, kommt es nach allgemeinen Grundsätzen des Polizeirechts allein darauf an, ob eine Gefahrenlage für die Schutzgüter
der polizeilichen Generalklausel besteht (Senat, Beschl. v. 18.12.2015, a.a.O.). Eine Pflicht der Ortspolizeibehörde zum Einschreiten
besteht allerdings nur bei Fällen unfreiwilliger Obdachlosigkeit. Ob die Obdachlosigkeit freiwillig oder unfreiwillig ist,
entscheidet sich nach subjektiven Gesichtspunkten. Die Frage hängt mithin vom Willensentschluss des Betroffenen ab. Beruht
die Obdachlosigkeit auf einer selbstverantwortlichen, rechtlich anzuerkennenden freien Willensentscheidung, fehlt es an einer
polizeirechtlich relevanten Gefahrenlage (vgl. Senat, Beschl. v. 18.12.2015, a.a.O., 07.04.2015 - 1 S 419/15 - und v. 05.03.1996, a.a.O.; HessVGH, a.a.O.; NdsOVG, Beschl. v. 27.03.1991 - 12 M 23/91 - NVwZ 1992, 502; Huttner, a.a.O., S. 9 f.).
Bei der Prüfung, ob eine solche selbstverantwortliche Willensentscheidung vorliegt, ist auch zu berücksichtigen, dass, wer
sich selbst aus eigenen Kräften und zumutbaren Mitteln eine vorübergehende, den Mindestanforderungen genügende Unterkunft
beschaffen kann, im polizeirechtlichen Sinne nicht unfreiwillig obdachlos ist (Senat, Beschl. v. 14.08.2018 - 1 S 1164/18 -). Wegen der Subsidiarität des Obdachlosenrechts bedarf eine solche Person nicht der Hilfe der Gemeinschaft. Daher besteht
beispielsweise dann grundsätzlich kein obdachlosenrechtlicher Handlungsbedarf, wenn ein Betroffener regelmäßig Einkünfte bezieht,
sodass er sich selbst eine den Mindestanforderungen entsprechende Wohnung beschaffen kann (vgl. Senat, Beschl. v. 14.08.2018,
a.a.O., und v. 19.09.2017 - 1 S 1974/14 -; BayVGH, Beschl. v. 07.05.2018 - 4 CE 18.965 - juris; OVG Bln.-Brbg., Beschl. v. 11.04.2016 - OVG 1 S 1.16 u.a. - juris;
Ruder, VBlBW 2017, 1 <6> m.w.N.). Der Umstand allein, dass die eingetretene Wohnungsnot auf eigenem Verschulden beruht, stellt hingegen, wie gezeigt,
noch keine Verletzung der Selbsthilfeobliegenheit dar. Erst wenn von einer tatsächlich bestehenden Option der Unterbringung
oder der Beschaffung einer Unterkunft ohne sachlich nachvollziehbaren Grund kein Gebrauch gemacht wurde, kann die dadurch
eingetretene oder fortdauernde Obdachlosigkeit als "freiwillig" angesehen werden (vgl. Senat, Beschl. v. 23.09.2019 - 1 S 1698/19 -; BayVGH, Beschl. v. 07.05.2018, a.a.O., und v. 27.10.2017 - 4 CE 17.1661 - juris).
Nach diesem Maßstab sprechen hier keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Freiwilligkeit der Obdachlosigkeit der Antragstellerin.
Der Umstand, dass diese seit 2008 bei der Antragsgegnerin obdachlosenrechtlich untergebracht ist, belegt keine Freiwilligkeit
im oben genannten Sinn. Eine grundsätzliche Begrenzung der obdachlosenrechtlichen Unterbringung auf in der Regel sechs bis
zehn Monate, wie sie die Antragsgegnerin mit der Beschwerde vorbringt, ergibt sich aus dem Übergangscharakter der Unterbringung
nicht.
Auch das Beschwerdevorbringen, dass sich die Antragstellerin beharrlich weigere, die von ihrem Betreuer bisher angebotene
Unterstützung bei der Suche nach einer Wohnung in Anspruch zu nehmen, und Angebote ihres Betreuers, sie in einer Pflegeeinrichtung
unterbringen zu lassen, ablehne, belegt keine Freiwilligkeit der Obdachlosigkeit der Antragstellerin. Das medizinische Betreuungsgutachten
von Dr. H. vom 15.02.2019 kam zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin an einer seelischen Erkrankung in Form eines Residualzustands
einer chronisch schizoaffektiven Störung mit ausgeprägter Negativsymptomatik, mit extremer Verwahrlosung des Wohnumfeldes
und der Person, völliger Gleichgültigkeit und Realitätsverkennung leidet. Das an sich schon gravierende Krankheitsbild werde
noch durch einen schon seit Jahrzehnten bestehenden schädigenden Konsum von Alkohol verstärkt. Eine alkoholtoxische Hirnschädigung
mit kognitiver Einschränkung und einer irreversiblen Persönlichkeitsveränderung sei offensichtlich. Die einzige Möglichkeit,
die Antragstellerin vor weiterer gesundheitlicher Gefährdung zu schützen, wäre die Aufnahme in ein Heim. Bei fehlender Krankheitseinsicht
sei die Antragstellerin dazu jedoch nicht bereit.
Angesichts dieses - von der Antragsgegnerin nicht infrage gestellten - Krankheitsbildes kann zur Beurteilung der Freiwilligkeit
der Obdachlosigkeit der Antragstellerin nicht allein auf ihren Willen abgestellt werden. Denn ihr fehlt, wie im Gutachten
aufgeführt, die Krankheitseinsicht. Sie ist offenbar nicht fähig, ihre persönliche Lage realistisch einzuschätzen und der
Lage angemessene Entscheidungen zu treffen. Für die Frage, ob mangelnde Bemühungen um eine anderweitige Wohnung auf eine Freiwilligkeit
der Obdachlosigkeit hindeuten, ist daher - zumindest auch - auf das Handeln des für die Antragstellerin bestellten Betreuers
abzustellen.
Der Betreuer der Antragstellerin hat jedoch angemessene und zumutbare Bemühungen unternommen, für die Antragstellerin eine
dauerhafte geschlossene Unterbringung zu erreichen. Am 15.01.2019 beantragte er beim Amtsgericht xxxxxxxx, die dauerhafte
geschlossene Unterbringung der Antragstellerin nach §
1906 BGB zu genehmigen. Nachdem das Amtsgericht mit Beschluss vom 17.04.2009 den Antrag zurückwies, legte der Betreuer hiergegen Beschwerde
ein. Anschließend wies das Landgericht xxxxxxxx als Beschwerdegericht mit Verfügung vom 28.05.2019 den Betreuer der Antragstellerin
darauf hin, dass ihm nur die Aufgabenkreise der Gesundheits- und Vermögenssorge und der Wohnungsangelegenheiten zugewiesen
sind und ihm daher die Befugnis fehlt, die Betroffene geschlossen unterzubringen. Hierauf nahm der Betreuer die Beschwerde
gegen den Beschluss des Amtsgerichts xxxxxxxx vom 17.04.2019 zurück und beantragte mit Schreiben vom 12.06.2019 die Erweiterung
seines Aufgabenkreises auf die Bereiche der Aufenthaltsbestimmung und der Unterbringung, über die - nach der Mitteilung des
Betreuers vom 15.10.2019 - noch nicht entschieden ist. Eine Freiwilligkeit der Obdachlosigkeit liegt daher derzeit nicht vor.
Sie könnte sich erst dann ergeben, wenn der Betreuer mögliche und zumutbare Schritte, eine andere, der Gesundheitssituation
der Antragstellerin angemessene Versorgung mit Wohnraum zu erreichen, nicht mehr unternimmt.
cc) Ohne Erfolg macht die Antragsgegnerin geltend, die Antragstellerin sei nicht unterbringungsfähig und daher sei die Pflicht
der Antragsgegnerin zur obdachlosenrechtlichen Unterbringung erloschen. Die Antragsgegnerin beruft sich insoweit darauf, dass
die Antragstellerin einen erheblichen Schaden an der Unterkunft verursacht habe, u.a. einen Brand in der Gemeinschaftsküche,
einen Wassereintritt in den Kellerräumen der Unterkunft durch Überflutung des gemeinschaftlichen Badezimmers und eine Beschädigung
der tragenden Holzdeckenkonstruktion durch Wassereintritt. Bereits das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass
die Antragsgegnerin sich insoweit nicht auf den Beschluss des Bayerischen VGH vom 06.08.2015 - 4 C 15.1578 - stützen kann. Denn der Bayerische VGH hat in nachfolgenden Entscheidungen klargestellt, dass die aus einem sozialschädlichen Verhalten des Obdachlosen folgende
"Unterbringungsunfähigkeit" in einer Gemeinschaftseinrichtung die grundsätzliche Verpflichtung der Sicherheitsbehörden zur
Gefahrenabwehr unberührt lässt und lediglich bei festgestellter Selbst- oder Fremdgefährdung vorrangig eine Unterbringung
nach dem Unterbringungsgesetz in Betracht kommt (BayVGH, Beschl. v. 09.01.2017 - 4 C 16.2565 - und v. 27.12.2017 - 4 CS 17.1450 -, jeweils in juris). Der
Senat teilt diese Auffassung.
Die Pflicht der Gemeinde, als Ortspolizeibehörde unfreiwillig Obdachlose unterzubringen, steht hier erkennbar in einem Spannungsverhältnis
zur Pflicht der Gemeinde nach § 91 Abs. 2 Satz 1 GemO, ihre Vermögensgegenstände pfleglich und wirtschaftlich zu verwalten. Beschädigungen der Obdachlosenunterkunft durch Untergebrachte
lassen die Unterbringungspflicht jedoch nicht entfallen. Vielmehr hat die Gemeinde andere Mittel, Obdachlosenunterkünfte als
Teil ihres Vermögens nach Möglichkeit vor Beschädigungen zu schützen. Die Obdachlosenunterkunft muss nicht den Anforderungen
an eine wohnungsmäßige Versorgung entsprechen, so dass es ausreicht, eine Unterkunft bereit zu halten, die vorübergehend Schutz
vor den Unbilden des Wetters bietet und Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lässt (st. Rspr., vgl. Senat, Beschl.
v. 05.03.1996, a.a.O.). Gerade wenn es zu gravierenden Beschädigungen der Obdachlosenunterkunft durch einen Untergebrachten
gekommen ist, kann die Gemeinde ihm einfachste Unterkünfte zuweisen oder regelmäßige, im Einzelfall auch tägliche Kontrollen
der zugewiesenen Räume vornehmen.
c) Die Antragstellerin kann jedoch nur bis zum 30.04.2020 die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs
verlangen.
Die Unterbringung in eine Obdachlosenunterkunft darf weder von der Verwaltung noch von dem Betroffenen selbst als Dauerlösung
betrachtet werden. Die Gewährung und Sicherung der Unterkunft auf Dauer ist, soweit sich ein Hilfsbedürftiger nicht selbst
helfen kann und die Hilfe nicht von anderen erhält, grundsätzlich Aufgabe der zuständigen Träger der Sozialhilfe, nicht aber
der Ortspolizeibehörde (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschl. v. 29.10.1992 - 1 S 1523/92 - VBlBW 1993, 146; Beschl. v. 05.03.1996, a.a.O.; OVG Berlin, Beschl. v. 06.06.1989 - 6 S 46/89 - NVwZ 1989, 989; HessVGH, Urt. v. 07.03.2011 - 8 B 217/11 - NVwZ-RR 2011, 95). Zwar führt dieser grundsätzliche Vorrang der Sozialhilfe für die Gewährung und Sicherung einer Unterkunft nicht per se
dazu, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch auf ordnungsbehördliche Unterbringung entfallen. Denn sozialhilferechtliche
Leistungen für die Unterkunft werden gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB XII in Höhe der tatsächlichen, angemessenen Aufwendungen erbracht. Es besteht daher insoweit ein Geldleistungsanspruch, kein
Sachleistungsanspruch (Berlit, in: LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015, § 35 SGB XII Rn. 8 f., m.w.N.). Die Beschaffung von Wohnraum ist daher grundsätzlich nicht Aufgabe des Sozialhilfeträgers (Adolph, in: Ders., SGB II, SGB XII,
AsylbLG, § 68 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Rn. 32 [Stand: August 2019]), so dass die tatsächliche Unmöglichkeit des nach SGB XII Anspruchsberechtigten, eine Unterkunft zu finden, häufig zur Notwendigkeit der obdachlosenrechtlichen Unterbringung nach
Polizeirecht führen kann.
Im Fall der Antragstellerin kommen jedoch ggfs. Leistungen nach §§ 67, 68 SGB XII in Betracht. Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, sind Leistungen
zur Überwindung dieser Schwierigkeiten zu erbringen, wenn sie aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind, § 67 Satz 1 SGB XII. Nach Aktenlage kann die Antragstellerin zu diesem Personenkreis gehören. Denn nach der hierzu ergangenen Verordnung zur
Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten vom 24.01.2001, zuletzt geändert durch Art. 14
des Gesetzes vom 27.12.2003 (BGBl. I, S. 3022, im Folgenden: Verordnung) bestehen besondere Lebensverhältnisse bei fehlender oder nicht ausreichender Wohnung (§ 1 Abs.
2 Satz 1 der Verordnung) und liegen soziale Schwierigkeiten vor, wenn ein Leben in der Gemeinschaft durch ausgrenzendes Verhalten
des Hilfesuchenden oder eines Dritten wesentlich eingeschränkt ist (§ 1 Abs. 3 der Verordnung).
Für einen Nachrang der Leistungen nach §§ 67, 68 SGB XII fehlen nach Aktenlage Anhaltspunkte. Denn der Nachrang setzt gemäß § 67 Satz 2 SGB XII voraus, dass der Bedarf durch Leistungen nach anderen Vorschriften des SGB VIII oder SGB XII gedeckt wird. Dabei kommt es auf eine tatsächliche Deckung des Bedarfs an (Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 67 SGB XII, Rn. 30). Der Bedarf der Antragstellerin nach einer Unterkunft ist - abgesehen von der Obdachlosenunterkunft, die hier außer
Betracht zu bleiben hat - jedoch tatsächlich nicht gedeckt.
Diese Leistungen umfassen nach § 68 Abs. 1 Satz 1 SGB XII alle Maßnahmen, die notwendig sind, Schwierigkeiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mildern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten,
insbesondere Beratung und persönliche Betreuung für die Leistungsberechtigten sowie Hilfen bei der Erhaltung und Beschaffung
einer Wohnung. Maßnahmen zur Erhaltung und Beschaffung einer Wohnung sind gemäß § 4 Abs. 1 der Verordnung vor allem die erforderliche
Beratung und persönliche Unterstützung. Mit dem speziellen Hilfsangebot nach § 67 SGB XII sollen deshalb Leistungen erbracht werden, die eine der Situation der Betroffenen angemessene Abstimmung verschiedener notwendiger
Hilfen gewährleistet. Daher hat die Hilfe nach § 67 SGB XII eine eigene Qualität und kann nicht auf die Weitervermittlung beschränkt werden. Wie § 2 Abs. 3 der Verordnung ausdrücklich anordnet, ist der verbundene Einsatz der unterschiedlichen Hilfen nach dem SGB XII und anderen Leistungsgesetzen anzustreben (Roscher, in: LPK-SGB XII, a.a.O., § 67 Rn. 1). Zu den Hilfen nach §§ 67, 68 SGB XII kann daher auch die Verschaffung einer Wohnmöglichkeit gehören (vgl. Roscher, a.a.O., § 67 SGB XII Rn. 23; Wehrhahn, a.a.O., § 68 SGB XII Rn. 20 ff.). Ohnehin gilt allgemein, dass die Sozialhilfeleistungen sich gemäß § 9 Abs. 1 SGB XII nach den Besonderheiten des Einzelfalls richten, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den
eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe zum Lebensunterhalt, und dass Leistungen nicht nur
als Geldleistungen, sondern auch in Form von Dienstleistungen und Sachleistungen erbracht werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 3 SGB XII).
Die Sozialhilfe ist nicht von einem Antrag abhängig, sondern setzt - mit Ausnahme der Leistungen der Grundsicherung im Alter
und bei Erwerbsminderung - ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass
die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen (§ 18 Abs. 1 SGB XII). Für die Antragstellerin, die seit 2008 in einer Obdachlosenunterkunft wohnt und aufgrund ihrer Krankheit offensichtlich
nicht in der Lage ist, sich selbst eine Wohnung beschaffen, sind daher auch ohne ihren Antrag die örtlichen Träger der Sozialhilfe
- nach § 1 Abs. 1 AGSGB XII die Stadtkreise und die Landkreise - und bei Vorliegen der Voraussetzungen nach §§ 67, 68 SGB XII die überörtlichen Träger der Sozialhilfe - nach § 1 Abs. 2 AGSGB XII der Kommunalverband für Jugend und Soziales - zuständig für Sozialhilfeleistungen zur Beschaffung von Wohnraum. Im Verhältnis
hierzu ist, wie ausgeführt, die obdachlosenrechtliche Unterbringung nach Polizeirecht nachrangig, da sie nur der vorübergehenden
Versorgung mit Wohnraum dient.
Zudem erscheint auch dem Senat nach Aktenlage der vom Betreuer der Antragstellerin schon einmal gestellte und - nach einer
etwaigen Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers - wohl weiterhin beabsichtigte Antrag, die Unterbringung der Antragstellerin
nach §
1906 BGB zu genehmigen, sachgerecht.
Daher ist hier die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die streitgegenständliche
Verfügung der Antragsgegnerin bis zum 30.04.2020 zu befristen. Denn bis dahin sollten die genannten vorrangigen Maßnahmen
durchgeführt sein.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §
155 Abs.
1 Satz 1
VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §
63 Abs.
2 Satz 1, §
47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
152 Abs.
1 VwGO).