Berücksichtigung der Kosten des Umgangs mit den Kindern des Unterhaltsschuldners bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit
Zulässigkeit des des Einwands der Heraufsetzung des Selbstbehalts auf Grund erhöhter Wohnkosten im Verfahren auf Mindestunterhalt
eines minderjährigen Kindes
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt vom Antragsgegner Unterhaltsleistungen. Der Antragsgegner ist der Vater des minderjährigen Antragstellers
J. K., geboren am 18.03.2008. Der Antragsgegner verfügt über ein um pauschale berufsbedingte Aufwendungen von 71,- € bereinigtes
Nettoeinkommen von 1.152,- €. Der Antragsgegner wohnt in W.. Die Mutter ist nach der Trennung vom Antragsgegner mit dem minderjährigen
Kind nach G. verzogen.
Mit Urkunde vom 03.12.2015 hat der Antragsgegner eine monatliche Unterhaltspflicht von 72,- € gegenüber dem Antragsteller
anerkannt. Zahlungen erfolgten seitens des Antragsgegners monatlich in der anerkannten Höhe.
Der Antragsteller behauptet, der Antragsgegner sei leistungsfähig, um neben den anerkannten 72,- € weiteren monatlichen Unterhalt
von 100,- € an den Antragsteller zu zahlen. Der Antragsteller hat daher zuletzt beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten,
über den anerkannten Betrag hinaus monatlich weitere 100,- € Unterhalt an den Antragsteller zu Händen der Kindesmutter zu
zahlen.
Der Antragsgegner hat beantragt, diesen Antrag abzuweisen. Er macht insbesondere die Kosten für den Umgang mit dem minderjährigen
Kind geltend. Aufgrund der Entfernung W. - G. sei der Umgang jetzt so geregelt, dass sich das Kind viermal jährlich während
der Schulferien beim Kindesvater befinde. Hierdurch würden erhebliche Umgangskosten entstehen, die vom Nettoeinkommen abzuziehen
seien.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Gera vom 09.02.2016, auf dessen Gründe insoweit verwiesen wird, wurde der Antragsgegner in
Abänderung der Urkunde mit der Nummer 454/2015 des Jugendamtes des Landkreises O. vom 03.12.2015 verpflichtet, ab dem 01.11.2015
monatlich 172,- € Unterhalt an J. K. zu Händen seiner Mutter monatlich im Voraus zum 1. Werktag des Monats zu zahlen.
Mit form- und fristgerechtem Antrag vom 26.02.2016 beantragte der Antragsgegner, ihm Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte
Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss mit folgendem Antrag zu bewilligen:
Unter Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht- Gera vom 09.02.2016 wird der Antrag des Antragstellers
abgewiesen.
Zur Begründung führt der Antragsgegner aus, dass streitig sei, wie die Umgangskosten zu ermitteln und unterhaltsrechtlich
zu berücksichtigen seien. Auch seien weitergehende Umgangskosten in Form erhöhter Wohnkosten auf Seiten des Antragsgegners
zu berücksichtigen. Die einfache Fahrt zur Abholung des Kindes zum Umgang betrage ca. 460 km. Je Umgangskontakt würden somit
zweimal Hin- und Rückfahrt anfallen und damit insgesamt 1.840 km. Bei 4 Umgangskontakten jährlich seien dies 7.160 km. Bei
einer Kilometerpauschale von 0,30 € je gefahrenen Kilometer entspreche das einem jährlichen Aufwand von 2.208,- € oder 184,-
€ monatlich. Dieser Betrag sei vom Nettoeinkommen des Antragsgegners abzuziehen. Entgegen der erstgerichtlichen Entscheidung
könne der Antragsgegner diese Fahrten auch nicht mit dem Zug bewältigen. Zum einen seien die Kosten der Zugfahrt deutlich
höher, zum anderen würde die Reisezeit 6-7 h bei mehrfachem Umsteigen betragen. Demgegenüber wäre die einfache Fahrt mit dem
Auto mit maximal 4 1/2 Stunden zu veranschlagen. Auch müsse der Antragsgegner vom Hauptbahnhof in G. das Kind auch noch an
dessen Wohnung abholen, wodurch weitere Fahrzeiten entstehen würden. Zudem habe der Antragsgegner erhöhte Wohnkosten, die
auf den Umgang mit seinem Sohn zurückzuführen seien. Aufgrund des jährlich stattfindenden Umgang müsse der Antragsgegner eine
Wohnung vorhalten, deren Kosten sich auf insgesamt 567,- € belaufen würde. Hierin enthalten seien Kaltmietekosten von 450,-
€ und Betriebskosten von 70,- €. Da im unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt nach der Tabelle lediglich ein Mietaufwand von 360,-
€ vorgesehen sei, sei die Differenz von 160,- € vom Einkommen des Antragsgegners abzusetzen. Nach dieser Berechnung habe der
Antragsgegner bereits mehr anerkannt, als er zu zahlen verpflichtet gewesen sei. Zudem würde ein Umzug des Antragsgegners
weitere Kosten verursachen, die ebenfalls abzusetzen wären. Da ein wochenweiser Umgangskontakt stattfinde, müsse das Kind
auch Rückzugsmöglichkeiten, also sein eigenes Kinderzimmer haben.
Der Antragsteller beantragt, dem Verfahrenskostenhilfegesuch des Antragsgegners nicht stattzugeben. Zu beachten sei insofern,
dass im Jahr 2015 lediglich 4 Fahrten von W. nach G. und zurück stattgefunden hätten, mithin nur 3.680 km gefahren worden
seien. Zudem sei die Kindesmutter bereit, den Antragsteller zum Umgang auch zum Hauptbahnhof in G. zu bringen und dort auch
wieder abzuholen.
II.
Die beabsichtigte Beschwerde des Antragsgegners hat nach der für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe gebotenen summarischen
Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht die für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe erforderliche Aussicht auf Erfolg.
1.
Der Antragsgegner ist verpflichtet, dem Antragsteller monatlichen Barunterhalt zu leisten, §§
1601 ff.
BGB.
Unstreitig verfügt der Antragsgegner über ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1.152,- € monatlich. Unter Berücksichtigung des
Selbstbehaltes von 1.080,- € verbleiben somit 72,- €.
Dabei kann vorliegend zunächst die Frage offen bleiben, inwieweit der Antragsgegner aufgrund seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit
gegenüber dem Antragsteller verpflichtet ist, sich um eine besser vergütete Anstellung zu bemühen bzw. einer Nebentätigkeit
neben seiner derzeitigen Tätigkeit nachzugehen, um den Mindestunterhalt sicherzustellen. Denn insoweit ist von den Beteiligten
nichts vorgetragen worden.
2.
Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass aufgrund der vorliegend entstehenden ungewöhnlich hohen Umgangskosten
diese abweichend vom üblichen Vorgehen nicht vollständig aus dem Selbstbehalt zu tragen sind. Dabei hat das Amtsgericht zutreffend
gewürdigt, dass die große Entfernung zwischen Vater und Kind durch den Umzug der Kindesmutter mit dem Kind geschaffen wurde.
Im Ergebnis ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht im Wege der Schätzung die Kosten für den Umgang in Höhe
von 100,- € monatlich vom Nettoeinkommen des Gegners in Abzug gebracht hat. Die mit der Ausübung des Umgangsrecht verbundenen
Kosten sind unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen, wenn und soweit sie nicht anderweitig, insbesondere nicht aus dem anteiligen
Kindergeld, bestritten werden können. Dies folgt daraus, dass das Unterhaltsrecht dem Unterhaltspflichtigen nicht die Möglichkeit
nehmen darf, sein Umgangsrecht zur Erhaltung der Eltern-Kind-Beziehung auszuüben. Die Angemessenheit der Kosten ist nach dem
Wohl des Kindes, seinen eigenen Umgangsbelangen und denen des Unterhaltspflichtigen zu bestimmen (BGH FamRZ 2005, 706).
Im vorliegenden Fall stehen dem Antragsgegner außer seinem Einkommen keine Mittel zur Verfügung, aus denen er die Kosten des
Umgangsrechts bestreiten könnte, insbesondere kein Kindergeld. Allerdings muss der Antragsgegner als Umgangsberechtigter alle
Möglichkeiten nutzen, um die Umgangskosten so niedrig wie möglich zu halten. So ist er auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel
zu verweisen (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 25.05.2010, Az. 1 UF 19/10, Rn. 65, zitiert nach juris). Dabei kann das Gericht die Höhe der anfallenden Kosten schätzen.
In Anlehnung an die Schätzung des Erstgerichts schätzt auch der Senat die anfallenden Kosten für die Benutzung öffentlicher
Verkehrsmittel unter Inanspruchnahme der Bahn-Card 25 auf monatlich maximal 100,- €.
Insoweit wurden durch den Senat auf der Internetseite "www.bahn.de" der Deutschen Bahn AG Preise und Verbindungen recherchiert.
Dabei wurden bewusst für Wochenenden innerhalb der Thüringer Ferienzeit Recherchen durchgeführt.
a) So ergibt sich bei einer Direktfahrt von W. nach G. die Möglichkeit sowohl die Hin- als auch die Rückfahrt für insgesamt
93,- € zu bestreiten. Dies gilt unter Berücksichtigung der Bahn - Card 25, die 62,- € im Jahr kostet. Bei einer achtfachen
Fahrt zu je 93,- € ergibt sich damit ein Gesamtpreis für die Fahrkarten von 744,- € im Jahr. Dabei wurde der Preis für zwei
Erwachsene abgefragt und hier wiedergegeben. Hinzu kommen die Kosten für die Bahn - Card 25, die der Senat unter Berücksichtigung
des Älterwerdens des Kindes und zugunsten des Antragsgegners bereits für beide in Ansatz gebracht hat. Es ergeben sich somit
Gesamtkosten von 868,- €. Auf den Monat umgelegt wären also 72,33 € zu berücksichtigen. Dieser Wert liegt deutlich unter dem
vom Erstgericht festgesetzten Abzugswert von 100,- €. Dabei sind die sich aus der Recherche ergebenden Fahrzeiten nicht so
außergewöhnlich hoch, dass diese dem Kindesvater nicht zuzumuten sind. Darüber hinaus dürfte eine Zugfahrt für Vater und Sohn
deutlich angenehmer sein als eine Autofahrt, auf der der Antragsgegner durch das Fahren des Autos abgelenkt ist.
b) Zeitlich besser stellt sich sogar die Verbindung über B./Hauptbahnhof - G. - B./Hauptbahnhof dar. Hier sind sogar für Hin-
und Rückfahrt Preise von insgesamt 79,50 € für beide Personen unter Berücksichtigung der Bahn - Card möglich. Dabei beträgt
die Fahrzeit nur knapp 5 h. Für die Fahrt mit dem Auto nach B. sind weitere 24,60 € in Anschlag zu bringen, so dass für die
Fahrten 104,10 € zu veranschlagen sind. Es ergeben sich über B./Hauptbahnhof Fahrtkosten für acht Fahrten von insgesamt von
832,80 €. Hinzuzurechnen sind die Kosten für die Bahn - Card mit 124,- €. Es ergeben sich damit eine Gesamtkosten von 956,80
€ und damit monatlich 79,73 €. Auch dieser Betrag liegt deutlich unter dem vom Amtsgericht erstinstanzlich festgestellten
Abzugsbetrag von 100,- €. Bei der Fahrt über B./Hauptbahnhof ist die Fahrzeit deutlich geringer und die Zugverbindungen ermöglichen
ein problemfreies Abholen des Kindes, da auf dieser Verbindung maximal zweimal umzusteigen ist. Zudem sind die Abfahrt- und
Ankunftszeiten durchaus vertretbar (Abfahrt in B. 6:09 Uhr, Rückkehr in B. 17:50 Uhr mit einem Aufenthalt in G. von knapp
2 h).
c) Vergleicht man dies mit einer Anreise mit dem PKW, so ist die zu erwartende zeitliche Komponente nicht außer Verhältnis
zu den zeitlichen Aufwendungen bei einer Fahrt mit dem Pkw. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass auch bei der Fahrt mit dem
PKW erheblich längere Fahrzeiten durch Staus oder Baustellen entstehen können.
d) In wirtschaftlich beengten Verhältnissen ist der Umgangsberechtigte gehalten, die Kosten des Umgangsrechts so niedrig wie
möglich zu halten und er ist auf öffentliche Verkehrsmittel unter Ausnutzung von besonders günstigen Angeboten zu verweisen.
Vorliegend ist es nach Ansicht des Senates dem Antragsgegner möglich und zumutbar, die Kosten des Umgangs durch Transfer mit
der Bahn zu reduzieren, um den Kindesunterhalt möglichst wenig zu schmälern (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, 15 WF 414/13, Beschluss vom 20.12.2013, Rn. 20, zitiert nach juris).
3.
Soweit der Antragsgegner mit seiner beabsichtigten Beschwerde die Heraufsetzung des Selbstbehaltes bzw. die Minderung seines
Einkommens aufgrund erhöhter Wohnkosten im Verfahren auf Mindestunterhalt eines minderjährigen Kindes begehrt, ist darauf
hinzuweisen, dass der Antragsgegner gesteigert erwerbsverpflichtet und damit gehalten ist, alle verfügbaren Mittel gleichmäßig
zu seinem Unterhalt und demjenigen des Kindes zu verwenden. Von ihm ist daher zu erwarten, sich in seinen Bedürfnissen im
Interesse des minderjährigen Antragstellers einzuschränken (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, a.a.O., Rn. 16,
zitiert nach juris). Dabei betrifft diese Einschränkung sowohl die Lage der Wohnung als auch deren Größe. Der Antragsgegner
hat zwar darauf hingewiesen, dass er ein Kinderzimmer für den Umgang des Antragstellers vorhalte. Allerdings ist dem Antragsteller
besser gedient, wenn gerade im vorliegenden Mangelfall weitere finanzielle Mittel für seinen Lebensunterhalt zur Verfügung
stehen als ein eigenes Zimmer bei Umgangskontakten, die auch lediglich in den Ferien stattfinden. Insoweit ist ein Umgang
auch ohne eigenes Zimmer des Antragstellers zumutbar. Dass für die Anmietung einer kleineren Wohnungsumzugskosten entstehen
würden, hat der Antragsgegner lediglich pauschal behauptet. Ob tatsächlich Umgangskosten anfallen, und wenn ja in welcher
Höhe ist derzeit nicht absehbar. Eine entsprechende Berücksichtigung kann somit nicht erfolgen. Darüber hinaus ist darauf
hinzuweisen, dass ein Umzug bereits im Jahre 2012 hätte erfolgen können.
Mangels der für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe erforderlichen Erfolgsaussicht war der Antrag des Antragsgegners
damit zurückzuweisen.
Es wird angeregt, aus Kostengründen zu prüfen, ob die Beschwerde trotz der Versagung der Verfahrenskostenhilfe weiter verfolgt
werden soll.