Ausgleich für eine Wehrdienstbeschädigung
Divergenzrüge
Gegenüberstellung sich widersprechender Rechtssätze
Error in iudicando
Gründe:
I
Der Kläger verlangt Ausgleich für eine Wehrdienstbeschädigung.
Der Kläger wurde während der Grundreinigung eines Dienstgebäudes von einem Kameraden mit einem Taschenmesser attackiert. Zuvor
hatten sich die Soldaten zum Ende der Reinigungsarbeiten gegenseitig bespritzt. Der Kläger zog sich nur eine leichte Schürfwunde
zu, musste aber psychiatrisch behandelt werden. Der Angreifer wurde wegen des Vorfalls zu einer Freiheitsstrafe von einem
Jahr und sechs Monaten verurteilt.
Der für Opferentschädigung zuständige Landschaftsverband Rheinland hat beim Kläger aufgrund des Vorfalls als Schädigungsfolge
nach dem
Opferentschädigungsgesetz (
OEG) eine rückläufige posttraumatische Belastungsstörung und depressive Anpassungsstörung mit einem Grad der Schädigungsfolgen
(GdS) von 30 für die Zeit vom 25.5.2010 bis 30.4.2011 und von 10 ab 1.5.2011 anerkannt.
Dagegen hat die Beklagte den Antrag des Klägers, bei ihm wegen der seelischen Folgen des Angriffs auch eine Wehrdienstbeschädigung
anzuerkennen, abgelehnt. Seine psychische Beeinträchtigung sei nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung (Bescheid vom 14.6.2011,
Widerspruchsbescheid vom 15.7.2011).
Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger Ausgleich nach § 85 Abs 1 Soldatenversorgungsgesetz auf der Grundlage eines GdS von 40 zu gewähren. Der Gesundheitsschaden des Klägers sei zumindest anteilig wesentlich durch
die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden. Dazu gehörten nach der Rechtsprechung des BSG auch Konflikte und Aggressionsstauungen unter Soldaten aufgrund des erzwungenen Zusammenlebens (Urteil vom 2.12.2014).
Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zwar habe sich der Angriff auf
den Kläger während der Dienstzeit auf dem Kasernengelände und anlässlich einer Dienstverrichtung ereignet. Trotzdem sei der
Angriff durch den kriminellen Vorsatz des Täters, der in keiner Weise mit dienstlichen Umständen zusammenhänge, soweit von
der militärischen Sphäre entfernt, dass er nach den allgemeinen Regeln für die Entschädigung für Verbrechensopfer - nach dem
OEG - zu behandeln sei. Dies ergebe sich aus der wertenden Betrachtung des Einzelfalls, wie sie nach der Rechtsprechung des BSG vorzunehmen sei (Urteil vom 9.1.2017).
Mit seiner Beschwerde, für die er zugleich PKH beantragt, wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im
Urteil des LSG. Dieses sei von der Rechtsprechung des BSG abgewichen, habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt und sei verfahrensfehlerhaft.
II
Der PKH-Antrag des Klägers ist unbegründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet (§
73a Abs
1 S 1
SGG iVm §
114 ZPO). Daran fehlt es hier.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil
weder der behauptete Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (1.), noch eine Divergenz (2.) oder eine grundsätzliche Bedeutung
(3.) ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl §
160a Abs
2 S 3
SGG).
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall des Klägers darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem
die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§
103 SGG), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt
ist.
Schon daran fehlt es hier. Die Beschwerde macht zwar geltend, das LSG hätte nicht entscheiden dürfen, ohne zuvor den Täter
anzuhören. Sie legt aber nicht dar, einen entsprechenden Beweisantrag gestellt zu haben, sondern beschränkt sich auf den Hinweis,
der Täter habe angehört werden müssen.
2. Die für eine Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) notwendigen Voraussetzungen legt der Kläger ebenfalls nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz
darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in
der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein
sollen (vgl zB BSG Beschluss vom 28.7.2009 - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 28.6.2010 - B 1 KR 26/10 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 4 mwN). Darzulegen ist, dass das LSG einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat und nicht etwa lediglich
fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB BSG Beschluss vom 15.1.2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN).
Die Beschwerde macht geltend, die Ausführungen des LSG ließen sich mit der Rechtsprechung des BSG nicht in Einklang bringen, ohne diese indes zu zitieren, geschweige denn ihr konkrete Rechtssätze zu entnehmen und diese
darzulegen. Ebenso wenig führt die Beschwerde aus, welchen abweichenden Rechtssatz das LSG genau aufgestellt haben soll. Das
Berufungsgericht hat sein Urteil ausdrücklich auf eine wertende Betrachtung des Einzelfalls gestützt und sich dabei auf die
Rechtsprechung des BSG berufen. Warum und wie es doch trotzdem mit einem eigenen Rechtssatz abgewichen sein sollte, legt die Beschwerde nicht dar.
Soweit sie sich im Übrigen gegen die Auslegung des Begriffs der wehrdiensteigentümlichen Verhältnisse durch das LSG im Einzelfall
wendet, rügt sie der Sache nach nur einen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unerheblichen Rechtsanwendungsfehler
(error in iudicando): Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall ist aber nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde
(vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
3. Ebenso wenig dargetan ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von §
160 Abs
2 Nr
1 SGG. Diese kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der
Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer
muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche
Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit
oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt.
Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert
ist und die Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar
aus dem Gesetz ergibt. Um die Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher ua mit
Wortlaut, Kontext und ggf der Entstehungsgeschichte des fraglichen Gesetzes sowie der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzen
(Karmanski in Roos/Wahrendorf,
SGG, 2014, §
160a RdNr 50 mwN).
Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht. Soweit sie die nicht leicht verständliche Frage
formuliert, ob lediglich harmlose Auseinandersetzungen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als Voraussetzung
eines entschädigungspflichtigen Wehrdienstunfalls anzusehen sind, oder aber auch wie hier vorliegend mit der Dienstverrichtung
zusammenhängende kriminelle vorsätzliche Taten, benennt die Beschwerde schon kein konkretes gesetzliches Tatbestandsmerkmal.
Zudem geht sie auch nicht ansatzweise auf die vorhandene und von den Vorinstanzen zitierte Rechtsprechung des BSG zum Begriff der wehrdiensteigentümlichen Verhältnisse ein. Damit fehlt es an der Darlegung, warum sich die Antwort auf die
von ihr formulierte Frage nicht bereits dieser Rechtsprechung entnehmen lässt.
Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2, §
169 SGG).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.