LSG Bayern, Urteil vom 17.06.2015 - 12 KA 5039/13
Feststellung der Ungültigkeit der Wahl zur Vertreterversammlung einer Kassenzahnärztlichen Vereinigung; Anfechtungsberechtigung
bei Wahlanfechtungsklagen; Auslegung von Wahlrechtsgrundsätzen
1. Eine Wahlanfechtungsklage ist gegen den betroffenen Versicherungsträger bzw. die betroffene Körperschaft zu richten, soweit
in Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt wird; das entspricht einem im Sozialrecht allgemein geltenden Wahlrechtsgrundsatz,
der in § 57 Abs. 2 SGB IV Ausdruck gefunden hat.
2. Bei der Wahlanfechtungsklage ist der Kreis der Anfechtungsberechtigten weit zu ziehen; das beruht darauf, dass durch eine
Wahlprüfung nicht nur die subjektiven Rechte der Beteiligten, sondern auch die Einhaltung des objektiven Rechts, die Rechtmäßigkeit
der Wahl als solcher, letztlich die gesetzmäßige Zusammensetzung des zu wählenden Organs geschützt werden soll.
3. Das Anfechtungsrecht ist deshalb nicht darauf beschränkt, Fehler geltend zu machen, die den Kläger selbst oder die Gruppe
betreffen, der er angehört; die Wahlanfechtungsklage kann auch gegen die Wahl von Vertretern einer anderen Gruppe gerichtet
werden.
4. Eine Überprüfung von potentiellen Fehlern bei der Durchführung der Wahl der Feststellung des Wahlergebnisses ist nicht
auf solche Vorschriften zu erstrecken, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt die Sitzverteilung beeinflusst haben können.
5. Die Auslegung, welche die in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG niedergelegten und teilweise in § 80 Abs. 1 Satz 1 SGB V aufgeführten Wahlrechtsgrundsätze in der Rechtsprechung insbesondere des Bundesverfassungsgerichts erfahren haben, gilt auch
für die Wahlen zu den Selbstverwaltungsorganen der Kassenärztlichen Vereinigung.
Vorinstanzen: SG München 03.07.2013 S 21 KA 5160/10
Tenor I.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 03.07.2013, S 21 KA 5160/10, wird zurückgewiesen.
II.
Die Kläger und Berufungskläger tragen auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Die Kläger begehren die Feststellung der Ungültigkeit der Wahl zur Vertreterversammlung für die Legislaturperiode 2011 bis
2016. Sie sind in Bayern als Zahnärzte zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen.
Am 10.2.2010 setzte der Landeswahlleiter die Wahlzeit für die Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns
(KZVB) für den Zeitraum vom 14.7.2010 bis zum 22.7.2010 fest. Die Wahlbekanntmachung erfolgt am 28.5.2010. Die Mitglieder
des bis zur Wahl amtierenden Vorstandes der Beklagten (Legislaturperiode 2005 - 2010) gehörten dem Verband Zukunft Zahnärzte
Bayern e.V. (ZZB) an. Sein Vorsitzender, Dr. R., stand in dieser Zeit als Vorstandsvorsitzender der Beklagten vor. In der
davor liegenden Legislaturperiode gehörten die Mitglieder des KZVB-Vorstands dem Freien Verband Deutscher Zahnärzte e.V. (FVDZ)
an. Im Vorfeld der Wahl zur Vertreterversammlung in der Legislaturperiode 2011 - 2016 hatte sich der FVDZ mit Schreiben vom
1.6.2010 an den Landeswahlleiter gewandt mit dem Vorwurf, dass von der Beklagten Publikationen veröffentlicht würden, für
die Dr. R, der zugleich Vorsitzender des ZZB sei, ausweislich des Impressums verantwortlich zeichne und die gegen den Verband
FVDZ gerichtet seien. Man befürchte, dass dadurch die Chancengleichheit als allgemeiner Wahlgrundsatz bei der bevorstehenden
Wahl in erheblichem Umfang gefährdet sei. Nach Einholung einer Stellungnahme der Beklagten (Schreiben vom 18.6.2010), in der
dieser Vorwurf bestritten wurde, leitete der Landeswahlleiter das Schreiben an das beigeladene Staatsministerium für Gesundheit
und Pflege (StMGP) als Rechtsaufsichtsbehörde weiter mit der Bitte, in eigener Zuständigkeit über ein etwaiges Einschreiten
zu entscheiden. Mit Schreiben vom 13.7.2010 teilte das StMGP der Beklagten mit, es sehe derzeit keinen Anlass für rechtsaufsichtliche
Maßnahmen, da die kritisierten Artikel bereits im Mai 2010 erschienen seien und nicht davon ausgegangen werde, dass die Beklagte
nochmals ähnliche oder vergleichbare Artikel vor den bereits vom 14. bis 22.7.2010 stattfindenden Wahlen veröffentlichen werde.
Man dürfe den Vorgang jedoch zum Anlass nehmen, nochmal auf die insbesondere in der Vorwahlzeit besonders verstärkte Neutralitätspflicht
hinzuweisen.
Am 24.7.2010 wurde das Wahlergebnis festgestellt und den Wahlberechtigten am 28.7.2010 als Sonderrundschreiben mit einfacher
Post mitgeteilt. An den Wahlen beteiligten sich drei Wahlvorschläge. Wahlvorschlag 1 reichte der Freie Verband Deutscher Zahnärzte
e.V. (FVDZ) Bayern ein, Wahlvorschlag 2 stammte von dem Verband Zukunft Zahnärzte Bayern e.V. (ZZB), ein dritter Wahlvorschlag
(Stop) wurde von einem einzelnen Zahnarzt eingereicht. Nach der Satzung der Beklagten (§ 4) beträgt die Zahl der ordentlichen
Mitglieder der Vertreterversammlung und ihrer Stellvertreter je 24. Jeder Arzt hat 24 Stimmen. Er muss sein Stimmenkontingent
nicht ausschöpfen, darf aber einem Bewerber nicht mehr als eine Stimme geben. Der Landeswahlausschuss hat nach Durchführung
der Briefwahl bei einer Wahlbeteiligung vom 54,2 % folgendes Ergebnis festgestellt: Wahlberechtigt waren 9299 Mitglieder.
An der Wahl nahmen 5038 Wähler teil. Abgegeben wurden 4927 gültige und 111 ungültige Stimmzettel. Insgesamt wurden 88.955
Stimmen abgegeben. Davon entfielen auf den Wahlvorschlag 2 (ZZB) 46.616 Stimmen, auf den Wahlvorschlag 1 (FVDZ) 41.375 Stimmen
und auf die Wahlliste "Stop" 964 Stimmen. Unter Anwendung des in § 16 Abs. 5 Wahlordnung der KZVB vorgesehenen Höchstzahlverfahrens nach d'Hondt hat der Landeswahlausschuss hinsichtlich der Sitzverteilung in der
Vertreterversammlung festgestellt, dass auf den Wahlvorschlag "ZZB" 13 Sitze entfallen, auf den Wahlvorschlag "FVDZ" 11 Sitze
und auf den Wahlvorschlag "Stop" kein Sitz. Ein Sitz des Wahlvorschlags FVDZ entfiel auf den Kläger zu 2), der Kläger zu 3),
zuvor Stellvertreter, ist mittlerweile für den FVDZ in die Vertreterversammlung nachgerückt (erstmalige Teilnahme am 8.5.2015).
Die Klägerin zu 1) hat nicht für die Vertreterversammlung kandidiert.
Am 6.8.2010 haben die Kläger die Wahl zur Vertreterversammlung der Beklagten gemäß § 18 Abs. 1 der Wahlordnung angefochten. Gerügt wurden die Verletzung allgemeiner Wahlgrundsätze, namentlich des Grundsatzes der freien Wahl sowie die
Chancengleichheit der Mitbewerber. Mit Beschluss des Landeswahlausschusses aus der Sitzung vom 9.9.2010, ausgefertigt am selben
Tag, wurde der Antrag der Kläger, die Ungültigkeit der Wahl 2010 zur Vertreterversammlung der KZVB auszusprechen, abgewiesen.
Zunächst sei klarzustellen, dass von den 9299 wahlberechtigten Zahnärzten lediglich drei Zahnärzte das Wahlergebnis angefochten
hätten. Die Klägerin zu 1) sei durch die behauptete Verletzung der Neutralitätspflicht der Kassenzahnärztlichen Vereinigung
von vornherein nicht betroffen, da sie nicht einmal als Kandidatin aufgetreten sei. Auch für den Kläger zu 2) habe sich der
behauptete Wahlrechtsverstoß nicht ausgewirkt, da er als Kandidat unproblematisch das von ihm erstrebte Mandat in der Vertreterversammlung
erlangt habe. In diesen beiden Fällen sei die Mandatsverteilung der Vertreterversammlung von vornherein nicht betroffen. Lediglich
der Kläger zu 3) habe das von ihm angestrebte Mandat letztlich nicht erhalten. Es gehe somit nicht darum, ob sich für den
FVDZ Bayern e.V. ohne die behauptete Wahlbeeinflussung der KZVB ein anderes Stimmenergebnis ergeben hätte, sondern einzig
und allein darum, ob ohne eine solche behauptete Wahlbeeinflussung der Kläger zu 3), Dr. E., gewählt worden wäre. Wählbar
seien nach § 7 Abs. 1 WO nämlich nicht Berufsverbände, sondern ausschließlich wahlberechtigte Personen. Jeder Wahlberechtigte wähle gemäß § 4 WO Kandidaten, unabhängig auf welcher Liste diese stünden. Er könne insbesondere seine Stimmen auf Kandidaten aller Listen verteilen.
Zudem könne einem Kandidaten von vornherein nur eine Stimme zugedacht werden. Eine Stimmenhäufung sei unzulässig. Der zuletzt
gewählte Vertreter Dr. F. habe mit 1.535 Stimmen den nächsten nicht gewählten Kandidaten, den Kläger zu 3), mit 1.083 Stimmen
um nahezu 500 Stimmen übertroffen. Es gäbe keinerlei der Lebenserfahrung zu entnehmende Anhaltspunkte dafür, dass die Wähler
ohne die behauptete Wahlwerbung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung gerade dem nächsten nicht gewählten Wahlbewerber mit
deutlich weniger Stimmen so viele Stimmen gegeben hätten, dass dieser Bewerber den letzten gewählten Kandidaten überholt hätte
(BayVerfGHE 58, 50/73). Nach alldem könne nicht davon die Rede sein, dass sich die angebliche Verletzung der Neutralitätspflicht
der Kassenzahnärztlichen Vereinigung auf das konkrete Wahlergebnis hätte auswirken können.
Am 19.8.2010 haben die Kläger durch ihre Prozessbevollmächtigten Wahlanfechtungsklage zum Sozialgericht München erhoben und
die Verletzung elementarer allgemeiner Wahlgrundsätze, namentlich des Grundsatzes der freien Wahl sowie der Chancengleichheit
der Mitbewerber gerügt. Gegen diese Wahlgrundsätze habe die Beklagte verstoßen, indem sie unter Verwendung von persönlichen
und sachlichen Mitteln der Körperschaft den Wahlkampf einzelner Mitbewerber zum Nachteil anderer Mitbewerber beeinflusst habe.
Die Beklagte habe für diese einseitige Werbung zugunsten der Kandidaten des ZZB mittels offizieller Publikationen bestehende
Vertriebswege und allgemeine Informationsveranstaltungen genutzt. Hierbei habe sie bewusst auch ihre Autorität als Körperschaft
des öffentlichen Rechts eingesetzt, insbesondere in ihren Publikationen, die sie unter dem Titel "Transparent" im Abstand
von jeweils ca. zwei Wochen herausgebe und sowohl versende als auch im Internet zum Abruf vorhalte. In diesen Publikationen
habe die Beklagte die vermeintlichen Verdienste des aktuell amtierenden Vorstandes des ZZB den angeblichen Versäumnissen des
früheren Vorstandes des FVDZ gegenüber gestellt. Im "Transparent" Nr. 8/10 (erschienen am 30.4.2010) habe sich die Beklagte
mit sog. "Puffertagen" beschäftigt. Zu einer entsprechenden Grafik werde ausgeführt: "Dadurch unterscheidet sich die jetzige
KZVB-Führung deutlich von ihren Vorgängern, die weitaus mehr Puffertage verhängten (s. Grafik)". In der Grafik werde zwischen
dem früheren KZVB-Vorstand und dem zum Zeitpunkt des Erscheinens aktuellen KZVB-Vorstand differenziert. Es werde konkret angegeben,
dass der frühere KZVB-Vorstand zum FVDZ gehört habe, während der amtierende Vorstand zum ZZB gehöre. Die Namen der zum Zeitpunkt
des Erscheinens amtierenden Vorstände seien darüber hinaus durch die Nennung besonders hervorgehoben. Ähnliches finde sich
auch im "Transparent" Nr. 9/10 (vom 14.05.2010) u.a. mit einer Grafik (bezogen auf die Entwicklung der KCH-Punktwerte für
die Primärkassen): "Stagnation überwunden". Auch in weiteren Grafiken werde zwischen dem früheren und dem amtierenden Vorstand
(mit Namensnennung) unterschieden (Überschriften: "Wieder aufwärts"; "1-Euro-Marke durchbrochen"). Auch regionale Ausgaben,
die es zuvor nicht gegeben habe ("Transparent Oberfranken" Nr. 2/10) seien in unzulässiger Weise zu Wahlkampfzwecken eingesetzt
worden, indem der FVDZ kritisiert und abgewertet worden sei. Zudem habe die Beklagte im Vorfeld der Wahl an verschiedenen
Orten Informationsveranstaltungen unter dem Titel "Neuigkeiten direkt aus erster Hand von der KZVB" durchgeführt, die vom
Vorstandsvorsitzenden, Herrn Dr. R., sowie seinem Stellvertreter, Dr. M.R., der ebenfalls dem ZZB angehöre, mitgestaltet worden
seien. Im Rahmen dieser Informationsveranstaltungen seien auch die monierten Grafiken aus dem offiziellen Mitteilungsblatt
der Beklagten "Transparent", mit welchem die angeblichen Verdienste des ZZB-Vorstandes den angeblichen Versäumnissen des FVDZ-Vorstandes
gegenübergestellt worden seien, in Powerpoint-Präsentationen integriert worden. Dadurch liege nach der allgemeinen Lebenserfahrung
eine konkrete, nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Wahlbeeinflussung vor. Denn das Wahlergebnis bedeutet zugleich, dass
wenn nur 69 Nichtwähler (69 x 24 = 1.656) den FVDZ gewählt oder 36 Wähler (36 x 24 = 864) anstatt des ZZB den FVDZ gewählt
hätten, dies dazu geführt hätte, dass zu Gunsten der Liste des FVDZ ein zwölfter Delegierter gewählt worden wäre, mit dem
Ergebnis, dass in der Vertreterversammlung eine "Pattsituation" mit zwölf zu zwölf Delegierten eingetreten wäre. Als 12. Delegierter
für den FVDZ wäre Herr Dr. E. in die Vertreterversammlung der Beklagten eingezogen. Derzeit werde er als Ersatzvertreter des
FVDZ geführt. 36 Stimmen entsprächen angesichts der Gesamtzahl der wahlberechtigten Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzte
Bayerns von rund 9.300 einem Anteil von rund 0,39 %. Das sei eine so geringe Marge, dass die massive Wahlbeeinflussung nach
der Lebenserfahrung Auswirkungen auf das Wahlergebnis gehabt haben könne. Zudem wies der Klägerbevollmächtigte darauf hin,
dass der Beschluss des Landeswahlausschusses vom 9.9.2010 bereits am gleichen Tag von den Mitgliedern des Landeswahlausschusses
unterzeichnet worden sei, somit bereits zu Beginn der Sitzung am 9.9.2010 vollständig abgefasst gewesen sei und das Ergebnis
daher bereits festgestanden habe, bevor über die Wahlanfechtung der Kläger entschieden worden sei. Eine Wahlanfechtungsklage
sei begründet, wenn eine konkrete, nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Wahlbeeinflussung vorliege, was bei einer anderen
Wahl von 36 Wählern, die statt ZZB den FVDZ gewählt hätten, der Fall sei. Der Bevollmächtigte der Beklagten verwies im Wesentlichen
auf den seiner Auffassung nach zutreffenden Beschluss des Landeswahlausschusses. Es sei sehr wohl in der Sitzung des Landeswahlausschusses
mit den Mitgliedern des Ausschusses diskutiert worden, insbesondere habe ihnen zum Zeitpunkt der Abstimmung über die einzelnen
Rügen kein Entwurf des Beschlusses vorgelegen. Der Beschluss sei jedoch zur Vorbereitung der Sitzung und auch im Interesse
einer schnellen Abwicklung bereits vorbereitet gewesen und sei im Anschluss an die Abstimmung mit den Mitgliedern des Ausschusses
diskutiert worden, wobei lediglich ein Änderungsvorschlag unterbreitet, von der Mehrheit des Ausschusses jedoch abgelehnt
worden sei. Diese Vorgehensweise entspreche dem üblichen Vorgehen zum Beispiel bei gerichtlichen Verfahren an Obergerichten.
Aus Sicht der Beklagten gebe es keine Gründe, die es rechtfertigen würden, die Wahl zur Vertreterversammlung der Beklagten
für die Legislaturperiode 2011 - 2016 für unwirksam zu erklären.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 3.7.2013 abgewiesen. Die Klage sei zulässig, insbesondere statthaft, da die Kläger als Vertragszahnärzte
Mitglieder der Beklagten und somit wahlberechtigt seien. Damit seien sie auch befugt, die Wahl anzufechten. Ob sie selbst
kandidiert hätten oder an der Abstimmung teilgenommen hätten, sei rechtlich irrelevant. Ebenfalls sei es ohne Bedeutung, dass
nur drei der Wahlberechtigten die Wahl angefochten hätten. Die Klage sei jedoch unbegründet, denn die gerügten Verstöße gegen
die vom Gesetz garantierten Grundsätze der freien Wahlen und der Chancengleichheit der Mitbewerber lägen nicht vor. Eine Verletzung
der Neutralitätspflicht durch die Beklagte habe die Kammer nicht feststellen können. Dies betreffe insbesondere die Veröffentlichungen
in der Zeitschrift Transparent sowie die von der Beklagten abgehaltenen Informationsveranstaltungen. Die Zeitschrift "Transparent"
sei bestimmt für die Mitglieder der Beklagten, also für die fachkundige Öffentlichkeit. Den Vertragszahnärzten sei bekannt,
welcher ihrer Organisationen (ZZB oder FVDZ) die Mitglieder des amtierenden (und des früheren) Vorstandes angehörten. Deshalb
falle der Hinweis z.B. in den Grafiken auf die Zugehörigkeit der früheren und der jetzigen Vorstände zu den bestimmten Zahnarztvereinigungen
nicht - signifikant - ins Gewicht. Nichtsdestotrotz sollten die konkreten Zugehörigkeitshinweise nach Auffassung der Kammer
künftig unterbleiben. Ausschlaggebend für den Urteilsspruch des Gerichts sei jedoch der Umstand gewesen, dass die behauptete
Neutralitätsverletzung durch die Beklagte für den Wahlausgang - im Ergebnis - ohne Bedeutung gewesen sei; namentlich habe
sie die konkrete Mandatsverteilung nicht beeinflusst. Denn die von der Klägerpartei vorgelegten Berechnungen bezüglich der
möglichen Stimmenverschiebungen und der damit verbundenen Mandatsverteilung mögen rechnerisch korrekt gewesen sein. Sie leuchten
jedoch nicht (unmittelbar) ein; sie bewegten sich vielmehr im hypothetischen Bereich, ohne konkreten Bezug zum Wahlablauf
und zum Wahlergebnis. Die - ausschließlich - akademische Wählerschaft sei (nach der Erfahrung der fachkundig mit zwei Zahnärzten
besetzten Kammer) kaum in ihren Wahlpräferenzen zu beeinflussen. Die Zahnärzte seien - wohl - in der Lage, auch wegen ihrer
Berufserfahrungen, die Veröffentlichungen ihrer Selbstverwaltungsorganisation (wie hier bezüglich der Puffertage, Punktwertentwicklung,
Abrechnung von Wurzelbehandlungen usw.) kritisch zu beurteilen und zu bewerten sowie auf ihre Plausibilität zu prüfen, zumal
die beanstandeten Veröffentlichungen ausschließlich Fragen der konkreten Praxistätigkeit betroffen hätten. Aus dem vorliegenden
Sachverhalt und aus der allgemeinen Lebenserfahrung könne nicht gefolgt werden, dass sich die von der Klägerpartei behaupteten
Beanstandungen auf das Wahlergebnis entscheidend ausgewirkt hätten. Vielmehr seien sie (bei einer Wahlbeteiligung von rund
52 % der Wahlberechtigten) unerheblich gewesen. Im Übrigen schließe sich das Gericht den Gründen der Entscheidung des Landeswahlausschusses
an und verweise auf diese.
Mit ihrer Berufung zum BayLSG verfolgen die Kläger ihr Begehren auf Feststellung der Unwirksamkeit der Wahl weiter. Die in
Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG und teilweise in § 80 Abs. 1 Satz 1 SGB V aufgeführten Wahlrechtsgrundsätze in der Auslegung insbesondere des Bundesverfassungsgerichts würden auch für Wahlen zu den
Selbstverwaltungsorganen der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen gelten. Insbesondere seien Amtsträger gehalten, zwischen
ihrer Funktion und ihrer Eigenschaft als Bewerber um die eigene Nachfolge zu unterscheiden. Eine zulässige amtliche Öffentlichkeitsarbeit
finde ihre Grenzen dort, wo offene oder versteckte Wahlwerbung beginne (unter Verweis auf umfangreiche Rechtsprechung). Lediglich
Wahlen, die ohne Verstoß gegen das Gebot strikter staatlicher Neutralität und ohne Verletzung der Integrität der Willensbildung
des Volkes der Wahlbürger erfolgt seien, könnten demokratische Legitimation verleihen. Sodann wiederholte der Prozessbevollmächtigte
der Kläger nochmals sein bereits erstinstanzlich dargelegtes Vorbringen zu den potenziellen Wahlfehlern. Die vom Sozialgericht
angenommene Kenntnis der Wahlberechtigten über die Zugehörigkeit der zum Zeitpunkt der Wahl aktuellen und vergangenen Vorstände
sei nicht zwingend. Gerade diejenigen, die sich in der Vergangenheit nicht an den Wahlen beteiligt hätten bzw. diejenigen,
denen die Zugehörigkeit bislang gleich gewesen sei, würden hierdurch beeinflusst, da die Stimmung in eine bestimmte Richtung
gelenkt werde. Zudem gehe es in erster Linie auch nicht um das Aufzeigen der Verbandszugehörigkeit, sondern darum, dass von
der Beklagten bewusst und nachhaltig eine negative Stimmung gegen den Verband FVDZ aufgebaut werde. Da es sich insgesamt besondere
bei den Puffertagen um Reizbegriffe handle, berge dies die Gefahr der Beeinflussung dahingehend, das herauszulesen, was man
herauslesen möchte. Da es sich bei den Publikationen "Transparent" um offizielle Publikationen der Beklagten als der Interessenvertretung
der Zahnärzte handle, werde diesen zudem erhebliches Vertrauen entgegengebracht. Insbesondere die Wortwahl, wie zum Beispiel
die Bezeichnung "Brunnenvergifter" führe zu einer Beeinflussung durch die Beklagte, was offensichtlich auch beabsichtigt gewesen
sei. Zudem sei die Aussage "Puffertage massiv reduziert" nachweislich falsch. Insbesondere ergebe sich aus dem Schreiben der
AOK vom 19.10.2010, dass bereits im Frühjahr 2010 festgestanden habe, dass die Gesamtvergütungsobergrenze 2009 für die AOK
Bayern überschritten worden sei. Damit hätte jedem Beteiligten klar sein müssen, dass für das Jahr 2010 eine ähnliche Situation
wie für das Jahr 2009 eintreten werde. Man habe die KZVB hierauf frühzeitig hingewiesen, insbesondere sei das Thema in der
Verhandlungsrunde am 20.5.2010 explizit angesprochen worden. Dennoch sei eine klare Information der Mitglieder über das Ausmaß
der Puffertage erst mit Rundschreiben Nummer 7/2010 vom 30.9.2010, d.h. nach der hier angefochtenen Wahl, erfolgt. Bemerkenswert
sei in dem Zusammenhang auch, dass die AOK Bayern die Ursachen für die Puffertage ausschließlich auf die falsche Verteilung
der zahnärztlichen Honorare durch die Beklagte zurückführe. Damit liege nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine konkrete,
nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Wahlbeeinflussung vor. Davon müsse insbesondere ausgegangen werden, wenn das Stimmenergebnis
- wie hier - knapp gewesen sei. Auch wenn es sich hierbei - worauf das SG hinweise - um einen Vorgang im hypothetischen Bereich handle, spreche dies nicht gegen den klägerischen Anspruch, selbst
wenn man die Wahlbeteiligung berücksichtigen. Für die Begründetheit einer Wahlanfechtungsklage müssten derartige hypothetische
Erwägungen angestellt werden, so dass geprüft werden könne, ob die Möglichkeit eines Auswirkens auf das Wahlergebnis gegeben
sei.
Die Kläger und Berufungskläger beantragen,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts München vom 3.7.2013, S 21 KA 5160/10 die Wahl zur Vertreterversammlung der Beklagten für die sechsjährige Legislaturperiode 2011 bis 2016, die in der Zeit vom
14.7.2010 bis zum 22.7.2010 stattgefunden hat, für unwirksam zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
Die Beklagte hält sowohl Beschluss des Landeswahlausschusses wie auch das Urteil des SG für zutreffend. Die Beklagte habe bei den von den Klägern beanstandeten Veröffentlichungen jederzeit die Grenzen legitimer
Öffentlichkeitsarbeit beachtet. Die Publikation "Transparent" sei keine Wahlwerbung, sondern eine ständige Publikation, die
sich an die Fachöffentlichkeit richte, die durchaus erkennen könne, welche Position der jeweilige Verfasser eines Beitrags
in standespolitischen Fragen vertrete. Die Publikation diene als ein ständiges Forum kritischer Diskussion unter Fachkollegen.
Zu dem Vorwurf der Kläger, die Aussage zu den so genannten Puffertagen sei sachlich unzutreffend gewesen, wurde ausgeführt,
dass die Beklagte ca. sechs Monate nach den getroffenen Aussagen im "KZVB-Transparent" wegen dann gescheiterter Verhandlungen
mit der AOK Bayern weitere Puffertagen im 4. Quartal 2010 habe festsetzen müssen, was jedoch im April 2010 tatsächlich nicht
absehbar gewesen sei. Schon das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 2.3.1977 hervorgehoben, dass die
Abgrenzung zwischen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit und verfassungswidriger, parteiergreifender Einwirkung auf die Wahl im
Einzelfall schwierig sein könne, weshalb das Bundesverfassungsgericht auf eine ins Gewicht fallende Häufung und Massivität
offenkundiger Grenzüberschreitungen abstelle. An einer solchen habe es vorliegend jedoch gefehlt, geschweige denn sei diese
offenkundig gewesen. Zum Erheblichkeitsgrundsatz sei zudem auszuführen, dass es sich vorliegend nicht um eine Wahlanfechtung
des FVDZ e.V. handle, sondern um eine Wahlanfechtung von drei Zahnärzten.
Hierzu äußerte sich der Prozessbevollmächtigte der Kläger nochmals mit Schriftsatz vom 12.6.2014 und verwies hinsichtlich
der Puffertage auf die bereits getätigten Aussagen im Hinblick auf das Schreiben der AOK vom 19.10.2010. Die Beklagte habe
die Wahlberechtigten wohl mit derartigen Neuigkeiten bis nach der Wahl verschonen wollen, zudem man das Thema "Puffertage"
gegen den anderen Fachverband eingesetzt habe. Außerdem sei es dem Verband ZZB selbstverständlich nicht verwehrt, sich berufspolitisch
mit dem FVDZ auseinander zu setzen, nur dürfe er hierfür keine offiziellen Publikationen der Beklagten verwenden. Es sei offenkundig,
dass es unzulässig sei, dass hier Infrastruktur und Ressourcen der Beklagten einseitig zu Gunsten eines Fachverbandes benutzt
worden seien, um die Stimmung im Wahlkampf zulasten des anderen Verbandes zu verschlechtern.
Das beigeladene Staatsministerium der Gesundheit und Pflege hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert und auch keinen
Antrag gestellt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die gerichtlichen Akten beider
Instanzen mit den Az. S 21 KA 5160/10 und L 12 KA 5039/13, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) statthafte und gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Die Berufung ist nicht schon deshalb unbegründet,
weil die Klage unzulässig wäre. Die Klage ist als sogenannte Wahlanfechtungsklage zulässig. Der Rechtsschutz gegen rechtswidrige
Wahlmaßnahmen bei der Besetzung der Organe der Beklagten ist im Gesetz nur unvollkommen geregelt. Nach § 131 Abs. 4 SGG spricht das Gericht, wenn es eine Wahl zu den Selbstverwaltungsorganen der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen ganz oder
teilweise für ungültig hält, dies im Urteil aus und bestimmt die Folgerungen, die sich aus der Ungültigkeit ergeben. Im Übrigen
sind die allgemeinen Wahlgrundsätze heranzuziehen, wie sie in Rechtsvorschriften zu den Sozialwahlen der Selbstverwaltungsorganen
der Sozialversicherungsträger im Sinne des § 57 SGB IV, zu den Wahlen der berufsständischen Kammervertretungen, zu den politischen Wahlen in Bund, Ländern und Kommunen, zu den
Wahlen der Betriebsvertretungen und zu den Wahlen nach Maßgabe des Vereins- und Gesellschaftsrechts niedergelegt sind (vgl.
Bundessozialgericht, Urteil vom 14.10.1992, 14a/6 RKa 58/91, Rdnr. 18, [...]). Die Wahlanfechtungsklage ist gegen den betroffenen Versicherungsträger bzw. die betroffene Körperschaft
zu richten, soweit in Rechtsvorschriften - wie hier - nichts anderes bestimmt wird. Das entspricht einem im Sozialrecht allgemein
geltenden Wahlrechtsgrundsatz, der in § 57 Abs. 2 SGB IV Ausdruck gefunden hat (vergleiche BSG, aaO, Rdnr. 20). Hinsichtlich der Klagefrist, der Klagebefugnis und der Notwendigkeit eines Vorverfahrens (vgl. hierzu §
57 Abs. 2 und 3 SGB IV) greifen besondere Grundsätze ein (BSG, Urteil vom 14.10.1992, 14a/6 RKa 58/91 mwN). Zu Recht hat das SG die Klagebefugnis aller Kläger bejaht. Bei der Wahlanfechtungsklage ist der Kreis der Anfechtungsberechtigten weit zu ziehen.
Das beruht darauf, dass durch eine Wahlprüfung nicht nur die subjektiven Rechte der Beteiligten, sondern auch die Einhaltung
des objektiven Rechts, die Rechtmäßigkeit der Wahl als solcher, letztlich die gesetzmäßige Zusammensetzung des zu wählenden
Organs geschützt werden soll. Das Anfechtungsrecht ist deshalb nicht darauf beschränkt, Fehler geltend zu machen, die den
Kläger selbst oder die Gruppe betreffen, der er angehört; die Wahlanfechtungsklage kann auch gegen die Wahl von Vertretern
einer anderen Gruppe gerichtet werden. (BSG, aaO, Rdnr. 24). Ein Anfechtungsrecht ist daher für alle Wahlberechtigten im Allgemeinen zu bejahen. Deshalb ist für die
Frage der Anfechtungsbefugnis auch unerheblich, ob - wie die Klägerin zu 1) - eine Kandidatur für die Wahl zur Vertreterversammlung
nicht erfolgte, ob - wie beim Kläger zu 2) - ein Sitz auf den Anfechtenden entfiel oder - wie beim Kläger zu 3) - ein Sitz
in der Vertreterversammlung zunächst nicht errungen werden konnte. Dementsprechend spielt es für die Frage der Anfechtungsberechtigung
auch keine Rolle, dass der Kläger zu 3) zwischenzeitlich in die Vertreterversammlung nachgerückt ist. Alle Kläger sind klagebefugt.
Auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen sind erfüllt. Die von der Wahlordnung der Beklagten zuvor vorgesehene Wahlanfechtung nach § 18 Abs. 1 der Wahlordnung der KZVB binnen 14 Tagen nach Veröffentlichung des Wahlergebnisses ist erfolgt. Die Klage ist auch fristgemäß innerhalb eines
Monats nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses erhoben worden. Das SG hat die Wahlanfechtungsklage der Kläger aber zu Recht als unbegründet abgewiesen. Denn eine Ungültigkeitserklärung der Wahl
gemäß § 131 Abs. 4 SGG scheidet bereits deshalb aus, weil kein Wahlfehler vorliegt, der die Ungültigkeit der Wahl der Vertreterversammlung zur Folge
hätte. Eine Anfechtung kann nach § 18 Abs. 1 Satz 2 der Wahlordnung der Beklagten nur darauf gestützt werden, dass gegen das Gesetz, gegen die Satzung oder gegen die Wahlordnung verstoßen worden ist und dass der Verstoß geeignet war, das Ergebnis der Wahl zu beeinflussen. Damit sowie nach Sinn und
Zweck des Wahlprüfungsverfahrens führen nur so genannte mandatsrelevante Fehler zu einer Nichtigkeit der Wahl. Nur Gesetzesverletzungen,
die auf die gesetzmäßige Zusammensetzung der Gremien, also auf die konkrete Mandatsverteilung von Einfluss sind oder sein
können, sind damit für die Nichtigkeit relevant. Eine Überprüfung von potentiellen Fehlern bei der Durchführung der Wahl der
Feststellung des Wahlergebnisses ist damit nicht auf solche Vorschriften zu erstrecken, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt
die Sitzverteilung beeinflusst haben können (BSG, Urteil vom 28.1.1998, B 6 KA 98/96 in Fortführung und Bestätigung von BSG, Urteil vom 14.6.1984, 1/8 RK 18/83; Steinmann-Munzinger in JurisPK- SGB V, 2. Auflage, § 80 SGB V, Rdnr. 41 mwN). § 18 Abs. 1 Satz 2 der Wahlordnung der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass die Wahlordnung, nach der die Wahl durchgeführt worden ist, mit höherrangigem Recht in Widerspruch steht, liegen nicht vor und sind auch
nicht vorgetragen worden. Geltend gemacht wird allein ein Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz und damit den Grundsatz
der Chancengleichheit. Die Auslegung, welche die in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG niedergelegten und teilweise in § 80 Abs. 1 Satz 1 SGB V aufgeführten Wahlrechtsgrundsätze in der Rechtsprechung insbesondere des Bundesverfassungsgerichts erfahren haben, gilt auch
für die Wahlen zu den Selbstverwaltungsorganen der Kassenärztlichen Vereinigung (BSG, Urteil vom 28.1.1998, B 6 KA 98/96 R). Gerügt werden von den Klägern eine Verletzung des Grundsatzes der freien Wahl sowie eine grobe Verletzung des Grundsatzes
der Chancengleichheit der Mitbewerber durch eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes. Vorgetragen werden im Wesentlichen
sowohl bei den Veröffentlichungen in der Zeitschrift "Transparent" als auch bei den Informationsveranstaltungen eine Verquickung
von Amt und Verbandstätigkeit durch die Nennung der Verbandszugehörigkeit des Vorstandes in den einzelnen Wahlperioden in
Verbindung mit den in dieser Zeit "errungenen" Erfolge. Zu Prüfung, ob diese Vorgänge gegen den Grundsatz der freien Wahl
nach Art. 38 GG verstoßen, hat das Bundesverfassungsgericht insbesondere in seiner Entscheidung vom 2.3.1977, Az. 2 BvE 1/76, wesentliche Grundsätze aufgestellt. Danach ist es den Staatsorganen von Verfassung wegen versagt, sich in amtlicher Funktion
im Hinblick auf Wahlen mit politischen Parteien oder bei Bewerbern zu identifizieren und sie unter Einsatz staatlicher Mittel
zu unterstützen oder zu bekämpfen, insbesondere durch Werbung die Entscheidung des Wählers zu beeinflussen. Das Recht der
politischen Parteien auf Chancengleichheit wird danach verletzt, wenn Staatsorgane als solche Partei ergreifen zugunsten oder
zulasten einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern in den Wahlkampf einwirken. Ein Partei ergreifendes Einwirken von
Staatsorganen in die Wahlen zur Volksvertretung ist auch nicht zulässig in der Form von Öffentlichkeitsarbeit. Die Öffentlichkeitsarbeit
der Regierung findet dort ihre Grenzen, wo die Wahlwerbung beginnt. Tritt der informative Gehalt einer Druckschrift oder Anzeige
eindeutig hinter die reklamehafte Aufmachung zurück, so kann das ein Anzeichen dafür sein, dass die Grenze zur unzulässigen
Wahlwerbung überschritten ist. Als Anzeichen für eine Grenzüberschreitung zur unzulässigen Wahlwerbung kommt weiterhin ein
Anwachsen der Öffentlichkeitsarbeit in Wahlkampfnähe in Betracht, das sowohl in der größeren Zahl von Einzelmaßnahmen ohne
akuten Anlass oder wegen deren Ausmaß und dem gesteigerten Einsatz öffentlicher Mittel für derartige Maßnahmen zum Ausdruck
kommen kann. Dies gilt insbesondere in der Vorwahlzeit. Diese Grundsätze, insbesondere auch der Neutralitätsgrundsatz, gelten
auch für Mitglieder von Verbänden, soweit sie nicht ausschließlich im Rahmen ihrer Verbandstätigkeit, sondern als Vertreter
der Körperschaften des öffentlichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung oder als Organe der solchen tätig werden. Unter
Zugrundelegung dieser Grundsätze subsumiert der Senat die Vorwürfe der Kläger gegen die Beklagte im Wesentlichen unter eine
gerade noch zulässige Öffentlichkeitsarbeit bzw. bezüglich des Aufsatzes in "Transparent 10/10" unter dem Gesichtspunkt des
Erforderlichkeitsgrundsatzes als jedenfalls hinzunehmenden möglichen Wahlmangel. Dabei stellt der Senat zunächst fest, dass
den wahlberechtigten Zahnärzten zum einen bekannt war und ist bzw. durch zahlreiche Veröffentlichungen bekannt sein musste,
dass die Verbände ZZB und FVDZ existieren, diese unterschiedliche Positionen vertreten und die Vorstände der Beklagten im
wesentlichen auch in der Vergangenheit mit Vertretern jeweils des einen oder des anderen Verbandes besetzt waren. Die von
den Klägern kritisierten Veröffentlichungen in der Publikation "Transparent" sind daher auch vor diesem Hintergrund zu betrachten,
zumal die Publikation kein amtliches Mitteilungsblatt der Beklagten ist, sondern in einem nicht unerheblichen Umfang auch
Beiträge mit persönlichen Meinungsäußerungen zu kritischen Themen beinhaltet. Dies gilt insbesondere für die Ausführungen
zu den "Puffertagen" sowie den "steigenden Punktwerten" (Transparent 8 und 9/10), die in erster Linie noch als informatorisch
einzustufen sind. Diese Artikel sind im Übrigen auch in einem noch so ausreichenden zeitlichen Abstand zur Wahl veröffentlicht
worden, dass eine Wahlbeeinflussung durch sie nicht wahrscheinlich war. Soweit in Informationsveranstaltungen im Namen der
Beklagten die grafischen Darstellungen zu den Punktwerten und den Puffertagen (unter Verbandsnennung) in PowerPoint Präsentationen
verwandt wurden, stuft der Senat dies als Informationsvermittlung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit ein, da der informative
Charakter der Aussagen gerade noch nicht hinter die reklamehafte Aufmachung zurücktritt. Auch hinsichtlich des Artikels in
der Regionalausgabe (Oberfranken) von Transparent 2/10 unter der Überschrift "Zajitscheks Entgleisung" liegt kein Verstoß
gegen das Neutralitätsgebot vor. Die Beklagte hat nachvollziehbar dargestellt, dass der Inhalt dieses Artikels eine Gegenäußerung
zu einem von einem FVDZ-Mitglied getätigten Vorwurf im Zusammenhang mit einer Auktion in einem Zahnärztehaus (Rundfax des
FVDZ) darstellt. Auch muss es dem Vorstand der KZVB gestattet sein, sich gegen - unsachgemäße - Angriffe zu wehren und sich
hierfür eines Publikationsmittels der Beklagten zu bedienen, da er als Vorstand und nicht ausschließlich als Verbandsvertreter
angegriffen wurde. Angesichts der Massivität des Vorwurfs kann es der Beklagten nicht verwehrt werden, sich aus dem aktuellen
Anlass gegen die erhobenen Angriffe zu verteidigen und die aus ihrer Sicht irreführenden Behauptungen richtig zustellen (so
bereits Beschluss des Landeswahlausschusses vom 9.9.2010 mit zutreffender Begründung). Im Hinblick auf die telefonische Wahlwerbung
des ZZB, die mit dem Datenbestand der KZVB unterstützt wurde, ist bereits im Vorfeld der Wahl zur Fehlerverringerung eine
einstweilige Anordnung als milderes Mittel zur Ungültigkeitserklärung der Wahl seitens des FVDZ erwirkt worden. Anders gesehen
werden könnte der Aufsatz in Transparenz 10/10 "Dichtung und Wahrheit - düstere Prophezeiungen erfüllten sich nicht durch
die Aufmachung wenigere Aufmachung weniger neutral-informativ als vielmehr eher tendenziös wirkt. Schriftliche Äußerungen
dieser Art unter jeweiliger Verbandsnennung sind auch grundsätzlich geeignet, als Verstoß gegen das Neutralitätsverbot bewertet
zu werden. In Betracht käme hier auch eine Mandatsrelevanz, da ein Einfluss auf die Willensbildung der wahlberechtigten Zahnärzte
nicht auszuschließen ist. Denn nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist nicht auszuschließen, dass sich die Information, welcher
Vorstand von welchem Verband gestellt wurde, und was in der entsprechenden Wahlperiode erreicht wurde, auf das Wahlverhalten
der Wahlberechtigten auswirkt. Indes führen auch mandatsrelevante Wahlmängel - anders als ggf. bei Verfahren im Rahmen eines
präventiven Rechtsschutzes - nicht aber in jedem Fall auch zur Ungültigkeit der Wahl der Vertreterversammlung insgesamt, so
dass der Senat nicht abschließend entscheiden musste, ob mit dem Artikel "Dichtung und Wahrheit - düstere Prophezeiungen erfüllten
sich nicht" die Grenze zur unzulässigen Wahlwerbung überschritten wurde. Denn im Wahlrecht gibt es bei der - bereits dargestellten
Unbeachtlichkeit von nicht mandatsrelevanten Wahlfehlern, die ungeeignet sind, das Wahlergebnis, d.h. den Willen der Wähler
zu verfälschen, schlechthin keinen absoluten, von vornherein den gesamten Wahlvorgang erfassenden Wahlmangel. Deshalb darf
jede Wahlprüfung auch nur in dem unbedingt notwendigen Umfang in den bereits abgelaufenen Wahlvorgang eingreifen (Erforderlichkeitsgrundsatz).
Daran scheitert es hier bezüglich des möglicherweise mandatsrelevanten Wahlfehlers bezogen auf die Publikation in Transparent
10/10, zumal alle aufgeführten Verstöße bereits von dem Verband, dem die Kläger angehören, im Vorfeld der Wahl gerügt worden
waren. Das SG hat die Wahlanfechtungsklage zu Recht abgewiesen. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG iVm. § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 SGG.
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