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LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.06.2017 - 31 AS 848/17
Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Arbeitsverhältnisses Keine Arbeitnehmereigenschaft durch die Weitergabe von Geld- oder Sachleistungen an Dritte
1. Der Senat lässt Quittungen und Belege für Beschäftigungsverhältnisse im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 128 SGG in der Regel nicht mehr genügen. Die unbare Kontozahlung kann heute als der absolute Regelfall angesehen werden, zumal wenn der Antragsteller über ein Konto verfügt. Allenfalls unter darzulegenden besonderen Umständen ist eine bare Lohnauszahlung als Beweis für ein Arbeitsverhältnis glaubhaft.
2. Die Weitergabe von Geld- oder Sachleistungen an Dritte, die vom SGB II- oder vom SGB XII-Träger zur Erfüllung eines Anspruches auf Grundsicherung an eine anspruchsberechtigte Person gezahlt werden, vermag grundsätzlich keine Arbeitnehmereigenschaft dieser dritten Person zu begründen, dies auch dann nicht, wenn sich der Leistungsempfänger und die dritte Person darüber verständigen, dass diese Leistungsweitergabe für "haushaltsnahe Dienstleistungen" geschehe und hierüber ein "Arbeitsvertrag" geschlossen werde. Eine "Erwerbstätigkeit" im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU ist hierin nicht zu sehen.
1. Ein Unionsbürger darf sich gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 bzw. § 3 Abs. 1 FreizügG/EU zwar zum Zwecke der Arbeitsuche in Deutschland aufhalten, ein Anspruch auf Leistungen bestand und besteht dabei jedoch nicht, weil nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen von Leistungen ausgenommen sind.
2. Etwas anderes gilt nach Satz 4 der Vorschrift lediglich für u.a. Ausländer, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben.
3. Den Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union lässt sich zwar keine bestimmte Grenze in Bezug auf Einkommen und Arbeitszeit entnehmen, unterhalb derer die Arbeitnehmereigenschaft verneint werden muss.
4. Der EuGH hat vielmehr immer deutlich gemacht, dass eine vorzunehmende Würdigung der Gesamtumstände letztlich den Gerichten der Mitgliedstaaten vorbehalten bleibt.
5. Bei der Gesamtbewertung des Arbeitsverhältnisses des Betroffenen sind nicht nur Gesichtspunkte wie die Arbeitszeit und die Höhe der Vergütung zu berücksichtigen, sondern auch solche wie der Anspruch auf bezahlten Urlaub, die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung eines Tarifvertrags auf den Arbeitsvertrag sowie der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis mit demselben Unternehmen längere Zeit bestanden hat; diese letztgenannten Gesichtspunkte können darauf hindeuten, dass es sich bei dieser Erwerbstätigkeit um eine tatsächliche und echte Tätigkeit handelt.
Normenkette:
FreizügG/EU § 2
,
SGB II § 7
,
SGG § 128
Vorinstanzen: SG Berlin 19.04.2017 S 200 AS 4230/17 ER
Auf die Beschwerde des Antrags- und Beschwerdegegners werden der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. April 2017 abgeändert, soweit mit ihm der Antragsgegner zur Gewährung von Leistungen und zur Tragung von Kosten für das erstinstanzliche Verfahren verpflichtet worden war, und der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz insgesamt abgelehnt.
Die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Kosten des Verfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin wird für das Beschwerde- und das Anschlussbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwälte a, K-M-Straße, B, bewilligt.

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