Arbeitsunfall
Stützrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit
Lizenz-Fußballspieler bei einem Bundesligaverein
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Stützrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 v.H. aufgrund der
Folgen des Arbeitsunfalls vom 14. September 2003.
Der im Jahre 1977 geborene Kläger erlitt im Rahmen seiner Tätigkeit als Lizenz-Fußballspieler bei dem D. Bundesligaverein
B. am 14. September 2003 einen Unfall, als er mit einem Gegenspieler zusammenstieß. Nach dem Befundbericht von Professor Dr.
Dr. H. vom 24. September 2003 zog er sich dabei eine laterale Mittelgesichtsfraktur rechts mit Orbitabodenfraktur rechts sowie
eine Fraktur der facialen Kieferhöhlenwand rechts zu.
Mit Befundbericht vom 25. November 2003 erklärte Professor Dr. Dr. H., dass sich der Kläger vom 14. bis zum 19. September
2003 in stationärer Behandlung befunden habe. Bei weiteren ambulanten Kontrollen am 24. September, 1. Oktober, 8. Oktober,
22. Oktober und 5. November 2003 habe bei dem Kläger noch eine intraorale Hypästhesie im Bereich des rechten 2. Trigeminusastes
bestanden. Bei ansonsten unauffälliger Wundheilung empfahl Professor Dr. Dr. H. die Entfernung des Osteosynthesematerials
ca. sechs Monate nach der Operation. Mit Krankheitsbericht vom 8. Dezember 2003 erklärte Dr. H1 den Kläger als spielfähig.
Als Unfallfolgen bestand nach Ansicht von Dr. R. eine rückläufige intraorale Hypästhesie. Die Röntgenkontrollen waren regelrecht.
Die MdE betrug nach vorläufiger Schätzung sowohl von Dr. R. und als auch von Prof. Dr. Dr. H. über die 26. Woche nach dem
Unfall hinaus 0 v.H ...
Am 25. Mai 2004 erfolgte die Entfernung des Osteosynthesematerials. Mit ärztlichem Bericht vom 30. Juni 2004 schätzte Dr.
R. die MdE weiterhin mit 0 v.H. ein.
Mit Schreiben vom 20. Februar 2012 machte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten gegenüber der Beklagten Leistungen
aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen dieses Unfalls geltend.
Mit Zwischenbericht vom 25. Juli 2012 erklärte Professor Dr. G., dass der Kläger weiterhin über eine Druckempfindlichkeit
rechts infraorbital berichte. Des Weiteren würde er eine Temperaturempfindlichkeit der rechten Gesichtshälfte verspüren. Gelegentlich
würden auch Schmerzen beim Kauen auftreten. Klinisch beschrieben die Ärzte einen dezenten Druckschmerz rechts infraorbital.
Die Haut sei gut verheilt, es gebe keinen Hinweis auf eine Rötung oder Überwärmung.
Mit Schreiben vom 2. April 2013 teilte die Beklagte mit, dass eine Begutachtung nicht erforderlich sei und erließ am 9. April
2013 den Bescheid, mit welchem sie die Gewährung einer Rente ablehnte. Als Unfallfolgen erkannte sie Missempfindungen unterhalb
der rechten Augenhöhle nach operativ versorgter Mittelgesichtsfraktur mit Orbitabodenfraktur rechts an. Eine MdE ergebe sich
hieraus nicht.
Gegen die Entscheidung legte der Kläger Widerspruch ein. Insbesondere sei ihm aufgrund der Berücksichtigung von Unfallfolgen
eines weiteren Unfalls eine Stützrente zu gewähren. Die Beklagte erließ am 12. September 2013 den Widerspruchsbescheid. Die
von Professor Dr. G. zu Grunde gelegten Untersuchungsbefunde begründeten keine messbare MdE.
Dagegen hat der Kläger am 14. Oktober 2013 Klage erhoben und insbesondere vorgetragen, die Beklagte sei ihrer Untersuchungspflicht
nicht in ausreichendem Maße nachgekommen.
Innerhalb der vom Sozialgericht gesetzten Frist für einen Antrag nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG), hat der Kläger einen solchen Antrag nicht gestellt.
Nachdem sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben, hat das Sozialgericht
die Klage mit Urteil vom 21. Mai 2015 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung einer Stützrente, weil
der Unfall vom 14. September 2003 keine MdE von mindestens 10 v.H. zurückgelassen habe.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe zu Unrecht die Klage ohne jegliche Ermittlungen
abgewiesen. Damit sei eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht gegeben. Ein bloßes chirurgisches Gutachten, wie es dann
das Berufungsgericht eingeholt habe, reiche nicht aus, um den Sachverhalt zu beurteilen, sondern es sei ein gesichtschirurgisches
Gutachten mit Untersuchung erforderlich. Allerdings sei der Kläger, nachdem ihm Prof. Dr. G. nach Abschluss der Behandlung
- wie auch schon das E. Krankenhaus B1 2004 - mitgeteilt hatte, dass bezüglich der Unfallfolgen ein Endzustand vorliege, nicht
mehr in ärztlicher Behandlung gewesen. Es bestünden aber weiterhin Beschwerden im Bereich der rechten Gesichtshälfte.
Der Kläger stellt folgenden Beweisantrag gemäß §103
SGG:
Es wird beantragt,
durch die Einholung eines Gutachtens auf Mund-Kiefer-Gesichtschirurgischen Fachgebiet sowie eines Zusatzgutachtens auf neurologischem
Fachgebiet gemäß §
103 SGG über folgende Fragen Beweis zu erheben:
1. Welche Gesundheitsstörungen liegen beim Kläger auf Mund-Kiefer-Gesichtschirurgischen sowie auf neurologischem Fachgebiet
vor?
2. Welche der festgestellten Gesundheitsstörungen sind wahrscheinlich Folge des Arbeitsunfalls vom 14. September 2003?
3. A) Wie hoch ist die unfallbedingte MdE auf Mund-Kiefer-Gesichtschirurgischen Fachgebiet?
B) Wie hoch ist die unfallbedingte MdE auf neurologischem Fachgebiet?
C) Wie hoch ist die unfallbedingte Gesamt-MdE?
4. Ab wann lag diese Gesamt-MdE vor?
Hilfsweise stellt er den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Mai 2015 aufzuheben sowie den Bescheid der
Beklagten vom 9. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
ihm wegen der Folgen des Versicherungsfalls vom 14. September 2003 eine Stützrente nach einer MdE von 10 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Im vorliegenden Falle sei gar kein ärztliches Sachverständigengutachten
erforderlich, um festzustellen, dass eine MdE von mindestens 10 v.H. nicht erreicht werde.
In dem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten vom 27. Februar 2016 ist die Chirurgin Dr. W., wie auch in ihrer Aussage
in der Vernehmung in der mündlichen Verhandlung am 20. Mai 2017, zu dem Ergebnis gekommen, dass aufgrund des Unfalls keine
MdE von mindestens 10 v.H. bestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die in der Sitzungsniederschrift
vom 20. Juni 2017 aufgeführten Akten und Unterlagen verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor der Berichterstatterin
als Einzelrichterin sowie der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Über die Berufung konnte die Berichterstatterin an Stelle des Senats entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden
erklärt haben (§
155 Abs.
4 in Verbindung mit Abs.
3 SGG).
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers (vgl. §§
143,
144,
151 SGG) ist nicht begründet.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die auf Gewährung einer Stützrente gerichtete Klage abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung einer Stützrente
nach einer MdE von 10 v.H. aufgrund der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 14. September 2003. Zur Vermeidung von Wiederholungen
nimmt das Gericht insoweit Bezug auf die Begründung des sozialgerichtlichen Urteils (§
153 Abs.
2 SGG).
Die Ermittlungen im Berufungsverfahren haben bestätigt, dass für die Folgen des Versicherungsfalls vom 14. September 2003
gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 bis
3 und Abs.
2 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Unfallversicherung;
SGB VII) keine MdE von mindestens 10 v.H. festzustellen ist. Ausweislich des von Professor Dr. G. mit Zwischenbericht vom 25. Juli
2012 mitgeteilten klinischen Befundes lässt sich lediglich ein dezenter Druckschmerz rechts infraorbital bei rückläufiger
intraoraler Hypästhesie (siehe Aussagen von Dr. R. sowie Professor Dr. Dr. H. anlässlich der Beendigung des Heilverfahrens
im Jahre 2003 sowie nach Entfernung des Osteosynthesematerials im Mai 2004) objektivieren. Aber selbst die vom Kläger auf
Nachfrage des Gerichts formulierten Beschwerden (siehe Schreiben vom 22. November 2016) reichen nicht aus, um Beeinträchtigungen
anzunehmen, die eine MdE von mindestens 10 v.H. begründen könnten.
Das Gericht folgt den überzeugenden Ausführungen der Chirurgin Dr. W., die dargelegt hat, dass kein vollständiger Ausfall
des Nervus infraorbitalis (sog. "Unteraugennerv") vorliegt. Eine so weitreichende Folge ist weder mit den ärztlichen Befunden
bis zum Abschluss der Behandlung der Unfallfolgen noch mit der Beschwerdeschilderung des Klägers selbst, in der von Missempfindungen,
Berührungsschmerz und Temperaturschmerz die Rede ist, zu vereinbaren. Der Nervus infraorbitalis ist ein rein sensibler Nerv,
d.h. der maximale Ausfall ist die Taubheit in dem versorgten Gebiet. Dieser Nerv ist für motorische Vorgänge nicht zuständig,
sodass auch keinerlei Parese zu diskutieren ist und es weder zu einer Muskelschwäche noch zu eine motorischen Einschränkung
kommen kann. Allenfalls bei einem vollständigen Ausfall des Nervens käme eine Einschränkung der Kontrolle der Lippenbewegung
mangels Empfindung in diesem Bereich in Betracht. Überzeugend hat die Sachverständige darauf hingewiesen, dass unter diesen
Umständen keine Untersuchung des Klägers und erst Recht keine weiter gehende spezielle Begutachtung erforderlich ist, denn
es ist für die Einschätzung der MdE ohne Belang, ob der Teilausfall des Nervens zu einer Taubheit im von ihm versorgten Gesichtsareal
und wenn ja, in welchem genauen Bereich geführt hat. In jedem Fall kann keine MdE von mindestens 10 v.H. erreicht werden.
Eine MdE von 10 v.H. wird nicht erzielt, weil der Kläger zwar Einschränkungen hat, diese jedoch nicht ein vergleichbares Ausmaß
erreichen wie für eine MdE von 10 v.H. erforderlich ist. Vergleichsmaßstab sind dabei motorische Schädigungen, die zum Beispiel
zum Hängen eines Mundwinkels führen, sodass erhebliche Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme und dem Sprechen bestehen.
Der beim Kläger bestehende Zustand entspricht nicht einmal einem auch nur leichten motorischen Ausfall. Hinzu kommt, dass
bei der beim Kläger vorliegenden Nervenverletzung Schmerzen und Beschwerden im Laufe der Jahre eher zurückgehen; allenfalls
gleichbleiben können, jedoch eine Verstärkung nicht denkbar ist. Die medizinische Sachverständige konnte die gutachtliche
Einschätzung im Rahmen ihres Fachbereichs fundiert abgeben, denn sie behandelt in ihrer Praxis auch die Verletzungen, die
hier beim Kläger zu beurteilen waren. In ihrer täglichen Praxis diagnostiziert sie Mund-Kiefer-Gesichtschirurgische und neurologische
Verletzungen. Die eigentliche Operation erfolgt zwar in der Regel durch einen Gesichtschirurgen, jedoch übernimmt sie in ihrer
Praxis die Nachbehandlung, weil die wenigsten gesichtschirurgischen Eingriffe von einem Gesichtschirurgen auch nachbehandelt
werden. Das gilt auch hinsichtlich einer Nachbehandlung von Nervenschäden. Sogar bei Schmerzen aufgrund einer Nervenverletzung
erfolgt die primäre Schmerzbehandlung durch die Sachverständige als niedergelassene Chirurgin. Erst bei außergewöhnlichen
Schmerzen veranlasst sie eine Vorstellung beim Schmerztherapeuten. Insbesondere bei der Feststellung des Schadens eines Nervus
infraorbitalis ist nur eine klinische Untersuchung erforderlich, eine neurologische Zusatzuntersuchung aber in aller Regel
nicht notwendig. Die Untersuchung des betroffenen Nervus infraorbitalis erfolgt nämlich durch manuelle Untersuchung sowie
durch Erkennen von Spitz-Stumpf-Reizen (Nadelstich). Besondere technische Einrichtungen sind hierfür nicht erforderlich. Neurologische
Untersuchungen sind hingegen bei motorischen Nervenschäden zu veranlassen. Deswegen folgt das Gericht auch nicht dem Beweisantrag
des Klägers. Weder sind weiter gehende Gutachten zur Beurteilung der MdE erforderlich, noch überschreitet die beauftragte
Sachverständige mit ihrer Einschätzung den Rahmen ihres Fachgebietes. Es bedarf keiner besonderen Spezialisierung des Gutachters,
da die Behandlung bzw. Nachbehandlung von Gesichtsverletzungen wie sie beim Kläger vorliegen, zum Aufgabenbereich eines Chirurgen
gehören. Eine neurologische Zusatzbegutachtung ist bei der hier vorliegenden Nervenverletzung ebenfalls nicht erforderlich.
Wie die Sachverständige zur Überzeugung des Gerichts dargelegt hat, ist für die Untersuchung eine technische Ausstattung,
wie sie nur ein Neurologe vorrätig hält, nicht erforderlich. Etwas anderes wird in den vom Kläger vorgelegten Literaturauszügen
auch nicht dargelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder Nr.
2 SGG ist nicht gegeben.