Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Berücksichtigung einer Barauszahlung bei Cash-statt-Handy-Geschäft als Einkommen;
Notwendigkeit der Aussetzung des sozialgerichtlichen Verfahrens zur Nachholung des Vorverfahrens
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind die Anrechnung von Einkommen bei der Leistungsberechnung sowie Aufhebungs- und Erstattungsbescheide
wegen ohne die Anrechnung von Einkommen erfolgter Bewilligungen in Streit.
Die Kläger, Eltern und Sohn, bilden eine dreiköpfige Bedarfsgemeinschaft und stehen seit mehreren Jahren im Bezug von Leistungen
nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB Il). Am 27. November 2009 stellten die Kläger einen Weiterbewilligungsantrag nach
dem SGB II. Mit Bescheid vom 7. Dezember 2009 bewilligte der Beklagte den Klägern für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 30. April
2010 im Hinblick auf zu erwartendes Einkommen vorläufig Leistungen nach dem SGB II in wechselnder Höhe. Mit Änderungsbescheid vom 25. Februar 2010 modifizierte der Beklagte die Leistungshöhe nach Vorlage
von Verdienstnachweisen für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 30. April 2010. Am 9. April 2010 stellten die Kläger einen
Weiterbewilligungsantrag für Leistungen ab 1. Mai 2010. Sie überreichten u.a. Kontoauszüge für die Klägerin zu 1), aus denen
hervorgeht, dass am 25. Februar 2010 auf ihrem Konto ein Betrag in Höhe von 1.200,00 EUR von der Firma "Handytraum24.de Limited"
(im Folgenden: "Handytraum24.de") eingegangen war. Mit Schreiben vom 12. April 2010 forderte der Beklagte die Klägerin zu
1) zur Vorlage verschiedener Unterlagen auf und bat sie bis 29. April 2010 darzulegen, um was für eine Einzahlung es sich
bei dem Eingang in Höhe von 1.200,00 EUR auf ihrem Konto handele.
Die Klägerin zu 1) überreichte daraufhin am 26. April 2010 einen nicht unterschriebenen "Teilnehmerantrag/Mobilfunk-Kundenauftrag"
mit dem Vermerk "Vertrag 2" mit der Firma D. vom 15. Februar 2010. Als E-Mail-Adresse ist dort "XXX@handytraum24.de" angegeben.
Außerdem legte die Klägerin zu 1) eine Auftragsbestätigung der Firma D./E. vom 19. Februar 2010, die einen Paketpreis von
14,95 EUR, einen Anschlusspreis von 25,95 EUR sowie die Gutschrift dieses Anschlusspreises ausweist.
Mit Bescheid vom 29. April 2010 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Mai 2010 bis 31. Oktober 2010 in wechselnder Höhe. Dem Berechnungsbogen zu diesem Bescheid ist zu
entnehmen, dass der Beklagte im Zeitraum 1. Mai 2010 bis 31. August 2010 ein Einkommen der Klägerin zu 1) von 200,00 EUR monatlich
als sonstiges Einkommen berücksichtigt. Der Bescheid enthält folgenden Hinweis: "Bitte beachten Sie: Am 25.02.2010 wurde Ihnen
ein Betrag in Höhe von 1.200,00 EUR auf Ihr Konto gutgeschrieben. Dieser Betrag ist gemäß § 11 SGB II als einmalige Einnahme ab 01.03.2010 bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II auf einen Zeitraum von 6 Monaten zu berücksichtigen."
Mit Schriftsatz ebenfalls vom 29. April 2010 hörte der Beklagte die Klägerin zu 1) zu einer möglichen Überzahlung von SGB II-Leistungen bzw. einer Anrechnung der 1.200,00 EUR als einmalige Einnahme an.
Mit Schreiben vom 5. Mai 2010 legte die Klägerin zu 1) am 7. Mai 2010 im Namen der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ("kürzen
Sie unser Arbeitslosengeld 2", "sind wir nicht einverstanden") gegen den Bewilligungsbescheid vom 29. April 2010 Widerspruch
ein. Sie trug vor: "Mein Ehemann ist arbeitslos und sucht dringend eine Arbeit. Da er mit dem Erwerb des Führerscheins bessere
Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat, haben wir den Betrag in Höhe von 1.200,00 EUR bei D. geliehen und für Fahrstunden und Gebühren
verwendet. Dieses Geld bezahlten wir monatlich zurück. Es stand nie für unseren Lebensunterhalt zur Verfügung." Ergänzend
wurde mit Anwaltsschreiben vom 27. Mai 2010 im Namen der Bedarfsgemeinschaft vorgetragen, die Kläger hätten den Betrag in
Höhe von 1.200,00 EUR nur darlehensweise erhalten. Es habe sich um eine zweckbestimmte Einnahme zum Erwerb des Führerscheins
durch den Kläger zu 2) gehandelt.
Am 11. Mai 2010 erließ der Beklagte einen an die Klägerin zu 1) gerichteten Aufhebungs- und Erstattungsbescheid für den Zeitraum
vom 1. März 2010 bis 30. April 2010 über eine Summe von 340,00 EUR. Der Beklagte begründete diesen Bescheid mit der Anrechnung
der der Klägerin zu 1) zugeflossenen 1.200,00 EUR. Der Bescheid enthält den Zusatz: "Weitere volljährige Mitglieder Ihrer
Bedarfsgemeinschaft erhalten einen gesonderten Bescheid." Gegen diesen Bescheid legten die Kläger, anwaltlich vertreten, am
27. Mai 2010 Widerspruch ein. Sie trugen unter Hinweis auf § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II (in der ab 1. Juli 2007 geltenden Fassung) und unter Vorlage einer Kopie eines Fahrschulheftes, das Fahrstunden im Zeitraum
23. Februar 2010 bis 19. Mai 2010 ausweist, vor, bei den 1.200,00 EUR habe es sich um eine zweckbestimmte Einnahme gehandelt,
die für Fahrstunden des Klägers zu 2) aufgewendet worden sei. Mit Schriftsatz vom 7. Juni 2010 ergänzte die Bevollmächtigte,
dass die als Darlehen ausbezahlten 1.200,00 EUR für vier abgeschlossene Mobilfunkverträge ausgekehrt worden seien. Die Rückzahlung
des Geldes erfolge über die Überweisung monatlicher Grundgebühren für die jeweiligen Handyverträge. Diesem Schreiben war ein
Ausdruck aus dem Internet über ein aus Sicht der Bevollmächtigten vergleichbares Angebot eines anderen Anbieters ("G.") beigefügt,
das als Vertragsart "SIMcard only" angibt und eine Blitz-Barauszahlung von 1.600,00 EUR binnen 7 Werktagen als Zugabe deklariert
und 100,00 EUR Gewinn inklusive Tarifwechselgebühren verspricht. Dort heißt es unter der Rubrik "Wie funktioniert so ein Angebot?":
"Bei dieser Auktion schliessen Sie 4 Mobilfunkverträge mit einer Grundgebühr von je 19,95 EUR für 24 Monate ab. Sie können
nach einem Jahr einen Tarifwechsel auf einen directSMS 30 Tarif für 9,95 EUR je Karte durchführen dem Tarif entsprechend.
[...] Sie erhalten die volle Barauszahlung nur, wenn alle Verträge Seitens des Providers genehmigt sind [...]." Weiterhin
überreichte die Bevollmächtigte eine Bescheinigung der Firma Handytraum24.de aus G-Stadt vom 8. Juni 2010, in der bestätigt
wird, dass es sich bei der Auszahlung der Handyverträge für die Klägerin zu 1) um eine Vorab-Zahlung der Handy-Subvention
handele. Der Betrag in Höhe von 1.200,00 EUR müsse vollumfänglich über einen Zeitraum von 24 Monaten in Form der Grundgebühr
zurückgezahlt werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2010 (W 1208/10) wies der Beklagte den Widerspruch der drei Kläger gegen den Bescheid vom 29. April 2010 betreffend die Anrechnung von Einkommen
in Höhe von monatlich 200,00 EUR im Zeitraum vom 1. Mai 2010 bis 31. August 2010 als unbegründet zurück. Die erfolgte Zahlung
könne nicht als Darlehensvaluta gewertet werden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
In einem Aktenvermerk vom 22. Juli 2010 betreffend den Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. Mai
2010 hielt eine Mitarbeiterin des Beklagten fest, die Entscheidung sei insoweit aufzuheben als die Aufhebung der Leistungsbewilligung
und Festsetzung der Erstattung hinsichtlich der Kläger zu 2) und 3) erfolgt sei. Die Aufhebung und Erstattung hinsichtlich
der Kläger zu 2) und 3) müsse mit einem gesonderten Bescheid erfolgen (Individualisierung). An Stelle der Rechtbehelfsbelehrung
sei ein Hinweis auf §
86 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) aufzunehmen.
Mit zwei an den Kläger zu 2) bzw. an den Kläger zu 3) gerichteten Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 17. September
2010 hob der Beklagte im Hinblick auf das von der Klägerin zu 1) am 25. Februar erzielte Einkommen in Höhe von 1.200,00 EUR
die Leistungsbewilligung teilweise im Zeitraum vom 1. März 2010 bis 30. April 2010 auf und forderte Erstattung vom Kläger
zu 2) in Höhe eines Betrags von 133,78 EUR und vom Kläger zu 3) in Höhe eines Betrags von 72,42 EUR. Beide Bescheide enthalten
den Hinweis, dass sie nach §
86 SGG Gegenstand des Widerspruchverfahrens werden.
Mit an die Klägerin zu 1) gerichtetem geändertem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 21. September 2010 hob der Beklagte
die Leistungsbewilligung teilweise im Zeitraum 1. März 2010 bis 30. April 2010 auf und forderte von der Klägerin zu 1) die
Erstattung eines Betrags in Höhe von 133,80 EUR. Der Bescheid enthält den Hinweis, der Widerspruch sei der statthafte Rechtsbehelf.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2010 (W 1304/10) wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zu 1) gegen den Bescheid vom 11. Mai 2010 in der Fassung des Änderungsbescheids
vom 21. September 2010 als unbegründet zurück und erklärte, 60 % der im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen
zu erstatten.
Am 26. August 2010 haben die Kläger gegen den Bescheid vom 29. April 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 22.
Juli 2010 (W 1208/10) betreffend die Einkommensanrechnung im Zeitraum vom 1. Mai 2010 bis 31. August 2010 Klage beim Sozialgericht Kassel erhoben
(Verfahren S 6 AS 945/10).
Am 27. Oktober 2010 haben die Kläger gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. Mai 2010 in der Fassung des Änderungsbescheids
vom 21. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. September 2010 (W 1304/10) Klage beim Sozialgericht Kassel erhoben (Verfahren S 6 AS 1234/10).
Mit Beschluss vom 10. Mai 2011 hat das Sozialgericht Kassel die beiden Klageverfahren unter dem führenden Aktenzeichen S 6 AS 1234/10 miteinander verbunden.
Die Kläger sind der Auffassung, dass es sich bei den gewährten 1.200,00 EUR in der Sache um eine Art Darlehen handele. Die
an die Klägerin zu 1) ausbezahlten 1.200,00 EUR seien nicht als Einmaleinkommen nach § 11 SGB II i.V.m. § 4 Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (ALG II-VO) bedarfsmindernd bei der Leitungsberechnung zu berücksichtigen. Der Abschluss von vier Handyverträgen sei allein zu
dem Zwecke erfolgt, den Führerscheinerwerb des Klägers über die Auszahlungssumme der Firma Handytraum24.de von 1.200,00 EUR
zu finanzieren. Die Klägerin zu 1) habe für den Vertragsabschluss keine Handys als Geschenke, sondern stattdessen Geld bekommen.
Der Abschluss von vier Handyverträgen mit entsprechenden Grundgebühren zum Zwecke einer Geldauszahlung, stehe einem Darlehen
gleich. Die Rückzahlung des Darlehensbetrags sei über die Grundgebühren der vier Handyverträge erfolgt. Die Kündigung der
vier Handyverträge bei D./E. sei zum 29. Februar 2012 erfolgt. Zum Telefonieren hätten die Kläger nicht die vier Mobilfunkverträge
genutzt, sondern Handys mit Prepaid-Karten. Außerdem verfüge der Haushalt über einen Festnetzanschluss mit Internet-Flatrate
des Anbieters H./J.
Die Kläger haben zum Beweis ihres Vortrags die Kopien von zwei der vier Handyverträge, vier undatierte Auftragsbestätigungen
von D./E. sowie vier Kündigungsbestätigungen der Firma D. jeweils vom 15. November 2010 zum 28. Februar 2010 sowie eine Reihe
von Rechnungen des Mobilfunkanbieters für vier Verträge vorgelegt. Aus den Rechnungen von D. geht hervor, dass die Klägerin
zu 1) im Jahr 2011 einen Paketpreis pro Mobilfunkvertrag von 12,5630 EUR pro Monat (14,95 EUR inkl. MwSt.) und im Jahr 2012
einen Paketpreis pro Mobilfunkvertrag von 8,3613 EUR pro Monat (10,25 EUR inkl. MwSt.) zu zahlen hatte. Hinzukamen vierfach
anfallende Tarifwechselgebühren im Februar 2011 in Höhe von 14,95 EUR inkl. MwSt und die vierfach anfallende Verwaltungspauschalen
für Nichttelefonie im November 2011 Höhe von 3,49 EUR inkl. MwSt.
Der Beklagte hat vorgetragen, die Klage im Verfahren S 6 AS 1234/10 sei hinsichtlich der Kläger zu 2) und 3) unzulässig. Streitgegenständlich sei in diesem Verfahren der Bescheid vom 11. Mai
2010 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 21. September 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 23. September
2010. Die Kläger zu 2) und zu 3) seien durch diese Bescheide nicht beschwert. Auch seien die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide
vom 17. September 2010 betreffend den Kläger zu 2) und zu 3) bestandskräftig. In der Sache könnten die Klagen keinen Erfolg
haben, weil es sich bei den 1.200,00 EUR um eine Provision für den Vertragsabschluss der Handyverträge handele, die als Einkommen
anzurechnen sei.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 27. August 2012 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. Mai 2010 in der Fassung
der beiden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 17. September 2010 und des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 21.
September 2010 sowie des Widerspruchsbescheids vom 23. September 2010 aufgehoben. Es hat außerdem den Bescheid vom 29. April
2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2010 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, den Klägern im Zeitraum
vom 1. Mai 2010 bis 31. August 2010 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ohne die Anrechnung des Geldes aus den Verträgen mit der Firma Handytraum24.de zu gewähren.
Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Klage sei zulässig und begründet. Streitgegenständlich sei vorliegend
die Frage der Einkommensanrechnung für den Zeitraum vom 1. März 2010 bis 31. August 2010. Für den Zeitraum vom 1. März 2010
bis 30. April 2010, in dem die Leistungen nach dem SGB II bei Bekanntwerden des Vertrags mit der Firma Handytraum24.de schon bewilligt gewesen seien, sei mit dem Bescheid vom 11.
Mai 2010 eine Aufhebung und Rückforderung der Leistungsbewilligung, die zunächst nur an die Klägerin zu 1) gerichtet und dann
im Widerspruchsverfahren auf den Widerspruch aller drei Kläger individualisiert worden sei, in Streit (Aufhebungs- und Erstattungsbescheid
vom 11. Mai 2010 in der Fassung der beiden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 17. September 2010 und des Aufhebungs-
und Erstattungsbescheids vom 21. September 2010 und des Widerspruchsbescheids vom 23. September 2010). Alle Kläger hätten
vorliegend gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. Mai 2010 Widerspruch eingelegt, da nicht nur der Leistungsanspruch
der Klägerin zu 1) tangiert gewesen sei. Daher seien auch alle drei ändernden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide in Gestalt
des Widerspruchbescheids Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Die Kläger hätten das Recht richtig angewandt, auch wenn
der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. Mai 2010 nur an die Klägerin zu 1) adressiert gewesen sei. Die Kläger seien
im Übrigen auch zutreffend davon ausgegangen, dass sämtliche sie betreffenden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide auf ihre
Widersprüche Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden seien.
Verfahrensgegenständlich sei weiterhin der Bescheid vom 29. April 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli
2010, der die Frage der Einkommensanrechnung für den Zeitraum vom 1. Mai 2010 bis 31. August 2010 regele.
Die Klage sei begründet, soweit sich die Kläger gegen die Teilaufhebung und Pflicht zur Erstattung der bewilligten SGB II-Leistungen wendeten. Der Beklagte habe den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid auf § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 3 SGB II in Verbindung mit §§
330 Abs.
3,
335 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (
SGB III) und § 48 Abs. 1 S.1 und 2 Nr.3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gestützt.
Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. Mai 2010 in Gestalt der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 17. September
2010 und des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 21. September 2010 sowie des Widerspruchsbescheids vom 23. September
2010 sei bereits teilweise formell rechtswidrig, da die Kläger zu 2) und zu 3) vor Bescheiderlass nicht gesondert angehört
worden seien im Sinne des § 24 SGB X. Angehört worden sei mit Schriftsatz vom 29. April 2010 nur die Klägerin zu 1).
Die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 3 SGB II in Verbindung mit §§
330 Abs.
3,
335 SGB III und § 48 Abs. 1 S.1 und 2 Nr. 3 SGB X lägen nicht vor. Danach sei ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit
nach Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden sei, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs
geführt haben würde. Streitentscheidend für die Frage, ob eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Streitzeitraum anzunehmen
sei, sei vorliegend, ob die aus den Verträgen mit der Firma Handytraum24.de zugewandten 1.200,00 EUR als Einkommen im Sinne
des SGB II zu werten seien. Dies sei nicht der Fall. Gemäß § 11 Abs. 1 S.1 SGB II seien als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien hingegen
nach der überzeugenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Geldzuflüsse, die lediglich als Darlehen gewährt werden. Das
Bundessozialgericht führe in seinem Urteil vom 17. Juni 2010 (B 14 AS 46/09 R, juris Rn. 16) hierzu aus, dass ein Darlehen, das an den Darlehensgeber zurückzuzahlen sei, als nur vorübergehend zur Verfügung
gestellte Leistung kein Einkommen darstelle, auch wenn es als "bereites Mittel" zunächst zur Deckung des Lebensunterhalts
verwandt werden könnte. Bei den im Streitzeitraum zugeflossenen Geldmitteln auf Grund der Verträge mit der Firma Handytraum24.de
handele es sich unstreitig um keine Geldmittel, die auf reinen Darlehensverträgen im Sinne des §
488 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) beruhten. Die vertragstypischen Pflichten beim Darlehensvertrag seien nämlich insbesondere in §
488 Abs.
1 BGB normiert und bestimmten in Satz 1, dass der Darlehensgeber durch den Darlehensvertrag (ausschließlich) verpflichtet werde,
dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug sei der Darlehensnehmer
nach §
488 Abs.
1 S.2
BGB verpflichtet, den geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuerstatten.
Vorliegend sei die Firma Handytraum24.de hingegen durch die Verträge verpflichtet, den vereinbarten Geldbetrag und die Telefonanschlüsse
zur Verfügung zu stellen, wobei der gewährte Geldbetrag in Form der monatlichen Grundgebühr zurückzuerstatten sei. Die Kammer
halte es für geboten, beim Zufluss von Geldleistungen während des SGB Il Leistungsbezugs auf der Grundlage von anderen Vertragskonstellationen
im Einzelfall anhand der vom Bundessozialgericht entwickelten Kriterien zu prüfen, ob die zugeflossenen Geldmittel bei wirtschaftlicher
Betrachtung "wertmäßig" als Einkommen zu behandeln seien. Diese Vorgehensweise habe im vorliegenden Fall zur Folge, dass das
bei den Klägern auf Grund der Verträge mit der Firma Handtraum24.de zugeflossene Geld nicht als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II zu behandeln und mithin nicht auf den Bedarf der Kläger im Streitzeitraum anzurechnen gewesen sei. Bei wirtschaftlicher Betrachtung
handele es sich bei den vorliegenden Verträgen um Verträge mit so ausgeprägten darlehensrechtlichen Elementen, dass eine Anrechnung
des zugeflossenen Geldes als Einkommen zu unterbleiben habe: Der an die Kläger ausgezahlte Geldbetrag von 1.200,00 EUR werde
über die Grundgebühren zurückgezahlt, wobei die Kläger mit den Vertragsschlüssen, ziehe man neben den Grundgebühren die Vertragsabschlussgebühren
und die anderen Gebühren für die Nichtnutzung der Telefonanschlüsse ab, keinen dauerhaften wirtschaftlichen Vorteil bzw. einen
Gewinn gemacht hätten. Gleichzeitig erreiche der Handyanbieter mit der Auszahlung des Geldbetrags eine Kundenbindung und verdiene
an den vertelefonierten Handygesprächen. Für den Kunden sei eine solche Vertragsgestaltung vor dem Hintergrund, dass es mittlerweile
zahlreiche Handyanbieter mit kostenlosen "Prepaid"-Karten ohne monatliche Grundgebühr gebe, nur im Hinblick auf den zur Verfügung
gestellten Geldbetrag interessant, den er aber in voller Höhe zurückzuerstatten habe. Insgesamt sei damit festzustellen, dass
den Klägern durch die abgeschlossenen Verträge und die Auszahlung des Geldes bei Vertragsschluss kein dauerhafter "wertmäßiger
Zuwachs" an Geldmitteln zur Verfügung gestellt worden sei.
Die vom Vertragspartner zur Verfügung gestellten Telefonanschlüsse führten zu keiner anderen Beurteilung, da sie vor dem Hintergrund
zahlreicher kostenloser Anbieter keinen eigenen Marktwert hätten. Diese wirtschaftliche Betrachtung sei im Rahmen der mündlichen
Verhandlung durch die Angaben der Kläger unterstrichen worden, die die nicht aktivierten Handykarten hätten vorlegen können
und dem Gericht erläutert hätten, dass sie an der Nutzung der Handykarten von vornherein nicht interessiert gewesen seien.
Es sei ihnen von vornherein ausschließlich darum gegangen, Geld vorübergehend zu erhalten, um dem Kläger zu 2) die Erlangung
eines Führerscheins zu ermöglichen. Da das zugeflossene Geld, wie ein Darlehen, nicht zum dauerhaften Verbleib bei den Klägern
gedacht gewesen sei und die Kläger die zugeflossenen 1.200,00 EUR über die Grundgebühren an den Mobilfunkanbieter zurückgezahlt
hätten, liege kein Einkommen im Sinne des SGB II vor, so dass durch den Zufluss des Geldes keine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X eingetreten sei. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. Mai 2010 in der Fassung der beiden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide
vom 17. September 2010 und des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 21. September 2010 sowie des Widerspruchsbescheids
vom 23. September 2010 seien daher rechtswidrig und aufzuheben.
Soweit sich die Kläger dagegen wendeten, dass mit Bescheid vom 29. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.
Juli 2010 das aus den abgeschlossenen Verträgen mit der Firma Handytraum24.de ausgekehrte Geld als Einkommen im Sinne des
§ 11 SGB II in den Monaten Mai 2010 bis August 2010 bedarfsmindernd angerechnet worden sei, sei die Klage ebenfalls begründet. Da es
sich bei dem zugeflossenen Geld um kein Einkommen im Sinne des SGB II handele, hätten die Kläger einen Anspruch darauf, dass im Zeitraum 1. Mai 2010 bis 31. August 2010 eine entsprechende Einkommensanrechnung
unterbleibe.
Das Urteil des Sozialgerichts ist den Beteiligten am 9. November 2012 zugestellt worden. Mit seiner am 3. Dezember 2012 beim
Hessischen Landessozialgericht eingelegten Berufung trägt der Beklagte vor, dass Urteil leide unter Fehlern in der materiell-rechtlichen
wie auch in der prozessualen Beurteilung des Falles.
Bei dem an die Klägerin zu 1) ausbezahlten Betrag habe es sich nicht um ein Darlehen gehandelt, auch nicht um eine mit einer
anderweitig gearteten Rückzahlungsverpflichtung belastete Leistung. Die an den Mobilfunkanbieter zu entrichtenden Grundgebühren
stellten die Gegenleistung für die Einräumung der Netznutzungsmöglichkeit durch den Mobilfunkbetreiber dar. Es werde die gegenüber
Prepaid-Modellen vergünstigte Möglichkeit konkreter Telefonate erkauft. Um rechnerisch zu einer vollständigen "Rückzahlung"
des Geldbetrages zu gelangen, beziehe das Sozialgericht darüber hinaus auch Vertragsabschlussgebühren ein, die offensichtlich
für den im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss anfallenden Verwaltungsaufwand erhoben werden und damit ebenso wenig in einem
irgendwie gearteten Gegenseitigkeitsverhältnis Geldüberlassung - Rückzahlungsverpflichtung stünden. Auch dürfte die Zahlung
der Grundgebühren an D. erfolgt sein, während die Auszahlung des Geldbetrages vermutlich durch den Vertragsvermittler erfolgt
sei, so dass aufgrund nicht bestehender Identität der Beteiligten naheliegend sei, dass es sich um unterschiedliche Vertragsverhältnisses
handele. Weiter ergebe sich aus dem Schreiben der Firma Handytraum24.de vom 8. Juni 2010, dass es sich bei der Zahlung um
eine Vorabzahlung der Handy-Subvention handele. Dies bedeute nichts anderes, als dass die Klägerin zu 1) der Anspruch auf
ein vergünstigtes Mobiltelefon "abgekauft" worden sei. Hätte sie das vergünstigte Mobiltelefon erhalten und anschließend zum
Marktwert veräußert, wäre der Gedanke, es handle sich um eine darlehnsähnliche Fallkonstellation nicht sonderlich naheliegend.
Weiter ergebe sich aus den von den Klägern vorgelegten exemplarischen Angeboten, dass wenigstens in einem Angebot trotz 24-monatiger
Vertragslaufzeit bereits nach 12 Monaten ein Wechsel in einen von 19,95 EUR auf 9,95 EUR vergünstigten Tarif möglich sei.
Dass die Klägerin mit dem Geldbetrag wohl einen Führerscheinerwerb finanziert habe, sei rechtlich unbeachtlich, weil unstreitig
sein dürfte, dass die Überlassung des Geldes durch den Vertragsvermittler bzw. das Mobilfunkunternehmen nicht mit der Zweckbestimmung
erfolgt sei, das Geld in den Führerscheinerwerb zu investieren. Es sei nach allem nicht sachgerecht, die vorliegende Fallkonstellation
wie die darlehensweise Hingabe von Geld zu behandeln. Auch das Bundessozialgericht habe mit seiner Rechtsprechung zum Fremdvergleich
bei Verwandtendarlehen zum Ausdruck gebracht, dass zur Missbrauchsvermeidung zu kontrollieren sei, ob die Verträge so gestaltet
sein, dass sie den "üblichen" Gestaltungen bei Darlehen entsprächen. Hiervon könne vorliegend keine Rede sein.
Prozessual habe das Sozialgericht verkannt, dass die Klage der Kläger zu 2) und zu 3) unzulässig sei, weil die Bescheide vom
17. September 2010 nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 11. Mai 2010 in der Fassung des Änderungsbescheids
vom 21. September 2010 geworden seien. Die Kläger zu 2) und zu 3) seien nicht Adressaten dieser Bescheide und durch diese
nicht beschwert. Gegen die Bescheide vom 17. September 2010 sei kein Widerspruch erhoben worden und könne auch kein Widerspruch
mehr erhoben werden, weil dieser verfristet wäre.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 27. August 2012 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Streitentscheidend sei, ob die Bargeldauszahlung als Einkommen im Sinne
des § 11 SGB II anzusehen sei. Einkommen liege dann vor, wenn es sich um eine Leistung in Geld oder Geldeswert handele, die dem Leistungsempfänger
ohne Gegenleistung zur Verfügung stehe. Der Leistungsempfänger müsse also ein "Mehr" dazubekommen. Nur auf den ersten Blick
könne man das bei der Überweisung des streitgegenständlichen Geldbetrags annehmen. Der Beklagte betrachte ausschließlich die
Sicht der Anbieterseite und blende die Erwerberseite aus. Die Erwerber hätten vier Mobilfunkverträge erworben, die mit einer
monatlichen Zahllast verbunden gewesen seien. Die Nutzung der SIM-Karten sei von Anfang nicht gewollt gewesen, was durch Vorlage
der unbenutzten SIM-Karten habe bewiesen werden können. Vertragszweck sei allein die Barauszahlung zwecks Finanzierung des
Führerscheins gewesen, verbunden mit der Pflicht, die vier Mobilfunkverträge monatlich - ohne Nutzung - zu bezahlen. Wer letztendlich
von der Anbieterseite welchen Gewinn erziele, sei höchst spekulativ. Aus Sicht der Kläger hätten diese einen Vertrag mit dem
Mobilfunkanbieter geschlossen. Durch die Bezahlung der monatlichen Grundgebühr hätten die Kläger ohne Tarifwechsel 1.435,20
EUR, mit Tarifwechsel 1.368,30 EUR zahlen müssen. Dem stehe eine Barauszahlung an sie in Höhe von 1.200,00 EUR gegenüber.
Sehe man den Auszahlungsbetrag von 1.200,00 EUR als Darlehen an, entspreche das einem Zinssatz von nahezu 9,8 % bezogen auf
einen Zeitraum vom 18. Februar 2010 bis zum 18. Februar 2012 und einer Rückzahlungssumme von 1.435,20 EUR. Bei einer Rückzahlungssumme
von 1.368,30 EUR liege der Zinssatz exakt bei 7 %. Das Ergebnis halte einem Fremdvergleich ohne weiteres stand. Ein geldwerter
Vorteil sei nicht zu erkennen.
Vertragsunterlagen könnten nicht vorgelegt werden. Ausweislich des Antrags auf Abschluss der vier Mobilfunkverträge seien
zunächst nur Online-Rechnungen erstellt worden. Das sei den Klägern nicht bewusst gewesen. Sie hatten daher den Lastschriftabbuchungen
widersprochen. Nach dem sie gemahnt worden seien, hätten sie den Vertrag auf Rechnungszahler umgestellt. Da die Kläger bis
zu diesem Zeitpunkt keine Zahlungen geleistet hatten, sei eine Kartensperrung erfolgt. Hierdurch sei eine Gebühr von 12,5630
EUR zuzüglich MwSt. angefallen. Für die Übersendung der Rechnungen per Post sei ein monatlicher Betrag von 3,3193 EUR zuzüglich
MwSt. angefallen. Im März hätte die Kläger den Tarif umgestellt von "Vario 50 SMS o2" auf den Tarif "Vario 30 o2", wodurch
sich die Gebühr von 12,5630 EUR plus MwSt. auf 8,613 plus MwSt. ermäßigt habe. Ab August 2011 habe das Mobilfunkunternehmen
eine Verwaltungspauschale in Höhe von 2,9328 zuzüglich MwSt. berechnet. Die Mobilfunkverträge seien zum 29. Februar 2012 gekündigt
worden.
Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 15. April 2015 verwiesen. Wegen
des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen die Kläger betreffenden Verwaltungsakten
des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und teilweise begründet.
I. Die Berufung gegen das Urteil vom 27. August 2012 wurde form- und fristgerecht eingelegt und ist auch im Übrigen zulässig
und statthaft.
Den Berufungsstreitwert des §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG i.H.v. über 750,00 EUR ist über die Summe der Streitwerte der verbundenen Klageverfahren erreicht. Für die Wertberufung kommt
es in Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche bei einer Mehrheit prozessualer Ansprüche nicht auf den jeweiligen
Streitgegenstand an. Entscheidend ist vielmehr, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes die im Gesetz genannte Summe überschreitet,
wobei die Summe der einzelnen Zahlungsansprüche nach §
202 SGG, §
5 Zivilprozessordnung (
ZPO) zu ermitteln ist (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl. 2014, § 144 Rn. 16).
Die Beschwer des Beklagten ergibt sich aus dem Tenor des Urteils des Sozialgerichts. Hier wird in den verbundenen Klagen vom
Sozialgericht eine Aufhebung der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide gerichtet an die Klägerin zu 1) in Höhe von 133,80 EUR,
den Kläger zu 2) in Höhe von 133,78 EUR und den Kläger zu 3) in Höhe von 72,42 EUR, zusammen 340,00 EUR ausgeurteilt. Außerdem
hebt das Sozialgericht den Bescheid vom 29. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2010 auf und
verurteilt den Beklagten, zur Zahlung von Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ohne Anrechnung von 200,00 EUR monatlich in den Monaten Mai bis August 2010. Da der Beklagte für vier
Monate (Mai bis August 2010) jeweils 200,00 EUR auf den Bedarf der Bedarfsgemeinschaft angerechnet hatte unter Abzug einer
Versicherungspauschale von jeweils 30,00 EUR für die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 2), im Ergebnis somit vier Mal 140,00
EUR, zusammen 560,00 EUR in Abzug brachte, ergibt sich aus dem den Klagen insgesamt stattgebenden Urteil des Sozialgerichts
eine Beschwer des Beklagten in einer Gesamthöhe von 900,00 EUR.
II. Die Berufung des Beklagten ist nur teilweise begründet.
1. Die Berufung des Beklagten im Verfahren S 6 AS 945/10 (Anrechnung von Einkommen bei der Leistungsberechnung) ist nicht begründet.
Das sozialgerichtliche Urteil hebt den Bescheid vom 29. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2010
insgesamt komplett auf und verurteilt den Beklagten zur Zahlung von Leistungen nur für den Zeitraum 1. Mai bis 31. August
2010 ohne Anrechnung der Zahlung der Firma Handytraum24.de. Dies entspricht zwar dem von Klägerseite gestellten Antrag in
der ersten Instanz. Dieser war aber bei sachgerechter Auslegung darauf gerichtet, dass die Anrechnung von Einkommen in den
Monaten Mai bis Oktober 2010 unterbleibt und nicht darauf, dass die Bewilligung für die Monate September und Oktober 2010
gänzlich aufgehoben wird. Der Vorsitzende hätte insoweit auf einer sachdienliche Antragstellung hinwirken müssen (§
106 Abs.
1 SGG). Der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung wirkt seinem Wortlaut nach durch die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung
für die Monate September und Oktober 2010 verbösernd und ist evidenter Maßen zu weit gefasst worden. Er ist aber der korrigierenden
Auslegung fähig. Der Senat geht unter Einbeziehung der Urteilsgründe davon aus, dass das Urteil den Bescheid vom 29. April
2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2010 nur insoweit aufhebt, als die Monate Mai bis August 2010,
betroffen sind und den Beklagten zur Zahlung von Leistungen für den Zeitraum 1. Mai bis 31. August 2010 ohne Anrechnung einer
Zahlung von 200,00 EUR monatlich an die Klägerin zu 1) verurteilt. In dieser Auslegung ist die Entscheidung des Sozialgerichts
im Ergebnis nicht zu beanstanden und die Berufung insoweit daher zurückzuweisen.
Ob der Beklagte in den Monaten Mai bis August 2010 bei der Klägerin zu 1) jeweils ein Einkommen in Höhe von 200,00 EUR anrechnen
durfte, hängt davon ab, ob der Eingang von 1.200,00 EUR auf dem Konto der Klägerin zu 1) am 25. Februar 2010 als Einkommen
im Sinne des § 11 SGB II in der im Jahr 2010 geltenden Fassung zu werten ist und ob dieses für die folgenden sechs Monate und damit auch für die Monate
Mai bis August 2010 anteilig mit jeweils 200,00 EUR zu verteilen ist.
Nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II (in der maßgeblichen Fassung vom 5. Dezember 2006) sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert
mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit
erbracht werden. Dabei sind Einnahmen i.S. des § 11 Abs. 1 SGB II nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts grundsätzlich
alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte.
Den Charakter als Einkommen verliert eine einmalige Einnahme auch nach erneuter Antragstellung im nachfolgenden Bewilligungszeitraum
nicht. Die rechtliche Wirkung des "Zuflussprinzips" endet nicht mit dem Monat des Zuflusses, sondern erstreckt sich über den
gesamten Zeitraum, auf den das Einkommen aufgeteilt wird, den sog. "Verteilzeitraum". Bei der Berücksichtigung einer Einnahme
als Einkommen kommt es darauf an, ob zugeflossenes Einkommen als "bereites Mittel" geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen
Monat zu decken. Dies gilt auch bei Berücksichtigung einer einmaligen Einnahme über einen Verteilzeitraum hinweg ohne Einschränkungen
(vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, B 14 AS 76/12 R, juris Rn. 10 f m.w.N.).
Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die als Darlehen mit einer zivilrechtlich wirksam vereinbarten Rückzahlungsverpflichtung
belastet sind, sind bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende allerdings nicht als Einkommen zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 17. Juni 2010, B 14 AS 46/09 R, juris Rn. 16). Im Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 SGB II kann nach Sinn und Zweck der Norm eine von einem Dritten lediglich vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung nicht als
Einkommen qualifiziert werden. Nur der "wertmäßige Zuwachs" stellt Einkommen i.S. des § 11 Abs. 1 SGB II dar; als Einkommen sind nur solche Einnahmen in Geld oder Geldeswert anzusehen, die eine Veränderung des Vermögensstandes
dessen bewirken, der solche Einkünfte hat. Dieser Zuwachs muss dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleiben,
denn nur dann lässt er seine Hilfebedürftigkeit dauerhaft entfallen. Ein Darlehen, das an den Darlehensgeber zurückzuzahlen
ist, stellt damit als nur vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung kein Einkommen dar, auch wenn es als "bereites Mittel"
zunächst zur Deckung des Lebensunterhalts verwandt werden könnte.
Vorliegend ist die Klägerin zu 1) in eine Vertragsbeziehung einerseits zu dem Vermittler "Handytraum24.de" und andererseits
zu dem Mobilfunkunternehmen D./E. eingetreten. Auf die Frage, für welchen Zwecke die 1.200,00 EUR von den Klägern verwandt
wurden, kommt es nicht an, zumal diese Zweckbindung weder in der Vertragsbeziehung der Klägerin zu 1) zu der Firma Handytraum24.de
noch in ihrer Vertragsbeziehung zu dem Mobilfunkunternehmen irgendeine Rolle spielte.
Die näheren vertraglichen Absprachen der Klägerin zu 1) mit den genannten Unternehmen und auch der Unternehmen untereinander
sind nicht ermittelt und auch nicht mehr ermittelbar. Die Befragung der Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung hat lediglich
ergeben, dass sie auf einen TV-Werbespot von D. reagiert hat, worauf sie Post von Handytraum24.de erhielt und nach Unterzeichnung
und Übersendung der Unterlagen unmittelbar die Überweisung von 1.200,00 EUR auf ihr Konto erfolgte. Den Klägern liegen keine
Vertragsunterlagen (mehr) vor, das Vermittlungsunternehmen Handytraum24.de existiert nicht mehr, die Firma ist laut Handelsregister
aufgelöst. Welche Absprachen zwischen den Firmen Handytraum24.de und D. bestanden und wie das gemeinsame Geschäftsmodell dieser
beiden Firmen im Einzelnen strukturiert war, entzieht sich der Kenntnis des Gerichts, kann vorliegend aber auch dahinstehen.
Eine einem Darlehen i. S. des §
488 BGB wertungsmäßig vergleichbare Vertragsbeziehung zwischen der Klägerin zu 1) und der Firma Handytraum24.de könnte dann angenommen
werden, wenn der Abschluss der vier Mobilfunkverträge mit D. und die Auszahlung der Geldsumme von 1.200,00 EUR durch die Firma
Handytraum24.de in einem Zusammenhang stehen, der es erlaubt, die Zahlung der laufenden Grundgebühren an das Mobilfunkunternehmen
als Rückzahlung eines von dem Handyvertragsunternehmen gegebenen Darlehens zu verstehen. Da ein Darlehen auch durch Leistung
an einen Dritten getilgt werden kann, wenn der Darlehensgeber die Zahlung an den Dritten als Leistung an sich selbst gelten
lässt, steht einer solchen Betrachtung grundsätzlich nichts im Wege. Gegen eine Betrachtung der Geschäftsmodells der Firma
Handytraum24.de als Vergabe von Krediten spricht indessen schon, dass diese Firma keine Bank und war für die gewerbliche Kreditvergabe
eine Banklizenz erforderlich ist (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 32 Abs. 1 S. 1 Kreditwesengesetz). Das Schreiben der Firma Handytraum24.de vom 8. Juni 2010 legt daher auch eine etwas andere Auslegung der Vertragsbeziehung
nahe. Nach dem genannten Schreiben der Firma Handytraum24.de handelte es sich bei der Zahlung von 1.200,00 EUR an die Klägerin
zu 1) um eine Vorabzahlung der Handy-Subvention. Daraus ist zu schließen, dass die Klägerin zu 1) durch den Vertragsabschluss
über das Vermittlungsunternehmen statt einer Option auf den Kauf eines oder mehrerer kostengünstiger und in diesem Sinne "subventionierter"
Handys eine Barauszahlung erlangte. Die Sofortauszahlung des Geldes durch die Firma Handytraum24.de stellt sich als Surrogat
des durch das Mobilfunkunternehmen "subventionierten" Erwerbs eines oder mehrerer Handys bzw. der Option hierauf dar. Die
Gebührenzahlung an D. ist Gegenleistung für die von dem Mobilfunkunternehmen bereitgestellten Leistungen. Zu diesen Leistungen
gehört die Bereitstellung des Mobilfunknetzes, der Handynummern, der Abrechnungen und eben auch der Option, verbilligt ein
Handy zu erwerben. Da die zuerst genannten Leistungen auch Nutzern von Prepaidkarten zugutekommen, liegt eine wesentlicher
Teil des Gegenwerts der Grundgebühr ("Paketpreis") in der Bereitstellung eines verbilligten Handys, die vorliegend durch eine
Barauszahlung ersetzt wurde.
Es handelt sich bei dem von der Klägerin zu 1) getätigten Geschäft damit um eine Kombination eines Abzahlungsgeschäfts betreffend
die Option auf den Erwerb verbilligter Mobilfunkgeräte bei Abschluss von Mobilfunkverträgen (Vertrag mit dem Mobilfunkunternehmen)
in Verbindung mit einer Ersetzung der Handy-Kaufoption(en) gegen die Auszahlung von Bargeld (Vertrag mit Handytraum24.de).
Spaltet man die beiden verbundenen Rechtsgeschäfte gedanklich zeitlich auf und stellt sich vor, die Klägerin zu 1) habe zunächst
vier verbilligte Mobilfunkgeräte bei dem Mobilfunkunternehmen auf (Gebühren-)Raten erworben und diese Geräte sodann bei dem
Handyvermittler in Geld umgesetzt, so stellte sich die Lage nicht anders dar, als wenn die Klägerin andere Gegenstände aus
ihrem Vermögen verkauft hätte. Der damit verbundene Barerlös würde keinen als Einnahme zu berücksichtigenden tatsächlichen
Zufluss darstellen. Der Verkauf der Handys würde lediglich zu einer sogenannten Vermögensumschichtung führen. Wird ein Vermögensgegenstand
in Geld oder geldwerte Einnahme umgesetzt oder "zu Geld gemacht", ist dies nach der Wertung des § 11 SGB II Abs. 1 und des § 12 SGB II nicht als Einkommen anzusehen. Substitute sind weiter dem Vermögen zuzurechnen. Nur dann, wenn mit der Umsetzung des Vermögensgegenstandes
ein Mehrerlös gegenüber dem Marktwert erzielt wird, kann darin Einkommen gesehen werden. Letzteres ist allerdings zu verneinen,
weil die Klägerin - ohne einen der vier Mobilfunkverträge für die Telefonie genutzt zu haben - jedenfalls deutlich höhere
Gebühren an das Mobilfunkunternehmen gezahlt hat als sie als Auszahlung an Stelle der Handy-Kaufoption von Handytraum24.de
erhalten hatte.
Wirtschaftlich betrachtet fand kein Vermögenszuwachs bei der Klägerin zu 1) statt. Der Paketpreis pro Mobilfunkvertrag betrug
zunächst 12,5630 EUR pro Monat (14,95 EUR inkl. MwSt.). Nach einem Jahr konnte die Klägerin in einen günstigeren Tarif wechseln
zum Paketpreis von 8,3613 EUR pro Monat (10,25 EUR inkl. MwSt.). Das macht im ersten Jahr 717,60 EUR inkl. MwSt. und im zweiten
Jahr 492,00 EUR inkl. MwSt., zusammen 1.209,60 EUR. Rechnet man noch die vierfach anfallenden Tarifwechselgebühren im Februar
2011 in Höhe von 14,95 EUR inkl. MwSt und die vierfach anfallenden Verwaltungspauschalen für Nichttelefonie jedenfalls im
November 2011 Höhe von 3,49 EUR inkl. MwSt, zusammen 73,76 EUR, hinzu, so hat die Klägerin schon auf Grund dieser Gebührenzahlungen
1.283,36 EUR gezahlt, ohne einen der vier Mobilfunkverträge für die Telefonie je genutzt zu haben. Hinzukommen noch Gebühren
für die Rechnungszahlung durch Überweisung pro Vertrag und Monat in Höhe von 3,95 EUR jedenfalls ab April 2011, was nochmals
347,60 EUR ausmacht. Die Klägerin zu 1) hat damit über die Mobilfunkverträge Gebühren in Höhe von jedenfalls 1.630,96 EUR
an K. gezahlt. Die Klägerin hat damit auf das verbundene Rechtsgeschäft aus Mobilfunkvertrag mit Handykaufoption auf Abzahlungsbasis
mit D. und Ersetzung dieser Option durch eine Barauszahlung der Firma Handytraum24.de) in zwei Jahren auf ein erhaltenes Kapital
von 1.200,00 EUR Zahlungen in Höhe von 1.630,96 EUR geleistet. Das entspricht einem jährlichen Zinssatz von fast 18 %.
Die Zahlung von 1.200,00 EUR auf das Konto der Klägerin zu 1) am 25. Februar 2010 durfte nach allem nicht als Einkommen gewertet
und auf die den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zu erbringenden Leistungen bedarfsmindernd angerechnet werden.
2. Die Berufung des Beklagten im Verfahren S 6 AS 1234/10 (Aufhebungs- und Erstattungsbescheide) ist begründet, insoweit sie sich gegen die Aufhebung der an die Kläger zu 2) und zu
3) gerichteten Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 17. September 2010 richtet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Hinsichtlich der Klägerin zu 1) und in Bezug auf den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. Mai 2010 in der Gestalt des
geänderten Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 21. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. September
2010 kann auf das Gesagte verwiesen werden. Da es sich bei den 1.200,00 EUR nicht um Einkommen handelte, durfte eine Anrechnung
der Zahlung auf den Bedarf der Klägerin zu 1) auch in den Monaten März und April 2010 nicht erfolgen. Die angegriffenen Bescheide
sind daher insoweit rechtswidrig und das erstinstanzliche Urteil, das diese Bescheide aufhebt und den Beklagten zur Zahlung
ohne Anrechnung von 200,00 EUR monatlich verpflichtet, ist insoweit rechtlich nicht zu beanstanden.
Hinsichtlich der Kläger zu 2) und zu 3) hat die Berufung Erfolg. Das erstinstanzliche Urteil ist aus prozessualen Gründen
aufzuheben, weil die Klagen unzulässig sind.
Die Kläger und ihre Anwältin haben den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. Mai 2010 dahingehend verstanden, dass Adressaten
alle drei Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft waren. Sie haben daher auch im Namen aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft
Widerspruch eingelegt. Allerdings war im Adressfeld des Bescheides nur die Klägerin zu 1) genannt. Außerdem enthält der Bescheid
den ausdrücklichen Hinweis: "Weitere volljährige Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erhalten einen gesonderten Bescheid".
Dies spricht in eindeutiger Weise dafür, dass die Kläger zu 2) und zu 3) nach ihrem Empfängerhorizont nicht davon ausgehen
konnten, auch sie seien Adressaten des Bescheids. Zwar bezog sich die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung der Höhe nach
auf alle drei Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, war aber nach Personen nicht individualisiert und alleine an die Klägerin
zu 1) gerichtet. Damit war die gegenüber der Klägerin zu 1) geltend gemachte Forderung zu hoch, machte aber nicht die Kläger
zu 2) und zu 3) zu Adressaten des Bescheids.
Da auch die Kläger zu 2) und zu 3) Widerspruch erhoben, wären ihre Widersprüche, da sie nicht Adressaten des Bescheids vom
11. Mai 2010 waren, als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Der Widerspruchsbescheid vom 23. September 2010 ist aber nur an
die Klägerin zu 1) gerichtet und spricht nur von der Widerspruchsführerin (der Klägerin zu 1). Die Widersprüche der Kläger
zu 2) und zu 3) gegen den Bescheid vom 11. Mai 2010 sind daher noch offen und nicht beschieden, das Vorverfahren ihnen gegenüber
nicht abgeschlossen. Die Klage der Kläger zu 2) und zu 3) war daher mangels Durchführung des Vorverfahrens als (derzeit) unzulässig
abzuweisen. Einer Aussetzung und Vertagung des Rechtsstreits analog §
114 SGG zur Nachholung des Vorverfahrens bedurfte es ausnahmsweise (zum Regelfall zuletzt BSG, Beschluss vom 4. März 2014, B 1 KR 433/13 B, juris Rn. 6 m.w.N.) nicht, weil die die Kläger zu 2) und zu 3) durch den nicht an sie gerichteten Bescheid vom 11. Mai 2010
ersichtlich nicht beschwert sind und ein rechtliches Interesse der Kläger zu 2) und zu 3) nur an den an sie gerichteten und
sie belastenden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 17. September 2010 bestehen kann.
Die an die Kläger zu 2) und zu 3) gerichteten Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 17. September 2010 sind nicht Gegenstand
des Klageverfahrens geworden. Der Hinweis des Beklagten auf §
86 SGG war falsch. Die Bescheide wurden, da schon der Ausgangsbescheid sich nicht an die Kläger zu 2) und zu 3) richtete, nicht
Gegenstand des Widerspruchsverfahrens und damit auch nicht des Klageverfahrens. Sie sind auch in dem streitgegenständlichen
Widerspruchsbescheid vom 23. September 2010 nicht erwähnt und wurden von dem Beklagten einer Überprüfung nicht unterzogen.
Unter Bezugnahme auf den Vortrag des Beklagten, diese Bescheide vom 17. September 2010 seien bestandskräftig, gibt der Senat
ergänzend folgenden rechtlichen Hinweis:
Der Beklagte hat durch seine an die Kläger zu 2) und 3) gerichteten Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 17. September
2010 und den dortigen Hinweis auf §
86 SGG den Eindruck erweckt, auch er sehe die Kläger zu 2) und zu 3) als Adressaten des Bescheides vom 11. Mai 2010 an. Denn nur
wenn der Ausgangsbescheid vom 11. Mai 2010 sich auch an die Kläger zu 2) und zu 3) richtete, konnten die Bescheide vom 17.
September 2010 nach §
86 SGG Gegenstand des Widerspruchverfahrens werden. Ausgangsbescheid und Änderungsbescheid müssen gegen denselben Beteiligten ergehen
(Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl. 2014, § 86 Rn. 2a). Die Hinweise des Beklagten mussten bei den Adressaten
der Bescheide die Vorstellung hervorrufen, ein Rechtsbehelf sei nicht gegeben und auch nicht nötig, weil die Bescheide ja
schon Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens würden. In einem solchen Fall eines irreführenden Hinweises auf einen
fehlenden Rechtsbehelf ergibt sich aus §
84 Abs.
2 Satz 3
SGG, der auf §
66 SGG verweist, dass der Widerspruch unbefristet möglich ist, denn es liegt ein Fall des 66 Abs. 2 Satz 1 am Ende vor (vgl. Becker
in: Roos/Wahrendorf,
SGG, 2014, §
86 Rn. 17; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl. 2014, § 66 Rn. 13 d). Es steht den Klägern damit weiter frei,
gegen die Bescheide vom 17. September 2010 Widerspruch einzulegen. Sie sind nicht bestandskräftig.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Revisionszulassungsgründe nach §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.