Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die den Beigeladenen zu 1) bis 4) zwischen dem 1.1.2003 und dem 31.8.2005 gewährte Vergütung
für ihre Tätigkeit im Rahmen des "Rollenden Mittagstisches" bei dem Kläger in vollem Umfang pauschal beitragspflichtig zur
gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung oder teilweise steuerfrei im Sinne vom §
3 Nr.
26 EStG und somit beitragsfrei in der Sozialversicherung im Sinne vom §
14 Abs.
1 Satz 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) gewesen ist.
Der Kläger ist eine im Vereinsregister beim Amtsgericht S (VR 000) eingetragene Untergliederung des Caritasverbandes für die
Diözese N e.V. Er bietet u.a. die tägliche Anlieferung einer warmen Mahlzeit in Form des so genannten "Rollenden Mittagstisches"
an, der mittlerweile in "Essen auf Rädern" umbenannt worden ist. Dabei bediente er sich im Streitzeitraum u.a. der Beigeladenen
zu 1) bis 4), die die Mahlzeiten auslieferten.
Die Beklagte führte zunächst für alle versicherungspflichtig Beschäftigten des Klägers am 15.6.2005 bei der Zentralen Gehaltsabrechnungsstelle
(ZGAST) des Caritasverbandes für die Diözese N e.V. eine Betriebsprüfung durch. Im Rahmen einer Ergänzungsprüfung für den
Zeitraum vom 1.1.2003 bis zum 31.8.2005 prüfte sie im Anschluss am 21.9.2005 in den Räumen des Steuerbüros T & Partner GmbH
in X, bei dem der Kläger die Lohnbuchhaltung für seine "Aushilfen", worunter er geringfügig und nebenberuflich Beschäftigte
fasste, abrechnen ließ.
Durch Bescheid vom 30.1.2006 stellte die Beklagte nach vorheriger Anhörung gegenüber dem Kläger als Ergebnis der Betriebsprüfung
fest, dass sich für den Prüfzeitraum eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 8.149,75 EUR ergebe. Auf die Beigeladenen zu
1) bis 4) entfielen davon 3.256,50 EUR. Im Einzelnen ergaben sich für diese aus den Anlagen des Bescheides folgende Beitragsnachberechnungen:
- betreffend die Beigeladene zu 1):
01/-03/2003
steuerfreies Brutto = 462,00 Euro
Krankenversicherungsbeitrag (10 % bis 31.03.2003, 11 % ab 01.04.2003) = 46,20 Euro
Rentenversicherungsbeitrag (12 %) = 55,40 Euro
Gesamtnachforderung = 101,64 Euro
04/-12/2003
steuerfreies Brutto = 1.232,00 Euro
Krankenversicherungsbeitrag (10 % bis 31.03.2003, 11 % ab 01.04.2003) = 135,52 Euro
Rentenversicherungsbeitrag (12 %) = 147,84 Euro
Gesamtnachforderung = 283,36 Euro
01/-06/2004
steuerfreies Brutto = 770,00 Euro
Krankenversicherungsbeitrag (10 % bis 31.03.2003, 11 % ab 01.04.2003) = 84,70 Euro
Rentenversicherungsbeitrag (12 %) = 92,40 Euro
Gesamtnachforderung = 177,10 Euro
Einkünfte / Beiträge insgesamt
steuerfreies Brutto = 2.464,00 Euro
Gesamtnachforderung = 562,10 Euro
- betreffend die Beigeladene zu 2):
01/-03/2003
steuerfreies Brutto = 462,00 Euro
Krankenversicherungsbeitrag (10 % bis 31.03.2003, 11 % ab 01.04.2003) = 46,20 Euro
Rentenversicherungsbeitrag (12 %) = 55,40 Euro
Gesamtnachforderung = 101,64 Euro
04/-12/2003
steuerfreies Brutto = 1.231,04 Euro
Krankenversicherungsbeitrag (10 % bis 31.03.2003, 11 % ab 01.04.2003) = 135,41 Euro
Rentenversicherungsbeitrag (12 %) = 147,73 Euro
Gesamtnachforderung = 283,14 Euro
01/- 12/2004
steuerfreies Brutto = 1.694,00 Euro
Krankenversicherungsbeitrag (10 % bis 31.03.2003, 11 % ab 01.04.2003) = 186,34 Euro
Rentenversicherungsbeitrag (12 %) = 203,28 Euro
Gesamtnachforderung = 389,62 Euro
01/-08/2005
steuerfreies Brutto = 1.232,00 Euro
Krankenversicherungsbeitrag (10 % bis 31.03.2003, 11 % ab 01.04.2003) = 135,52 Euro
Rentenversicherungsbeitrag (12 %) = 147,84 Euro
Gesamtnachforderung = 283,36 Euro
Einkünfte / Beiträge insgesamt
steuerfreies Brutto = 4.619,04 Euro
Gesamtnachforderung = 1.057,76 Euro
- betreffend die Beigeladene zu 3):
01/-03/2003
steuerfreies Brutto = 462,00 Euro
Krankenversicherungsbeitrag (10 % bis 31.03.2003, 11 % ab 01.04.2003) = 46,20 Euro
Rentenversicherungsbeitrag (12 %) = 55,40 Euro
Gesamtnachforderung = 101,64 Euro
04/-12/2003
steuerfreies Brutto = 1.232,00 Euro
Krankenversicherungsbeitrag (10 % bis 31.03.2003, 11 % ab 01.04.2003) = 135,52 Euro
Rentenversicherungsbeitrag (12 %) = 147,84 Euro
Gesamtnachforderung = 283,36 Euro
01/-14.07.2004
steuerfreies Brutto = 841,96 Euro
Krankenversicherungsbeitrag (10 % bis 31.03.2003, 11 % ab 01.04.2003) = 92,62 Euro
Rentenversicherungsbeitrag (12 %) = 101,64 Euro
Gesamtnachforderung = 193,66 Euro
Einkünfte / Beiträge insgesamt
steuerfreies Brutto = 2.535,96 Euro
Gesamtnachforderung = 578,66 Euro
- betreffend die Beigeladene zu 4):
01/-03/2003
steuerfreies Brutto = 462,00 Euro
Krankenversicherungsbeitrag (10 % bis 31.03.2003, 11 % ab 01.04.2003) = 46,20 Euro
Rentenversicherungsbeitrag (12 %) = 55,40 Euro
Gesamtnachforderung = 101,64 Euro
04/-12/2003
steuerfreies Brutto = 1.232,00 Euro
Krankenversicherungsbeitrag (10 % bis 31.03.2003, 11 % ab 01.04.2003) = 135,52 Euro
Rentenversicherungsbeitrag (12 %) = 147,84 Euro
Gesamtnachforderung = 283,36 Euro
01/-12/2004
steuerfreies Brutto = 1.694,00 Euro
Krankenversicherungsbeitrag (10 % bis 31.03.2003, 11 % ab 01.04.2003) = 186,34 Euro
Rentenversicherungsbeitrag (12 %) = 203,28 Euro
Gesamtnachforderung = 389,62 Euro
01/-08/2005
steuerfreies Brutto = 1.232,00 Euro
Krankenversicherungsbeitrag (10 % bis 31.03.2003, 11 % ab 01.04.2003) = 135,52 Euro
Rentenversicherungsbeitrag (12 %) = 147,84 Euro
Gesamtnachforderung = 283,36 Euro
Einkünfte / Beiträge insgesamt
steuerfreies Brutto = 4.620,00 Euro
Gesamtnachforderung = 1.057,98 Euro
Der Kläger verteilte dabei den seiner Ansicht nach bestehenden Steuerfreibetrag i.H.v. damals 1.848,00 Euro/Jahr auf 12 Monate.
In allen Fällen versäumte er es, im Monat März 2004 154,00 Euro des Entgeltes steuerfrei zu stellen.
Zur Begründung ihrer Beitragsnachforderung gab die Beklagte an, dass Zahlungen an die geringfügig beschäftigten Beigeladenen
zu 1) bis 4) als Aufwandsentschädigungen für nebenberufliche Tätigkeiten im Sinne des §
3 Nr. 26
EStG steuer- und beitragsfrei gezahlt worden seien, obwohl keine von dieser Norm begünstigte Tätigkeit vorgelegen habe. Insbesondere
handele es sich nicht um einen Fall der Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen. Der reine Transport von Speisen sei
keine begünstigte Tätigkeit. Die bei der Essensübergabe entstehenden Kontakte mit alten, kranken oder behinderten Menschen
seien von untergeordneter Bedeutung. Die bloße Auslieferung von fertigen Mahlzeiten stelle keine Hilfe bei häuslichen Verrichtungen
und Einkäufen dar. Die Leistung des "Rollenden Mittagstisches" zähle auch nicht zu den Hilfsmaßnahmen der Altenhilfe i.S.v.
§ 71 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) bzw. der bis zum 31.12.2004 geltenden, gleichlautenden Vorgängerregelung des § 75 Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Daraus folge, dass für die an die Mitarbeiter des "Rollenden Mittagstisches" beitragsfrei gezahlten Aufwandsentschädigungen
auf Grundlage der in den Lohnunterlagen ausgewiesenen Entgeltbeträge pauschale Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung
festzusetzen seien. Der Bescheid betraf darüber hinaus noch weitere Mitarbeiter des Klägers, die zum einen gänzlich, zum anderen
teilweise auch in anderen Bereichen (z.B. als Verwaltungskraft, Fuhrparkpfleger, Fahrdienst für Senioren) tätig waren.
Hiergegen legte der Kläger durch seine Steuerberatungsgesellschaft am 6.2.2006 Widerspruch ein. Die gewährten Aufwandsentschädigungen
seien sowohl lohnsteuer- als auch sozialversicherungsbeitragsfrei, da sie auf einer nebenberuflichen Tätigkeit im Bereich
der Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen im Auftrage einer gemeinnützigen Einrichtung beruhten. Unter Pflege in
diesem Sinne sei nicht nur die Dauerpflege zu verstehen. Hierunter fielen auch Hilfsdienste bei der häuslichen Betreuung durch
angelernte Pflegekräfte und bei der Altenhilfe entsprechend § 71 SGB XII i.V.m. den Lohnsteuerrichtlinien. Unter Zugrundelegung dieser Norm des Sozialhilferechts seien die Leistungen der Beigeladenen
zu 1) bis 4) Leistungen der Altenhilfe. Diese schlössen die Unterstützung bei häuslichen Verrichtungen und Einkäufen, aber
auch die Lieferung von warmen Mahlzeiten ein.
Nachdem die Beklagte im Rahmen ihrer Ermittlungen von Amts wegen Stellungnahmen der Mitarbeiter zu ihrer jeweiligen Tätigkeit
eingeholt hatte, half sie dem Widerspruch durch Bescheid vom 27.11.2008 teilweise ab, indem sie den Nachforderungsbetrag auf
7.010,96 EUR festsetzte. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 26.1.2009). Es bleibe dabei,
dass im Gegensatz zum Fahrdienst für Senioren (Personenbeförderung), bei dem es sich um einen Fall der Altenhilfe handele,
im Fall des "Rollenden Mittagstisches" §
3 Nr. 26
EStG für gewährte Aufwandsentschädigungen nicht in Anspruch genommen werden könne. Dies decke sich auch mit der steuerrechtlichen
Einschätzung des Finanzamtes N, wonach "Essen auf Rädern" nicht als begünstigte Tätigkeit im Sinne der Norm anzusehen sei,
da bei dieser Dienstleistung der Transport der Speisen im Vordergrund stehe.
Hiergegen hat der Kläger am 20.2.2009 Klage zum Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhoben. Er hat zur Begründung ausgeführt, dass sich der "Rollende Mittagstisch" an pflegebedürftige und wegen
Alters gebrechliche Personen richte, denen täglich eine warme Mahlzeit in ihr häusliches Wohnumfeld geliefert werden solle.
Die Anlieferung werde von ehrenamtlich für ihn tätigen Kräften durchgeführt, die für die täglichen Anlieferungstouren seine
Fahrzeuge benutzten. Für die Anlieferungstätigkeit, die stets auch verbunden sei mit der persönlichen Kontaktaufnahme zu den
Betreuten, zahle er diesen Personen eine nach §
3 Nr. 26
EStG steuer- und beitragsfreie Aufwandsentschädigung. Die Beklagte verkenne bei ihrer Bewertung des Sachverhalts die tatsächlichen
Verhältnisse. Auch wenn die ehrenamtlich bei ihm tätigen Aushilfsfahrer grundsätzlich dazu eingesetzt würden, den von ihnen
versorgten Personen im Rahmen des "Rollenden Mittagstisches" die vorbereiteten Speisen vorbeizubringen, verrichteten sie für
die entsprechenden Personen auch betreuende Tätigkeiten. Zum Teil sei es erforderlich, das Essen aufzudecken bzw. bei der
Einnahme der Speisen behilflich zu sein. Bei den Anlieferungen handele es sich um einen der wenigen Sozialkontakte der betagten
Kunden, so dass die ehrenamtlichen Mitarbeiter schon aus eigener Intention kurz dort verweilten und ein persönliches Gespräch
führten. Es sei daher keineswegs durchgängig so, dass die erwähnten Speisen an der Haustür abgegeben würden. Vielmehr stehe
die von persönlicher Zuwendung getragene Tätigkeit im Vordergrund.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.1.2009 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung auf den Inhalt ihrer Bescheide Bezug genommen. Zwar sei nicht zu verkennen, dass die aufgrund der Tätigkeit
entstehenden sozialen Kontakte für die Senioren von Bedeutung seien und eine Art Zuwendungsleistung darstellten. Allerdings
stünde aus ihrer Sicht weiterhin der Transport der Speisen bei der Ausübung der Tätigkeit im Vordergrund.
Durch Beschluss vom 30.6.2009 sind alle von dem Bescheid betroffenen Mitarbeiter des Klägers sowie die betroffenen Einzugsstellen
und Sozialversicherungsträger zum Verfahren beigeladen worden.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Der Rechtsstreit ist am 22.10.2009, am 24.6.2010, am 30.9.2010 und am 27.1.2011 erörtert worden. Neben umfangreicher Anhörung
der Beteiligten ist zudem am 27.1.2011 die Zeugin S vernommen worden.
Der Kläger hat sich nach dem Ergebnis der Anhörung der Beigeladenen und Vernehmung der Zeugin in seiner Rechtsauffassung bestätigt
gesehen. Die Mehrheit derselben hätte bekundet, dass eine konkrete Anweisung bestanden habe, notwendige Zuwendungen zu erbringen
und auf das persönliche Umfeld der Kunden des "Rollenden Mittagstisches" zu achten, insbesondere bemerkenswerte Veränderungen
am Ende der Tour der Zeugin S zu melden. Zum Teil hätten die angehörten Beigeladenen auch dezidiert über Einzelheiten ihrer
Essenauslieferung berichtet, die über die bloße Abgabe von Speisen hinausgegangen sei und weitergehende Kontakte sowie Handreichungen
für die Kunden beinhaltet habe. Die vom Kläger angeordneten und durch die ehrenamtlich tätigen Personen erbrachten weiteren
Zusatzdienstleistungen könnten zwanglos unter den Oberbegriff "Betreuungsleistung" subsumiert werden.
Die Beklagte hat sich ebenfalls in ihrer bisherigen Auffassung bestätigt gesehen. Durch die angehörten Beigeladenen sei überwiegend
bekundet worden, dass das Hauptaugenmerk auf der Ausgabe des Essens gelegen und für die Betreuung der Empfänger nicht ausreichend
Zeit zur Verfügung gestanden habe. Überdies stehe keineswegs fest, dass eine Pflicht zur Beobachtung und Meldung bestanden
habe. Eine etwaige Rückmeldung der gesundheitlichen Verfassung der Essensempfänger gegenüber dem Kläger stelle überdies noch
keine Betreuung i.S.v. §
3 Nr. 26
EStG dar.
Durch Urteil vom 30.6.2011 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 27.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.1.2009 aufgehoben. Es hat sich
der Argumentation des Klägers angeschlossen. Die Voraussetzungen des §
3 Nr. 26
EStG lägen für die streitige Tätigkeit u.a. der Beigeladenen zu 1) bis 4) im streitigen Zeitraum vor. Bei dem "Rollenden Mittagstisch"
sowie den damit in Zusammenhang stehenden Nebenleistungen habe es sich um die Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen
im Sinne von Hilfsdiensten bei der häuslichen Betreuung gehandelt. Dies stehe nach der Anhörung der Beteiligten sowie der
Vernehmung der Zeugin S fest. Es sei davon auszugehen, dass durch den Kläger entsprechende Anweisungen erteilt worden seien,
die Menüs nicht nur auszuliefern, sondern ergänzende Hilfeleistung zu erbringen. Es habe sich um eine Leistung des karitativ
tätigen Klägers gehandelt, die über die bloße Essenslieferung hinausgegangen sei. Dies unterscheide den "Rollenden Mittagstisch"
von sonstigen, insbesondere gewerblichen Menü-Bringe-Diensten. Qualitativ vermochte das SG insoweit keinen Unterschied zu dem vom Kläger betriebenen Fahrdienst zu erkennen, den auch die Beklagte als von §
3 Nr. 26
EStG erfasst angesehen habe. Auch beim Fahrdienst werde eine über den bloßen Transport hinausgehende Hilfeleistung in Abhängigkeit
vom Gesundheitszustand und den Anforderungen der jeweils hilfsbedürftigen Person erbracht. Der Kläger habe im Rahmen des "Rollenden
Mittagstisches" über die reine Auslieferung hinaus auch Leistungen der Unterstützung für die Kunden bei häuslichen Verrichtungen
bis hin zur Durchführung von Einkäufen, sowie weitere Hilfestellung angeboten und vorgehalten. Ob diese nun und ggf. in welchem
Umfang von den einzelnen Kunden tatsächlich abgerufen worden seien, könne letztlich für die Einordnung der begünstigten Tätigkeit
nicht den Ausschlag geben. Auf den Inhalt der Entscheidungsgründe wird im Übrigen Bezug genommen.
Gegen das der Beklagten haben 16.8.2011 zugestellte Urteil hat diese am 9.9.2011 Berufung eingelegt.
Sie hält das Urteil für fehlerhaft. Bei der beitragsrechtlichen Beurteilung der Zahlungen für die Tätigkeit im Rahmen des
"Rollenden Mittagstisches" sei in erster Linie auf die steuerrechtlichen Tatbestände abzustellen. Die Lieferung einer Mahlzeit
reiche für die Annahme einer Pflegeleistung gerade nicht aus. Wenn man die Heimpersonalverordnung (HeimPersVO) in Einrichtungen der Altenpflege heranziehe, so werde der Begriff "betreuende Tätigkeiten" dort in § 5 Abs.
1 ausgelegt als Tätigkeiten, bei denen der überwiegende Anteil in unmittelbarem Kontakt mit den Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern
bestehe (Pflege, Therapie, Betreuung, Förderung). Nicht zu den betreuenden Tätigkeiten gehörten danach die Verwaltung sowie
die hauswirtschaftliche Versorgung. Das Transportieren von Speisen, ggf. verbunden mit dem Öffnen der Wohnungstüren mit mitgebrachten
Schlüsseln, das Öffnen der Essensverpackung sowie eine Weitergabe der dabei gewonnenen Beobachtungen an den Kläger erfüllten
vor diesem Hintergrund nicht den Tatbestand der Betreuung und Pflege. Der Kläger selbst habe darauf hingewiesen, dass im Einzelfall
bei Auffälligkeiten der Kontakt mit der Pflegedienstleitung aufgenommen werde, was belege, dass es einen "separaten Pflegedienst"
gebe, der die häusliche Betreuung übernehme. Auch habe er bestätigt, dass die Mitarbeiter des Menü-Bringe-Dienstes keine Altenpflegedienstleistung
erbringen durften.
Die Bekundungen der Beigeladenen bestätigten, dass die Tätigkeit als Auslieferungsfahrer des "Rollenden Mittagstisches" keine
tatsächlichen Pflegedienstleistungen umfasst habe und aufgrund der Zeitknappheit auch nicht habe umfassen können. Nach der
Anhörung der Beigeladenen ergebe sich kein eindeutiges Bild, ob ergänzende Hilfestellungen entsprechend einer Anweisung des
Klägers zu erbringen gewesen seien oder nicht. Selbst wenn es eine solche Anweisung gegeben haben sollte, so habe sie sich
darin erschöpft, auf das Umfeld der Kunden zu achten, Auffälligkeiten, Beobachtungen und Unregelmäßigkeiten zu melden. Darüber
hinausgehende weitere Vorgaben wie z.B. konkrete Hilfestellung zu geben, Pflegeleistungen zu erbringen oder aber Aufgaben
zu erfüllen, hätten nicht bestanden. Die Mitarbeiter hätten nach dem Rechten zu sehen und das Essen zu übergeben gehabt. Die
jeweils dargestellten weiteren Tätigkeiten (Kleinschneiden der Portionen, Füttern eines blinden Kunden) hätten nur Einzelfälle
betroffen. Die bloße Weitergabe von Informationen zu sonstigen Vorkommnissen stelle keine betreuende/pflegende Tätigkeit dar.
Abgesehen davon ergebe sich nach Anhörungen und Zeugeneinvernahme, dass das Zeitkontingent in der Praxis grundsätzlich nicht
ausreichend gewesen sei, um entsprechende Nebenleistungen flächendeckend zu erbringen. Über den Einzelfall hinaus sei der
Zeitrahmen für die Tour sehr knapp bemessen gewesen.
Jedenfalls sei nicht erwiesen, dass der "Rollende Mittagstisch" über die bloße Essensauslieferung hinaus tatsächlich weitere
pflegende oder betreuende Tätigkeiten beinhaltete. Somit treffe die objektive Beweislast den Kläger. Ein Vergleich zwischen
der Erbringung des Fahrdienstes und der Essensauslieferung im Rahmen des "Rollenden Mittagstisches" führe dazu, dass ersterem
durchaus pflegende Aspekte zuzusprechen seien, da die pflegende Person selbst Subjekt des Transportes sei. Beim "Rollenden
Mittagstisch" stehe demgegenüber allein das Mittagessen als Gegenstand des Transportes im Mittelpunkt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 30.6.2011 zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit sie Nachforderungen betreffend
die Beigeladenen zu 1.) bis 4.) des vorliegenden Verfahrens betrifft.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Er tritt der Berufung entgegen und verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Ergänzend verweist er auf Abschnitt 3.26 der Lohnsteuerrichtlinien
2011 und die darin niedergelegte Auffassung der Steuerverwaltung. Die Verwaltungsanweisungen hielten ausdrücklich fest, welche
Tätigkeiten nicht der Befreiungsvorschrift des §
3 Nr. 26
EStG unterfielen, und verwiesen ergänzend auf den Auffangtatbestand des §
3 Nr. 26a
EStG.
Der Rechtsstreit ist am 30.8.2013 mit den Beteiligten erörtert worden.
Durch Trennungsbeschluss vom 2.10.2013 ist das Verfahren der jetzigen Beigeladenen zu 1) bis 4) von dem Verfahren L 8 R 842/11 abgetrennt und unter dem Az. L 8 R 961/13 fortgeführt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Sitzungsniederschriften,
und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 4)-15) verhandeln und entscheiden können, da er sie mit den ordnungsgemäßen
Terminsnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
I.
II.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der vom Kläger betriebene "Rollende Mittagstisch" im Streitzeitraum
ein Menübringdienst war, dessen Leistungen nicht durch darüber hinausgehende pflegerische Kontakte zu den Empfängern der Mahlzeiten
geprägt war.
Der Kläger hatte sich - entgegen der Annahme des SG - gegenüber seinen Kunden im Streitzeitraum schon vertraglich nicht verpflichtet, Zusatzleistungen aus dem Bereich Pflege
oder Betreuung zu erbringen. Auch wenn der "Rollende Mittagstisch" im Streitzeitraum weniger institutionalisiert gewesen oder
professionell betrieben worden ist als heute, so hat sich bis auf den Namen ("Essen auf Rädern") nach den Angaben seines Geschäftsführers
und Bevollmächtigten nichts Wesentliches geändert. Die geübte Praxis gibt weder für die Vergangenheit noch für die Gegenwart
einen Anhaltspunkt dafür, dass irgendeine (Zusatz-)Leistung gegenüber den Kunden vertraglich zugesagt worden wäre. Angeboten
und vereinbart war und ist stattdessen die bloße Belieferung mit dem ausgewählten Essen. Eine Weiterentwicklung hat diesbezüglich
nicht stattgefunden. Die damals noch nicht üblichen, heutigen Bestellbögen enthalten weder Felder für die Angabe von eventuell
zu kontaktierenden Angehörigen oder Pflegediensten, Besonderheiten wie Pflegestufen oder Behinderungen noch Extrawünschen.
Zusatzleistungen, wie etwa die mundgerechte Zubereitung, konnten nicht vereinbart werden.
Derartige Zusatzleistungen sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch allenfalls in Einzelfällen erbracht worden.
Üblicherweise erfolgte die vereinbarte Lieferung eines Mittagessens in Thermoverpackung vor bzw. an die Haustür oder (ggf.
mit Hilfe vorhandener Schlüssel) in die Wohnung auf den Esstisch. Wenn in diesen Fällen noch die Umverpackung und der oder
die Deckel vom Essen genommen worden sind, so ist darin eine pflegerische Leistung nicht zu erkennen.
Die Kunden sind - abgesehen von wenigen Ausnahmefällen (ein Fall, in dem für einen blinden Kunden die Mahlzeiten kleingeschnitten
wurden, ein Fall, in dem ein Kunde gefüttert wurde) - nicht bei der weiteren Zubereitung oder Einnahme der Mahlzeiten betreut
oder überwacht worden. im Sinne einer aktiven Betreuung bei der Einnahme der Mahlzeiten überwacht worden. Hierfür ließ die
zur Verfügung stehende Zeit von 2 1/2 bis 3 1/2 Stunden bei 25-35 Mittagessen pro Tour auch keinerlei Raum. Bei 25 (35) Essen
standen 150 (210) Minuten und damit durchschnittlich 6 (6) Minuten für Anfahrt und Übergabe zur Verfügung. Der "rollende Mittagstisch"
war gerade mit der Zielsetzung zeitlich eng getaktet, in der Mittagszeit alle Kunden mit halbwegs warmem Essen zu versorgen.
Es besteht weiter kein Anhaltspunkt dafür, dass die Beigeladenen zu 1) bis 4) Beratungsleistungen zu erbringen hatten. Die
Entgegennahme von Bestellscheinen oder -wünschen durch die Fahrer(innen) des "Rollenden Mittagstisches" reicht hierfür nicht
aus.
Aufmunternde Worte bzw. kurze Gespräche anlässlich der Übergabe der Mahlzeiten "zwischen Tür und Angel" oder aber auch in
den Wohnräumen des Kunden mögen zwar auch den Charakter einer persönlichen Zuwendung haben, waren jedoch nur untergeordneter
Bedeutung, wie offenbar auch das von dem Kläger wiederholt behauptete ehrenamtliche Engagement der Mitarbeiter/innen. Auf
Befragen durch den Senat haben die Beigeladenen zu 1) bis 3) übereinstimmend angegeben, dass sie aus wirtschaftlichen Erwägungen
der Tätigkeit nachgegangen seien.
Der Streitwert bestimmt sich gemäß § 52 Abs. 1, 3 Gerichtskostengesetz nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden wirtschaftlichen Bedeutung. In dem abgetrennten Verfahren wendet
er sich gegen eine Beitragsforderung von 3.256,50 Euro.