Rechtmäßigkeit der Entziehung des Nachteilsausgleichs "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr"
(Merkzeichen G)
Prüfung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Entziehung des Nachteilsausgleichs "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit
im Straßenverkehr" (G).
Bei dem 1968 geborenen Kläger wurde im Oktober 2007 ein sogenannter Schmincke-Tumor, eine Krebserkrankung im Nasen-Rachenraum,
diagnostiziert und seit November 2007 mit einer kurativen kombinierten Chemo- und Radiotherapie behandelt. Der Beklagte stellte
zunächst mit Bescheid vom 28.11.2007 einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 nach dem Neunten Buch des Sozialgesetzbuches
(
SGB IX) fest. Mit dem Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid, mit welchem er neben einem höheren GdB auch die Feststellung
der Nachteilsausgleiche G und RF ("Rundfunkgebührenbefreiung") beanspruchte, führte er an, sein Körper reagiere außergewöhnlich
stark auf die durchgeführte Behandlung, so dass er ausschließlich mittels Magensonde versorgt werde.
Nach Auswertung des beigezogenen Arztbriefes der Medizinischen Klinik Mitte (Interdisziplinäres Tumorzentrum E, ONKO DO) sowie
eines Befundberichtes der behandelnden Allgemeinmediziner Dres. L1 und K vom 19.02.2008, in dem unter anderem ein deutlich
reduzierter Allgemein- und Ernährungszustand beschrieben wird, erkannte der Beklagte mit Abhilfebescheid vom 13.05.2008 einen
GdB von 80 sowie das Vorliegen der Voraussetzungen für die Nachteilsausgleiche G und RF für die Beeinträchtigung "Nasen- und
Rachenraumerkrankung, Radio-/Chemotherapie" an.
Im Rahmen einer von Amts wegen veranlassten Nachprüfung der bisherigen Feststellungen holte der Beklagte Behandlungsberichte
des Evangelischen Krankenhauses Düsseldorf, Medizinische Klinik (EVK) vom 21.05.2008, vom 21.11.2008 und vom 09.02.2009, sowie
der den Kläger behandelnden Ärzte Dr. L vom 13.07.2009, Dr. M vom 25.08.2009 ein und zog den Kurabschlussbericht der Reha-Klinik
Bad N über eine stationäre Behandlung vom 07.07. 2009 bis 04.08.2009 bei. Aus diesen Unterlagen ergibt sich ua, dass die Versorgung
des Klägers über eine PEG-Magensonde vom 20.11.2007 bis 08.10.2008 andauerte. In dem Bericht des EVK von Januar 2009 wird ein guter Allgemein- und
Ernährungszustand beschrieben. Nach Auswertung der medizinischen Unterlagen entzog der Beklagte mit Bescheid vom 03.03.2010
nach vorheriger Anhörung des Klägers unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 13.05.2008 die Nachteilsausgleiche
G und RF; den GdB stellte er mit 90 fest. Zur Begründung führte er aus, die Auswirkungen der vorliegenden Beeinträchtigungen
hätten sich gebessert.
Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, er sei weiterhin an einer uneingeschränkten Bewältigung aller Wegstrecken gehindert.
Da ihm aufgrund der Erkrankung keinerlei Speichelfluss zur Verfügung stehe, benötige er jederzeit Wasser zur Spülung. Er sei
gezwungen, ständig Wasserflaschen mit sich zu führen. Dieser Umstand könne durch die Merkmale abgemildert werden.
Die Bezirksregierung Münster wies den Widerspruch mit Bescheid vom 09.06.2010 zurück.
Der zunächst anwaltlich nicht vertretene Kläger hat am 07.07.2010 Klage beim Sozialgericht Dortmund (SG) erhoben und sich gegen den Entzug des Nachteilsausgleichs G gewandt. Er hat vorgetragen, es liege nach wie vor eine Gehbehinderung
vor. Er müsse nach nur kurzen Gehstrecken verschnaufen und Flüssigkeit zu sich nehmen, da er kaum Mundspeichelbildung habe
und deshalb auch schlecht Luft bekomme. Der nach Durchführung der Beweisaufnahme jetzt anwaltlich vertretene Kläger hat im
weiteren vorgetragen, es sei überhaupt keine Änderung der Verhältnisse eingetreten. Er hätten bereits im Mai 2008 die Voraussetzungen
für die Zuerkennung des Merkzeichens G nicht vorgelegen. Durch eine Therapie zur Aufdehnung des Rachenraums im April 2008
sei die Möglichkeit der Nahrungsaufnahme verbessert worden. Bereits im Mai 2008 sei er in der Lage gewesen, Wegstrecken von
zwei Kilometern in einer halben Stunde zurückzulegen.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines internistischen Gutachtens des Dr. X vom 24.05.2011 nebst ergänzender Stellungnahmen
vom 29.11.2012 und 15.05.2013. Nach den Feststellungen des Sachverständigen (SV) leidet der Kläger zwar weiterhin an den Folgen
der Geschwulsterkrankung im Nasen-Rachenraum mit einer Unfähigkeit zu ausreichender Speichelproduktion und einer Behinderung
des Schluckvorgangs. Eine normale Kostaufnahme mit zusätzlicher Verabreichung von reichlich Flüssigkeit ist aber nunmehr möglich.
Der SV fand keine Zeichen einer Mangelernährung. Er hat iü ausgeführt, dass im Vergleich zu Mai 2008 insoweit eine Änderung
eingetreten sei, als der Kläger seinerzeit unter den Folgen einer ausgedehnten Schleimhautentzündung im gesamten Mund-Rachenraum
gelitten habe und die Ernährung mittels einer Magensonde erfolgen musste. Der Kläger sei dazu in der Lage, ortsübliche Wegstrecken
bis zu 2 Km ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich oder andere in etwa 30 Minuten zurückzulegen. Eine
deutliche Besserung des Allgemein- und Ernährungszustandes des Klägers sei erst seit der erfolgreichen Bougierungs-Therapie
im April 2008 erreicht worden. Es sei nicht davon auszugehen, dass es bereits zwischen dieser Behandlung und dem Bescheid
vom 13.05.2008 zu einer gravierenden Besserung gekommen sei. Eine solche trete, wenn überhaupt, stufenweise über Wochen bis
Monate ein.
Das SG hat mit Urteil vom 11.11.2013 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig.
Rechtsgrundlage seien die §§ 69 Abs 1 S 1, Abs 4 und 146 Abs 1 S 1SGB IX iVm § 48 Abs 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X). Danach stelle die zuständige Behörde neben dem Vorliegen der Behinderung und des Behinderungsgrades auf Antrag die gesundheitlichen
Merkmale für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen wie Merkzeichen G fest. Die Zuerkennung erfolge in Form eines Verwaltungsaktes
mit Dauerwirkung. Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses Verwaltungsaktes vorgelegen
haben, eine wesentliche Veränderung eingetreten sei, sei dieser mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs 1 SGB X). Wesentlich sei eine Änderung der Verhältnisse, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens nicht mehr
erfüllt seien. Durch eine wesentliche Besserung der körperlichen Gesamtkonstitution und Belastbarkeit des Klägers sei die
im Mai 2008 zuerkannte Berechtigung für das Merkzeichen G entfallen. Dieses Merkzeichen erhielten gemäß §§
69,
146 Abs
1 S 1
SGB IX Schwerbehinderte, die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt seien. Dafür sei nachzuweisen,
dass ein Betroffener in Folge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren
für sich oder andere Wegstrecken im Straßenverkehr zurückzulegen vermöge, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt würden.
Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gelte eine Wegstrecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde
zurückgelegt werde. Dass der Kläger die Voraussetzungen für die Feststellung einer erheblichen Gehbehinderung zum Zeitpunkt
der Entziehung nicht erfüllte, sei zwischen den Beteiligten unstreitig und für das Gericht offenkundig. Die Beeinträchtigung
der körperlichen Leistungsfähigkeit durch die Akutbehandlung der Krebserkrankung sowie die künstliche Sondenernährung sei
jedenfalls 2010 überwunden gewesen. Relevante Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates bestünden nicht. Es sei auch seit
der Bewilligung des Nachteilsausgleichs im Mai 2008 eine wesentliche Änderung eingetreten. Nach der gutachterlichen Einschätzung
von Dr. X hätten die Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt auf Grund einer wesentlichen Schwächung des Organismus durch die
Folgen der aggressiven Akutbehandlung der Krebserkrankung mit verbleibender künstlicher Ernährung vorgelegen. Dies habe der
SV nachvollziehbar dargelegt. Im Übrigen gelte die in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die für die Feststellung und Herabsetzung des Behinderungsgrades etablierte Vermutung, dass eine nachfolgend wesentlich
geringere Bewertung auf einer funktionalen Verbesserung und nicht auf einer ursprünglich unrichtigen Bewertung basiere (Bezugnahme
auf ein Urteil des BSG vom 10.02.1993, 9/9a RVS 5/91 in Juris). Bis zum Beweis des Gegenteils sei danach davon auszugehen, dass die seinerzeitige
Beurteilung des Ausmaßes der Gehbehinderung auf Grund einer Schwächung des Organismus des Klägers zutreffend gewesen sei.
Der Kläger hat gegen das ihm am 30.12.2013 zugestellte Urteil am 24.01.2014 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus,
es sei unstreitig, dass die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G nicht vorlägen. Sie hätten aber schon im Mai 2008
nicht vorgelegen. Aus den beigezogenen Berichten der behandelnden Krankenanstalten ergäbe sich, dass sein Zustand bereits
seit Januar 2008 wieder so gut gewesen sei, dass sein Gehvermögen nicht wesentlich beeinträchtigt war. Auch er selbst habe
damals nicht behauptet, dass er nicht gehen könne; vielmehr habe er nur darauf hingewiesen, dass er weder Speisen noch Getränke
zu sich nehmen könne.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 11.11.2013 und den Bescheid des Beklagten vom 03.03.2010, dieser in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2010 aufzuheben, soweit damit das Merkzeichen G entzogen wird.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zur Begründung nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach eigener Prüfung
der Sach- und Rechtslage im Wesentlichen auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug (§
153 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -).
Auch nach Ansicht des Senats ist dem Kläger das Merkzeichen G wegen der körperlichen Konsolidierung seines Gesundheitszustandes
gegenüber Mai 2008 zu Recht entzogen worden. Um dies feststellen zu können sind die im Zeitpunkt der Aufhebung der Bewilligung
bestehenden tatsächlichen Verhältnisse zu vergleichen mit jenen, die im Zeitpunkt des letzten Feststellungsbescheides vorhanden
gewesen sind. Dies hat der Beklagte für das Gericht nachvollziehbar getan.
Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass der Kläger in seiner Gehfähigkeit derzeit nicht iSd des §
146 SGB IX eingeschränkt ist. Das hat auch der im Klageverfahren gehörte SV Dr. X dargelegt. Der Kläger kann, wie er selbst nunmehr
auch einräumt, problemlos zwei Kilometer in etwa einer halben Stunde zurücklegen. Dazu war er entgegen seinem späteren Vorbringen
im Klage- und Berufungsverfahren zum Zeitpunkt der Bewilligung im Mai 2008 nicht in der Lage. Gerade deshalb hatte er mit
seinem Widerspruch vom 30. Januar 2008 die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs G beantragt. Damals hatte er ausdrücklich hervorgehoben,
dass sein Körper außergewöhnlich stark auf die durchgeführte Behandlung reagiere. Er könne weder Speisen noch Getränke zu
sich nehmen und werde ausschließlich über eine Magensonde versorgt. Nach Auswertung der Berichte des Klinikums E vom 30.01.2008
sowie des Hausarztes Dr. L1 vom 19.02.2008 war es gerechtfertigt, dass der Beklagte aufgrund der noch bestehenden Sondenkost
und Flüssigkeitsgabe über PEG-Sonde und der ausgeprägten Schluckbeschwerden dem reduzierter Allgemeinzustand / Trainingszustand Rechnung getragen hat.
Da dem Kläger kein Speichelfluß zur Verfügung stand, benötigte er ständig Flüssigkeit. Dass er damit 2008 insgesamt vermehrt
belastet und damit in seiner Gehfähigkeit eingeschränkt war, konnte die Beklagte bzw der beratende Arzt in der gutachterlichen
Stellungnahme im Rahmen des Beurteilungsspielraumes ohne weiteres annehmen und dies wird auch von dem SV rückschauend entsprechend
beurteilt. Auch wenn die konkrete Behinderung nicht unmittelbar mit den Regelbeispielen vergleichbar war, so war der Kläger
hier doch aufgrund seines Allgemeinzustandes, der sich auch auf die Gehfähigkeit ausgewirkt hat, daran gehindert, ortsübliche
Wehstrecken zurückzulegen.
In den für die Feststellung des Nachteilsausgleichs maßgebenden Verhältnissen ist auch eine wesentliche Änderung im Sinne
des § 48 SGB X eingetreten. Der SV hat für den Senat nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass im Gesundheitszustand des Klägers seit
Erteilung des Bescheides von Mai 2008 eine Besserung eingetreten ist. Der Kläger leidet nunmehr nicht mehr, wie zuvor, in
großem Ausmaß unter den Folgen einer ausgeprägten Schleimhautentzündung im gesamten Mund- Rachenraum. Er wird auch nicht mehr
mittels einer Magensonde ernährt. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung anführt, die Besserung seines Gesundheitszustandes
sei bereits zwischen Widerspruch/Antrag Ende Januar 2008 und Bewilligung im Mai 2008 eingetreten und die Voraussetzungen für
die Bewilligung hätten im Mai 2008 schon nicht mehr vorgelegen, greift dieser Hinweis nicht. Zu diesem Zeitpunkt waren die
Folgen der kombinierten Radio-Chemotherapie nach den Darlegungen des Sachverständigen noch nicht überwunden. Der Kläger wurde
weiterhin mittels einer Magensonde (bis Oktober 2008) ernährt. Er musste sich zahlreichen stationären Behandlungen unterziehen.
Dementsprechend klagte er noch im Juli/August 2009 im Rahmen des Reha-Verfahrens über körperliche Schwäche und verminderte
Leistungsfähigkeit. Soweit durch die Bougierungs-Therapie im April 2008 die Möglichkeit einer deutlichen Befundbesserung geschaffen
wurde, waren die bestehenden Funktionseinschränkungen hierdurch nicht spontan beseitigt worden. Nach den Darlegungen des Sachverständigen
hat diese Therapie erst stufenweise über Wochen bis Monate andauernd zu einer Besserung geführt. Dies wird auch durch den
Befund des EVK Düsseldorf vom 21.05.2008 belegt. So haben Mitte April 2008 noch erhebliche Schluckbeschwerden vorgelegen und
die Ernährung wurde noch fast vollständig über Magensonde durchgeführt worden.
Der Senat vermag auch nicht die Behauptung des Klägers nachzuvollziehen, die sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Funktionseinschränkungen
hätten 2008 nicht bestanden und er sei damals überhaupt nicht in der Gehfähigkeit eingeschränkt gewesen, sondern er habe ortsübliche
Wehstrecken von zwei Kilometer in einer halben Stunde durchaus problemlos zurücklegen können. Diese Aussage steht eindeutig
im Widerspruch zu den damaligen Befunden und dem Vorbringen des Klägers in seinem Widerspruch und in seiner ersten Klagebegründung.
Die jetzige Behauptung hält der Senat nicht für glaubhaft; sie ist augenscheinlich nur darauf gerichtet, das Merkzeichen G,
wenn auch auf unzutreffende Behauptungen gestützt, behalten zu wollen. Auch der Senat hat keine Veranlassung gesehen, den
Vater des Klägers über das Gehvermögen des Klägers im Mai 2008 als Zeugen zu hören. Der Kläger hat nicht angeführt, in der
damaligen Zeit zusammen mit seinem Vater regelmäßig Wegstrecken von zwei Kilometern in einer halben Stunde zurückgelegt zu
haben. Wenn dies tatsächlich der Fall gewesen sein sollte, hätte es für den Kläger nahegelegen, den Antrag zeitnah zurückzunehmen.
Hätte der Kläger im Mai 2008 problemlos zwei Kilometer in einer halben Stunde zurücklegen können, müsste er sich den Vorwurf
gefallen lassen, sich das Merkzeichen G erschlichen zu haben. Der Senat glaubt dem Kläger sein heutige Vorbringen allerdings
nicht sondern ieht die Zuerkennung des Merkzeichens G im Mai 2008 als angemessen und rechtmäßig an. Der Kläger hat dem im
Klage- und Berufungsverfahren gestellten Beweisantrag augenscheinlich selbst auch keine beweiserhebliche Bedeutung beigemessen;
er hat den Antrag weder in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
weiter verfolgt und insoweit als Hilfsantrag gestellt.
Es mag sein, dass der Beklagte im Mai 2008 die Voraussetzungen des §
146 SGB IX großzügig ausgelegt hat (§
2 Abs
2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch -
SGB I -): Er hat ersichtlich die Krebserkrankung mit der Schwächung des Allgemeinzustandes und den damit verbundenen Funktionseinschränkungen
als maßgeblich angesehen und diesem Umstand durch die Zuerkennung des Merkzeichens G Rechnung getragen. Von einer rechtswidrigen
Fehlbeurteilung kann allerdings nicht die Rede sein. Dafür sieht der Senat keine Anhaltspunkte. Zudem weist er ergänzend darauf
hin, dass im Schwerbehindertenrecht im Zweifel die Festsetzung eines GdB als zutreffend anzusehen ist, weil sie eine Bewertung
erhält, die auch auf den glaubhaft gemachten Funktionseinschränkungen des Antragstellers beruhen, die im Einzelnen nicht dokumentiert
sind (Urteile des BSG vom 10.02.1993, 9/9Vs 5/91, Leitsatz 1 und vom 07.07.2005, B 3 P 8/04 R in Juris, Rn 31). Gleiches gilt für die Feststellung von Nachteilsausgleichen. Auch der Senat hält, wenn er sich das damalige
Beschwerdebild des Klägers mit dem geschwächten Allgemeinzustand und dem fehlenden Speichelfluss mit der Notwendigkeit der
regelmäßigen Flüssigkeitszufuhr vorstellt, die Zuerkennung des Merkzeichens G für vertretbar. Wenn sich der Gesundheitszustand
danach ersichtlich konsolidiert hat, die Bougierungs-Therapie nachhaltigen Erfolg zeigt und der Kläger auch keine Magensonde
mehr benötigt, dann ist die Änderung wesentlich.
Aber selbst wenn der Beklagte damals zu großzügig gewesen und fälschlicherweise die Voraussetzungen für die Zuerkennung des
Merkzeichens G angenommen haben sollte, war er gemäß § 48 SGB X berechtigt, den somit rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt aufzuheben, soweit sich, wie hier, die für die Bewilligung
maßgeblichen Verhältnisse wesentlich geändert haben (vgl. hierzu Urteil des BSG vom 07.07.2005, B 3 P 8/04 R in Juris, Rn 24). Insoweit führt der Hinweis auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23.08.2012,
L 13 SB 39/12 in Juris, zu keiner anderen Beurteilung. Der Sachverhalt war in der dortigen Entscheidung dadurch geprägt, dass eine Änderung
der Verhältnisse gerade nicht feststellbar war.
Der Senat hält das heutige Vorgehen des Klägers im Übrigen für treuwidrig und unbeachtlich. Er nimmt insoweit Bezug auf die
dem Bevollmächtigten des Klägers am Tag vor der mündlichen Verhandlung mitgeteilten und in der mündlichen Verhandlung konkret
besprochenen Entscheidung des BSG vom 07.07.2005, B 3 P 8/04 R in Juris Rn 31. Der Kläger hat Ende Januar 2008 das Merzeichen G unter Hinweis auf seinen Gesundheitszustand ausdrücklich
beantragt, dann im Mai 2010 mit seinem Widerspruch und später im August 2010 mit der Klagebegründung behauptet, er könne nur
kurze Gehstrecken zurücklegen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, jetzt anwaltlich beraten, ist er in der Argumentation
umgeschwenkt ist und hat nunmehr unter Beweisantritt behauptet, er habe im Mai 2008 wie auch heute problemlos zwei Kilometer
in einer halben Stunde zurücklegen können. Mit dieser Argumentation hat er konkludent dargetan, seine früheren Angaben hätten
nicht der Wahrheit entsprochen; hieraus möchte der Kläger nunmehr einen Vorteil ziehen. Soweit der Bevollmächtigte auf diesen
Vorhalt des Senats erwidert, sein Mandant habe G nicht ausdrücklich, sondern nur beiläufig beantragt und dieser habe auch
ein anderes Verständnis über die Voraussetzungen des Merkzeichens G gehabt, so führt diese nachträgliche Argumentation nach
über fünf Jahren nicht zu einer anderen Beurteilung. Der Kläger hat im Antragsvordruck nicht beiläufig das Kästchen für das
Merkzeichen G angekreuzt, sondern einen höheren Grad der Behinderung und die Merkzeichen G und RF mit seinem Widerspruch unter
Hinweis auf seinen Gesundheitszustand schriftsätzlich ausdrücklich beantragt. Dies spricht dafür, dass der Kläger vom Vorliegen
der Voraussetzungen für diese Merkzeichen ausgegangen war und auch genau wusste, um was es ihm dabei ging.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und, soweit der Senat dem Kläger Kosten auferlegt hat, auf §
192 Abs
1 Nr
2 SGG. Danach kann das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder
teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm
vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit
der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtstreits hingewiesen worden ist. Der Vorsitzende hat dem Kläger nach der Zwischenberatung
des Senats die Sach- und Rechtslage und die Aussichtslosigkeit der Berufung, auch unter dem Gesichtspunkt der Treuwidrigkeit
seines Klage/Berufungsbegehrens, dargelegt. Er hat das widersprüchliche zielgerichtete Vorbringen des Klägers angesprochen
und ebenso, dass er es für rechtsmissbräuchlich ansieht, wenn der Kläger auf der Beibehaltung des Nachteilsausgleichs G beharrt,
obwohl auszugleichende Nachteile unstreitig nicht (mehr) bestehen. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger die Darstellung
seines Gehvermögens im April 2008 nach dem für ihn negativen Ergebnis der Beweisaufnahme dem Verfahrensstand angepasst hat,
um doch noch ein für ihn günstiges Ergebnis zu erwirken. Angesichts der offenen Diskussion der Sach- und Rechtslage war dem
Kläger wie auch seinem Bevollmächtigten die Aussichtslosigkeit der weiteren Rechtsverfolgung durchaus bewusst. Diese Beurteilung
wird nicht dadurch relativiert, dass der Kläger die Wertung des Senats als grundsätzlich bedeutsam ansieht und die Zulassung
der Revision beantragt hat. Eine grundsätzliche Bedeutung sieht der Senat unter Hinweis auf die angesprochene Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts nicht, zumal der Beurteilung der wesentlichen Änderung tatsächliche Feststellungen zugrunde liegen.
Der Senat hält es für angemessen, eher am unteren Bereich, den Kläger mit 500 Euro an den weiteren Kosten des Verfahrens zu
beteiligen. Auch darauf hat der Senat den Kläger und seinen Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung hingewiesen.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§
160 Abs
2 Nr
1 oder 2
SGG) nicht als gegeben angesehen.