Befreiung von der Versicherungspflicht für eine Tätigkeit als Fachberater Verkehrshaftung
Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Befreiung des Klägers
von der Rentenversicherungspflicht in seiner Tätigkeit als Fachberater Verkehrshaftung in der Zeit vom 1.8.2010 bis 30.9.2015.
Den als Rechtsanwalt bei der zu 2. beigeladenen Kammer zugelassenen und sich vor dem BSG selbst vertretenden Kläger befreite die Rechtsvorgängerin der beklagten DRV Bund (im Folgenden: Beklagte) mit Bescheid vom
11.3.2002 mit Wirkung ab 1.10.2001 für die Beschäftigung als "Rechtsanwalt" mit Geltung "für die obengenannten/und weiteren
berufsspezifischen Beschäftigungen/Tätigkeiten, solange hierfür insbesondere eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen
Versorgungseinrichtung unter Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft in der Berufskammer" bestehe. Es wurden Beiträge an das
zu 1. beigeladene Versorgungswerk abgeführt.
Ab 1.8.2010 wurde der Kläger für A GmbH Versicherungsmakler als "Fachberater Verkehrshaftung" tätig, dessen vorgesetzte Stelle
die Abteilungsleitung A Logistik bildete. Er hatte selbstständige Vertragsverhandlungen mit Versicherern und die Abwehr von
Schadensersatzforderungen von regressierenden Versicherern durchzuführen, war für die selbstständige Bearbeitung von schwierigen
Schadensfällen aus dem Transport-, Fracht- und Speditionsrecht zuständig und beriet in akuten Situationen die Kunden hinsichtlich
der weiteren Vorgehensweise. Er erhielt von seiner Arbeitgeberin die Genehmigung, neben seiner Tätigkeit als Angestellter
eine Anwaltspraxis auszuüben. Die von der Firma A an die Beigeladene zu 1. geleisteten Beiträge hat diese während des (ruhenden)
Berufungsverfahrens erstattet. Die A hat daraufhin Beiträge an die Beklagte abgeführt.
Die Beklagte lehnte die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ab (Bescheid vom 14.3.2011; Widerspruchsbescheid vom 12.7.2011).
Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, dem Kläger für seine bei der A ab 1.8.2010 ausgeübte
Tätigkeit eine Befreiung von der Versicherungspflicht auszusprechen (Gerichtsbescheid des SG Bremen vom 16.2.2012). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG den Gerichtsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat
das LSG ausgeführt, die Tätigkeit des Klägers bei der A sei weder inhaltlich noch nach ihrer äußeren Form dem Bereich anwaltlicher
Tätigkeit zuzuordnen. Ein Angestellter wie etwa ein Syndikusanwalt, der für seinen Arbeitgeber dessen Kunden rechtlich berate,
dürfe nur insoweit tätig werden, als der Arbeitgeber ohnehin dazu befugt sei. Die A habe gemäß § 5 Abs 1 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) Rechtsdienstleistungen als Nebenleistung erbringen dürfen. Versicherungsmakler bedürften nach § 34d Abs 1 Satz 2 Gewerbeordnung indes keiner volljuristischen Qualifikation. Dem Versicherungsmakler obliege nach der Rechtsprechung des BGH keine umfassende
Rechtsberatung, sondern nur eine Hinweispflicht zur Inanspruchnahme einer rechtlichen, insbesondere einer anwaltlichen Beratung
(Urteil des LSG vom 10.3.2021).
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG in entsprechender Anwendung von §
169 Satz 2 und
3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen §
160a Abs
2 Satz 3
SGG kein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
1. Die Beschwerdebegründung stützt sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG).
Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen
Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht
die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern
die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon
dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere
rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
Diese Voraussetzungen hat der Kläger nicht hinreichend dargetan. Soweit er geltend macht, das LSG verstoße gegen Entscheidungen
des 5. und 12. Senats, die darin übereinstimmten, dass ein Bescheid, dessen Regelungswirkung sich nicht auf eine konkrete
Beschäftigung beschränke, sich nicht erledige und deshalb weiter fortwirke, kann dahingestellt bleiben, ob er damit einen
abstrakten Rechtssatz der Rechtsprechung des BSG hinreichend bezeichnet. Jedenfalls fehlt es an der Bezeichnung eines abstrakten Rechtssatzes in der angefochtenen Entscheidung
des LSG, mit dem dieses dem BSG abstrakt, also losgelöst von der Subsumtion des konkreten Sachverhalts unter die einschlägige Norm des §
6 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGB VI, widersprochen haben soll. Der Kläger widerspricht vielmehr der Annahme des LSG, dass er nicht wegen seiner Tätigkeit bei
A Mitglied der Beigeladenen zu 1. sei. Damit kritisiert er die Anwendung der einschlägigen Normen auf seine konkrete berufliche
Situation, rügt er aber keine Abweichung im Grundsätzlichen. Soweit der Kläger auf S 4 seiner Begründung einen Satz aus der
Entscheidung des BSG vom 15.12.2016 (B 5 RE 7/16 R - BSGE 122, 204 = SozR 4-2600 § 6 Nr 13) zitiert ("Die Beratung und Vertretung von Rechtsuchenden durch einen bei einem Unternehmen angestellten oder von diesem beauftragten
Rechtsanwalt entspricht hingegen nach seinem äußeren Erscheinungsbild […] dem Berufsbild des Rechtsanwalts aus der Sicht der
Rechtsuchenden.") und dem einen Satz gegenüberstellt, den er der angefochtenen Entscheidung entnehmen zu können meint ("dass
ein und dieselbe Erwerbstätigkeit neben der Versicherungspflicht in der gesetzlichen [Beschäftigten]Rentenversicherung auch
zur Versicherungspflicht in der berufsständischen Rechtsanwaltsversorgung führe, wenn die Erwerbstätigkeit sowohl nach inhaltlichen
Aspekten als auch ihrer äußeren Form nach dem Bereich anwaltlicher Berufstätigkeit zugeordnet werden kann."), wird nicht deutlich,
wo der Kläger einen Widerspruch im Grundsätzlichen sieht. Er führt wiederum lediglich Umstände aus dem zugrunde liegenden
Sachverhalt an, macht also wiederum die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall geltend. Auch mit der Behauptung, das
LSG habe ein "fünftes" ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal aufgestellt, ist eine Divergenz nicht hinreichend dargelegt worden.
Der Kläger zeigt nicht auf, welches ungeschriebene Tatbestandsmerkmal das LSG aufgestellt haben soll und inwiefern es insofern
abstrakt gegen einen Rechtssatz des BSG verstoßen haben soll. Dasselbe gilt, soweit er meint, das LSG widerspreche der genannten Entscheidung des BSG, wenn es dem Umstand, dass er seine anwaltlichen Tätigkeiten nur im Rahmen der dem Versicherungsmakler erlaubten Annextätigkeiten
erbracht habe, eine für die Beurteilung schädliche Bedeutung beimesse. Er zitiert insoweit zwar das Urteil des BSG wörtlich, zeigt aber keine divergierenden Rechtssätze auf, sondern behauptet lediglich, er habe sich in seiner anwaltlichen
Tätigkeit spezialisiert. Damit rügt er, das LSG habe einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt. Das kann nicht zur Zulassung
der Revision wegen Divergenz führen.
2. Auch den ausdrücklich geltend gemachten Verfahrensmangel zeigt der Kläger nicht hinreichend auf. Er rügt einen Verstoß
gegen §
123 SGG und begründet das damit, dass er die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht beansprucht, das LSG aber Anleihen aus
einer Entscheidung des BGH entnommen habe, in der es um die Zulassung als Rechtsanwalt gegangen sei. Aus diesem Vortrag wird
nicht hinreichend deutlich, inwiefern das LSG mit dem Zitat einer BGH-Entscheidung über etwas anderes als die von ihm erhobenen
Ansprüche entschieden haben soll.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.