Berücksichtigung eines abgesenkten Freibetrags für das Beitrittsgebiet beim Zusammentreffen von Rente aus der gesetzlichen
Rentenversicherung mit Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, Vorlagebeschluss an den Großen Senat
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten, ob bei der Anrechnung der Verletztenrente des Klägers auf die von der Beklagten gewährte Regelaltersrente
(RAR) aus der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) ein abgesenkter Freibetrag in Höhe einer "Grundrente Ost" zu berücksichtigen
ist.
Der 1925 geborene Kläger bezog seit Oktober 1967 eine Unfallteilrente aus der Sozialversicherung der DDR. Diese wurde ab 1.1.1992
als Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 vH von der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft
Berlin (nunmehr: Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Mittel- und Ostdeutschland) weitergezahlt.
Der Kläger bezog außerdem seit Februar 1984 eine Invalidenrente aus der Sozialversicherung und der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung
der DDR. Diese wertete die Beklagte ab Januar 1992 in eine RAR nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) um (Bescheid vom 14.12.1992). Dabei rechnete sie auf die RAR die vom Kläger bezogene Verletztenrente aus der gesetzlichen
Unfallversicherung (UV) an. Von der Anrechnung ausgenommen wurde ein Freibetrag in Höhe der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Da der Kläger am 18.5.1990 seinen Wohnsitz im Gebiet der neuen Bundesländer hatte, minderte die Beklagte diesen Freibetrag
in dem Verhältnis, in dem der aktuelle Rentenwert (Ost) zum aktuellen Rentenwert stand. In einem Bescheid vom 8.7.1994 berechnete
sie die Rente ab Juli 1994 erneut nach diesen Grundsätzen.
Im August 2003 stellte der Kläger unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10.4.2003 (B 4 RA 32/02 R, SozR 4-2600 § 93 Nr 2) einen Überprüfungsantrag für die Zeit ab Januar 1999. Diesen lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom
24.9.2003; Widerspruchsbescheid vom 1.6.2004), weil ihre bisherige Verfahrensweise korrekt gewesen sei; die Rentenversicherungsträger
folgten der Auffassung des BSG nicht.
Die auf die Verurteilung zur Gewährung einer Altersrente unter Anrechnung einer Unfallrente ohne Minderung des Zahlbetrags
nach § 84a Satz 1 und 2 BVG zielende Klage hat das Sozialgericht Altenburg (SG) mit Urteil vom 3.5.2005 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Ein Anspruch auf Rücknahme des Bescheides
vom 8.7.1994 nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) hinsichtlich der Anrechnung der Verletztenrente bestehe nicht. Die Beklagte habe den Anrechnungsbetrag gemäß §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI in zutreffender Höhe festgestellt. Insbesondere sei der Freibetrag nach der Neufassung dieser Bestimmung durch das Gesetz
zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (vom 21.7.2004, BGBl I 1791 - RV-Nachhaltigkeitsgesetz
>RVNG<) nach der Grundrente aus § 31 BVG iVm § 84a Satz 1 und 2 BVG errechnet worden. Mit dieser Neufassung sei klargestellt, dass bei der Ermittlung des Freibetrags der § 84a Satz 1 und 2 BVG zu berücksichtigen sei. Dieser bestimme, dass für Berechtigte, die am 18.5.1990 ihren Wohnsitz in den neuen Bundesländern
hatten, die für dieses Gebiet nach dem Einigungsvertrag (EinigVtr) geltenden Maßgaben zu berücksichtigen seien. Nach EinigVtr Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr
1 Buchst a sei daher eine Minderung der Grundrente des § 31 BVG entsprechend den dortigen Maßgaben vorzunehmen. Entsprechend der nunmehr eindeutigen gesetzlichen Regelung könne die hiervon
abweichende Auslegung durch das BSG nicht mehr herangezogen werden. Diese Neufassung begegne auch keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken, weil eine Änderung des Gesetzestextes im Wege einer authentischen Interpretation auch Rückwirkung entfalten könne,
wenn der Gesetzgeber durch eine eigene nachträgliche Interpretation seiner selbst anordne, wie die schon bisher bestehenden
gesetzlichen Bestimmungen von Anfang an zu verstehen seien. Um einen solchen Fall handele es sich bei der Neufassung durch
das RVNG. Da die Klarstellung unmittelbar nach Ergehen der Urteile des BSG eingeleitet worden sei und die Verwaltungspraxis
von Anfang an der jetzt erfolgten Klarstellung entsprochen habe, würden Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht berührt. Die
damit verbundene Ungleichbehandlung sei auch nicht willkürlich, sondern durch die unterschiedlichen Lebensverhältnisse gerechtfertigt.
Die Freibetragsregelung berücksichtige nicht allein immaterielle Schäden, sondern auch behinderungsbedingte Mehraufwendungen.
Außerdem würde angesichts des im Osten niedrigeren Rentenniveaus der immaterielle Schadensanteil anderenfalls überbewertet.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 14.3.2000 (BVerfGE 102, 41) betreffe nur Kriegsopfer, mit welchen die Gruppe der Verletztenrentner nicht vergleichbar seien.
Mit der vom SG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verfassungswidrigkeit des §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI idF des RVNG. Mit der rückwirkenden Neufassung dieser Vorschrift ab 1.1.1992 verstoße der Gesetzgeber gegen die Verfassung.
Die einschlägigen Entscheidungen des BSG aus dem Jahr 2003 begründeten einen Vertrauenstatbestand. Das geltende Recht sei
weder unklar noch verworren gewesen. Die frühere Regelung sei nicht ungültig gewesen, und es handele sich nicht um eine Bagatelle.
Auch die Gesetzesmotive zeigten keine zwingenden Gründe des Allgemeinwohls auf, welche eine solche Rückwirkung rechtfertigen
könnten. Eine authentische Interpretation könne im Übrigen nur für die Zukunft wirken. Für die Vergangenheit müsse Vertrauensschutz
gewährt werden, da die vollziehende Gewalt an Recht und Gesetz gebunden sei und damit auch an Richterrecht. Andernfalls könne
der Bürger nicht auf die Rechtsprechung der obersten Gerichte des Bundes vertrauen, wenn die Versicherungsträger beschlössen,
dieser nicht zu folgen. Nach mehr als zwei Wahlperioden sei eine rückwirkende Klarstellung belastender Regelungen zudem zeitlich
unzulässig. Hier handele es sich letztlich nur um eine Kundgabe, wie der Gesetzgeber damalige Bestimmungen aus heutiger Sicht
geregelt hätte. Zumindest in offenen Verfahren müsse daher ein Anspruch bis zum 21.7.2004 gegeben sein.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 3.5.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 24.9.2003
in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.6.2004 zu verpflichten, die Regelaltersrente ab 1.1.1999 unter Berücksichtigung
eines nicht für das Beitrittsgebiet abgesenkten Freibetrags neu zu berechnen, sowie die Beklagte zu verurteilen, entsprechend
höhere monatliche Geldbeträge zu zahlen und ihre entgegenstehenden Bescheide zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil des SG für zutreffend und führt aus: Im Übrigen vermöge sie keine doppelte Benachteiligung der Rentner im Beitrittsgebiet zu erkennen.
Der Anteil der Rente Ost aus der gesetzlichen UV und der gesetzlichen RV habe 1992 57 bis 58 % der jeweiligen Leistung West
betragen. Dieser Anteil bleibe durch die Berücksichtigung eines Freibetrags Ost etwa gleich (58 %). Würde der Freibetrag West
angesetzt, läge der Anteil bei 69 %. Nach der Entscheidung des BVerfG beinhalte die Grundrente nach dem BVG nicht nur immaterielle Schäden, sondern auch Entschädigung für Mehraufwendungen. Auch sei § 84a BVG nicht insgesamt für verfassungswidrig erklärt worden, sondern nur bezüglich der Kriegsopfer. Daraufhin habe der Gesetzgeber
diese Vorschrift auch nicht gestrichen, sondern nur geändert und bezüglich der übrigen Personengruppen an der Differenzierung
festgehalten. Diese Einschätzung werde auch durch die Rechtsprechung des 9. Senats des BSG gestützt. Dieser Sachlage habe
der Gesetzgeber durch die erste Neufassung des § 84a BVG ab 1.1.1999 Rechnung getragen. §
93 SGB VI betreffe keine Kriegsopfer und sei daher von der Entscheidung des BVerfG nicht direkt betroffen. Es sei nicht erkennbar,
wo Vertrauen des Klägers in den Fortbestand des §
93 SGB VI aF verletzt sei. Der Berechnung seiner Rente liege von Anfang an der Freibetrag Ost zu Grunde. Da die Rentenversicherungsträger
der Rechtsprechung des BSG einheitlich nicht gefolgt seien, könne auch daraus kein Vertrauenstatbestand erwachsen sein.
II. Die Entwicklung der Rechtslage
1. Rentenreformgesetz 1992
Mit dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992) vom 18.12.1989 (BGBl I 2261) gliederte der Gesetzgeber das Recht der gesetzlichen RV, welches bislang in der
Reichsversicherungsordnung geregelt war, als Sechstes Buch in das Sozialgesetzbuch ein. In diesem Rahmen wurden auch die Vorschriften zum Zusammentreffen
einer Rente aus der RV mit Leistungen aus der UV ohne grundsätzliche Änderung neu formuliert (BT-Drucks 11/4124, zu § 92 >jetzt
§ 93< S 174). Neu war jedoch die Bestimmung des Grenzbetrags sowie die Freistellung eines Betrags der Verletztenrente entsprechend
dem Grad der MdE. Hierzu heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP (BT-Drucks
11/4124, aaO):
"In Nummer 2 Buchstabe a ist vorgesehen, dass ... entsprechend dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit ein Teil der Verletztenrente
der Unfallversicherung, von dem angenommen wird, dass er nicht Lohnersatzfunktion hat, sich nicht rentenmindernd auswirkt.
Dadurch wird erreicht, dass Versicherte mit gleich hohem Bruttoverdienst als Schwerbehinderte im Vergleich zu Leichtverletzten
eine höhere Gesamtleistung erhalten."
Der Gesetzestext lautet, soweit erheblich:
"§ 93 Rente und Leistungen aus der Unfallversicherung
...
(2) Bei der Ermittlung der Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge bleiben unberücksichtigt
1. ...
2. bei der Verletztenrente aus der Unfallversicherung
a) der Betrag, der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz geleistet würde, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 vom Hundert zwei Drittel der Mindestgrundrente, bei einer
Minderung der Erwerbsfähigkeit um zehn vom Hundert ein Drittel der Mindestgrundrente, und
b) ..."
2. Bundesversorgungsgesetz
Die Bekanntmachung der Neufassung des BVG vom 22.1.1982 (BGBl I 21), zuletzt geändert durch Art 1 des KOV-Anpassungsgesetzes 1990 vom 26.6.1990 (BGBl I 1211) enthielt noch keinen § 84a. Unter der Kapitelüberschrift "Übergangsvorschriften"
folgte auf § 84 unmittelbar § 85.
3. Einigungsvertrag und Einigungsvertragsgesetz
Art 8 des EinigVtr lautet:
"Mit dem Wirksamwerden des Beitritts tritt in dem in Artikel 3 genannten Gebiet Bundesrecht in Kraft, soweit es nicht in seinem
Geltungsbereich auf bestimmte Länder oder Landesteile der Bundesrepublik Deutschland beschränkt ist und soweit durch diesen
Vertrag, insbesondere dessen Anlage I, nichts anderes bestimmt wird."
Nach dem EinigVtr Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 1 tritt das RRG 1992 im Beitrittsgebiet mit den dort genannten Maßgaben am 1.1.1992 in Kraft (zum Zeitpunkt des Inkrafttretens vgl Art 85 Abs 1 RRG 1992 iVm Buchst a aaO). Von den folgenden Maßgaben wird §
93 SGB VI nicht erfasst.
Nach EinigVtr Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt II wird das BVG in der oa (s oben 2) Fassung ergänzt und nach § 84 eingefügt:
"§ 84a. Berechtigte, die am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages
genannten Gebiet hatten, erhalten vom Zeitpunkt der Verlegung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts, frühestens vom
1. Januar 1991 >Tag des Inkrafttretens des BVG im Beitrittsgebiet< an, Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz mit den für dieses Gebiet nach dem Einigungsvertrag geltenden Maßgaben, auch wenn sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet verlegen, in dem dieses Gesetz
schon vor dem Beitritt gegolten hat. Satz 1 gilt entsprechend für Deutsche und deutsche Volkszugehörige aus den in § 1 der
Auslandsversorgungsverordnung genannten Staaten, die nach dem 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in
dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet begründet haben."
Nach EinigVtr Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr 1 tritt das BVG in der oa Fassung mit folgenden Maßgaben im Beitrittsgebiet in Kraft:
"a) Die in den §§ ..., § 31 Abs. 1 und 5, ... in der jeweils geltenden Fassung genannten Deutsche Mark-Beträge sind mit dem
Vomhundertsatz zu multiplizieren, der sich aus dem jeweiligen Verhältnis der verfügbaren Standardrente (§ 68 Abs. 3 des Sechsten
Buches Sozialgesetzbuch) in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet zur verfügbaren Standardrente in dem Gebiet, in dem das Bundesversorgungsgesetz schon vor dem Beitritt gegolten hat, ergibt. ... Die sich ergebenden Beträge sind auf volle Deutsche Mark abzurunden, und
zwar bis 0,49 Deutsche Mark nach unten und von 0,50 Deutsche Mark an nach oben. ... Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung
gibt den maßgebenden Vomhundertsatz und den Veränderungstermin jeweils im Bundesanzeiger bekannt. ...
l) Die in den Buchstaben a bis k genannten Maßgaben gelten für Berechtigte, die am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen
Aufenthalt in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet hatten. Satz 1 gilt entsprechend für Deutsche und deutsche Volkszugehörige
aus den in § 1 der Auslandsversorgungsverordnung genannten Staaten, die nach dem 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen
Aufenthalt in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet begründet haben.
m) Das Bundesversorgungsgesetz findet in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet mit den vorgenannten Maßgaben vom 1. Januar 1991 an Anwendung."
Gemäß Art 1 des Einigungsvertragsgesetzes >EinigVtrG< (vom 23.9.1990, BGBl II 885) wird der EinigVtr nebst Anlagen Bundesgesetz
(zur Umstellung der zitierten Bestimmungen von Deutsche Mark auf Euro vgl § 66a BVG).
4. Renten-Überleitungsgesetz
Die Einzelheiten der Überleitung des DDR-Rentenrechts hat der Gesetzgeber durch das Renten-Überleitungsgesetz vom 25.7.1991
(BGBl I 1606) geregelt. In Art 1 dieses Gesetzes werden Änderungen des
SGB VI aus Anlass der Rentenüberleitung vorgenommen; §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI ist nicht betroffen.
5. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14.3.2000
Mit Urteil vom 14.3.2000 (1 BvR 284/96, 1 BvR 1659/96, BVerfGE 102, 41 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3; Tenor in BGBl I 445) hat das BVerfG mit Gesetzeskraft entschieden:
"§ 84a des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) in Verbindung mit Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr. 1 Buchstabe a des Vertrages zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag - vom 31. August 1990 (Bundesgesetzblatt II Seite 889, 1067) ist mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit die Beschädigtengrundrente nach § 31 Absatz
1 Satz 1 des Bundesversorgungsgesetzes auch nach dem 31. Dezember 1998 im Beitrittsgebiet anders berechnet wird als im übrigen
Bundesgebiet."
Den Gründen ist zu entnehmen, dass es mit dem Gleichheitsgebot des Art
3 Abs
1 des Grundgesetzes (
GG) unvereinbar ist, dass die den Kriegsopfern nach § 31 Abs 1 Satz 1 BVG gewährte Beschädigtengrundrente in den alten und neuen Ländern über den 31.12.1998 hinaus bei gleicher Beschädigung ungleich
hoch ist.
6. Gesetz zur Änderung des Opferentschädigungsgesetzes und anderer Gesetze
Als Reaktion auf die vorgenannte Entscheidung des BVerfG brachte die Bundesregierung unter dem 8.9.2000 den Entwurf eines
Gesetzes zur Änderung des Opferentschädigungsgesetzes und anderer Gesetze (BT-Drucks 14/4054) in das Gesetzgebungsverfahren
ein. In der Begründung hierzu heißt es im Allgemeinen Teil (S 7):
"Bei der Ergänzung des § 84a BVG handelt es sich in der Hauptsache, soweit die Kriegsbeschädigtengrundrenten betroffen sind, um eine notwendige Klarstellung
im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. März 2000."
Weitere Erläuterungen finden sich nicht. Die Begründung zu Art 6 (Änderung des BVG; S 9 f) ist im Wesentlichen gleichlautend, weshalb eine Wiedergabe unterbleibt.
Durch Art 6 (Änderung des BVG) des Gesetzes zur Änderung des Opferentschädigungsgesetzes und anderer Gesetze vom 6.12.2000 (BGBl I 1676) wurde § 84a BVG folgender Satz angefügt:
"Die Sätze 1 und 2 gelten ab dem 1. Januar 1999 nicht für die Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 von Berechtigten
nach § 1 sowie für die Beschädigtengrundrente von Berechtigten nach dem Häftlingshilfegesetz, dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz und nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz, die in entsprechender
Anwendung des § 31 Abs. 1 Satz 1 gezahlt werden."
Nach Art 7 Abs 1 ist Art 6 mit Wirkung vom 1.1.1999 in Kraft getreten. EinigVtr Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt
III Nr 1 Buchst a wurde nicht geändert.
7. Die Entscheidungen des Bundessozialgerichts im Jahr 2003
Bei diesem Stand der Gesetzgebung erkannte das BSG (Urteil vom 10.4.2003 - B 4 RA 32/02 R = SozR 4-2600 § 93 Nr 2; Urteil vom 20.11.2003 - B 13 RJ 5/03 R = SozR 4-2600 § 93 Nr 3) im Jahr 2003 in zwei Entscheidungen, dass §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI mit der Bezugnahme auf die "Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz" eine solche nach § 31 BVG meine. Eine Differenzierung der Höhe dieser Rente nach dem Wohnort sei weder vom Wortlaut ("... geleistet würde ...") noch
vom Sinn und Zweck der Regelung, dem Ausgleich immaterieller Schäden zu dienen, gefordert. Beide Entscheidungen stellen nicht
auf das Urteil des BVerfG ab; vielmehr habe Auslegung und Anwendung des §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI durch die Rentenversicherungsträger von Beginn (1992) an nicht dem geltenden Recht entsprochen, weil diese für Berechtigte
des Beitrittsgebiets einen abgesenkten Freibetrag berücksichtigt hätten. Allerdings entschieden beide Urteile des BSG nicht
über den Zeitraum vor 1999. Im Fall des 4. Senats war der Anspruch auf Altersrente erst im Dezember 2000 entstanden; in dem
des 13. Senats hatte der Kläger das erst für die Zeit ab 1.1.1999 zusprechende SG-Urteil nicht selbst mit der Berufung angefochten, insofern war Rechtskraft eingetreten.
8. RV-Nachhaltigkeitsgesetz
Unter dem 9.12.2003 brachten die Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen den Entwurf eines RVNG (BT-Drucks 15/2149) ein.
Dieser wurde im Ausschussverfahren (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung >13.
Ausschuss< vom 10.3.2004, BT-Drucks 15/2678) ergänzt. Das Gesetz vom 21.7.2004 (BGBl I 1791) bestimmt ua:
"Artikel 1 Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch
19. In § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a werden die Wörter 'dem Bundesversorgungsgesetz' durch die Wörter '§ 31 in Verbindung mit § 84a Satz 1 und 2 des Bundesversorgungsgesetzes' ersetzt.
Artikel 11 Änderung des Bundesversorgungsgesetzes
3. § 84a Satz 3 wird wie folgt gefasst:
Die Sätze 1 und 2 gelten ab dem 1. Januar 1999 nicht für die Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 und die Schwerstbeschädigtenzulage
nach § 31 Abs. 5 von Berechtigten nach § 1 sowie für die Beschädigtengrundrente und die Schwerstbeschädigtenzulage von Berechtigten nach dem Häftlingshilfegesetz, dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz und nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz, die in entsprechender
Anwendung des § 31 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 gezahlt werden.
Artikel 15 Inkrafttreten
(2) Artikel 1 (Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) Nr. ... 19 (§ 93) tritt mit Wirkung vom 1. Januar 1992 in Kraft.
...
(5) Artikel 11 Nr. 3 (§ 84a des Bundesversorgungsgesetzes) tritt mit Wirkung vom 1. Januar 1999 in Kraft."
Nach der Begründung der Beschlussempfehlung (aaO S 19) des 13. Ausschusses handelt es sich bei den aufgeführten Änderungen
um eine "rückwirkende Klarstellung zur Berücksichtigung der Grundrente (Ost) als Freibetrag bei der Anrechnung von Renten
aus der Unfall- und Rentenversicherung".
In der Begründung zu Nr 17a der Beschlussempfehlung (aaO S 22 f) heißt es dementsprechend, es werde
"klargestellt, dass die dort seit 1992 geregelte Verweisung - entsprechend der bisherigen Praxis der Träger der Rentenversicherung
- sowohl die Vorschrift des § 31 BVG als auch die in § 84a geregelten Besonderheiten für Berechtigte im Beitrittsgebiet umfasst. Damit gilt bei der Anrechnung einer Verletztenrente
aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in den neuen Ländern weiterhin
ein niedrigerer Freibetrag als in den alten Ländern."
Hiermit sollten die unter 7. zitierten Entscheidungen des BSG aus dem Jahr 2003 korrigiert werden, weil deren Auffassung "nicht
dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers" entspreche und "keine allgemeine Geltung beanspruchen" könne. Die alte Fassung
des §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI "Grundrente nach dem BVG" verweise sowohl auf die Bestimmung des § 31 BVG als auch auf § 84a BVG. Laut BSG sei "§ 84a BVG ... in diesen Fällen nicht anwendbar, da eine Verweisung in §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI nicht erfolge". Wörtlich heißt es:
"Die Anwendung des § 84a BVG ist daher keine Benachteiligung der Ost-Rentner, sondern vermeidet eine nicht begründbare Begünstigung. ... Die Grundrente
nach dem BVG stellt zwar eine Entschädigung für die Verletzung der körperlichen Unversehrtheit dar; zudem sollen allerdings die Mehraufwendungen
ausgeglichen werden ... Wäre das Bundesverfassungsgericht wie der 4. und 13. Senat des Bundessozialgerichts der Auffassung
gewesen, dass die Grundrente ausschließlich dem Ausgleich eines immateriellen Schadens diene und hier eine Differenzierung
unzulässig sei, hätte es konsequenterweise die Regelung des § 84a BVG für alle Beschädigtengrundrenten ... für verfassungswidrig erklären müssen. Eine solche generelle Aussage hat das BVerfG
nicht getroffen, weil es nicht ausschließlich die Genugtuungsfunktion der Beschädigtengrundrente gesehen hat, sondern daneben
auch noch die materielle Ausgleichsfunktion und als weitere entscheidungserhebliche Kriterien das hohe Alter und das Sonderopfer
der Kriegsbeschädigten hervorgehoben hat."
Die Änderung des BVG in Art 11 (Art 10 des Entwurfs) begründet der 13. Ausschuss mit der Fortentwicklung der Rechtsprechung des BVerfG durch den 9. Senat des BSG
durch Ausdehnung der Ausnahmevorschrift des § 84a Satz 3 BVG auf die Schwerstbeschädigtenzulage (aaO S 25).
Zur Rückwirkung der Änderung des §
93 SGB VI heißt es (S 25 zu Art 13 des Entwurfs):
"Klarstellung zu dem zum 1. Januar 1992 in Kraft getretenen §
93 SGB VI im Sinne einer authentischen Interpretation (...). Soweit im Einzelfall ein begünstigender Verwaltungsakt vorliegen sollte,
sind mögliche Betroffene durch die Vertrauensschutzregelungen des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch vor einer rückwirkenden
Anwendung geschützt."
9. Die Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts im Jahr 2005
Der 4. Senat des BSG hat in fünf Urteilen vom 20.10.2005 (B 4 RA 27/05 R, BSGE 95, 159 = SozR 4-2600 § 93 Nr 7; B 4 RA 24/05 R; B 4 RA 18/05 R; B 4 RA 13/05 R; B 4 RA 12/05 R) entschieden, dass §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI auch idF des RVNG nicht ermächtige, hinsichtlich des Freibetrags zwischen unfallverletzten Rentnern in den alten und neuen
Bundesländern zu unterscheiden. Der nach dem Grundrentenbetrag des § 31 BVG zu bestimmende Freibetrag sei für Rentner aus den neuen Bundesländern nicht zu kürzen. Die ausdrückliche Verweisung auf §
84a Satz 1 und 2 BVG in §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI idF des RVNG habe kein anwendbares Recht geschaffen, sondern gehe ins Leere, denn das BVerfG habe diese Vorschrift mit Urteil
vom 14.3.2000 (s oben 5) für nichtig erklärt. Diese Vorschrift könne daher keine Rechtsfolgen mehr auslösen, insbesondere
seien die Sätze 1 und 2 des § 84a BVG auch nicht durch den Gesetzgeber erneut beschlossen und verkündet worden. Bei direkter Anwendung des § 84a Satz 1 und 2 BVG sei im Übrigen nur die dort genannte kleine Gruppe der Um- und Zuzügler von der Maßgabe betroffen, nicht aber die Mehrzahl
der Verletztenrentner, welche am maßgeblichen Stichtag ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet hatten und dort auch behalten haben.
Eine Verweisung auf die Grundregelung zur Kürzung in den neuen Bundesländern in EinigVtr Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet
K Abschnitt III Nr
1 fehle in §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI. Es verbleibe daher bei der Verweisung auf § 31 BVG. Diese beinhalte eine bloße Rechtsfolgenverweisung, wie dies bereits Gegenstand der Rechtsprechung zu der alten Fassung des
§
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI aus dem Jahr 2003 gewesen sei (s oben 7) und entspreche damit dem Sinn und Zweck der Freibetragsregelung, im Wesentlichen
der Entschädigung immaterieller Schäden zu dienen. Diesen Zweck erfülle nur ein einheitlicher Freibetrag für alle unfallverletzten
Rentenberechtigten.
10. Gesetz zur Änderung von Vorschriften des sozialen Entschädigungsrechts und des Gesetzes über einen Ausgleich von Dienstbeschädigungen
im Beitrittsgebiet
Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des sozialen Entschädigungsrechts und des Gesetzes über einen
Ausgleich von Dienstbeschädigungen im Beitrittsgebiet (BT-Drucks 16/444) sollte zunächst den Urteilen des BSG zur Erhöhung
des Dienstbeschädigungsausgleichs vom 7.7.2005 (B 4 RA 58/04 R) und vom 20.7.2005 zur Alterszulage nach § 31 Abs 1 Satz 2 BVG (B 9a/9 V 6/04 R) sowie des Beschlusses des BVerfG vom 9.11.2004 (1 BvR 684/98) zur Gewährung von Versorgungsleistungen für den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in besonderen Fällen Rechnung
getragen werden. Mit seiner Beschlussempfehlung reagierte der Ausschuss für Arbeit und Soziales (BT-Drucks 16/1162 vom 5.4.2006,
S 2, 11 f) auf die zwischenzeitlich bekannt gewordene Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (s oben 9) zur Änderung des §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI durch das RVNG:
"Mit der rückwirkend zum 1. Januar 1991 in Kraft tretenden Neufassung des § 84a BVG wird klargestellt, dass Satz 1, der auf die Maßgaben des Einigungsvertrags verweist, von Anfang an alle Berechtigten erfasst,
die am 18. Mai 1990 im Beitrittsgebiet wohnten, unabhängig davon, ob sie nach diesem Zeitpunkt in die alten Länder umgezogen
sind. Die Neufassung entspricht nicht nur der ständigen Rechtsprechung des für das Versorgungsrecht zuständigen 9a. Senats
des Bundessozialgerichts, sondern auch der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 14. März 2000 (1 BvR 284/96, 1 BvR 1659/96), in der das Gericht die Frage der Gleichbehandlung von im Beitrittsgebiet wohnhaften Kriegsopfern nicht ausschließlich am
Einigungsvertrag, sondern an § 84a BVG i.V.m. dem Einigungsvertrag gemessen hat. Der Gesetzgeber reagiert mit der Klarstellung auf die in den Entscheidungen des 4. Senats des Bundessozialgerichts
vom 20. Oktober 2005 (Az.: B 4 RA 13/05 R u. a.) im Widerspruch zu der genannten Rechtsprechung vertretenen Ansicht, wonach § 84a BVG nur 'Umzügler' erfasse, nicht aber diejenigen, die seit dem 18. Mai 1990 dauerhaft im Beitrittsgebiet wohnen. Mit der Neufassung
wird somit für die Zeit vor dem 1. Januar 1999 mehr Rechtssicherheit geschaffen. Dies gilt auch für jene Rechtsbereiche, in
denen Vorschriften auf § 84a BVG verweisen, wie dies bei §
93 Abs.
2 Nr.
2 Buchstabe a
SGB VI und bei der vorgesehenen Neufassung von §
2 Abs.
1 Satz 1 des Gesetzes über einen Ausgleich für Dienstbeschädigungen im Beitrittsgebiet (DbAG) der Fall ist."
Mit dem Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts und des Gesetzes über einen Ausgleich für Dienstbeschädigungen
im Beitrittsgebiet vom 19.6.2006 (BGBl I 1305) >SER-ÄndG< erhielt § 84a BVG folgende Neufassungen:
"Artikel 01
Änderung des Bundesversorgungsgesetzes ...
'§ 84a Leistungshöhe für Berechtigte im Beitrittsgebiet
Berechtigte, die am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten
Gebiet hatten, erhalten vom 1. Januar 1991 an
>alte Fassung: vom Zeitpunkt der Verlegung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts, frühestens vom 1. Januar 1991 an<
Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz mit den für dieses Gebiet nach dem Einigungsvertrag geltenden Maßgaben; dies gilt auch vom Zeitpunkt der Verlegung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts, frühestens vom
1. Januar 1991 an,
>alte Fassung: ohne den kursiv wiedergegebenen Einschub<
wenn sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet verlegen, in dem dieses Gesetz schon vor dem Beitritt gegolten
hat. Satz 1 gilt entsprechend für Deutsche und deutsche Volkszugehörige aus den in § 1 der Auslandsversorgungsverordnung genannten
Staaten, die nach dem 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages
genannten Gebiet begründet haben.'
Artikel 1
Weitere Änderung des Bundesversorgungsgesetzes ...
'§ 84a Leistungshöhe für Berechtigte im Beitrittsgebiet
Berechtigte, die am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet hatten, erhalten vom 1. Januar 1991 an Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz mit den für dieses Gebiet nach dem Einigungsvertrag geltenden Maßgaben; dies gilt auch vom Zeitpunkt der Verlegung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts, frühestens zum
1. Januar 1991 an, wenn sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet verlegen, in dem dieses Gesetz schon
vor dem Beitritt gegolten hat. Satz 1 gilt entsprechend für Deutsche und deutsche Volkszugehörige aus den in § 1 der Auslandsversorgungsverordnung
genannten Staaten, die nach dem 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages
genannten Gebiet begründet haben. Die Sätze 1 und 2 gelten ab dem 1. Januar 1999 nicht für die Beschädigtengrundrente einschließlich
des Alterserhöhungsbetrages nach § 31 Abs. 1 und die Schwerstbeschädigtenzulage nach § 31 Abs. 5 von Berechtigten nach § 1 sowie für die Beschädigtengrundrente einschließlich des Alterserhöhungsbetrages und die Schwerstbeschädigtenzulage von Berechtigten
nach dem Häftlingshilfegesetz, dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz und nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz, die in entsprechender
Anwendung des § 31 Abs. 1 und 5 gezahlt werden.'
Artikel 9
Inkrafttreten
...
(1a) Artikel 01 tritt mit Wirkung vom 1. Januar 1991 in Kraft.
...
(4) Artikel 1 tritt mit Wirkung vom 1. Januar 1999 in Kraft."
III. Der 13. Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers zurückzuweisen. Er sieht sich hieran jedoch durch die entgegenstehende
Rechtsprechung des 4. Senats (s II 7 und 9) gehindert. Gemäß §
41 Abs
2 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) legt er daher nach Durchführung des Anfrageverfahrens nach §
41 Abs
3 SGG (Anfragebeschluss des vorlegenden Senats vom 12.12.2006, Antwortbeschluss des 4. Senats vom 26.6.2007 - B 4 R 1/07 S) dem Großen Senat die aus dem Entscheidungssatz ersichtliche Rechtsfrage vor.
Der vorlegende Senat beantwortet diese Frage mit "ja" und will im Einzelnen wie folgt entscheiden:
A. Die (Sprung-)Revision ist zulässig.
1. Obwohl das SG in den Gründen seines Urteils die Revision auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit des §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI idF des RVNG beschränkt hat, ist sie als unbeschränkt zugelassen anzusehen. Bei der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Neufassung
des §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI handelt es sich nicht um einen prozessual selbständigen Streitgegenstand, sondern um eine bestimmte Rechtsfrage bei Anwendung
der Vorschriften des
SGB VI zum Zusammentreffen von Leistungen aus der gesetzlichen UV und RV. Auf die fehlerhaft beschränkte Zulassung ist die Höhe
der RAR daher unbeschränkt zu überprüfen.
2. Der Erlass eines Grundurteils iS des §
130 Abs
1 SGG ist zulässig, wenn zwar über die Leistungshöhe gestritten wird, aber - wie vorliegend - nur ein Berechnungsfaktor streitig
ist (BSG SozR 4-2600 §
93 Nr 3 mwN). Dabei handelt es sich hier um den Anrechnungsbetrag nach §
93 SGB VI. Die übrigen Berechnungsfaktoren für den monatlichen Zahlbetrag der RAR des Klägers sind - zu Recht - zwischen den Beteiligten
unstreitig.
3. Richtigerweise entspricht der Antrag des Klägers einer Kombination aus Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage,
denn er begehrt eine Zugunstenentscheidung der Beklagten.
B. Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Die Ablehnung einer Änderung der Anrechnungs-(grund-)entscheidung durch die Beklagte ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen
Anspruch nach § 44 SGB X auf Neufeststellung der RAR unter Berücksichtigung eines einheitlichen, für das gesamte Bundesgebiet geltenden Freibetrags
(West) nach §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI. Die Höhe der von der Beklagten ermittelten und vom SG geprüften Anrechnungs- und Zahlbeträge ist nicht zu beanstanden.
Die Anspruchsgrundlage bildet § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X. Hiernach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen,
soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen
worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu
Unrecht erhoben worden sind.
Prüfungsgegenstand ist die Anrechnungs-(grund-)entscheidung in dem Bescheid vom 14.12.1992. In der Folgezeit ergangene weitere
Anrechnungsentscheidungen (zB im Bescheid vom 8.7.1994) haben den Anrechnungsmodus nicht neu geregelt, sondern lediglich das
Rechenwerk an die neuen Werte (geänderte Rentenhöhen) angepasst.
1. Bei Erlass des Bescheids vom 14.12.1992 ist die Vorschrift des §
93 SGB VI richtig angewandt worden. Deren Abs
1 bestimmt, dass beim Zusammentreffen einer Rente aus eigener Versicherung und einer Verletztenrente aus der gesetzlichen UV
die Rente insoweit nicht geleistet wird, als die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den jeweiligen
Grenzbetrag übersteigt. Die Beklagte hat in diese Summe zu Recht die Verletztenrente in Anwendung des §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI entsprechend dem Wohnsitz im Beitrittsgebiet unter Berücksichtigung - lediglich - eines abgesenkten Freibetrages Ost eingestellt.
Dabei ist es für die Entscheidung unerheblich, welche Fassung des §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI und des § 84a BVG als Prüfungsmaßstab herangezogen wird, ob also die im Erlasszeitpunkt einzig existente Fassung des RRG 1992 heranzuziehen ist oder wegen der ausdrücklichen Anordnung der zeitlichen Rückwirkung auf den 1.1.1992 die (eine der)
später verkündeten Neufassungen im RVNG (s II 8) oder im SER-ÄndG (s II 10). Denn der erkennende Senat geht unter Aufgabe
seiner bisherigen Rechtsprechung (s II 7) davon aus, dass §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI bereits idF des RRG 1992 (s II 1) eine Differenzierung der Höhe des Freibetrags nach dem Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort in den alten
oder neuen Bundesländern vorausgesetzt hat (s unten 2). Daran ändert auch die Entscheidung des BVerfG vom 14.3.2000 (s II
5) nichts (s unten 3). Da die Anrechnungsregelung für Verletztenrenten im Hinblick auf die Höhe des Freibetrags durch die
späteren Gesetzesfassungen nicht geändert worden ist, scheitert der Anspruch aus § 44 SGB X unabhängig davon, welches Recht nach seinem zeitlichen Geltungswillen maßgeblich anzuwenden ist (s unten 4). Dementsprechend
liegt auch keine unzulässige echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) dieser Neufassungen vor (s unten 5). Die Anwendung
der weiteren Bestimmungen des §
93 SGB VI - insbesondere die Bestimmung des Grenzbetrags - ist hier nicht problematisch.
2. Für den Zeitraum ab 1.1.1992 bewirkt bereits §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI idF des RRG 1992 (aF) eine Differenzierung der Höhe des Freibetrags nach dem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort in den alten oder
neuen Bundesländern zum Stichtag am 18. Mai 1990.
a) Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des §
93 Abs
2 SGB VI aF:
"Bei der Ermittlung der Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge bleiben unberücksichtigt ...
2. bei der Verletztenrente aus der Unfallversicherung
a) der Betrag, der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz geleistet würde, ..."
Zwar unterscheidet der Wortlaut nicht ausdrücklich zwischen einer anrechnungsfreien "Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz" in den alten und neuen Bundesländern. Dessen bedurfte es auch nicht. Denn die Verwendung des Konjunktivs "würde" stellt
auf den Betrag ab, der dem konkreten Versicherten als "Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz" gezahlt würde, wäre er Berechtigter nach dem BVG. Nur die nicht gewählte Formulierung "wird" könnte nahe legen, dass sich die Vorschrift abstrakt auf den gesetzlich geregelten
Betrag (§ 31 BVG in der jeweiligen Fassung) bezieht.
b) Dann aber gilt für "Berechtigte, die am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt" im Beitrittsgebiet hatten,
die (abgesenkte) Grundrente Ost (EinigVtr Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr 1 Buchst l iVm Buchst a). Diese
war nach der ursprünglichen Regelung sowohl für Kriegsopfer als auch für Berechtigte nach dem übrigen Sozialen Entschädigungsrecht,
zB nach dem Opferentschädigungsgesetz (
OEG) bzw dem Bundes-Seuchengesetz (BSeuchG; seit 2001: Impfschadensgesetz - IfSG), zu zahlen. Ein Grund für eine abweichende Behandlung im Rahmen des §
93 SGB VI bestand nicht.
Im Beitrittsgebiet war das BVG nämlich von vornherein nur mit den Maßgaben des EinigVtr vom 31.8.1990 (BGBl II 889) in Kraft getreten. Die Verweisung auf
das "Bundesversorgungsgesetz" in §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI erfasst damit für dieses Gebiet die Rechtsgrundlagen für eine Absenkung der Grundrente nach § 31 Abs 1 Satz 1 BVG. Diese finden sich in EinigVtr Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr 1 Buchst a und Buchst l (nicht jedoch
in "§ 84a BVG iVm EinigVtr Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr 1 Buchst a" - so jedoch offenbar BSG 9. Senat vom 10.8.1993,
BSGE 73, 41, 42 = SozR 3-3100 § 84a Nr 1, sowie vom 12.12.1995 - 9 BV 113/95; beide Entscheidungen betreffen, soweit ersichtlich, keine Personen, die nach dem 18.5.1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen
Aufenthalt aus dem Beitrittsgebiet in die alten Bundesländer oder aus Staaten des Ostblocks in das Beitrittsgebiet verlegt
hatten - "Umzügler" bzw "Zuzügler"). Dies folgt aus der Systematik der Überleitung des BVG im Beitrittsgebiet durch den EinigVtr.
Art 8 EinigVtr bestimmt, dass mit dem Wirksamwerden des Beitritts in dem in Art 3 genannten Gebiet Bundesrecht in Kraft tritt,
soweit es nicht in seinem Geltungsbereich auf bestimmte Länder oder Landesteile der Bundesrepublik Deutschland beschränkt
ist und soweit durch diesen Vertrag, insbesondere dessen Anlage I, nichts anderes bestimmt wird. In der "Vorbemerkung" zur
Anlage I heißt es: "Gemäß Abschnitt III des jeweiligen Kapitels treten die Rechtsvorschriften mit den dort bestimmten Maßgaben
in dem in Art 3 des Vertrages genannten Gebiet in Kraft." Im Beitrittsgebiet sind also die jeweiligen bundesrechtlichen Vorschriften
von vornherein nur mit der im Abschnitt III des jeweiligen Kapitels der Anlage I genannten Maßgaben in Kraft. Eine danebenstehende
andere Fassung der Vorschriften gibt es dort nicht.
Zu diesen Maßgaben zählt nach EinigVtr Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr 1 Buchst a die Absenkung der Höhe der Grundrente nach § 31 Abs 1 BVG für solche Personen (aaO Buchst l), welche am 18.5.1990 - dem Tag des Abschlusses des Vertrages über die Schaffung einer
Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik
(BGBl II 537) - ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatten, wie der Kläger des vorliegenden Falles.
Für diesen Personenkreis sind die in § 31 Abs 1 und 5 BVG in der jeweils geltenden Fassung genannten DM-Beträge mit dem Vomhundertsatz zu multiplizieren, der sich aus dem jeweiligen
Verhältnis der verfügbaren Standardrente (§
68 Abs
3 SGB VI) in dem in Art 3 EinigVtr genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) zur verfügbaren Standardrente in dem Gebiet, in dem das BVG schon vor dem Beitritt gegolten hat, ergibt. Der weitere Text des Buchst a ist hier ebenso unerheblich wie der der Buchst
b bis k dieser Nummer.
Die Einfügung der Bestimmung des § 84a BVG (aF) durch EinigVtr Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt II ergänzt diesen Grundsatz nur ua für die Personen, welche
nach diesem Stichtag in die alten Bundesländer umgezogen sind (insoweit richtig BSG 9. Senat vom 9.4.1997, BSGE 80, 176 = SozR 3-3100 § 84a Nr 2 für einen Umzügler). Diese sollen weiterhin nur die abgesenkte Grundrente erhalten.
Dieses Anpassungskonzept ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfGE 102, 41, 55 ff) und wird vom EinigVtr ausdrücklich auf andere Gebiete des sozialen Entschädigungsrechts ausgedehnt (etwa: EinigVtr
Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr 18 für Berechtigte nach dem
OEG; EinigVtr Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet B Abschnitt II Nr 1 sieht für das Soldatenversorgungsgesetz eine Übergangsregelung durch Einfügung des § 92a und Maßgaben in Abschnitt III Nr 5 vor; BSeuchG >seit 1.1.2001: IfSG<: EinigVtr Anlage I Kapitel X Sachgebiet D Abschnitt
III Nr 3 Buchst c; § 10 Abs 1 Unterstützungsabschlussgesetz; Häftlingshilfegesetz: EinigVtr Anlage I Kapitel II Sachgebiet D Abschnitt III Nr 3 Buchst c; § 24 Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz; §
6 Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz).
c) Dieses Ergebnis entspricht Sinn und Zweck der Freibetragsregelung; es bedeutet auch keine unangemessene Benachteiligung
der Betroffenen.
aa) §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI soll den Teil der Unfallrente anrechnungsfrei stellen, "von dem angenommen wird, dass er nicht Lohnersatzfunktion hat" (BT-Drucks
11/4124, S 174). Hieraus ist allerdings nicht zu schließen, dass dem anrechnungsfreien Betrag ausschließlich der Charakter
des Ersatzes eines immateriellen Schadens zukäme (wie zB BVerfG Kammerbeschluss vom 8.2.1995, SozR 3-2200 § 636 Nr 1 S 2 und
BSG 4. Senat vom 10.4.2003, SozR 4-2600 § 93 Nr 2 RdNr 26 ff anzunehmen scheinen). Denn der Nichterwerbsschaden umfasst daneben
auch verletzungsbedingte Mehraufwendungen (s § 843 Abs 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches >BGB<: "Vermehrung der Bedürfnisse";
vgl BSG 2. Senat vom 22.6.2004, SozR 4-2700 § 31 Nr 1 RdNr 9 mwN), also materielle Schäden (auch BSG 4. Senat vom 10.4.2003,
SozR 4-2600 § 93 Nr 2 RdNr 28 begreift die "Mehraufwendungen" als "materiellen Schaden"; s auch unten bei RdNr 81).
Dass die Verletztenrente als Nichterwerbsschaden ausschließlich immaterielle Schäden abgelten soll, kann auch nicht daraus
gefolgert werden, dass die Grundrente nach dem BVG - inzwischen - (praktisch) allein den immateriellen Schaden abdecke (so jedoch BSG 4. Senat vom 10.4.2003, SozR 4-2600 §
93 Nr 2 RdNr 29; zur Funktion der Grundrente noch anders BSG 4. Senat vom 31.3.1998, BSGE 82, 83, 99 f = SozR 3-2600 § 93 Nr 7; vorsichtiger insoweit auch BVerfG vom 14.3.2000, BVerfGE 102, 41, 60 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3). Dies läge zwar nahe, weil gemäß §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI sich der als Anteil des Nichterwerbsschadens innerhalb der Verletztenrente nicht anrechenbare Betrag nach der BVG-Grundrente bemisst. Eine derartige (teilweise) Gleichsetzung der Funktionen wäre jedoch allenfalls dann berechtigt, wenn
auch in der gesetzlichen UV verletzungsbedingte Mehraufwendungen ähnlich zusätzlich kompensiert würden wie (gemäß der Verordnung
über die Versorgung mit Hilfsmitteln und über Ersatzleistungen nach dem BVG vom 4.10.1989, BGBl I 1834) in der Kriegsopferversorgung. Dies aber ist zweifelhaft. Würden derartige Leistungen zwar für
Kriegsbeschädigte gesondert gewährt, in der gesetzlichen UV jedoch nicht, müssten jedenfalls insoweit die wirtschaftlichen
Verhältnisse berücksichtigt werden.
bb) Überdies ist die Gleichsetzung der Funktion des Teils der Verletztenrente, der den Nichterwerbsschaden abdecken soll,
mit der Funktion der Grundrente nach dem BVG auch in anderer Hinsicht zweifelhaft. Nach dem BVerfG (BVerfGE 102, 41, 60 ff = SozR 3-3100 § 84a Nr 3) erfüllt die Grundrente, stellt man auf den immateriellen Schaden ab, eine "Genugtuungsfunktion",
die vom "ideellen Ausgleich eines vom Einzelnen im Militärdienst für die staatliche Gemeinschaft erbrachten gesundheitlichen
Sonderopfers" geprägt sei. Insoweit sei eine Differenzierung Ost/West (ab 1999) nicht (mehr) angebracht. Diese Überlegung
aber kann denknotwendigerweise nicht für die Verletztenrente der gesetzlichen UV (oder einen Teil dieser Leistung) gelten.
Denn dieser liegt kein derartiges Sonderopfer zu Grunde.
Damit aber kann aus Natur und Funktion der Grundrente von vornherein kein Argument für die Behandlung des Freibetrags nach
§
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI hergeleitet werden. Diese Vorschrift enthält demnach nur eine Verweisung auf die Höhe eines als solchen wertfreien Betrags
(der zB auch durch eine Verweisung auf bestimmte Prozentsätze der Bezugsgröße - § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch -
ersetzt werden könnte).
cc) Ob hinsichtlich des Freibetrags eine Differenzierung Ost/West angebracht ist, hängt deshalb allein von der Funktion des
Teils der Verletztenrente ab, der der Kompensation des Nichterwerbsschadens dient, zusammengesetzt (in einem noch ungeklärten
Verhältnis) aus den verletzungsbedingten Mehraufwendungen und dem immateriellen Schaden.
Hinsichtlich der verletzungsbedingten Mehraufwendungen liegt eine Differenzierung nach den unterschiedlichen wirtschaftlichen
Verhältnissen in Ost und West auf der Hand.
Aber auch hinsichtlich des immateriellen Schadens ist die Vorstellung unrichtig, ein solcher müsse aus Gleichheitsgesichtspunkten
sowohl in Ost als auch in West in gleicher Höhe ausgeglichen werden, ohne die unterschiedlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten
zu berücksichtigen. Zwar kann der Wohnsitz des Opfers den immateriellen Schaden iS des Ausmaßes der seelischen Begleiterscheinungen
und Schmerzen nicht beeinflussen (so BSG 4. Senat vom 10.4.2003, SozR 4-2600 § 93 Nr 2 RdNr 44; entsprechend auch BSG 4. Senat
vom 20.10.2005, BSGE 95, 159 = SozR 4-2600 § 93 Nr 7, RdNr 73: "kein ökonomischer Bezug"; ob dies auch für die weiteren Aspekte des immateriellen Schadens
"Einbußen an körperlicher und geistiger Integrität" und "immaterielle Fortkommensnachteile" - BSG 4. Senat vom 31.3.1998,
BSGE 82, 83, 99 f = SozR 3-2600 § 93 Nr 7 - in gleichem Maße zutrifft, wäre ggf zu prüfen). Hier geht es jedoch um den Ersatz, den Ausgleich
eines derartigen Schadens. Dieser aber hat notwendigerweise die wirtschaftlichen Verhältnisse und ihre Unterschiede zu berücksichtigen.
Dies wird deutlich aus der Rechtsprechung zum Schmerzensgeld. Das Schmerzensgeld
(früher § 847 Abs 1
BGB: "Im Falle der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit ... kann der Verletzte auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden
ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen"; jetzt §
253 Abs
2 BGB: "Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, ... Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der
nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.")
ist der Prototyp der Kompensation immateriellen Schadens - und es ist ja gerade die "Schmerzensgeldfunktion", die die Verletztenrente
nunmehr (nach Einführung der Regelung des §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI) neben der des Ersatzes des Erwerbsschadens erfüllen soll (BVerfG Kammerbeschluss vom 8.2.1995, SozR 3-2200 § 636 Nr 1 S
2; vgl ferner BSG 4. Senat vom 31.3.1998, BSGE 82, 83, 100 = SozR 3-2600 § 93 Nr 7).
Die Zivilrechtsprechung unterscheidet bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zwischen dessen zwei Funktionen: der Ausgleichs-
und der Genugtuungsfunktion (Bundesgerichtshof >BGH< Großer Senat für Zivilsachen vom 6.7.1955, BGHZ 18, 149, 154; s ferner BVerfG vom 11.7.2006, BVerfGE 116, 229, 240). Eine Genugtuungsfunktion erfüllt das Schmerzensgeld vor allem abhängig vom Verschuldensgrad des Schädigers, insbesondere
also bei Vorsatz (BGH vom 29.11.1994, BGHZ 128, 117, 120 f). Eine derartige Funktion kann der Verletztenrente (auch im Rahmen ihrer Funktion, immaterielle Schäden auszugleichen)
von vornherein nicht zukommen, ist sie doch davon unabhängig, ob es überhaupt einen Schädiger gibt, und damit erst recht auch
von dessen Verschulden (in diesem Sinne auch BSG 4. Senat vom 31.3.1998, BSGE 82, 83, 100 f = SozR 3-2600 § 93 Nr 7).
Nach alledem bleibt für die in der Verletztenrente enthaltene Kompensation immaterieller Schäden die auch im Zivilrecht im
Vordergrund stehende Ausgleichsfunktion. Diese bezweckt, dem Verletzten, dem der Schädiger "das Leben schwer gemacht hat",
das Leben "wieder leichter zu machen" (BGHZ 18, 149, 154), mit anderen Worten: es ihm zu ermöglichen, für seine immaterielle Einbuße anderweit Annehmlichkeiten einzukaufen;
auch die Möglichkeit, Menschen durch Freigiebigkeit gewogen zu erhalten, oder die Freude daran, Geldgeschenke zu machen, kann
als Kompensation dienen (zB BGH vom 16.12.1975, NJW 1976, 1147, 1148; BGH vom 15.1.1991, NJW 1991, 1544, 1545 f). All dies hat jedoch einen unmittelbaren Bezug zur wirtschaftlichen Lage (und kann im Übrigen von den "schädigungsbedingten
Mehraufwendungen", die zum "Vermögensschaden" iS des
BGB gehören, schwer abzugrenzen sein; vgl BGH NJW 1991 aaO: Bezahlung einer Pflegekraft für Rollstuhlausfahrten: Vermögensschaden;
Geldzuwendung an jemand, der solche Ausfahrten aus Gefälligkeit übernimmt: immaterieller Schaden).
Demnach stellt auch die Kompensation immaterieller Schäden notwendigerweise auf die für den Geschädigten maßgebenden wirtschaftlichen
Verhältnisse ab. Diesem steht ein derartiger Ausgleich nicht etwa zu dem Zweck zu, dass er sich - abstrakt - an einer bestimmten
Summe Geldes erfreuen soll. Vielmehr soll er damit Gegenstände erwerben oder aber Leistungen in Anspruch nehmen können, die
ihm einen Ausgleich an Lebensinhalt (Lebensfreude) bieten. Sind aber auf Grund der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse
derartige Gegenstände und Leistungen (hier: im Beitrittsgebiet) günstiger zu erhalten, fällt demgemäß für den gleichen immateriellen
Schaden, in Geld ausgedrückt, eine geringere Kompensation an als dort, wo solche Gegenstände und Leistungen mehr kosten (also
in den alten Bundesländern; vgl BGH vom 22.6.1993, BGHZ 123, 65, 73).
dd) Es begegnet schließlich keinen Bedenken, dass der Gesetzgeber die differenzierende Verweisung in §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI auf die Grundrente "West" bzw "Ost" trotz fortschreitender Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen den alten Bundesländern
und dem Beitrittsgebiet bislang beibehalten hat. Denn auch weiterhin bestehen in jenen Bereichen Unterschiede, die, wie beschrieben,
für die Kompensation von Nichterwerbsschäden relevant sind. So ist auch das BVerfG im Jahre 2003 in seinem Beschluss zur "Beamtenbesoldung
Ost" davon ausgegangen, dass sich die allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse, darin eingeschlossen das
allgemeine Preis- und Lohnniveau, nach wie vor in den neuen Ländern erheblich von denen in den alten Ländern unterscheiden
(BVerfG vom 12.2.2003, BVerfGE 107, 218, 248 ff, 250). Es ist nicht ersichtlich, dass sich hieran seither wesentlich etwas geändert hätte.
ee) Ein weiterer Gesichtspunkt: Hätte der Gesetzgeber von Anfang an tatsächlich die Grundrente in West-Höhe auch im Beitrittsgebiet
anrechnungsfrei gestellt, hätte dies insbesondere bei dem damals (im Verhältnis zum aktuellen Rentenwert >"West"<) besonders
niedrigen aktuellen Rentenwert (Ost) eine ungerechtfertigte Bevorzugung der "Doppelrentner" (RV-Rente und Verletztenrente)
im Beitrittsgebiet gegenüber denjenigen in den alten Bundesländern (BT-Drucks 15/2678, S 23) sowie gegenüber den "Einfachrentnern"
im Beitrittsgebiet bedeutet. Dieses Missverhältnis wird dann deutlich, wenn man die Rentenbeträge Ost und West bei übereinstimmenden
Entgeltpunkten (EP) vergleicht.
Die folgende Vergleichsberechnung legt die Daten eines sog Eckrentners mit 45 EP mit einer MdE (iS der gesetzlichen UV) um
50 vH zu Grunde. Im Januar 1992, zu Beginn der Geltung des
SGB VI, betrug der aktuelle Rentenwert DM 41,44, der aktuelle Rentenwert (Ost) DM 23,57, also lediglich ca 57 % des West-Wertes.
Zum 1.1.1999 war das Verhältnis auf DM 47,65/DM 40,87, also 86 % angestiegen; seit dem 1.7.2003 beträgt es EUR 26,13/EUR 22,97,
sodass der aktuelle Rentenwert (Ost) 88 % des aktuellen Rentenwerts ausmacht. Die BVG-Grundrente ("West" oder "Ost") nach einer MdE von 50 vH entspricht ihrer Höhe nach jeweils ca 8,3 EP, berücksichtigt man
die unterschiedlichen aktuellen Rentenwerte.
RV- RV- Grund- Grund- RV- RV- RV- entspr
Rente Rente rente rente Rente Rente Rente "EP
West Ost West Ost West (Ost)"
und und und ca
Grund- Grund- Grund-
rente rente rente
West Ost West
45 EP 45 EP MdE MdE ca 53,3 ca 53,3
50 vH 50 vH EP EP
1.1.1992
(DM) 1.865 1.061 349 199 2.214 1.260 1.410 59,8
1.1.1999
(DM) 2.144 1.839 397 341 2.487 2.180 2.236 54,7
1.7.2003
(EUR) 1.176 1.034 218 192 1.394 1.226 1.252 54,5
Die Spalten, welche die RV-Rente und die Grundrente addieren, geben jeweils den Mindestzahlbetrag einer "Doppelrente" (RV-Rente
plus Freibetrag nach §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI) wieder (unter der Voraussetzung, dass RV-Rente und Verletztenrente zusammen diesen Betrag erreichen).
Das Missverhältnis der kumulativen EP bei der Kombination: RV-Rente Ost/Grundrente Ost (in allen Jahren konstant 53,3 EP)
zu der Kombination: RV-Rente Ost/Grundrente West (1992: 59,8 EP, 1999: 54,7 EP und 2003: 54,5 EP) hätte für den "Doppelrentner"
aus den neuen Bundesländern eine zunächst überproportionale Kompensation des Nichterwerbsschadens zur Folge. Er würde besonders
in der ersten Zeit gegenüber dem "Einfachrentner" unverhältnismäßig bevorzugt, denn er erhielte ab Januar 1992 durch die Anrechnungsfreiheit
an Stelle des Gegenwerts der 8,3 "EP (Ost)" für die BVG-Grundrente Ost 14,8 "EP (Ost)" (damals entsprechend 8,3 "EP >West<"). Dem entspräche folgerichtig ein Absinken der Kompensationsleistung
im weiteren Zeitablauf. Gerade angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten im Beitrittsgebiet würde sich der Anteil des
Nichterwerbsschaden-Ausgleichs an der Gesamtleistung immer weiter vermindern.
Damit aber kann keine Rede davon sein, dass ein "nochmaliger 'Abschlag'" (nicht nur beim aktuellen Rentenwert, sondern auch
beim Freibetrag) Versicherte im Beitrittsgebiet unverhältnismäßig belasten würde (so jedoch BSG 4. Senat vom 10.4.2003, SozR
4-2600 § 93 Nr 2 RdNr 38; ebenso BSG 4. Senat vom 20.10.2005, BSGE 95, 159 = SozR 4-2600 § 93 Nr 7, RdNr 71). Im Gegenteil würde, wie aufgezeigt, die Kombination RV-Rente Ost/Grundrente West in mehrerlei
Hinsicht zu deutlich unangemessenen Ergebnissen führen, die nur durch die Kombination RV-Rente Ost/Grundrente Ost vermieden
werden können. Damit entspricht allein diese dem Gleichheitssatz.
d) Auch im Übrigen geht der Senat von der Verfassungsmäßigkeit seiner Lösung aus.
aa) Die hier vertretene Auslegung kann von vornherein keinen Eingriff in "Renteneigentum" bedeuten. Denn, wie bereits mehrfach
auch in anderem Zusammenhang entschieden (BVerfG vom 28.4.1999, BVerfGE 100, 1, 33 ff = SozR 3-8570 § 10 Nr 3; BSG 5. Senat vom 1.12.1999, BSGE 85, 161, 168 f = SozR 3-5050 § 22 Nr 7), unterliegen Rentenansprüche der ehemaligen DDR dem
GG erst auf Grund der Anerkennung durch den EinigVtr, der die Beitrittsbedingungen und -folgen festlegte, und mit den Maßgaben,
die dieser im Rahmen der Art
14 Abs
1 und
2 GG für sie festsetzt. Da er einen abgesenkten Freibetrag vorsieht, ist der jeweilige Rentenanspruch nur mit dieser Maßgabe geschützt.
bb) Bedenken gegen die Anwendung des im obigen Sinne abgesenkten Freibetrags Ost ergeben sich auch nicht aus den an den Bundesminister
für Arbeit und Sozialordnung (BMAS) gerichteten Ermächtigungen in EinigVtr Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III
Nr 1 Buchst a (s oben II 3). Wenn hierin angeordnet wird, dass
die in § 31 Abs 1 BVG "in der jeweils geltenden Fassung genannten Deutsche Mark-Beträge ... mit dem Vomhundertsatz zu multiplizieren (sind), der
sich aus dem jeweiligen Verhältnis der verfügbaren Standardrente (§ 68 Abs. 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) in dem
in Artikel 3 des Vertrags genannten Gebiet zur verfügbaren Standardrente in dem Gebiet, in dem das Bundesversorgungsgesetz schon vor dem Beitritt gegolten hat, ergibt",
und ferner, dass
der "Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ... den maßgebenden Vomhundertsatz und den Veränderungstermin jeweils im
Bundesanzeiger bekannt" gibt,
so liegt hierin keine (Verordnungs-)Ermächtigung an den BMAS, einen nicht aus dem
SGB VI ersichtlichen Vomhundertsatz oder den Zeitpunkt seiner Wirksamkeit eigenmächtig festzusetzen (vgl jedoch BSG 4. Senat vom
20.10.2005, BSGE 95, 159 = SozR 4-2600 § 93 Nr 7, RdNr 63 ff).
Vielmehr ist gemeint: Die Grundrente (Ost) soll stets im gleichen Maße niedriger sein als eine Grundrente (West) wie eine
RV-Rente (Ost) gegenüber einer RV-Rente (West), die ansonsten auf der gleichen Berechnungsgrundlage beruht (so versteht auch
das BVerfG im Beschluss vom 12.2.2003, BVerfGE 107, 218, 252 das Wort "Standardrente"). Dass §
68 Abs
3 SGB VI (seit 2001) nicht mehr von einer "verfügbaren Standardrente" spricht, ist hierbei unerheblich, zumal dieser Begriff seither
in §
154 Abs
3 Nr
2 Teilsatz 2
SGB VI geregelt ist. Dafür, dass etwa der Vergleich von Durchschnittsrenten oder anderer Größen maßgebend sein soll, können sachliche
Gründe nicht ernsthaft geltend gemacht werden. Mit der Anordnung des EinigVtr, maßgebend sei das "jeweilige" Verhältnis der
verfügbaren Standardrenten, ist auch ohne Spielraum die Geltungsdauer des jeweiligen Verhältnisses für die Berechnung der
Grundrenten Ost geregelt. Demgemäß ist deren Bekanntgabe im Bundesanzeiger (und nicht im Bundesgesetzblatt) lediglich eine
Wissens-, nicht aber eine Willenserklärung des BMAS und demgemäß keine Rechtsnorm, die einer Ermächtigungsgrundlage bedürfte.
cc) Weiterhin teilt der Senat nicht die Bedenken des 4. Senats, wonach die Berücksichtigung nur eines Freibetrags Ost bei
der Rentenberechnung des Klägers wegen der Bevorzugung anderer Vergleichsgruppen verfassungswidrig sei (hierzu BSG 4. Senat
vom 20.10.2005, BSGE 95, 159 = SozR 4-2600 § 93 Nr 7, RdNr 74 f).
Dass sich der Freibetrag durch einen Umzug zwischen den alten Bundesländern und dem Beitrittsgebiet (in welcher Richtung auch
immer) nach dem 18.5.1990 nicht verändern soll (in Anwendung des § 84a Satz 1 BVG), ist sachgerecht, um nicht zusätzliche Wanderungsbewegungen von Ost nach West zu provozieren oder Umzüge von West nach Ost
zu verhindern (vgl ferner BSG 9. Senat vom 9.4.1997, BSGE 80, 176, 180 = SozR 3-3100 § 84a Nr 2).
Kein durchschlagendes Argument lässt sich aus dem Vergleich zur Behandlung von Sachverhalten mit Auslandsbezug herleiten,
weil hiervon eher unbedeutende Fallzahlen betroffen sind. Dies gilt sowohl für den Vergleich der hier betroffenen "Ost-Doppelrentner"
mit Ausländern, denen eine "Doppelrente" in das Ausland geleistet wird (hierzu BSG 13. Senat vom 20.11.2003, SozR 4-2600 §
93 Nr 3 RdNr 19), als auch für den Vergleich mit "Zuzüglern" aus dem ehemaligen Ostblock in die alten Bundesländer (die anders
als Zuzügler in das in Art 3 des EinigVtr genannte Gebiet >Beitrittsgebiet< keine Kürzung nach § 84a Satz 2 BVG hinnehmen müssen; hierzu BSG 4. Senat vom 20.10.2005, BSGE 95, 159 = SozR 4-2600 § 93 Nr 7, RdNr 74).
e) Im Fall des Klägers spielt die Bestimmung des § 84a Satz 1 BVG aF (s oben II 3) keine Rolle. Diese lautet:
"Berechtigte, die am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten
Gebiet hatten, erhalten vom Zeitpunkt der Verlegung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts, frühestens vom 1. Januar
1991 an, Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz mit den für dieses Gebiet nach dem Einigungsvertrag geltenden Maßgaben, auch wenn sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet verlegen, in dem dieses Gesetz
schon vor dem Beitritt gegolten hat."
Denn der Kläger hat seinen am 18.5.1990 bestehenden Wohnsitz im Beitrittsgebiet nicht in die alten Bundesländer verlegt. Satz
2 der Vorschrift ist von vornherein nicht einschlägig.
3. Die Lösung des Senats wird schließlich nicht durch das Urteil des BVerfG vom 14.3.2000 (BVerfGE 102, 41 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3 - s oben II 5) berührt.
a) Der Eingangssatz der Gründe des Urteils (BVerfGE 102, 41, 42) führt aus:
"A. Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerden betreffen die Frage, ob es verfassungsrechtlich zulässig
ist, dass Kriegsbeschädigte des Zweiten Weltkriegs, die am 18. Mai 1990 im Beitrittsgebiet ansässig waren, bis heute eine
niedrigere Grundrente und einen niedrigeren Pauschbetrag für Kleider- und Wäscheverschleiß erhalten als die Beschädigten,
die zu diesem Zeitpunkt im Bundesgebiet oder im westlichen Ausland lebten."
Die Entscheidung kommt zum Ergebnis, dass Kriegsopfern (Beschädigten) iS des § 1 BVG auch bei Wohnsitz im Beitrittsgebiet ab 1.1.1999 die "Grundrente West" zu zahlen ist, und begründet dies mit spezifischen
Argumenten für Beschädigte des 2. Weltkriegs (Genugtuungsfunktion der Grundrente - s hierzu oben unter 2 c bb; Kriegsopfer
in West und Ost seien "Opfer im gleichen Krieg für den gleichen Staat"; die in Aussicht gestellte Angleichung des Entschädigungsniveaus
sei in für die Leistungsberechtigten erlebbarer Zeit nicht zu erreichen). Auch ansonsten stellt das Urteil des BVerfG nur
auf die Grundrente für Kriegsbeschädigte ab.
So ist auch die Entscheidungsformel des Urteils vom 14.3.2000 (BVerfGE 102, 41, 41 f; BGBl I 445) zu verstehen. Sie lautet:
"§ 84a des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) in Verbindung mit Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr. 1 Buchstabe a des Vertrages zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag - vom 31. August 1990 (Bundesgesetzblatt II Seite 889, 1067) ist mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit die Beschädigtengrundrente nach § 31 Absatz
1 Satz 1 des Bundesversorgungsgesetzes auch nach dem 31. Dezember 1998 im Beitrittsgebiet anders berechnet wird als im übrigen
Bundesgebiet."
Auf der Grundlage der obigen Ausführungen ist die Wendung "soweit die Beschädigtengrundrente ... >nicht 'Grundrente'< anders
berechnet wird als im übrigen Bundesgebiet" verdeutlichend zu lesen als: "soweit die Grundrente für Kriegsbeschädigte ...
anders berechnet wird als im übrigen Bundesgebiet". Auch die Bindungswirkung dieser Entscheidung nach § 31 Abs 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz reicht demgemäß nicht weiter. Soweit § 31 BVG durch Verweisungen entweder im Sozialen Entschädigungsrecht oder aber im Rentenrecht (also in §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI) auch für andere Personenkreise Bedeutung hat, ist die Vorschrift durch das Urteil des BVerfG nicht betroffen.
b) Soweit der Tenor des BVerfG auf § 84a BVG abstellt, gilt (abweichend von den Materialien zum SER-ÄndG, s oben II 10) Folgendes:
Auch in seinen Ausführungen zu Art
3 Abs
1 GG (BVerfGE 102, 41, 54 f) sieht das BVerfG in dieser Vorschrift augenscheinlich die Rechtsgrundlage für die abgesenkte "Grundrente Ost". Demgegenüber
ist (s oben II 3) diese Rechtsgrundlage tatsächlich allein in EinigVtr Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr
1 Buchst l und Buchst a zu suchen (das BVerfG führt im Tenor insoweit nur Buchst a an und zitiert in seiner Sachverhaltsdarstellung
>aaO 44 f< nur Buchst a und f, nicht jedoch Buchst l). § 84a Satz 1 BVG hatte (in seiner damaligen Fassung) nur Bedeutung für solche Berechtigten, die nach dem 18.5.1990 aus den neuen in die alten
Bundesländer umgezogen waren, und sich gegenüber den vergleichbar Berechtigten im Beitrittsgebiet nicht besser stellen sollten;
Satz 2 galt für "Zuzügler" aus Staaten des früheren Ostblocks. Diese Vorschrift dürfte in den vom BVerfG entschiedenen Fällen
von vornherein nicht einschlägig gewesen sein, weil den Verfassungsbeschwerden Entscheidungen thüringischer Sozialgerichte
zu Grunde lagen und auch von einem Zuzug nichts erwähnt ist (allerdings stellt auch BSG 9. Senat vom 12.12.1995 - 9 BV 113/95, eine der Vorentscheidungen zu BVerfGE 102, 41, auf "§ 84a BVG iVm Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr 1 Buchst a" ab).
Dennoch macht der Tenor des BVerfG insofern Sinn, als eine Verfassungswidrigkeit der Absenkung der "Grundrente Ost" für Kriegsbeschädigte
ab 1999 naturgemäß auch die für "Umzügler und Zuzügler" geltende Vorschrift des § 84a BVG beeinflusst.
4. Die Neufassungen des Gesetzes (s oben II 8 und 10) beeinflussen die Lösung des Senats nicht.
Der Änderung des §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI durch Art 1 Nr 19 RVNG vom 21.7.2004, wird durch Art 15 Abs 2 RVNG Rückwirkung ab 1.1.1992 beigemessen (s unten a). Ebenso wird der Änderung
des § 84a BVG durch das SER-ÄndG vom 19.6.2006 in Art 9 Abs 1a dieses Gesetzes ab 1.1.1991 rückwirkende Geltung eingeräumt (s unten b). Beide Änderungen haben jedoch die materielle
Rechtslage nicht zu Gunsten des Klägers geändert.
a) Ein Rücknahmeanspruch kann nicht auf den ab 1.1.1992 geltenden §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI idF des RVNG gestützt werden. Dieser lautet:
"Bei der Ermittlung der Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge bleiben unberücksichtigt ... Nr 2 bei der Verletztenrente
aus der Unfallversicherung a) der Betrag, der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente nach § 31
in Verbindung mit § 84a Satz 1 und 2 des Bundesversorgungsgesetzes geleistet würde ..."
Der Senat kann offen lassen, ob diese Verweisung auf § 84a BVG ins Leere geht (so BSG 4. Senat vom 20.10.2005, BSGE 95, 159 = SozR 4-2600 § 93 Nr 7, RdNr 55 ff). Aus diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, ob die ebenfalls rückwirkende Vorschrift
des § 84a BVG nF nunmehr Anwendung findet; dann wäre die Revision ohnehin unbegründet (s unten b). Denn §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI nF begründet selbst unter wirksamer Bezugnahme auf § 84a Satz 1 und 2 BVG aF nach der hier gefundenen Auslegung (s oben 2) im vorliegenden Fall keinen höheren Freibetrag. Da § 84a BVG nur Personen betrifft, die am 18.5.1990 im Beitrittsgebiet gewohnt haben und später in das alte Bundesgebiet umgezogen sind,
war diese Vorschrift für die große Mehrzahl der Fälle nicht einschlägig (s oben 2 f). In diesem Fall bleibt es bei der Bezugnahme
allein auf § 31 BVG und damit im Beitrittsgebiet bei der Anwendung dieser Vorschrift mit den Maßgaben aus EinigVtr Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet
K Abschnitt III Nr 1 Buchst a, l und m (s oben III B 2). Zwar wird in der Neufassung nicht allgemein auf "Grundrente nach
dem BVG" verwiesen. Jedoch bestand bereits zu der alten Fassung Einigkeit, dass unter Grundrente nur eine solche nach § 31 BVG verstanden werden kann. Da der Wortlaut im Übrigen identisch ist, ist keine andere Auslegung der Neufassung möglich.
b) Dieses Ergebnis folgt erst recht aus der Bezugnahme in §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI idF des RVNG auf § 84a Satz 1 und 2 BVG idF des Art 01 des SER-ÄndG vom 19.6.2006. Diese mit Wirkung ab 1.1.1991 in Kraft getretene Neufassung des § 84a BVG lautet:
"Berechtigte, die am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet hatten, erhalten vom 1. Januar 1991 an Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz mit den für dieses Gebiet nach dem Einigungsvertrag geltenden Maßgaben ..."
Dieser Tatbestand ist im vorliegenden Fall ohne weiteres erfüllt und daher nur der abgesenkte Freibetrag nach der Grundrente
(Ost) zu berücksichtigen.
Die ab 1.1.1999 (Art 9 Abs 4 SER-ÄndG) geltende Fassung des § 84a BVG nach Art 1 SER-ÄndG berührt keine im vorliegenden Fall relevanten Fragen.
5. Da die durch die unter 4. geschilderten Neufassungen geschaffene Rechtslage sich in ihren Rechtsfolgen nicht von den Wirkungen
der ursprünglichen Fassung des §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI idF des RRG 1992 unterscheidet, stellt sich die Frage nach ihrer Vereinbarkeit mit dem Rechtsstaatsprinzip des
GG (Verbot echter Rückwirkung) nicht.
IV. Die unter III dargestellte Entscheidung ist jedoch nicht ohne Abweichung von den Urteilen des 4. Senats vom 10.4.2003
(B 4 RA 32/02 R) und vom 20.10.2005 (B 4 RA 27/05 R; B 4 RA 24/05 R; B 4 RA 18/05 R; B 4 RA 13/05 R; B 4 RA 12/05 R) möglich.
Der 4. Senat hat den Anfragebeschluss des vorlegenden Senats vom 12.12.2006 mit Beschluss vom 26.6.2007 - B 4 R 1/07 S, beim vorlegenden Senat eingegangen am 4.10.2007, abschlägig beantwortet.
Der vorlegende Senat vermag dem 4. Senat insoweit nicht zu folgen. Er geht im Folgenden in der angemessenen Kürze auf die
Argumentation des Antwortbeschlusses ein:
1. Beantwortung der Rechtsfrage, ausgehend vom Rechtszustand bis zum 31.12.1998 (s hierzu oben unter II 1 - 4)
Der 4. Senat geht (unter A der Gründe des Antwortbeschlusses, RdNr 3 - 90) davon aus, es habe jedenfalls in diesem Zeitraum
keinen "Parlamentsbeschluss" gegeben, nach dem bei gleicher unfallbedingter MdE die Verletztenrente aus der gesetzlichen UV
den unfallverletzten Rentnern aus dem Beitrittsgebiet auf ihre Rente aus der gesetzlichen RV in höherem Maße anzurechnen gewesen
wäre als bei "West-Rentnern".
Dem hält der vorlegende Senat entgegen, dass es eine entsprechende Rechts-(und Gesetzes-)lage gab. Die Vorschrift des §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI idF des RRG 1992 verwies zur Höhe des Freibetrags auf die "Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz" (s oben II 1, RdNr 13). Eben diese hat der Gesetzgeber des EinigVtrG in der aus II 3 (RdNr 17 - 20) ersichtlichen Weise
für das Beitrittsgebiet abgesenkt. Dies wiederum führte nach Auffassung des vorlegenden Senats denknotwendigerweise (s RdNr
65 - 67) zum entsprechend abgesenkten Freibetrag Ost. Damit hat der Gesetzgeber diese Entscheidung selbst (iS von RdNr 13
des Antwortbeschlusses) getroffen.
Auf dieser Grundlage erledigen sich die Einwände des Antwortbeschlusses, soweit dieser fortgesetzt dem vorlegenden Senat die
Missachtung des Gesetzesbeschlusses von 1989 und damit einen nicht legitimierten Grundrechtseingriff vorhält.
2. Beantwortung der Rechtsfrage, ausgehend vom Urteil des BVerfG vom 14.3.2000
Der 4. Senat meint (Antwortbeschluss RdNr 111, 120 ff), dass der vorlegende Senat mit seinem Verständnis des Aussagegehalts
des BVerfG-Urteils (s hierzu oben bei II 5, RdNr 24 ff) ein "Wortspiel" betreibe. Der vorlegende Senat kann nur wiederum darauf
hinweisen, dass § 31 BVG in seiner durch §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI idF des RRG 1992 in Bezug genommenen Fassung die Höhe der Grundrente nicht nur für Kriegsopfer regelte, sondern auch für sonstige durch
das Soziale Entschädigungsrecht begünstigte Personenkreise, zB Berechtigte nach dem
OEG. Sowohl für die Kriegsopfer als auch für diese sah das für das Beitrittsgebiet geltende Übergangsrecht des EinigVtr (s oben
RdNr 64 - 66) eine abgesenkte Höhe vor (s oben RdNr 67, 69): § 31 Abs 1 BVG war in beiderlei Hinsicht nur nach der Maßgabe des EinigVtr Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr 1 Buchst
a anzuwenden.
An dieser Rechtslage hat das Urteil des BVerfG nur für den Personenkreis der Kriegsopfer etwas geändert (hierzu im Einzelnen
oben RdNr 101 - 105). Damit blieb die Regelung in EinigVtr Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr 1 Buchst a
hinsichtlich ihres weiteren Anwendungsbereichs bestehen - also für solche Personen, auf die § 31 Abs 1 BVG anwendbar war, auch wenn sie keine Kriegsopfer waren. Diese erhalten im Beitrittsgebiet zu Recht weiterhin eine abgesenkte
Grundrente (ebenso BSG 9a. Senat vom 28.4.2005, SozR 4-1500 § 160 Nr 5, freilich unter Verankerung der Absenkung der Grundrente bei § 84a BVG, hierzu oben RdNr 68, 99 f, 107). Nichts anderes gilt für die Bezieher einer Verletztenrente.
3. Beantwortung der Rechtsfrage, ausgehend vom Rechtszustand nach dem Gesetz zur Änderung des Opferentschädigungsgesetzes
und anderer Gesetze sowie nach den weiteren Änderungsgesetzen (s hierzu oben unter II 6, 8 und 10)
Der 4. Senat wiederholt im Antwortbeschluss (RdNr 91 ff) seine Rechtsansicht hinsichtlich des einschlägigen Regelungsgehalts
des RVNG; zur Rechtslage nach dem SER-ÄndG nimmt er nicht Stellung, äußert jedoch Bedenken, ob auch nach dessen Verkündung
die Anfrage zulässig sei (Antwortbeschluss RdNr 2).
Auf der Grundlage jedoch der vom vorlegenden Senat als von Anfang an zutreffend erkannten Rechtsanwendung berührt das RVNG
ebenso wenig die Lösung des vorlegenden Senats wie die weiteren Gesetze, mit denen der Gesetzgeber jeweils versucht hat, die
Gesetzeslage klarzustellen (s oben RdNr 109 ff). Dies gilt auch für das SER-ÄndG (s oben RdNr 113 - 115), das somit die Zulässigkeit
auch der Vorlage an den Großen Senat nicht beeinflusst.
4. Materielle Verfassungsmäßigkeit der Lösung des vorlegenden Senats
Der 4. Senat begründet seine Rechtsprechung nicht nur mit der von ihm behaupteten formellen Verfassungswidrigkeit der vom
vorlegenden Senat vertretenen Auffassung ("Parlamentsvorbehalt"; hierzu oben bei 1., RdNr 120 ff), sondern ferner damit, dass
auch in weiteren Hinsichten nur seine Rechtsmeinung, es gebe lediglich einen für West und Ost einheitlichen Freibetrag nach
§
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI, dem
GG entspreche. Demgegenüber hat der vorlegende Senat (s oben RdNr 69 ff) im Einzelnen ausgeführt, warum seine Lösung nicht nur
Sinn und Zweck der Freibetragsregelung entspricht, sondern gleichermaßen materiell verfassungsmäßig ist, wenn nicht sogar
die einzige mit dem
GG vereinbare Lösung darstellt.
Teil der Argumentation des 4. Senats ist, dass der Freibetrag die immateriellen Schäden des Verletzten ausgleichen solle;
diese aber seien für Ost und West gleich, sodass eine Differenzierung bei der Höhe des Freibetrags auch dem Gleichheitssatz
des
GG widerspreche (zB BSG 4. Senat vom 10.4.2003, SozR 4-2600 § 93 Nr 2 RdNr 44; s Antwortbeschluss RdNr 89, 94: "ungleicher Grundrechtseingriff").
Diesen Rechtsstandpunkt kann der vorlegende Senat unabhängig von der Abgrenzung des Begriffs "immaterieller Schaden" (hierzu
oben RdNr 71, 81; Antwortbeschluss RdNr 69 ff) nicht teilen. Denn auch soweit es bei dem Freibetrag um die Kompensation eines
(im engeren Sinne) immateriellen Schadens geht, erfolgt diese in Geld. Dann aber ist hierfür notwendigerweise auf wirtschaftliche
Gegebenheiten abzustellen und damit auch auf die fortbestehenden Unterschiede zwischen Ost und West (s im Einzelnen oben RdNr
77 ff).