Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Leistungen für Unterkunft und Heizung; Angemessenheit der Unterkunftskosten bei fehlendem
schlüssigen Konzept
Gründe:
I
Streitig ist die Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 1.12.2009 bis 30.6.2010.
Der im Jahr 1947 geborene, zunächst selbständige Kläger mietete zum 1.12.2008 eine Wohnung mit einer Größe von 75 qm in A./Landkreis
R. an. Hierfür entrichtete er monatlich eine Grundmiete in Höhe von 380 Euro zzgl einer Vorauszahlung auf Betriebskosten in
Höhe von 80 Euro.
Nach einem Herzinfarkt meldete er sein Gewerbe zum 31.12.2008 ab und beantragte am 8.1.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
nach dem SGB II.
Der Beklagte, der zum 1.1.2012 Optionskommune nach § 6a Abs 2 SGB II geworden ist, bewilligte dem Kläger ab dem 30.12.2008 Kosten für Unterkunft und Heizung, zunächst bis 31.7.2009 in Höhe von
monatlich 470,77 Euro auf Grundlage der tatsächlichen Grundmiete in Höhe von 380 Euro, kalten Nebenkosten in Höhe von 23,96
Euro sowie Heizkosten in Höhe von 66,81 Euro. Ab 1.8.2009 bewilligte er monatlich einen Betrag in Höhe von 335,77 Euro, wobei
er unter Beibehaltung der anderen Beträge nur noch eine Grundmiete von 245 Euro anerkannte (Bescheid vom 21.1.2009). Im Zuge
der Bewilligung ab 30.12.2008 forderte der Beklagte den Kläger zudem auf, die Unterkunftskosten zu senken. Die Kaltmiete von
380 Euro würde um 135 Euro über den angemessenen Mietkosten liegen. Nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten könne der Beklagte
ab 1.8.2009 nur noch die angemessene Kaltmiete von 245 Euro zzgl Nebenkosten anerkennen (Schreiben vom 21.1.2009).
Die Leistungsbewilligung wurde mehrfach geändert, zuletzt wurden dem Kläger für Dezember 2009 Kosten für Unterkunft und Heizung
auf Grundlage einer Kaltmiete von 245 Euro, kalten Nebenkosten in Höhe von 23,96 Euro sowie Heizkosten in Höhe von 61,75 Euro
bewilligt (Änderungsbescheide vom 7.4.2009, 10.8.2009, 16.11.2009). Für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis 31.12.2010 bewilligte
der Beklagte dem Kläger Kosten für Unterkunft und Heizung in derselben Höhe (Bescheid vom 10.12.2009).
Der Beklagte wies die gegen die Bewilligung für Dezember 2009 und für den Zeitraum 1.1.2010 bis 31.12.2010 eingelegten Widersprüche
als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 6.4.2010).
Während des Verfahrens vor dem SG reduzierte der Beklagte die Bewilligung ab 1.6.2010 um verringerte kalte Nebenkosten und stellte die Leistungen ab 1.7.2010
ein, nachdem der Kläger zu diesem Zeitpunkt aus dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten verzogen war (Änderungsbescheide vom
10.5.2010 und 2.6.2010).
Das SG hat den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 30.6.2010
weitere Kosten der Unterkunft bis zu einem Betrag von 338,80 Euro monatlich zzgl Heizkosten zu gewähren. Im Übrigen hat es
die auf die Übernahme der tatsächlichen Kosten gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 22.11.2011). Die vom Beklagten zugrunde
gelegte Mietobergrenze sei unzutreffend, da der Beklagte nicht über ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen
Mietkosten im Sinne der Rechtsprechung des BSG verfüge. Da es mangels hinreichender Datenbasis nicht mehr möglich sei, die angemessene Kaltmiete für die streitige Zeit
zu ermitteln, seien die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu übernehmen, begrenzt auf die Tabellenwerte nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) und der Wohngeldverordnung (WoGV) einschließlich eines Zuschlags von 10 %. Dies führe beim Kläger zu einer Referenzmiete von 338,80 Euro.
Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger für
die Zeit vom 1.12.2009 bis 31.5.2010 monatlich weitere 69,84 Euro und für den Monat Juni 2010 weitere 71,64 Euro zu gewähren
(Urteil vom 7.11.2012). Der Tenor der angefochtenen Entscheidung sei ohne inhaltliche Änderung lediglich zur Klarstellung
neu gefasst worden; das SG habe in seiner Entscheidung die Heizkosten mit monatlich 61,75 Euro berücksichtigt, es habe damit im Ergebnis eine Leistung
für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 400,55 Euro zugesprochen. Zur Bestimmung der angemessenen Kosten
der Unterkunft und Heizung habe der Beklagte zunächst als angemessene Wohnungsgröße eine Wohnfläche von 45 qm zugrunde gelegt.
Der Beklagte habe als Vergleichsraum den Bereich der Region W., L. und A. mit ca 75 000 Einwohnern herangezogen. Für diesen
sei jedoch in der Anlage zum Mietpreisspiegel keine einheitliche angemessene Mietobergrenze vorgesehen. Ob von dem Erfordernis
eines einheitlichen Wertes der angemessenen Miete in Bereichen des ländlichen Raumes abgewichen und Vergleichsräume mit nach
Gemeinden differenzierten Mietobergrenzen gebildet werden dürften, könne dahingestellt bleiben, da jedenfalls dem vom Beklagten
im streitigen Zeitraum als angemessen erachteten Quadratmeterpreis kein schlüssiges Konzept zugrunde gelegen habe. Die für
einen Mietspiegel erforderliche statistisch aufgearbeitete Zusammenstellung der vorkommenden Mieten läge dem Mietpreisspiegel
nicht zugrunde. Grundlage sei das nicht schriftlich fixierte Datenmaterial der Haus- und Grundeigentümervereine sowie die
individuelle Kenntnis der an der Feststellung des Mietpreisspiegels beteiligten Personen von den Mietpreisen bei Neuabschlüssen.
Von den beteiligten Gemeinden seien keine Erhebungen durchgeführt worden. Der Mietpreisspiegel sei mangels Nachprüfbarkeit
nicht ausreichend für die Begründung eines schlüssigen Konzepts. Darüber hinaus sei die Gemeinde A., in welcher der Kläger
gewohnt habe, in Tabelle 4 des Mietpreisspiegels 2009, in welcher die jeweiligen Ortszu- bzw -abschläge bezogen auf das Referenzniveau
der Stadt W. aufgelistet seien, nicht aufgeführt. Es sei damit nicht nachvollziehbar, wie die Mietobergrenzen für den damaligen
Wohnort des Klägers ermittelt worden seien. Dem Senat sei es auch nicht mehr möglich, aufgrund eigener Ermittlungen ein schlüssiges
Konzept für den streitigen Zeitraum zu erstellen, es fehle an der erforderlichen Datenbasis. Es seien damit die tatsächlichen
Aufwendungen bis zur Angemessenheitsgrenze der Tabellenwerte in § 12 WoGG und ein Zuschlag von 10 % hinzuzurechnen. Es habe auch eine wirksame Kostensenkungsaufforderung vorgelegen.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision. Er folge zwar der Feststellung des LSG, dass er im vorliegenden Fall
über kein schlüssiges Konzept verfüge sowie dass die Aufwendungen bis zur Höhe der Tabellenwerte aus § 12 WoGG zu übernehmen seien. Nicht gefolgt werden könne aber der Hinzurechnung eines Zuschlages von 10 %.
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Konstanz vom 22. November 2011 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. November
2012 insoweit aufzuheben, als Leistungen für Unterkunft und Heizung von mehr als 308 Euro monatlich zuzüglich der Heizkosten
zu bewilligen sind.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Bei fehlendem schlüssigen Konzept sei sowohl nach § 8 WoGG als auch nach § 12 WoGG ein "Sicherheitszuschlag" von 10 % gerechtfertigt.
II
Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet.
Die Vorinstanzen haben den Beklagten zu Recht zu einer weiteren Leistungsgewährung an den Kläger für die Zeit vom 1.12.2009
bis 30.6.2010 verurteilt. Der Kläger ist grundsätzlich leistungsberechtigt, sein Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen
für die Kosten der Unterkunft und Heizung (§§ 7, 22 SGB II).
1. Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide des Beklagten vom 16.11.2009 und 10.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 6.4.2010, gemäß §
96 SGG in der Gestalt der Bescheide vom 10.5.2010 und 2.6.2010. Im Streit stehen die darin geregelten Leistungen für Unterkunft
und Heizung für den Zeitraum 1.12.2009 bis 30.6.2010. Bereits der Kläger hat den Streitgegenstand durch seine Klage zum SG bezüglich der Kosten der Unterkunft und Heizung wirksam beschränkt. Die übrigen abtrennbaren Regelungsinhalte der gegenständlichen
Bescheide sind nicht angegriffen worden. Zudem ist nach den Urteilen des SG und des LSG die Verurteilung zu weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 39,04 Euro (Monate Dezember 2009 bis
Mai 2010) bzw 40,84 Euro (Monat Juni 2010) rechtskräftig geworden. Der Beklagte wendet sich lediglich gegen die Verurteilung
zu einer Leistung von weiteren 30,80 Euro monatlich. Da der Kläger selbst keine Revision eingelegt hat, sind die gegenständlichen
Bescheide bestandskräftig geworden, soweit mit diesen die Leistungen ab 1.7.2010 eingestellt sowie höhere Leistungen abgelehnt
wurden.
Die Leistungen für Unterkunft und Heizung bilden abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung
in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). An der Zulässigkeit derart beschränkter Rechtsmittel hat sich durch die Neufassung des
§ 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts
geändert (vgl BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11).
2. Das SG und LSG haben den Beklagten zu Recht zu einer Gewährung von Kosten für Unterkunft und Heizung auf Grundlage einer höheren
Bruttokaltmiete als die vom Beklagten in Höhe von monatlich 308 Euro anerkannte verurteilt. Der Kläger erfüllt nach den Feststellungen
des LSG die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 SGB II.
Sein Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung. Diese werden in Höhe der
tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 S 1 SGB II). Damit lässt sich der Gesetzgeber - anders als bei der pauschalierten Regelleistung - bei den Unterkunftskosten zunächst
vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet, auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen. Diese
sind im Grundsatz zu erstatten. Allerdings sind die tatsächlichen Kosten nicht in beliebiger Höhe erstattungsfähig, sondern
nur insoweit, als sie angemessen sind. Die Angemessenheitsprüfung limitiert somit die erstattungsfähigen Kosten der Höhe nach.
Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle.
Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der
maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und
Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt,
dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist, also die zu übernehmende
Miete in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, die angemessene Mietobergrenze nicht überschreitet (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 [Essen] RdNr 15; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51 [Duisburg], RdNr 14; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59). Die Angemessenheit für die Kosten der Unterkunft und die für die Kosten der Heizung sind getrennt
voneinander festzustellen.
Auch wenn der Beklagte im Revisionsverfahren davon ausgeht, über kein schlüssiges Konzept zu verfügen und sich mit der Heranziehung
der Tabellenwerte nach § 12 WoGG einverstanden erklärt, entbindet dies die Gerichte nicht davon, zunächst die angemessenen Unterkunftskosten anhand eines
vorrangigen schlüssigen Konzeptes zu ermitteln (vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 17; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - RdNr 26).
3. Die angemessene Wohnungsgröße beträgt für Alleinstehende wie den Kläger in Baden-Württemberg 45 qm. Zur Festlegung der
angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit
BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 [Berlin]). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsbau verweisen § 27 Abs 4, § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.9.2001 (BGBl I 2376: "Wohnraumförderungsgesetz") wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße auf die "Bestimmungen" des jeweiligen Landes. Nach den Feststellungen des LSG hat
das Land Baden-Württemberg zwar keine gesetzlichen Ausführungsvorschriften erlassen, jedoch ist nach der Verwaltungsvorschrift
des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 12.2.2002
(GABl S 240, idF vom 22.1.2004, GABl S 248) für Ein-Personen-Haushalte von einer Wohnfläche von 45 qm auszugehen. An dieser
Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen (vgl BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 [Zweibrücken]; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 [Berlin] RdNr 22).
4. Die Heranziehung des Vergleichsraums, den der Beklagte zugrunde gelegt hat, ist nicht zu beanstanden. Als örtlicher Vergleichsraum
ist in erster Linie der Wohnort des Leistungsberechtigten maßgebend, ohne dass hierfür der kommunalverfassungsrechtliche Begriff
der "Gemeinde" entscheidend sein muss. Bei besonders kleinen Gemeinden, etwa im ländlichen Raum, die über keinen repräsentativen
Wohnungsmarkt verfügen, kann es geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsmaßstab zusammenzufassen. Entscheidend ist es,
für die repräsentative Bestimmung des Mietpreisniveaus ausreichend große Räume der Wohnbebauung zu beschreiben, die aufgrund
ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt
betrachtet homogenen Lebensund Wohnbereich bilden (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 21; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19 [München], RdNr 21; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 15). Dies ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG hier der Fall. Die
Festlegung des Vergleichsraums entspricht den vom Senat hierzu entwickelten Kriterien.
5. Dem Leistungsberechtigten muss es möglich sein, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die
Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines schlüssigen Konzeptes zu ermitteln (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 17 ff). Auf Grundlage des konkreten Vergleichsraums hat das LSG für das Revisionsgericht bindend
festgestellt, dass der Beklagte über kein eigenständiges schlüssiges Konzept verfügt (§
163 SGG).
Das LSG ist sodann in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass ein schlüssiges Konzept auch nicht mehr
entwickelt werden kann und es sich um einen Ausfall von lokalen Erkenntnismöglichkeiten handelt. Der erkennende Senat hat
ausdrücklich betont, dass die umfassende Ermittlung der Daten sowie die Auswertung im Sinne der Erstellung eines schlüssigen
Konzepts Angelegenheit des Grundsicherungsträgers ist und bereits für die sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren
notwendig ist. Im Rechtsstreit muss der Grundsicherungsträger sein schlüssiges Konzept auf Aufforderung durch das Gericht
vorlegen. Entscheidet der Grundsicherungsträger ohne ein schlüssiges Konzept, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht
nach §
103 S 1 2. Halbs
SGG gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf eine unterbliebene Datenerhebung und
-aufbereitung nachzuholen (vgl BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51 [Duisburg], RdNr 21; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 25). Liegen aber keine Ermittlungsergebnisse vor, brauchen insbesondere für weit zurückliegende
Zeiträume deshalb nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen nachträglich durchgeführt zu werden. Die Amtsermittlungspflicht
der Tatsacheninstanzen ist in diesen Fällen begrenzt, sofern nachvollziehbare Darlegungen dazu erfolgen, warum ein schlüssiges
Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht entwickelt werden kann. Der erkennende Senat hat hierzu
betont, dass auch bei der Annahme eines Fehlens von Erkenntnismöglichkeiten und -mitteln nach Würdigung der Tatsacheninstanzen
erkennbar sein muss, dass das Gericht bei dieser Feststellung die generellen rechtlichen Anforderungen für die Erstellung
eines schlüssigen Konzepts berücksichtigt hat. Erst wenn solche Feststellungen erfolgt sind, ist ein Rückgriff auf die Tabellenwerte
des WoGG zu rechtfertigen (vgl zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 18; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 17). Diesen Anforderungen zur Feststellung eines Erkenntnisausfalles ist das LSG gerecht
geworden. Schon für die Wohnortgemeinde des Klägers liegen keinerlei nachvollziehbare Daten für die Ermittlung der Mietobergrenze
vor. Im Übrigen ist Grundlage des "Mietpreisspiegels" des Beklagten das nicht schriftlich fixierte Datenmaterial der Haus-
und Grundeigentümervereine sowie die individuelle Kenntnis der an der Erstellung des Mietpreisspiegels beteiligten Personen.
6. Im Falle eines Erkenntnisausfalls zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen
zu übernehmen. Diese werden wiederum durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt (stRspr, vgl zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 19).
a) Für die bis 31.12.2008 geltende Regelung in § 8 WoGG aF ist nach der Rechtsprechung des BSG wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung zur Bestimmung
der angemessenen Bruttokaltmiete (vgl § 9 Abs 1 WoGG aF) auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen
(BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 27 im Anschluss an BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 21). Zu dem Sicherheitszuschlag hat der Senat ausgeführt, dass er im Interesse des Schutzes
des elementaren Bedürfnisses des Leistungsberechtigten auf Sicherung des Wohnraums erforderlich ist, denn beim Fehlen eines
schlüssigen Konzepts kann nicht mit Sicherheit beurteilt werden, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich ist (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 27). Der erkennende Senat hat zudem entschieden, dass dabei ein Zuschlag in Höhe von 10 %
zu den Werten der rechten Spalte der Tabelle zu § 8 WoGG aF angemessen und ausreichend ist (vgl BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 20 ff; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 19).
b) Die Einbeziehung eines "Sicherheitszuschlages" hat auch im Falle der Heranziehung von § 12 WoGG zu erfolgen. Die von der Rechtsprechung der zuständigen Senate für die Geltung von § 8 WoGG aF angestellten Erwägungen sind auf § 12 WoGG zu übertragen. Denn trotz der Anhebung der Tabellenwerte in § 12 WoGG im Vergleich zu den Werten aus § 8 WoGG aF hat sich nichts daran geändert, dass es sich bei der Bemessung der angemessenen Unterkunftskosten anhand des WoGG nur um eine abstrakte, allein der Deckelung der zu übernehmenden Aufwendungen dienende Begrenzung handelt, die unabhängig
von den konkreten Umständen im Vergleichsraum erfolgt. Denn über letztere fehlen gerade ausreichende Erkenntnisse. Der Sicherheitszuschlag
ist auch im Rahmen von § 12 WoGG erforderlich, da die in § 12 WoGG festgeschriebenen Werte ebenso wenig wie die in § 8 WoGG aF den Anspruch erheben, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden (vgl Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba,
WoGG, § 12 RdNr 14, 65. Lfg Mai 2011). Der Sinn und Zweck des WoGG liegt nicht darin, die Mieten für Wohnraum bei Vorliegen der einkommensrechtlichen Voraussetzungen voll oder zu einem erheblichen
Teil zu übernehmen (vgl Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, aaO, § 12 RdNr 13). Vielmehr handelt es sich beim Wohngeld um einen
Zuschuss zu den Aufwendungen für Wohnraum (vgl § 1 WoGG aF). Die Höhe ist abhängig von der zu berücksichtigenden Miete, den Haushaltsmitgliedern und dem Einkommen. Übersteigt die
nach § 11 WoGG zu berücksichtigende Miete den in § 12 WoGG festgesetzten Betrag, bleibt der übersteigende Teil bei der Wohngeldberechnung außer Betracht. Die iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II angemessene Miete muss hingegen gewährleisten, dass zu dem als angemessen erachteten Wert Wohnraum vorhanden ist. Beide Regelungen
verfolgen damit verschiedene Ziele; auf die Werte aus § 12 WoGG ist daher nur als Berechnungsgrundlage zur Bemessung der angemessenen Miete abzustellen und dem Sinn und Zweck von § 22 Abs 1 S 1 SGB II nach mittels des "Sicherheitszuschlages" anzupassen. Aufgrund der unterschiedlichen Zweckbestimmung hat es für die Bestimmung
des Zuschlages bei § 12 WoGG damit keine Bedeutung, dass mit der Wohngeldreform 2009 die Werte aus § 8 WoGG um 10 % angehoben wurden. Durch die Anhebung sollte dem Zweck des WoGG entsprechend die Anzahl derjenigen Wohngeldempfängerinnen und Wohngeldempfänger verringert werden, deren Miete aufgrund der
allgemeinen Mietsteigerungen die Höchstbeträge überschreitet (vgl dazu BT-Drucks 16/8918, S 1, 49). Hinweise darauf, dass
die Erhöhung der Werte unter Berücksichtigung der Mietpreissteigerungen in einem Umfang erfolgt wäre, der den Sicherheitszuschlag
entbehrlich machen könnte, ergeben sich aus der Gesetzesbegründung nicht.
c) Soweit damit feststeht, dass auch im Rahmen von § 12 WoGG ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen ist, ist weiter dessen Höhe zu bestimmen. Der Senat schließt sich insoweit den Entscheidungen
der Tatsacheninstanzen an, dass eine Erhöhung für den streitgegenständlichen Zeitraum um 10 % zu erfolgen hat. Die Höhe des
Zuschlages ist ebenso wie die Heranziehung der abstrakten Werte aus § 12 WoGG nach abstrakten Kriterien zu bestimmen. Auf regionale Unterschiede hat der Gesetzgeber bereits durch die Festlegung der Mietenstufen
in der WoGV reagiert; bei Änderung der Verhältnisse können diese entsprechend angepasst werden (vgl BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 22). Die Höhe des Zuschlages soll möglichst sicherstellen, dass der Leistungsempfänger mit
dem ihm dann im Ergebnis zustehenden Betrag für die Kosten der Unterkunft in die Lage versetzt wird, im örtlichen Vergleichsraum
möglichst sicher eine Unterkunft zu finden, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen
entspricht. Es soll durch die Höhe des Zuschlages eine angemessene Abgrenzung einerseits zu nur einfachstem Standard wie andererseits
zu einem bereits gehobenen Standard erfolgen. In Anbetracht dessen erachtet der Senat für die Tabellenwerte des § 12 WoGG einen Zuschlag in Höhe von 10 % zurzeit als angemessen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.