Gründe:
I
Streitig ist, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, Tatbestände von Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech), und
zwar vom 6. März 1976 bis 30. Juni 1990, sowie die in dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Der im Jahre 1947 geborene Kläger erlangte nach Beendigung der Ingenieurschule den Grad "Diplom-Ingenieur (FH)" in der Fachrichtung
"Chemieanlagenbau". Er war bis zum 28. Juni 1990 beim volkseigenen Betrieb (VEB) Petrolchemisches Kombinat (PCK) S.
beschäftigt. Am 28. Juni 1990 war dieser Betrieb laut Register der volkseigenen Wirtschaft in dem Register gelöscht worden;
Rechtsnachfolger war danach die Petrolchemie Kraftstoffe AG S. .
Mit Bescheid vom 10. Juli 2003 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 27. November 2003 lehnte die Beklagte die Feststellung
von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr 1 zum AAÜG ab, weil der Kläger am 30. Juni 1990 keine Beschäftigung ausgeübt habe, die - aus bundesrechtlicher Sicht - dem Kreis der
obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen sei.
Das SG hat mit Urteil vom 8. Juni 2004 die Klagen abgewiesen und die (Sprung-)Revision zugelassen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger falle nicht unter den Anwendungsbereich des AAÜG (§ 1 Abs 1 AAÜG). Denn er habe am 30. Juni 1990 keinen obligatorischen Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem
der AVItech gehabt. Der Kläger sei nach der Löschung des VEB im Register der volkseigenen Wirtschaft und nach der Eintragung
des Unternehmens im Handelsregister gemäß der Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen
in Kapitalgesellschaften vom 1. März 1990 (GBl I 107) nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb, sondern bei der Rechtsnachfolgerin
des VEB, der Petrolchemie Kraftstoffe AG S. , beschäftigt gewesen.
Gegen das dem Kläger am 1. Juli 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 16. Juli 2004 eingegangenen Schriftsatz
(Sprung-)Revision eingelegt und sich hinsichtlich der Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision auf die Sitzungsniederschrift
der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 8. Juni 2004 bezogen. In den am 28. Juli 2004 beim BSG eingegangenen Akten des SG ist in der Sitzungsniederschrift vom 8. Juni 2004 nach dem Antrag des Klägers vermerkt: "Weiter beantragt der Prozessbevollmächtigte
des Klägers, die Sprungrevision zuzulassen"; nach dem Antrag der Beklagten ist protokolliert: "Weiter erklärt der Vertreter
der Beklagten: Mit einer Sprungrevision sind wir einverstanden."
Der Kläger rügt sinngemäß eine Verletzung von § 1 Abs 1 AAÜG und trägt vor: Die Revision sei zulässig. Denn die Beklagte habe - sinngemäß - in der Sitzung vom 8. Juni 2004 der Einlegung
zugestimmt. Die Revision sei auch begründet. Entgegen der Auffassung des SG habe er am 30. Juni 1990 seine Beschäftigung in einem Betrieb ausgeübt, der von dem Zusatzversorgungssystem der AVItech erfasst
worden sei. Der Staat habe vor dem 30. Juni 1990 die PCK nicht aus dem Zusatzversorgungssystem ausgeschlossen. Gegenteiliges
lasse sich auch nicht der Umwandlungsverordnung entnehmen. Mit der Umwandlung sei zwar der VEB erloschen. Rechtsnachfolger
sei jedoch die AG geworden. Damit habe sich nur die gesellschaftsrechtliche Bezeichnung geändert. Die anderen Rechtsbeziehungen,
auch zu den Arbeitnehmern, hätten fortbestanden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 8. Juni 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 27. November 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeiten vom 6. März 1976 bis
zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz und die entsprechenden
Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung E. S. zum Ablauf der mündlichen Verhandlung vor dem SG Neuruppin
am 8. Juni 2004 als Zeugen vernommen; auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 26. Oktober 2004 wird insoweit Bezug genommen.
II
Die (Sprung-)Revision ist unzulässig.
Der Kläger hat die Sprungrevision nicht in der gebotenen Form - wirksam - eingelegt. Denn es lässt sich - auch nach dem Ergebnis
der Beweisaufnahme - nicht feststellen, dass die Beklagte der "Einlegung" der Sprungrevision zugestimmt hat. Die Zustimmung
des Rechtsmittelgegners zur Sprungrevision muss sich jedoch in den Fällen, in denen sie vorab, vor Zustellung des Urteils
erteilt wird, eindeutig auf die Einlegung des Rechtsmittels beziehen.
1. Nach §
161 Abs
1 Satz 1 iVm Satz 3
SGG ist bei Einlegung der Sprungrevision, sofern diese im Urteil zugelassen worden ist, die schriftliche Zustimmung des Gegners
beizufügen. Nach der Rechtsprechung des BSG und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes (BSG Großer Senat, BSGE 12, 230, 234 = SozR Nr 14 zu §
161 SGG; BSG SozR 3-1500 §
161 Nr 2 S 3 f und Nr 3 S 7; BVerwGE 14, 259, 260; BGHZ 92, 76, 78) muss die Zustimmungserklärung entsprechend den Anforderungen des §
435 ZPO entweder in Urschrift oder zur Niederschrift eines Notars bzw Gerichts erklärt werden (BSG Großer Senat, aaO; BSG SozR 3-1500
§ 161 Nr 2 S 4). Die Vorlage einer einfachen Abschrift des Sitzungsprotokolls genügt nicht (BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 2 S 4
und Nr 11 S 25). Ausreichend ist es aber, wenn in der Revisionsschrift auf die in den Akten des SG befindliche Urschrift der in der mündlichen Verhandlung erteilten Einwilligungserklärung verwiesen wird und diese Akten noch
vor Ablauf der Revisionsfrist beim BSG eingegangen sind (BSG SozR 1500 § 161 Nr 2, 8; SozR 3-1500 § 161 Nr 2 S 4 f). Diese
Formstrenge ist im Hinblick auf die rechtliche Tragweite der Zustimmungserklärung und die Erfordernisse der Rechtssicherheit
und Rechtsklarheit geboten. Denn mit der Zustimmung zur Sprungrevision verzichtet der Rechtsmittelgegner gemäß §
161 Abs
4 und
5 SGG auf das Rechtsmittel der Berufung sowie auf die Möglichkeit, Verfahrensmängel zu rügen. Durch diese Formstrenge soll jeder
Zweifel darüber ausgeschlossen werden, ob eine für den Gang des Verfahrens wesentliche Prozesserklärung von der dazu befugten
Person tatsächlich abgegeben worden ist, diese sich über die Tragweite der Erklärung im Klaren ist und der Erklärende für
ihren Inhalt die Verantwortung übernimmt (vgl hierzu BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 3 S 7 und Nr 11 S 24).
2. Die rechtliche Tragweite (Verzicht auf die >Tatsachen-<Berufungsinstanz und auf die Geltendmachung von Verfahrensrügen)
kann der Erklärende jedoch nur überblicken, wenn ihm sowohl der Tenor als auch die Entscheidungsgründe bekannt sind, also
ihm das Urteil des SG zugestellt ist. In diesen Fällen wird die pauschale Zustimmung zur Sprungrevision als Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision
ausgelegt (vgl BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 13 S 31); der Rechtsmittelgegner hatte ausreichend Zeit zu prüfen, ob er auf der Grundlage
der tatsächlichen Feststellungen des SG die jeweilige Rechtsproblematik beim BSG oder aber - ggf - wegen von ihm beanstandeter tatsächlicher Feststellungen zunächst
in der Tatsacheninstanz klären lassen will.
Ist das Urteil des SG jedoch noch nicht zugestellt und stimmt ein Prozessbeteiligter mithin, ohne das Urteil zu kennen, vorab der Sprungrevision
zu, so muss sich die Zustimmung eindeutig auf die Einlegung beziehen (vgl hierzu BSG SozR 1500 § 161 Nr 29 S 62 f; SozR 3-1500
§ 161 Nr 7; BVerwG NVwZ 1986, 119 f). Zu seinem Schutz muss im Hinblick auf die prozessualen Risiken jeglicher Zweifel ausgeschlossen sein, der Prozessbeteiligte
habe damit lediglich eine Anregung ausgesprochen, dass das SG bereits in dem Urteil und nicht erst später durch Beschluss (§
161 Abs
3 SGG) die Sprungrevision zulassen solle, weil der Rechtsstreit eine Rechtsproblematik von erheblicher Bedeutung aufweise (§
160 Abs
2 Nr
1 und
2 SGG).
3. Die vor Zustellung des Urteils abgegebene Zustimmungserklärung der Beklagten wäre mithin nur formgerecht und im Hinblick
auf die Zulässigkeit der Sprungrevision wirksam gewesen, wenn sie sich eindeutig auf die Einlegung der Sprungrevision bezogen
hätte. Dies ist, geht man vom Wortlaut der Sitzungsniederschrift vom 8. Juni 2004 aus, nicht der Fall. Die Erklärung, "mit
einer Sprungrevision sind wir einverstanden", kann ohne weiteres auch dahin verstanden werden, dass die Beklagte lediglich
mit einer Zulassung der Sprungrevision im Urteil des SG einverstanden war. Die Sitzungsniederschrift enthält nur den laut diktierten und genehmigten Antrag des Klägervertreters,
die Sprungrevision zuzulassen und die ebenfalls laut diktierte und genehmigte og Erklärung der Beklagten. Der Klägervertreter
hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht in Abrede gestellt, dass er diesen Antrag gestellt und die Beklagte
die entsprechende Erklärung abgegeben hat, das Protokoll somit die jeweiligen Erklärungen zutreffend wiedergegeben hat und
eine Fälschung (§
165 Satz 2
ZPO) mithin nicht vorliegt.
Der Kläger hat allerdings die Auffassung vertreten, die Erklärung der Beklagten sei gemäß §
133 BGB eindeutig iS einer Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision auszulegen (vgl hierzu BGHZ 26, 340, 343). Die vom Senat in der Sitzung vom 26. Oktober 2004 durchgeführte Beweisaufnahme hat jedoch keinen Anhalt ergeben, ein
objektiver Erklärungsempfänger habe nach Treu und Glauben diese Erklärung nur in dem Sinne verstehen dürfen, bereits jetzt
werde der Einlegung der Sprungrevision zugestimmt. Der Zeuge S. hat glaubhaft bekundet, dass die Beklagte vor
dem SG nicht (auch) der "Einlegung" der Sprungrevision zugestimmt hat. Er hat ausgesagt, dass über die Sprungrevision, über den
"Gang nach Kassel" gesprochen worden sei und dass es für sinnvoll gehalten worden sei, "die Frage in Kassel klären zu lassen".
Dass damit die Beklagte zugleich eine "Blankoerklärung" abgegeben hat, sie sei mit der Einlegung der Sprungrevision einverstanden,
kann damit zur Überzeugung des Senats nicht festgestellt werden. Hierfür spricht auch, dass die Richterin - so der Zeuge -
bei dem Rechtsgespräch auf ein bereits ergangenes Urteil ihrer Kammer hingewiesen und erklärt hat, der Prozessbevollmächtigte
des Klägers habe in diesem Verfahren neue Gesichtspunkte vorgetragen. Somit war für die Beteiligten vor Verkündung des Urteils
auch nicht andeutungsweise erkennbar, wie der Rechtsstreit vor dem SG entschieden werde, sodass wegen der oben aufgezeigten prozessualen Risiken der Verlauf der mündlichen Verhandlung gerade
nicht den Schluss zuließ, die Beklagte habe vorab in Unkenntnis des Urteils und dessen Entscheidungsgründe bereits in dem
Termin der "Einlegung" der Sprungrevision ohne Überlegungsfrist zugestimmt. Bestätigt wird dies auch durch die im Termin vom
26. Oktober 2004 von der Vertreterin der Beklagten vorgelegte Aktennotiz des damaligen Sitzungsvertreters der Beklagten über
die mündliche Verhandlung vor dem SG am 8. Juni 2004. Auch darin ist lediglich vermerkt, dass der Sprungrevision zugestimmt worden sei.
4. Die protokollierte Erklärung der Beklagten, mit einer Sprungrevision sind wir einverstanden, kann nach alledem auch nicht
- ausnahmsweise - als Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision verstanden werden, sodass die Sprungrevision als unzulässig
zu verwerfen ist.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG.