Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz
Gründe:
I
Streitig ist, ob der beklagte Zusatzversorgungsträger für den Zeitraum vom 1. März 1976 bis 31. Dezember 1981 für die Klägerin
weitere Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) nach Nr 1 der Anlage
1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) und die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat.
Nach dem Besuch der Technischen Universität D erlangte die Klägerin am 27. Mai 1968 die Berechtigung, den akademischen
Grad "Diplom-Ingenieur" zu führen. Nach den Feststellungen des Sozialgerichts (SG) war sie vom 1. April 1968 bis 28. Februar 1970 als Mitarbeiterin im VEB R A S N
, vom 1. März 1970 bis 31. Dezember 1972 als Programmiererin und vom 1. Januar 1973 bis 30. Juni 1976 als Problemanalytikerin
in der Arbeitsstelle für Molekularelektronik D , vom 1. Juli 1976 bis 3. März 1977 als Problemanalytikerin im Institut
für Mikroelektronik D sowie vom 4. März 1977 bis 31. März 1980 im VE Institut für Mikroelektronik D und
vom 1. April 1980 bis 31. Dezember 1981 als Mitarbeiterin Entwurfsmethodik im VEB Zentrum für Forschung und Technologie Mikroelektronik
(ZFTM) D beschäftigt. Anschließend war sie vom 1. Januar 1982 bis 30. Juni 1990 Leiterin der DV-Projektierung
im Grafischen Großbetrieb Völkerfreundschaft D .
Den Antrag der Klägerin auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVltech lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.
Mai 2002 ab. Ihren dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2002 zurück.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG Dresden gab die Beklagte ein Teilanerkenntnis ab. Danach erkannte sie an, "dass am
30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für die Einbeziehung nach § 1 AAÜG vorgelegen haben". Außerdem erkannte sie die Zeiten vom 28. Mai 1968 bis 28. Februar 1976 und vom 1. März 1990 bis 30. Juni
1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech an. Dieses Teilanerkenntnis nahm die Klägerin an und die Klage hinsichtlich
des Zeitraumes vom 1. Januar 1982 bis 28. Februar 1990 zurück. Mit ihrer Klage begehrte sie daraufhin den Bescheid vom 24.
Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Dezember 2002 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten,
die Zeiten vom 1. März 1976 bis 31. Dezember 1981 als weitere Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech und die in diesem Zeitraum
erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Das SG hat durch Urteil vom 15. März 2004 die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Verwaltungsentscheidungen verpflichtet,
"den Zeitraum vom 1. März 1976 bis 31. Dezember 1981 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen
Intelligenz anzuerkennen und entsprechende Entgelte festzustellen". Es hat ua ausgeführt: Die Klägerin falle unter den Anwendungsbereich
des § 1 AAÜG, denn die Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung ein entsprechendes Anerkenntnis abgegeben. Die Klägerin habe auch für
den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. März 1976 bis 31. Dezember 1981 einen Anspruch auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten
nach § 5 Abs 1 AAÜG, denn sie erfülle auch für diesen Zeitraum die persönlichen, sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen der AVItech. Sie
sei berechtigt gewesen, den Titel einer "Diplom-Ingenieurin" zu führen. Sie habe im vorgenannten Zeitraum auch eine dieser
Qualifikation entsprechende Tätigkeit ausgeübt. Aus den Funktionsplänen ergäbe sich, dass die ausgeübten Tätigkeiten als Problemanalytikerin
und als Mitarbeiterin Entwurfsmethodik ihrer technischen Qualifikation entsprochen hätten. Sie erfülle auch die betriebliche
Voraussetzung, denn sie sei in diesem Zeitraum in einer gemäß § 1 Abs 2 der 2. Durchführungsbestimmung (2. DB) gleichgestellten
Einrichtung tätig gewesen. Die Arbeitsstelle für Molekularelektronik D , das Institut für Mikroelektronik D
, das VE Institut für Mikroelektronik Dresden und auch der VEB Zentrum für Forschung und Technologie Mikroelektronik (ZFTM)
D seien Forschungsinstitute iS dieser Bestimmung gewesen. In der DDR seien auch Forschungseinrichtungen, die der
volkseigenen Wirtschaft zuzurechnen gewesen seien, als "Institute" bezeichnet worden. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in
seinen Entscheidungen vom 10. April 2002 (B 4 RA 56/01 R) und vom 31. Juli 2002 (B 4 RA 62/01 R) festgestellt, dass der volkseigenen Wirtschaft zuzurechnende Einrichtungen keine Forschungsinstitute iS der Verordnung
über die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen
der DDR (VO-AVIwiss) sein könnten. Ein Forschungsinstitut iS des § 1 Abs 2 2. DB müsse jedoch nicht den gleichen Anforderungen
entsprechen. Während der Kreis der in die AVIwiss Einbezogenen einen engen Bezug zur Wissenschaft aufweise, gelte eine entsprechende
Voraussetzung hinsichtlich der in die AVItech einbezogenen technischen Intelligenz nicht. Hier sei angesichts des vorrangigen
Bezugs auf die volkseigenen Betriebe dem Begriff "Forschungsinstitut" ein weiter gefasster Inhalt beizumessen. Dies ergäbe
sich auch aus dem Zweck, den die AVItech gemäß ihrer Präambel zu erfüllen gehabt habe. Demzufolge seien Forschungsinstitute
iS des § 1 Abs 2 2. DB Forschung betreibende Einrichtungen in der staatlichen Wissenschaft oder der volkseigenen Industrie,
soweit sie als solche juristisch selbständig den primären Zweck der wissenschaftlichen oder angewandten Forschung verfolgten.
Die Einrichtungen, bei der die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum beschäftigt gewesen sei, erfüllten diese Anforderungen.
Hauptzweck dieser Einrichtungen sei die betriebliche wissenschaftliche und angewandte Forschung gewesen.
Die Beklagte hat mit Zustimmung der Klägerin die vom SG zugelassene (Sprung-)Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung von § 5 Abs 1 AAÜG. Danach komme es bundesrechtlich darauf an, ob die ausgeübte Beschäftigung ihrer Art nach (abstrakt-generell) zu dem Ausschnitt
der Arbeitswelt gehört habe, für welchen die DDR am 30. Juni 1990 ein besonderes, im AAÜG aufgelistetes Versorgungssystem eingerichtet gehabt habe. Für das Versorgungssystem der AVItech hänge dies von drei persönlichen,
sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen ab. Bei dem Beschäftigungsbetrieb müsse es sich um einen volkseigenen Produktionsbetrieb
der Industrie oder des Bauwesens oder um einen gleichgestellten Betrieb gehandelt haben. Nach der 2. DB seien ua wissenschaftliche
Institute und Forschungsinstitute gleichgestellt gewesen. Die Klägerin sei auch im streitigen Zeitraum in einer Forschungs-
und Entwicklungseinrichtung beschäftigt gewesen. Betriebliche Forschungseinrichtungen zählten jedoch nur dann zu den Forschungsinstituten
und wissenschaftlichen Instituten, wenn es sich um solche der Post, der Eisenbahn oder der Schifffahrt gehandelt habe. Denn
würden alle Betriebe in Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen unter den Begriff "Forschungsinstitut" und "wissenschaftliches
Institut" fallen, wäre eine gesonderte Auflistung der Institute der Post, Eisenbahn und Schifffahrt entbehrlich gewesen. Verdeutlicht
werde dies auch durch die Wortwahl des § 6 VO-AVIwiss Diese Bestimmung zähle ebenfalls wissenschaftliche Institute und Forschungsinstitute auf. Das SG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass wegen des Bezugs zu dem Bereich der Industrie oder des Bauwesens Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen
dieser Bereiche der Volkswirtschaft als wissenschaftliche Institute und Forschungsinstitute iS der 2. DB anzusehen seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 15. März 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist im Revisionsverfahren durch keinen beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten. Sie trägt vor,
dass sie in der Zeit vom 1. März 1976 bis 31. Dezember 1981 in Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen der volkseigenen
Wirtschaft beschäftigt gewesen sei. Sie habe am 1. März 1970 ihre Arbeit in der Arbeitsstelle für Molekularelektronik aufgenommen,
die 1961 zur Erforschung der neuen zukunftsweisenden Halbleiterbauelemente (Schaltkreise) und der zu ihrer Herstellung notwendigen
Technologie gegründet worden sei. 1976 sei diese Arbeitsstelle in Institut für Mikroelektronik umbenannt und 1980 im VEB ZFTM
vereinigt worden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs
2 des Sozialgerichtsgesetzes >SGG<).
II
Die (Sprung-)Revision der Beklagten ist unbegründet.
Das SG hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech für
die Zeiten vom 1. März 1976 bis 31. Dezember 1981 sowie auf Feststellung der in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte
hat (§ 8 Abs 3 Satz 1 iVm Abs 1 und 2 AAÜG). Es hat deshalb auf die zulässige Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§
54 Abs
1 SGG) der Klägerin hin zu Recht die diesen Ansprüchen entgegenstehenden, ablehnenden Verwaltungsentscheidungen aufgehoben und
die Beklagte verpflichtet, diese Zeiten und Arbeitsentgelte festzustellen.
1. Das AAÜG ist in erweiternder verfassungskonformer Auslegung des § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG (dazu: BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 12 f; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 3 S 20; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 4 S 26 f; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 5 S 32; BSG SozR 3-8570 §
1 Nr 6 S 39; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 58 f; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 8 S 73) auf die Klägerin anwendbar, weil die Beteiligten
durch den prozessrechtlichen (§
101 Abs
2 SGG) und verwaltungsrechtlichen Vertrag (§§ 53 Abs 1, 56, 58 SGB X) des angenommenen Anerkenntnisses, der durch zwei aufeinander bezogene, inhaltlich übereinstimmende prozess- und materiell-rechtliche
Erklärungen vor dem SG abgeschlossen wurde, geregelt haben, dass am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für die Einbeziehung nach § 1 Abs 1 AAÜG vorgelegen haben. Das BSG ist an diese formwirksam geschlossene vertragliche Regelung, die Doppelnatur hat, gebunden. Prozessrechtlich
ist dadurch der Streit um den Anspruch auf die Feststellung einer fiktiven Versorgungsberechtigung und der daraus folgenden
Einbeziehung in den persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG, der ein eigenständiger und für das Begehren auf Feststellung von Daten nach den §§ 5 bis 8 AAÜG vorgreiflicher Anspruch ist, in der Hauptsache erledigt (§
101 Abs
2 SGG). Materiell-rechtlich steht fest, dass eine fiktive Versorgungsberechtigung der Klägerin besteht, sodass die §§ 5 bis 8 AAÜG auf sie anwendbar sind (vgl BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 40/02 R, SozR 4-8570 § 5 Nr 1 RdNr 28; BSG, Urteil vom 6. Mai 2004 - B 4 RA 52/03 R, veröffentlicht in JURIS RdNr 16).
Demzufolge stellt sich allein die Frage, ob die Klägerin im Zeitraum vom 1. März 1976 bis 31. Dezember 1981 die Voraussetzungen
für die positive Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem der AVItech und der in diesen Zeiten erzielten
Arbeitsentgelten erfüllt hat. Die Entscheidung des SG, dass die umstrittenen Beschäftigungszeiten Zugehörigkeitszeiten iS des § 5 Abs 1 AAÜG und damit Tatbestände von gleichgestellten Pflichtbeitragszeiten iS des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sind, ist nach den
im Verfahren der Sprungrevision nicht angreifbaren (§
161 Abs
4 SGG) und damit für den Senat bindenden (§
163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des SG zutreffend.
a) Maßstabsnorm ist § 5 Abs 1 Satz 1 AAÜG. Diese Norm ordnet die Gleichstellung von Zeiten mit Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung ("gelten als") an, in denen
der (zum 1. August 1991) "Versorgungsberechtigte" eine entgeltliche Beschäftigung zu irgendeinem Zeitpunkt (notwendig vor
dem 1. Juli 1990) ausgeübt hat, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in einem System vorgesehen war,
das in der Anlage 1 und 2 zum AAÜG aufgelistet ist (vgl dazu: BSG SozR 3-8570 § 5 Nr 5 S 27; BSG SozR 3-8570 § 5 Nr 6 S 37 f; BSG SozR 3-8570 § 8 Nr 7 S 37; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 3 S 21 f; BSG SozR 4-8570
§ 5 Nr 1 RdNr 29; BSG, Urteil vom 18. Juni 2003 - B 4 RA 1/03 R, veröffentlicht in JURIS RdNr 13; BSG, Urteil vom 6. Mai 2004 - B 4 RA 49/03 R, veröffentlicht in JURIS RdNr 20; BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 - B 4 RA 11/04 R, veröffentlicht in JURIS RdNr 15). Ob die Tatbestandsvoraussetzungen für diese Gleichstellung mit rentenrechtlichen Pflichtbeitragszeiten
erfüllt sind, hängt somit davon ab, ob (1) der Betroffene eine "Beschäftigung" ausgeübt hat, die (2) "entgeltlich" war und
die (3) ihrer Art nach von einem Versorgungssystem erfasst war.
Die letztgenannte Voraussetzung beurteilt sich nach den versorgungsrechtlichen Bestimmungen, die - und soweit sie - partielles
Bundesrecht geworden waren. Der Rechtsgehalt des § 5 AAÜG ist (anders als derjenige des § 1 Abs 1 AAÜG) ausschließlich nach objektiven Auslegungskriterien des Bundesrechts unter Beachtung des Gleichheitssatzes zu ermitteln,
wobei die jeweiligen Versorgungsordnungen iVm den Durchführungsbestimmungen sowie sonstigen, diese ergänzenden bzw ausfüllenden
abstrakt-generellen Regelungen lediglich faktische Anknüpfungspunkte dafür sind, ob in der DDR eine Beschäftigung ihrer Art
nach von einem Versorgungssystem erfasst war. Auf die Auslegung der Versorgungsordnung durch die Staatsorgane der DDR und
deren Verwaltungspraxis kommt es nicht an (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 3 S 22).
Nach den §§ 1, 5 VO-AVItech vom 17. August 1950 (GBl 844) iVm § 1 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 2. DB vom 24. Mai 1951 (GBl 487)
waren von der AVItech Beschäftigungen ihrer Art nach unter folgenden drei Voraussetzungen erfasst: Der Beschäftigte
1. musste die Berechtigung gehabt haben, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und
2. eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar
3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 2. DB) oder in einem durch
§ 1 Abs 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
(Vgl hierzu stellvertretend: BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 40; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 8 S 74 und zuletzt BSG, Urteil vom 27.
Juli 2004 - B 4 RA 11/04 R, veröffentlicht in JURIS RdNr 16 f).
b) Ausgehend von seinen tatsächlichen Feststellungen, die für den Senat bindend sind (§§
161 Abs
4,
163 SGG), ist das SG zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass die Klägerin mit den Beschäftigungen, die sie im Zeitraum vom 1. März 1976 bis 31.
Dezember 1981 ausgeübt hat, sämtliche drei Voraussetzungen erfüllte. Das SG hat festgestellt, dass die Klägerin am 27. Mai 1968 den Titel eines "Diplom-Ingenieurs" erworben hat und damit berechtigt
war, eine in § 1 Abs 1 2. DB benannte Berufsbezeichnung zu führen. Das SG hat weiter festgestellt, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. März 1976 bis 31. Dezember 1981 als
"Problemanalytikerin" und "Mitarbeiterin Entwurfsmethodik" tätig war und damit gemäß den Funktionsplänen eine ihrer Qualifikation
entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Klägerin in diesem Zeitraum auch in Betrieben
beschäftigt, die durch § 1 Abs 2 2. DB den volkseigenen Produktionsbetrieben (der Industrie oder des Bauwesens) gleichgestellt
waren. Die "Arbeitsstelle für Molekularelektronik D ", das "Institut für Mikroelektronik D ", das "VE Institut
für Mikroelektronik D " und der "VEB Zentrum für Forschung und Technologie Mikroelektronik (ZFTM) D "
waren Forschungsinstitute iS des § 1 Abs 2 2. DB.
aa) Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist ein Forschungsinstitut eine Forschung betreibende Einrichtung, wobei unter Forschung
die planmäßige und zielgerichtete Suche nach neuen Erkenntnissen in einem bestimmten Wissensgebiet (wissenschaftliche Forschung)
verstanden wird (vgl Brockhaus, Die Enzyklopädie, 20. Aufl >1997<, Stichwort "Forschung"). Bei der Auslegung des Begriffs
"Forschungsinstitut" iS des § 1 Abs 2 2. DB sind jedoch ebenso wie bei der Auslegung des Begriffs "Forschungsinstitut" iS
des § 6 der VO-AVIwiss als faktische Anknüpfungspunkte die jeweiligen Besonderheiten in der DDR zu beachten. In der DDR wurde
zwischen (staatlicher) Forschung an der Akademie der Wissenschaften und an den dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen
unterstellten Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen einerseits (vgl Verordnung über die Aufgaben der Universitäten,
wissenschaftlichen Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen mit Hochschulcharakter vom 25. Februar 1970, GBl II 189;
Verordnung über die Leitung, Planung und Finanzierung der Forschung an der Akademie der Wissenschaften und an Universitäten
und Hochschulen - Forschungs-VO - vom 23. August 1972, GBl II 589) und der Forschung an den Wirtschaftseinheiten andererseits
unterschieden (vgl dazu: Ulrich in Andersen/Woyke, Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland,
5. Aufl >2003<, Stichwort: "Wissenschaft, Forschung und Technologie", S 710 f; Heuer, Wirtschaftsrecht >1985<, S 402 ff).
Die Akademie der Wissenschaften und die Hochschulen hatten die Aufgabe, "nach neuen Erkenntnissen über bisher unbekannte objektive
gesetzmäßige Zusammenhänge sowie nach neuen Prozessen und Eigenschaften und ihren Nutzungsmöglichkeiten planmäßig zu forschen,
neue wissenschaftliche Methoden und Erfahrungen zu entwickeln und wissenschaftliche Grundlagen für die Beherrschung technologischer
Prozesse und Verfahren zu schaffen sowie die wissenschaftlichen Grundlagen für die angewandte Forschung, die Entwicklung und
die Überleitung ihrer Ergebnisse in die gesellschaftliche Praxis ständig zu erweitern" (§ 2 Abs 2 Forschungs-VO). Den Wirtschaftseinheiten
oblag die zweck- und betriebsbezogene Forschung und Entwicklung. Die Kombinate als grundlegende Wirtschaftseinheiten der materiellen
Produktion verfügten auch über wissenschaftlich-technische Kapazitäten (vgl § 1 Abs 1 der Verordnung über die volkseigenen
Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe - Kombinats-VO - vom 8. November 1979, GBl I 355). Sie hatten die Verantwortung
nicht nur für die bedarfsgerechte Produktion, sondern auch für die Entwicklung neuer Erzeugnisse mit wissenschaftlich-technischem
Höchststand (vgl § 2 Kombinats-VO 1979; dazu auch: §§ 15, 24, 25 der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Betriebe, Kombinate und VVB vom 28. März 1973, GBl I 129; §§ 1 Abs 2, 8, 18, 19 der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes vom 9. Februar
1967, GBl II 121). Die Kombinate konnten die Aufgaben der Forschung und Entwicklung entweder selbst wahrnehmen oder auf Kombinatsbetriebe
bzw auf Betriebsteile von Kombinatsbetrieben übertragen (§§ 6 Abs 1, 7 Abs 1 und 2 Kombinats-VO 1979). Das SG hat deshalb zu Recht den Begriff "Forschungsinstitut" iS von § 1 Abs 2 2. DB anders verstanden als in § 6 VO-AVIwiss.
bb) Der Senat hat bereits entschieden, dass zu den Forschungsinstituten iS des § 6 VO-AVIwiss nur jeweils "selbständige staatliche"
(wissenschaftliche) Einrichtungen zählen und nicht VEB, auch wenn sie über wissenschaftliche Forschungseinrichtungen bzw Abteilungen
verfügen (vgl BSG, Urteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 56/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr 4 S 28; BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 - B 4 RA 62/01 R, veröffentlicht in JURIS RdNr 23 f).
cc) Demgegenüber sind Forschungsinstitute iS des § 1 Abs 2 2. DB, die durch diese Bestimmung volkseigenen Produktionsbetrieben
im Bereich der Industrie oder des Bauwesens gleichgestellt sind, Forschung betreibende selbständige Einrichtungen der Wirtschaft,
deren Hauptzweck die zweck- und betriebsbezogene (wissenschaftliche) Forschung und Entwicklung ist. Auch Forschungsinstitute
iS des § 1 Abs 2 2. DB müssen rechtlich selbständige Wirtschaftseinheiten sein, nämlich Betriebe, bei denen zwischen Arbeitgeber
und Arbeitnehmer ein Beschäftigungsverhältnis, also im Regelfall ein Arbeitsverhältnis, besteht (vgl BSG, Urteil vom 18. Dezember
2003 - B 4 RA 20/03 R, SozR 4-8570 § 1 Nr 2 RdNr 31). Betrieblicher Hauptzweck (dazu: BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 5 S 34 f; BSG, Urteil vom 18. Dezember
2003 - B 4 RA 18/03 R, SozR 4-8570 § 1 Nr 1 RdNr 18; BSG, Urteil vom 6. Mai 2004 - B 4 RA 52/03 R, veröffentlicht in JURIS RdNr 27 ff; BSG, Urteil vom 8. Juni 2004 - B 4 RA 57/03 R, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen) dieser Einrichtungen der Wirtschaft muss die zweck- und betriebsbezogene (wissenschaftliche)
Forschung (und Entwicklung) gewesen sein. Diese Auslegung ergibt sich auch aus der Präambel der VO-AVItech. In dieses Versorgungssystem
sollten grundsätzlich nur solche Personen einbezogen werden, die für die Entwicklung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit
und der Technik zuständig waren, also diejenigen, die mit ihrer "technischen" Qualifikation aktiv den Produktionsprozess,
sei es in der Forschung oder bei der Produktion, förderten (vgl BSG, Urteil vom 31. März 2004 - B 4 RA 31/03 R, veröffentlicht in JURIS RdNr 19). Zu den durch § 1 Abs 2 2. DB als Forschungsinstitute gleichgestellten Betrieben gehören
demnach vor allem volkseigene (Kombinats-)Betriebe, die nicht Produktionsbetriebe waren, aber deren Aufgabe die Forschung
und Entwicklung war. Dass die Betriebe, bei denen die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. März 1976 bis 31.
Dezember 1981 beschäftigt war, als tatsächlichen betrieblichen Hauptzweck die zweck- und betriebsbezogene (wissenschaftliche)
Forschung verfolgten, hat das SG festgestellt. Diese tatsächlichen Feststellungen sind für den Senat nach §§
161 Abs
4,
163 SGG bindend.
dd) Soweit die Beklagte meint, betriebliche Forschungseinrichtungen zählten nur dann zu den Forschungsinstituten (und wissenschaftlichen
Instituten), wenn es sich um solche der Post, der Eisenbahn und der Schifffahrt gehandelt habe, findet diese Auffassung im
Wortlaut des § 1 Abs 2 2. DB keine Stütze. Denn in der durch Semikolon jeweils getrennten Aufzählung der gleichgestellten
Betriebe sind neben den ohne Zusatz genannten "Forschungsinstituten" nur "Schulen, Institute und Betriebe der Eisenbahn, Schifffahrt
sowie des Post- und Fernmeldewesens" aufgeführt.
2. Da die Klägerin somit im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. März 1976 bis 31. Dezember 1981 bei Forschungsinstituten
iS des § 1 Abs 2 2. DB beschäftigt war, waren diese Beschäftigungen ihrer Art nach von der AVItech erfasst. Das SG hat deshalb zu Recht die ablehnende Entscheidung der Beklagten aufgehoben und die Beklagte zur Feststellung dieser Zeiten
als Tatbestände von Zugehörigkeitszeiten zur AVItech sowie zur Feststellung der in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte
verpflichtet. Die Revision der Beklagten ist mithin zurückzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§
183,
193 SGG.