Rückforderung überzahlter Rente
Nichtberücksichtigung eines Versorgungsausgleichs
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Rückforderung von in der Zeit vom 1.6.2009 bis 31.1.2017 überzahlter Rente in Höhe von 35.670,68
Euro. Die Überzahlung ergab sich daraus, dass dem Kläger ungekürzte Altersrente ohne Berücksichtigung eines zugunsten der
geschiedenen Ehegattin durchgeführten Versorgungsausgleichs gezahlt wurde. Die Klage gegen den Bescheid vom 24.3.2017 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.8.2017, mit dem die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 26.2.2009 sowie nachgehende
Bescheide mit Wirkung vom 1.6.2009 teilweise aufhob, den überzahlten Betrag zurückforderte und die Rentenhöhe ab dem 1.2.2017
neu festsetzte, hat das SG abgewiesen. Das LSG hat mit Urteil vom 28.6.2021, das ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, das Urteil des SG und den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Die Beklagte habe die Jahresfrist des § 48 Abs 4 Satz 1 iVm § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X nicht eingehalten. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des §
101 Abs
3 Satz 4
SGB VI in der bis August 2009 geltenden Fassung lägen nicht vor.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Beklagte Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf Verfahrensfehler in Form einer Verletzung von §
136 Abs
1 Nr
6 und von §
124 Abs
1 SGG (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Die Beschwerdebegründung
legt keinen Zulassungsgrund iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Weise dar. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Soweit die Beklagte eine Verletzung von §
136 Abs
1 Nr
6 SGG rügt, ist ein solcher Verfahrensfehler nicht hinreichend bezeichnet. Nach §
136 Abs
1 Nr
6 SGG iVm §
202 Satz 1
SGG, §
547 Nr
6 ZPO ist eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn sie nicht mit Gründen versehen ist.
Die Begründungspflicht gemäß §
136 Abs
1 Nr
6 SGG ist nicht schon dann verletzt, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und zum tatsächlichen
Geschehen aus der Sicht eines Dritten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sind. Vom Fehlen der Entscheidungsgründe
ist vielmehr nur auszugehen, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonst derart
unbrauchbar sind, dass sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet sind, den Urteilstenor zu tragen, oder wenn die angeführten
Gründe verworren sind oder nur nichtssagende Redensarten enthalten oder zu einer von einem Beteiligten aufgeworfenen, eingehend
begründeten und für die Entscheidung nach Ansicht des Gerichts erheblichen Rechtsfrage nur angeführt wird, dass diese Auffassung
nicht zutreffe (vgl BSG vom 31.7.2018 - B 5 R 128/17 B - juris RdNr 12 mwN).
Die Beklagte rügt, die Begründung des LSG trage den Tenor seiner Entscheidung nicht vollständig. Sie führt insofern aus, das
LSG habe den angefochtenen Bescheid im Tenor ohne Einschränkung aufgehoben, sich in den Entscheidungsgründen indes nur zur
teilweisen Aufhebung für die Vergangenheit und an keiner Stelle zur teilweisen Aufhebung der Bewilligung für die Zukunft verhalten.
Die Beschwerdebegründung befasst sich insofern bereits nicht hinreichend mit der Frage, ob eine Auslegung des Tenors mithilfe
des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe in Betracht kommt (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
136 RdNr 5c mwN). So setzt sie sich auch nicht mit dem Eingangssatz des Tatbestandes auseinander, wonach sich der Kläger gegen "eine Teilrückforderung
der ihm im Zeitraum 1.Juni 2009 bis 31. Januar 2017 gewährten Altersrente für schwerbehinderte Menschen in einer Gesamthöhe
von 35.670,68 Euro" wendet sowie mit dem Obersatz der Entscheidungsgründe: "Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Rückerstattung
des für den Zeitraum 1. Juni 2009 bis 31. Januar 2017 überzahlten (in dem angefochtenen Bescheid rechnerisch zutreffend ermittelten)
Altersrentenbetrages in einer Gesamthöhe von 35.670,68 Euro, da sie die Jahresfrist des § 48 Abs 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs 4 Satz 1 SGB X nicht eingehalten hat." Dass der Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt auch die Änderung für die Zukunft in Frage gestellt und
damit zum Streitgegenstand gemacht hat, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Soweit die Beklagte den Tenor des angefochtenen
Urteils für unvollständig hält, weil eine Einschränkung auf die Aufhebung für die Vergangenheit und die Rückforderung nicht
zum Ausdruck komme, wäre ein solcher Fehler nach §
138 SGG durch eine Berichtigung des Tenors zu beseitigen. Der entsprechende Antrag ist nicht an eine Frist gebunden und löst eine
Verpflichtung zu einer Richtigstellung durch Beschluss aus.
Unzulässig ist die Beschwerde auch, soweit die Beklagte einen Verstoß gegen §
124 Abs
1 und
2 SGG rügt. Die von der Beklagten gegenüber dem LSG abgegebene Erklärung des Einverständnisses mit einer Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung nach §
124 Abs
2 SGG war bindend. Eine Einverständniserklärung iS des §
124 Abs
2 SGG verliert ihre Wirksamkeit nur, wenn sich nach ihrer Abgabe die bisherige Tatsachen- oder Rechtsgrundlage und damit die Prozesssituation
wesentlich ändert (vgl BSG Beschluss vom 31.8.2021 - B 5 R 151/21 B - juris RdNr 16 mwN). Mit der Beschwerdebegründung sind aber keine Umstände dargetan, die eine solche wesentliche Änderung der Prozesslage begründen
würden. Die Beklagte macht geltend, sie hätte ihr Einverständnis nicht erklärt, wenn sie gewusst hätte, dass mit einer Aufhebung
des gesamten Bescheides zu rechnen gewesen sei. Dieser Vortrag ist nicht geeignet, eine relevante Änderung der Rechtslage
darzulegen, die das Einverständnis hinfällig werden lassen könnte. Die Erwartung eines bestimmten Ergebnisses oder einer bestimmten
Tenorierung vermag keine wesentliche Änderung der Prozesslage zu begründen.
Falls die Beklagte mit ihrem Vorbringen zudem eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG) in Form einer sog Überraschungsentscheidung rügen will, wäre ein solcher Verfahrensmangel ebenfalls nicht anforderungsgerecht
bezeichnet (vgl hierzu zB BSG Beschluss vom 16.7.2019 - B 5 R 262/18 B - juris RdNr 8 mwN).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 und 4
SGG.