Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Bundeserziehungsgeld (Erzg) für ihren am 11. April
1999 geborenen Sohn Moritz.
Die nicht berufstätige Klägerin und ihr Ehemann wohnten als deutsche Staatsangehörige in der Bundesrepublik Deutschland. Der
Ehemann war seit 1994 als Beamter bei der Europäischen Kommission in Luxemburg tätig. Sein Gehalt umfasste neben dem Grundbetrag
eine Haushaltszulage und eine Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder.
Den im Mai 1999 gestellten Antrag der Klägerin auf Erzg für das erste Lebensjahr ihres Sohnes lehnte der Beklagte mit der
Begründung ab, ihr Ehemann gehöre als Beamter der Europäischen Gemeinschaft (EG) einem Sondersystem der sozialen Sicherung
an (Bescheid vom 18. Juni 1999, Widerspruchsbescheid vom 5. August 1999).
Das Sozialgericht (SG) Trier hat mit Urteil vom 12. November 2001 den Beklagten verpflichtet, der Klägerin Erzg für ihren Sohn Moritz zu gewähren.
Es hält den Anspruch auf Erzg nach § 8 Abs 3 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) nur dann für ausgeschlossen, wenn ein ausländischer Leistungsträger entsprechende Leistungen tatsächlich erbringe. Dass
der Ehemann der Klägerin möglicherweise einen Anspruch auf entsprechende Leistungen aus einem Sondersystem der sozialen Sicherheit
für Beamte der Europäischen Union (EU) habe, stehe der Anspruchsberechtigung der Klägerin deshalb nicht entgegen.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erzg, weil
ihr Ehemann Beamter der EG sei. Nach der Verordnung Nr 259/68 des Rates vom 29. Februar 1968 zur Festlegung des Status der
Beamten der EG und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften erhielten Beamte der
EG (bzw der EU) neben den Dienstbezügen Familienzulagen. Diese seien mit dem bundesdeutschen Erzg zwar nicht vergleichbar,
sodass § 8 Abs 3 BErzGG nicht zur Anwendung gelange. Der Anspruch der Klägerin auf Erzg werde aber durch Art 15 Protokoll über die Vorrechte und
Befreiungen der EG vom 8. April 1965 ausgeschlossen. Diese Vorschrift nehme EG-Beamte und ihre Angehörigen von der Anwendung
sämtlicher sozialrechtlicher Vorschriften ihres Heimatlandes grundsätzlich aus; sie entspreche damit im Ergebnis Art 48 Abs
1 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 (>WÜK< BGBl 1969 II, 1585), das nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG) die Anwendung des BErzGG ausschließe (Hinweis auf BSGE 89, 124 = SozR 3-7833 § 1 Nr 25). Sofern die Bediensteten der EG im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt seien, ergebe sich ein Leistungsausschluss
aus der Verordnung über die Gewährung diplomatischer Vorrechte und Immunitäten im Bereich der sozialen Sicherheit an durch
zwischenstaatliche Vereinbarungen geschaffene Organisationen vom 5. August 1985. Das Erzg werde in der Verordnung zwar nicht
genannt, sei aber durch Analogie in ihren Anwendungsbereich einzubeziehen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzungen von Normen des BErzGG sowie der Art
3 und
6 Grundgesetz. Zur Begründung macht sie geltend: Das LSG verneine den Anspruch auf der Grundlage einer unzulässigen Analogie. Sinn und
Zweck der Verordnung vom 5. August 1985 sei es, Vorrechte zu gewähren, nicht aber Leistungen zu entziehen. Der Verordnungsgeber
habe sich bewusst gegen eine Einbeziehung des Erzg entschieden. Verheiratete wie die Klägerin würden durch den belastenden
Analogieschluss des LSG zudem gegenüber denjenigen Personen benachteiligt, die mit einem Beamten der EU in einer nichtehelichen
Lebensgemeinschaft lebten und als solche von dem Leistungsausschluss nicht erfasst würden. Diese Ungleichbehandlung sei nicht
zu rechtfertigen und verkenne, dass die Ehe unter dem besonderen Schutz der staatlichen Gemeinschaft stehe. Für Beamte der
EU und ihre Ehegatten sehe das europäische Gemeinschaftsrecht im Übrigen eine dem Erzg vergleichbare Leistung nicht vor.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 19. September 2002 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG
Trier vom 12. November 2001 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt unter Verteidigung der angefochtenen Entscheidung und näherer Darlegung,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt
(§
124 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz >SGG<).
II
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das
LSG (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG). Der erkennende Senat sieht sich wegen fehlender Tatsachenfeststellungen nicht in der Lage, den Rechtsstreit abschließend
zu entscheiden.
1. Maßgebliche Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 1 Abs 1 BErzGG idF des Gesetzes vom 31. Januar 1994 (BGBl I, 180), die vom 1. Januar 1994 an gegolten hat (im Folgenden: alte Fassung >aF<,
vgl § 24 Abs 1 BErzGG idF des Gesetzes vom 12. Oktober 2000, BGBl I, 1426). Nach den Feststellungen des LSG erfüllte die Klägerin im fraglichen
Anspruchszeitraum (11. April 1999 bis 10. April 2000, § 4 Abs 1 Satz 2 BErzGG aF) die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Nr 1, 2 und 4 BErzGG. Die Feststellung, ob die Klägerin das Kind auch selbst betreute und erzog (§ 1 Abs 1 Nr 3 BErzGG), hat das LSG nicht getroffen. Dies wird nachzuholen sein (hierzu noch 3.).
2. Entgegen der Rechtsauffassung des LSG und des Beklagten beseitigt weder europäisches Gemeinschaftsrecht noch - auf Grund
zwischenstaatlichen Rechts gesetztes - nationales Recht den Anspruch auf Erzg allein deshalb, weil der Ehegatte des Anspruchsinhabers
Beamter der EG (bzw EU) ist.
a) Art 15 Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der EG vom 8. April 1965 (BGBl II, 1482, 1488; idF des Vertrages von Nizza vom 26. Februar 2001, BGBl II, 1667; im Folgenden: Protokoll) enthält keine derartige anspruchsvernichtende
Regelung. Er lautet:
Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission durch einstimmigen Beschluss das System der Sozialleistungen für die Beamten und
sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften fest.
Aus dieser Regelung hat das LSG folgenden Rechtssatz abgeleitet:
Gehört ein Beamter oder sonstiger Bediensteter einem Sozialleistungssystem der EG an, erlischt sein Anspruch auf Leistungen
aus dem nationalen Sozialleistungssystem seines Herkunftslandes, unabhängig davon, ob das Sozialleistungssystem der EG eine
der Leistung aus dem nationalen Sozialleistungssystem entsprechende Leistung vorsieht.
Diese Auffassung lässt sich mit dem klaren Wortlaut der genannten Vorschrift nicht vereinbaren; auch Sinn und Zweck des Protokolls
rechtfertigen nicht den vom LSG angenommenen Anspruchsausschluss.
Als Teil des europäischen öffentlichen Dienstrechts (stellvertretend hierzu Rogalla in Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, Stand
September 2004, Art 283 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft >EGVtr< RdNr 1 ff, insbes 11 - 17; Henrichs, EuR
1987, S 75) basiert das Protokoll auf Art 28 Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission
der Europäischen Gemeinschaften vom 8. April 1965 (BGBl 1965 II, 1454); als dessen Anhang ist es europäisches Primärrecht,
das in den Mitgliedstaaten der EG unmittelbar gilt (vgl Henrichs, EuR 1987, S 75, 76; Steinle in Streinz, EGV/EUV, Kommentar,
2003, Art 283 EGV RdNr 4). Dieser (so genannte "Fusions-") Vertrag ersetzte in seinem Art 24 Abs 1 Unterabs 2 zugleich die bisherige Rechtsgrundlage
für die Schaffung des Dienstrechtes der (damaligen) Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) in Art 212 Vertrag zur Gründung
der EWG vom 25. März 1957 (BGBl II, 766). Durch Art 9 Abs 1 Amsterdamer Vertrag vom 2. Oktober 1997 (BGBl 1998 II, 387) wurde
Art 24 Abs 1 Unterabs 2 Fusionsvertrag seinerseits aufgehoben und dessen Wortlaut als Art 283 in den EGVtr aufgenommen (vgl
Steinle, aaO, RdNr 1).
Das Protokoll räumt Beamten der EG zur Erleichterung ihrer Aufgaben und ihrer dienstlichen Stellung innerhalb des Hoheitsgebietes
der Mitgliedstaaten und insbesondere an ihrem Dienstort bestimmte Vorrechte und Befreiungen ein (vgl Henrichs, aaO, S 75).
Damit soll es die Arbeit der EG - und auf diese Weise auch ihre Bediensteten im Interesse ihrer Unabhängigkeit - schützen
(EuGH, Slg 1960, 1165, 1187; Slg 1968, 589, 600; Rogalla, aaO, RdNr 11; vgl auch Art 18 Protokoll). Es enthält Privilegien, die sich unmittelbar
aus den dienstlichen Obliegenheiten des Beamten ableiten lassen (zB Gerichtsfreiheit für dienstliche Handlungen, Art 12 Buchst
a), und solche, die unmittelbar dem Schutz des Status des Bediensteten dienen sollen (zB Befreiung von der Meldepflicht, Art
12 Buchst b; vgl Henrichs, aaO). Da das Protokoll nach seinem Sinn und Zweck Rechtsvorteile gewähren und keine Rechtsnachteile
begründen will, rechtfertigt es nicht die Annahme, es solle und könne im nationalen Sozialrecht vorgesehene Ansprüche beseitigen.
Soweit eine Freistellung der Beamten der EG von nationalem Recht diskutiert wird, bezieht sich dies - entsprechend dem dargestellten
Zweck des Protokolls - auf die Freistellung von der Versicherungspflicht in den nationalen Sozialversicherungen, insbesondere
des Dienstlandes (hierzu wiederum Henrichs, aaO, S 86). Das Protokoll enthält insoweit keine ausdrückliche Regelung; sein
Art 15 kündigt die Einführung eines EG eigenen Sozialversicherungssystem nur an, ohne die Freistellung der Begünstigten dieses
Systems von den nationalen Systemen ausdrücklich auszusprechen. Abgesehen davon bietet das Protokoll keinerlei Ansatzpunkt
für eine Auslegung dahingehend, dass nach dem Willen des Normgebers auch eine "Freistellung" von nationalen Leistungsrechten
erfolgen sollte.
Die Regelung des Art 15 Protokoll entspricht damit entgegen der Rechtsauffassung des LSG im Ergebnis auch nicht der des Art
48 Abs 1 WÜK. Danach sind "die Mitglieder der konsularischen Vertretung in Bezug auf ihren Dienst für den Entsendestaat und
die mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen von dem im Empfangsstaat geltenden Vorschriften über soziale
Sicherheit befreit." Ungeachtet des bereits unterschiedlichen Anwendungsbereiches unterscheidet sich Art 48 Abs 1 WÜK von
dem vorgenannten Protokoll dadurch, dass zum einen eine Freistellung ausdrücklich ausgesprochen wird ("befreit") und zum anderen
diese Freistellung weit gefasst ist ("Vorschriften über soziale Sicherheit"). Nach der Rechtsprechung des BSG erfasst sie
deshalb auch das Erzg (vgl BSGE 89, 124 = SozR 3-7833 § 1 Nr 25; diese Entscheidung berücksichtigt allerdings nicht Art 1 Abs 3 und Art 71 WÜK, vgl dazu das Senatsurteil
vom 23. September 2004 - B 10 EG 2/04 R - Umdruck S 4, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
b) Ein Anspruchsausschluss kann entgegen der Rechtsauffassung des LSG auch nicht aus § 1 Abs 1 Verordnung über die Gewährung
diplomatischer Vorrechte und Immunitäten im Bereich der Sozialen Sicherheit an durch zwischenstaatliche Vereinbarungen geschaffene
Organisationen vom 5. August 1985 (BGBl II, 961; idF des Art 14 Nr 1 Gesetz zur Reform der Arbeitsförderung vom 24. März 1997,
BGBl I, 594 >705<) hergeleitet werden. Diese Vorschrift lautet:
Die deutschen Rechtsvorschriften über die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung
sowie über das Kindergeld und die Versicherungs- und Umlagepflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung gelten vorbehaltlich
der Absätze 2 und 3 nicht für durch zwischenstaatliche Vereinbarungen geschaffene Organisationen (Organisationen) und ihre
im Geltungsbereich dieser Verordnung beschäftigten Bediensteten in Bezug auf diese Beschäftigung,
1. soweit diese Bediensteten einem System der sozialen Sicherheit einer Organisation angehören und
2. sofern seitens der Bundesrepublik Deutschland nach Konsultation mit der Organisation dieser gegenüber erklärt wird, dass
die sozialen Leistungen des Organisationssystems ausreichend sind und die Befreiung von den deutschen Vorschriften nach dieser
Bestimmung unter Berücksichtigung der Interessen der Organisation und ihrer Bediensteten (...) gerechtfertigt ist; die Befreiung
von den deutschen Vorschriften tritt mit dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Erklärung des Vertreters der Bundesrepublik
Deutschland im Bundesanzeiger ein; sie wirkt auch auf den Zeitpunkt vor der Erklärung zurück, der in der Erklärung bestimmt
wird.
Die Verordnung ist bereits deshalb nicht anwendbar, weil der Ehemann der Klägerin nach den bindenden Feststellungen des LSG
(§
163 SGG) nicht "im Geltungsbereich dieser Verordnung" (Deutschland), sondern in Luxemburg "beschäftigt" ist.
Ferner scheitert die Anwendung der Verordnung daran, dass ihr § 1 das Erzg nicht erwähnt und sich auch dessen Einbeziehung
im Wege der Analogie verbietet:
Zum einen verfolgen das dort genannte Kindergeld und das hier streitige Erzg - entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten
und wohl auch des LSG - nicht identische, sondern unterschiedliche Zielsetzungen (vgl Senatsurteil vom 23. September 2004
- B 10 EG 3/04 R -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Das Kindergeld hat eine Doppelfunktion (hierzu zuletzt Bundesverfassungsgericht
>BVerfG<, Beschluss vom 8. Juni 2004 - 2 BvL 5/00 - RdNr 65, BFHReport 2004, 1060). Als Bestandteil des einkommensteuerrechtlichen Familienleistungsausgleichs (§§
31 f,
62 ff
Einkommensteuergesetz >EStG<) soll das Kindergeld einen Einkommensbetrag in Höhe des Existenzminimums des Kindes steuerlich freistellen. Soweit
das Kindergeld zu dieser steuerlichen Freistellung - ausnahmsweise - nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie
(§
31 Satz 2
EStG). Mit der Einführung des Erzg wurde hingegen "ermöglicht oder erleichtert, dass sich ein Elternteil in der für die ganze
spätere Entwicklung entscheidenden ersten Lebensphase eines Kindes dessen Betreuung und Erziehung widmet" (vgl BT-Drucks 10/3792,
S 1).
Zum anderen sind die Normanwender nicht befugt, den sachlichen Anwendungsbereich der genannten Verordnung durch rechtsergänzende
Auslegung - etwa im Wege der Analogie - zu erweitern. Die Einbeziehung weiterer, noch nicht aufgeführter nationaler Sozialleistungen
in den Anwendungsbereich der Verordnung setzt nach deren § 1 Abs 1 Nr 2 voraus, dass die Bundesrepublik Deutschland nach Konsultation
mit der betreffenden Organisation dieser gegenüber erklärt, dass die sozialen Leistungen des Organisationssystems ausreichend
sind und die Befreiung von den deutschen Vorschriften deshalb gerechtfertigt ist. Eine erweiternde Auslegung würde dieses
zwingend vorgesehene Verfahren der vorausgehenden Konsultation (mit Folgenabschätzung) unterlaufen.
Nach alledem kann dahinstehen, ob die Verordnung auf Beamte der EG überhaupt anzuwenden ist, wie dies in der Literatur vereinzelt
im Zusammenhang mit der zuvor dargestellten Freistellung der EG-Beamten von der Versicherungspflicht in den nationalen Sozialversicherungen
erwogen wird (so Henrichs, aaO, S 86, in Fn 93), oder ob eine solche Freistellung vielmehr eine entsprechende ausdrückliche
nationale Regelung erfordert (wie zB § 6 Abs 1 Nr 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch; vgl Erdmann, Die Sozialversicherung 1996,
S 309, 315).
c) Schließlich kommt ein Leistungsausschluss auch nach Maßgabe der Antikumulierungsvorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts
oder des nationalen Rechts nicht in Betracht.
Gemäß § 8 Abs 3 BErzGG aF schließen Leistungen, die außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes in Anspruch genommen werden und dem Erzg oder
dem Mutterschaftsgeld vergleichbar sind, Erzg aus. Mangels entsprechender berufungsgerichtlicher Tatsachenfeststellungen ist
nicht sicher, ob daneben auch die Antikumulierungsregelungen der Verordnung des Rates der EWG Nr 1408/71 (EWGV 1408/71) und der EWGV 574/72, die zu deren Durchführung ergangen ist, anwendbar sind. Diese Vorschriften, insbesondere Art 76 EWGV 1408/71 und Art 10 EWGV 574/72, gehen einem entgegenstehenden nationalen Recht, hier ggf § 8 Abs 3 BErzGG aF, vor (vgl dazu BSGE 80, 288, 295 = SozR 3-7833 § 8 Nr 4). Zwar ist der sachliche Anwendungsbereich der EWGV 1408/71 eröffnet, weil das Erzg eine Familienleistung iS des Art 4 Abs 1 Buchst h EWGV 1408/71 ist (vgl EuGH, Slg 1996, I-4895 = SozR 3-6050 Art 4 Nr 8; Slg 1998, I-2691 = SozR 3-7833 § 1 Nr 22; ebenso zB Senatsurteile vom 27. Mai 2004 - B 10 EG 1/04 R -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, und - B 10/14 EG 1/01 R -, SGb 2004, 421). Ob darüber hinaus der persönliche Anwendungsbereich dieser Verordnung eröffnet ist, kann jedoch anhand der Feststellungen
des LSG nicht abschließend beurteilt werden.
Diese Frage kann dahinstehen. Denn jedenfalls greifen die genannten Antikumulierungsvorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts
sowie des nationalen Rechts (§ 8 Abs 3 BErzGG aF) hier nicht ein. Es fehlt an einer mehrfachen Leistungsberechtigung.
Die Klägerin hat im fraglichen Anspruchszeitraum keine Leistungen bezogen, die dem Erzg entsprechen oder mit ihm vergleichbar
sind. Sie hatte auch keinen Anspruch auf derartige Leistungen. Ihr Ehemann konnte solche Leistungen ebenfalls nicht beanspruchen,
und zwar ungeachtet des Umstandes, dass er schon nicht Inhaber des Anspruches nach dem BErzGG ist. Die Besoldung und sozialen Rechte des Beamten der EG/EU richten sich nach dem europäischen Beamtenstatut. Dessen Rechtsgrundlage
ist die Verordnung des Rates der EWG, der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) und der Europäischen Gemeinschaft für Kohle
und Stahl (EGKS) Nr 259/68 vom 29. Februar 1968 zur Festlegung des Status des Beamten der Europäischen Gemeinschaften und
der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften sowie zur Einführung von Sondermaßnahmen,
die vorübergehend auf die Beamten der Kommission anwendbar sind (ABl 1968 L 56/1, mit späteren Änderungen). Diese Verordnung
verweist - mit Modifizierungen - auf das Statut der Beamten der EWG und der EURATOM vom 18. Dezember 1961 (ABl 1387/62). Danach
sind Familienzulagen Bestandteil der Dienstbezüge (Art 62 aaO). Die vom Ehemann der Klägerin bezogene Zulage für unterhaltsberechtigte
Kinder (Art 67 Abs 1 Buchst b aaO) ist nicht mit dem deutschen Erzg vergleichbar, da sie lediglich das Vorhandensein eines
unterhaltsberechtigten Kindes voraussetzt und nicht an eine Erziehungstätigkeit anknüpft. Zwar gehört zu den Familienzulagen
auch eine Erziehungszulage (Art 67 Abs 1 Buchst c aaO). Diese wird jedoch nur dann gewährt, wenn das unterhaltsberechtigte
Kind regelmäßig und vollzeitig eine Lehranstalt besucht (Anhang VII Art 3 Abs 1 aaO; vgl auch Kalbe in von der Groeben/Thiesing/Ehlermann,
Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 5. Aufl 1997, Art 212 RdNr 60). Die Erziehungszulage ist deshalb dem Erzg ebenfalls nicht gleich
zu stellen.
3. Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Senat verwehrt, weil es im Berufungsurteil an tatsächlichen Feststellungen
dazu fehlt, ob die Klägerin und ihr Ehemann die Einkommensgrenzen nach § 5 Abs 2 und 3, § 6 (insbes Abs 5) BErzGG (idF des Gesetzes vom 20. Dezember 1996, BGBl I, 2110) unterschreiten. Das Revisionsgericht kann diese Feststellungen nicht
nachholen (§
163 SGG).
4. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.