Verlängerung eines Bezugszeitraums von Elterngeld
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gesetzliche Fiktion von Elterngeldbezugsmonaten im Falle von Mehrlingsgeburten
Gründe
I
Die Klägerin begehrt in der Hauptsache eine Verlängerung des Bezugszeitraums ihres Elterngelds.
Die Klägerin wurde am 7.7.2017 Mutter von Zwillingen. Sie bezog deshalb vom 10.6.2017 bis 14.10.2017 täglich Mutterschaftsgeld
iHv 13 Euro sowie einen Arbeitgeberzuschuss iHv 48,57 Euro. Die Klägerin beantragte für die ersten vier Lebensmonate der Zwillinge
Basiselterngeld sowie für die daran anschließenden weiteren 20 Lebensmonate Elterngeld Plus.
Der Beklagte bewilligte ihr Elterngeld iHv 0 Euro für den ersten bis dritten sowie 897 Euro für den vierten Lebensmonat der
Zwillinge und jeweils 604,54 Euro für den fünften bis 20. Lebensmonat (Bescheid vom 31.7.2017).
Auf den Widerspruch der Klägerin erhöhte der Beklagte wegen einer geänderten Bemessungsgrundlage die Zahlbeträge für den vierten
Lebensmonat auf 968,30 Euro und für den fünften bis 20. Lebensmonat auf 652,56 Euro. Den Antrag der Klägerin auf vier zusätzliche
Monate Elterngeld Plus lehnte der Beklagte weiterhin ab. Monate mit Bezug von Mutterschaftsgeld und Arbeitgeberzuschuss gälten
als Bezugsmonate von Elterngeld (Widerspruchsbescheid vom 14.11.2017).
Das SG hat die auf einen längeren Bezugszeitraum gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 31.7.2018). Das LSG hat einen Anspruch der Klägerin auf weitere Elterngeldmonate ebenfalls verneint. Verfassungsrechtliche Bedenken
bestünden nicht. Der Gesetzgeber habe die Anrechnung von Mutterschutzleistungen auf das Elterngeld mehrfach bestätigt. Die
längeren Mutterschutzfristen stellten die Klägerin nicht schlechter, sondern dienten gerade dazu, besonders schutzwürdige
Mütter wie sie besser abzusichern. Mutterschaftsleistungen entsprächen in der Regel zudem in etwa dem zuletzt bezogenen Nettoverdienst,
während das Basiselterngeld nur ungefähr 65 Prozent davon ausmache, das Elterngeld Plus wiederum die Hälfte dieses Betrags
(Beschluss vom 2.2.2021).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG habe die grundsätzliche (verfassungsrechtliche) Bedeutung der Rechtssache verkannt.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil sie
die allein behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ordnungsgemäß dargelegt hat (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung
des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren
Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch
nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts
erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin,
um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit
(Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so
genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen BSG Beschluss vom 25.10.2016 - B 10 ÜG 24/16 B - juris RdNr 7 mwN). Diese Darlegungsvoraussetzungen erfüllt die Beschwerde nicht.
Die Klägerin geht mit ihrer Beschwerde bereits nicht darauf ein, dass der Gesetzgeber mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung
des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) vom 15.2.2021 (BGBl I 239) § 4 Abs 5 Satz 3 BEEG in der vom LSG herangezogenen Fassung des Gesetzes vom 4.4.2017 (BGBl I 778) mit Wirkung vom 1.9.2021 durch § 4 Abs 4 Satz 3 BEEG ersetzt und zudem weitere Vorschriften des Elterngeldrechts erheblich geändert hat. Daher handelt sich bei der hier maßgebenden
Fassung um sogenanntes "auslaufendes Recht". In dieser Konstellation kann eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache allenfalls
dann fortbestehen, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des alten Rechts zu entscheiden sind oder wenn
die Überprüfung der Rechtsnorm oder ihre Auslegung aus anderen Gründen (namentlich wegen einer weitgehenden Übereinstimmung
mit dem neuen Recht) fortwirkende allgemeine Bedeutung hat (vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 25.3.2021 - B 1 KR 93/20 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 11.2.2020 - B 10 EG 14/19 B - juris RdNr 7 jeweils mwN). Bereits die insoweit erforderlichen Darlegungen lässt die Beschwerde vermissen. So argumentiert sie etwa mit der Benachteiligung
von Müttern, deren Kinder vor dem errechneten Tag der Entbindung geboren werden, durch den reduzierten Bezug von Elterngeld
wegen des verlängerten Bezugs von Mutterschaftsleistungen, ohne auf die neu geschaffene Regelung des § 4 Abs 5 BEEG und die darin vorgesehenen verlängerten Elterngeldbezugszeiten gerade für solche Mütter einzugehen ( zur alten Rechtslage vgl BSG Urteil vom 20.12. 2012 - B 10 EG 19/11 R - SozR 4-7837 § 3 Nr 1 RdNr 32 ff mwN).
Auch im Übrigen legt die Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung nicht hinreichend dar. Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich
klärungsbedürftig, ob die gesetzliche Fiktion von Elterngeldbezugsmonaten des § 4 Abs 5 Satz 3 BEEG im Falle von Mehrlingsgeburten aufgrund der in diesem Fall gemäß §
3 Abs
2 Satz 2 Nr
2 MuSchG geltenden verlängerten Schutzfrist mit Art
3 Abs
1 GG iVm Art
6 Abs
1, 20 Abs
1 GG vereinbar ist.
Indes legt die Klägerin den von ihr behaupteten Verfassungsverstoß nicht ausreichend substantiiert dar. Wenn ein Beschwerdeführer
mit der Nichtzulassungsbeschwerde einen Verfassungsverstoß (hier: Verletzung von Art
3 Abs
1 und Art
6 GG) geltend macht und insoweit höchstrichterlichen Klärungsbedarf aufzeigen will, darf er nicht bloß das angeblich verletzte
Grundrecht benennen. Vielmehr muss er die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG und des BSG auswerten und dazu in substantieller Argumentation darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben
soll. Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Norm aufgezeigt, die Sachgründe ihrer
Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des
GG im Einzelnen dargetan werden. Dabei ist aufzuzeigen, dass der Gesetzgeber die gesetzlichen Grenzen seines weiten Gestaltungsspielraums
im Elterngeldrecht überschritten hat (stRspr; zB BSG Beschluss vom 6.8.2018 - B 10 EG 5/18 B - juris RdNr 8 mwN).
Daran fehlt es hier. Die Klägerin hält es für gleichheitswidrig, dass die längere Mutterschutzfrist nach der Geburt von Mehrlingen
sowie bei Geburten vor dem errechneten Geburtstermin (§
3 Abs
2 Satz 2 Nr
2 und Satz 3
MuSchG) und der damit verbundene Bezug von Mutterschaftsleistungen entsprechend auch die Fiktion von Bezugsmonaten des Elterngelds
(vgl § 4 Abs 5 Satz 3 BEEG aF sowie jetzt § 4 Abs 4 Satz 3 BEEG) ausweitet. Durch ihre kürzere Zeit mit Bezug von Elterngeld Plus werde sie allein wegen der Tatsache einer Mehrlingsgeburt
gegenüber dem Fall einer Einzelgeburt entscheidend in ihrer Dispositionsfreiheit beschränkt und damit verfassungswidrig benachteiligt.
Diese Ausführungen reichen zur Darlegung eines Verfassungsverstoßes nicht aus. Der Senat hat sich bereits in verschiedenen
Zusammenhängen mit den Auswirkungen des Bezugs von Mutterschaftsgeld auf das Elterngeld beschäftigt und den Ausschluss zeitgleicher
Zahlung von Elterngeld und Mutterschaftsgeld stets für verfassungsgemäß gehalten. Soweit der Gesetzgeber zweckidentische Leistungen
anrechnet und diese Zeiträume als Elterngeldbezugszeiten bewertet, ist dies bereits aus staatsfiskalischen Gründen wegen der
Vermeidung von Doppelleistungen verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Eine finanzielle Härte besteht wegen des Bezugs von Mutterschaftsgeld
und Arbeitgeberzuschuss anstelle von Elterngeld in der nachgeburtlichen Zeit nicht (BSG Urteil vom 29.6.2017 - B 10 EG 6/16 R - SozR 4-7837 § 4 Nr 6 RdNr 21; BSG Urteil vom 20.12.2012 - B 10 EG 19/11 R - SozR 4-7837 § 3 Nr 1 RdNr 27 ff, 39, jeweils mwN). Ebenso wenig berührt die Fiktion von Elterngeldbezugsmonaten wegen des Bezugs einer anrechenbaren Leistung in verfassungswidriger
Weise die innerfamiliäre Aufgabenverteilung ( BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 10 EG 12/10 R - SozR 4-7837 § 4 Nr 2 RdNr 36 mwN).
Vor diesem Hintergrund hätte es der vertieften Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung und der Darlegung bedurft, warum
die darin enthaltenen Überlegungen nicht in vergleichbarer Weise auf den von der Klägerin für verfassungswidrig gehaltenen
verkürzten Bezug von Elterngeld Plus für Mütter von Mehrlingen zutreffen sollten. Daran fehlt es. Allein der Hinweis der Klägerin
auf die Einschränkung ihrer Dispositionsfreiheit durch den erhöhten fiktiven Verbrauch von Monaten mit Elterngeld Plus im
Vergleich zur Konstellation einer Einzelgeburt genügt nicht, um angesichts der zitierten Senatsrechtsprechung erneuten Klärungsbedarf
aufzuzeigen. Zwar betont die Klägerin in dieser Hinsicht die besondere Schutzwürdigkeit von Mehrlingsmüttern. Dabei geht sie
aber weder auf den diesen zustehenden Zuschlag für Mehrlingsgeburten nach § 2a Abs 4 Satz 1 BEEG noch auf den Umstand ein, dass nach den Feststellungen der Vorinstanzen ihre eigenen Einkünfte während des Bezugs von Mutterschutzleistungen
höher waren als sie im Fall eines Elterngeldbezugs gewesen wären.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.