Anspruch auf Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung
Anforderungen an die Verfügbarkeit bei einem Umzug
Keine wesentliche Änderung in den Verhältnissen
Gründe:
I
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Alg für die Zeit vom 24.10.2015 bis 29.6.2016 sowie gegen darauf
gestützte Erstattungsansprüche der Beklagten wegen überzahlter Leistungen und entrichteter Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Ab dem 22.9.2014 nahm der Kläger an einer Umschulung zum Kfz-Mechatroniker teil, die nach §
81 SGB III als berufliche Weiterbildungsmaßnahme gefördert wurde. Er bezog Alg bei beruflicher Weiterbildung, das die Beklagte ab dem
22.9.2014 bis auf Weiteres in Höhe von 27,61 Euro täglich bewilligte (zuletzt Bescheid vom 19.11.2014). Am 24.10.2015 verzog
der Kläger von S. nach T.; die neue Adresse teilte er der Beklagten am 30.6.2016 mit.
Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte die Bewilligung von Alg zunächst für die Zeit vom 24.10.2015 bis 28.6.2016 auf
und verlangte die Erstattung von zu Unrecht gezahltem Alg in Höhe von 6764,45 Euro sowie von erbrachten Beiträgen zur Kranken-
und Pflegeversicherung in Höhe von 1676,75 Euro bzw 251,86 Euro (Bescheid vom 27.9.2016). Im Widerspruchsverfahren hob sie
- ohne weitere Anhörung - die Bewilligung von Alg für den Zeitraum vom 24.10.2015 bis (nunmehr) 29.6.2016 auf und forderte
die Erstattung von überzahltem Alg in Höhe von 6792,06 Euro sowie erbrachter Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung
in Höhe von 1683,62 Euro bzw 252,89 Euro ("Änderungsbescheid" vom 11.10.2016). Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte
zurück (Widerspruchsbescheid vom 18.10.2016).
Klage und Berufung blieben erfolglos (Urteil des SG vom 16.5.2017; Urteil des LSG vom 28.6.2018). Das LSG führte zur Begründung im Wesentlichen aus, Anspruch auf Alg bei beruflicher
Weiterbildung habe nur, wer "allein" wegen der geförderten beruflichen Weiterbildungsmaßnahme die Voraussetzungen für Alg
bei Arbeitslosigkeit nicht erfülle. Eine derartige Kausalität sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, denn die fehlende Erreichbarkeit
des Klägers sei nicht durch die geförderte Weiterbildungsmaßnahme bedingt, sondern dadurch, dass er umgezogen sei, ohne der
Beklagten darüber Mitteilung gemacht zu haben.
Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger eine fehlerhafte Anwendung von §
136 Abs
1 Nr
2, §
138 und §
144 SGB III iVm der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) geltend. Die Verfügbarkeit werde während der beruflichen Weiterbildung fingiert. Teilnehmer einer Maßnahme nach §
81 SGB III müssten nicht mit Vermittlungsangeboten rechnen und Vorschlägen zur beruflichen Eingliederung nicht zeit- und ortsnah Folge
leisten. Eine fehlende Erreichbarkeit wegen eines Umzugs sei deshalb ebenso unschädlich, wie in dem vom BSG bereits entschiedenen Fall eines Beziehers von Alg unter erleichterten Voraussetzungen nach §
428 SGB III.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. Juni 2018 und des Sozialgerichts Trier vom 16. Mai 2017 sowie
den Bescheid vom 27. September 2016 in der Gestalt des Bescheids vom 11. Oktober 2016 und des Widerspruchsbescheids vom 18.
Oktober 2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend und trägt ergänzend vor, an die Erreichbarkeit nach §
138 Abs
5 Nr
2 SGB III iVm § 1 Abs 1 Satz 2 EAO seien beim Bezug von Alg bei beruflicher Weiterbildung keine anderen Anforderungen zu stellen als beim Bezug von Alg bei
Arbeitslosigkeit. Die Pflicht eines Arbeitslosen, erreichbar zu sein, beinhalte, dass er in der Lage sein müsse, Mitteilungen
der Beklagten zur Kenntnis zu nehmen und das Arbeitsamt aufzusuchen. Solche Mitteilungen seien auch bei Beziehern von Alg
bei Weiterbildung denkbar.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das LSG hat zu Unrecht seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des
SG zurückgewiesen. Der Umzug des Klägers und dessen verspätete Mitteilung rechtfertigen nicht die Aufhebung der Leistungsbewilligung
sowie die geltend gemachten Erstattungsansprüche, denn die Anspruchsvoraussetzungen für Alg bei Weiterbildung sind dadurch
nicht entfallen.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der sich auf den Zeitraum vom 24.10.2015
bis 28.6.2016 beziehende Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 27.9.2016 in der Gestalt, die er durch den (Änderungs-) Bescheid
vom 11.10.2016 (Aufhebung und Erstattung für die Zeit vom 24.10.2015 bis 29.6.2016) und den Widerspruchsbescheid vom 18.10.2016
erhalten hat. Der Bescheid vom 11.10.2016 ist während des Vorverfahrens ergangen und hat den Bescheid vom 27.9.2016 geändert,
sodass er nach §
86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden ist. Zutreffend verfolgt der Kläger sein Begehren mit einer Anfechtungsklage (§
54 Abs
1 Satz 1
SGG).
In der Sache sind der angefochtene Bescheid und die klageabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben, denn der
angefochtene Bescheid ist materiell rechtswidrig. Vor diesem Hintergrund kann die formelle Rechtmäßigkeit offenbleiben, insbesondere,
ob wegen der "Verböserung" des Ausgangsbescheids im Widerspruchsverfahren eine erneute Anhörung des Klägers erforderlich gewesen
wäre (vgl dazu B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
85 RdNr 5; Claus in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 2017, §
85 RdNr 31).
Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung ist § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X iVm §
330 Abs
3 Satz 1
SGB III. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, um den es sich bei der Bewilligung von Alg handelt, mit Wirkung vom Zeitpunkt
der Änderung der Verhältnisse unter den Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche
Änderung eintritt. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der Leistung auswirkt
(vgl nur BSG vom 21.3.1996 - 11 RAr 101/94 - BSGE 78, 109, 111 = SozR 3-1300 § 48 Nr 48 S 111 mwN). Eine solche Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die der
Bewilligung von Alg bei Weiterbildung an den Kläger ab dem 22.9.2014 durch den Bescheid vom 19.11.2014 zugrunde gelegen haben,
ist vorliegend nicht eingetreten.
Nach §
136 Abs
1 Nr
1 iVm §
137 Abs
1 SGB III (sämtliche Vorschriften des
SGB III anwendbar in der ab dem 1.4.2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt
vom 20.12.2011, BGBl I 2854) hat Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit, wer arbeitslos ist (Nr 1), sich bei der Agentur für
Arbeit arbeitslos gemeldet hat (Nr 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt (Nr
3). Anspruch auf Alg hat nach §
144 Abs
1 SGB III auch, wer die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit allein wegen einer nach §
81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllt. Bei diesem Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung (§
136 Abs
1 Nr
2 SGB III) handelt es sich im Verhältnis zu dem Alg bei Arbeitslosigkeit (§
136 Abs
1 Nr
1 SGB III) um eine einheitliche Versicherungsleistung, die hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und ihres Leistungsumfangs im Grundsatz
den §§
137 ff
SGB III unterliegt (BSG vom 3.5.2018 - B 11 AL 6/17 R - BSGE 126, 32 = SozR 4-4300 § 144 Nr 26, RdNr 11; BSG vom 27.6.2019 - B 11 AL 8/18 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 27 RdNr 9).
Der Kläger nahm im streitbefangenen Zeitraum an einer nach §
81 SGB III geförderten Weiterbildungsmaßnahme (Umschulung zum Kfz-Mechatroniker) teil, sodass diese Grundvoraussetzung für einen Anspruch
auf Alg bei beruflicher Weiterbildung (vgl dazu BSG vom 3.5.2018 - B 11 AL 6/17 R - BSGE 126, 32 = SozR 4-4300 § 144 Nr 26, RdNr 17; BSG vom 27.6.2019 - B 11 AL 8/18 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 27 RdNr 17) vorlag. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG hatte er sich vor Beginn
der Maßnahme auch arbeitslos gemeldet und erfüllte die Anwartschaftszeit.
Arbeitslosigkeit als Anspruchsvoraussetzung für Alg bei Arbeitslosigkeit setzt nach §
138 Abs
1 SGB III Beschäftigungslosigkeit, Eigenbemühungen und Verfügbarkeit voraus. Verfügbar ist nach der allgemeinen Definition in §
138 Abs
1 Nr
3 SGB III, wer den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Dies erfordert im Einzelnen (allgemein dazu Baldschun
in Gagel, SGB II/SGB III, §
138 SGB III RdNr 148 ff, Stand Dezember 2016; Gutzler in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu,
SGB III, 6. Aufl 2017, §
138 RdNr 92), dass der bzw die Arbeitslose eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare
Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf
(§
138 Abs
5 Nr
1 SGB III - objektive Verfügbarkeit) und - im Sinne einer subjektiven Verfügbarkeit - bereit ist, jede Beschäftigung in diesem Sinne
anzunehmen und auszuüben (§
138 Abs
5 Nr
3 SGB III), sowie an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen (§
138 Abs
5 Nr
4 SGB III). Weitere Voraussetzung ist, dass der Betreffende Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit-
und ortsnah Folge leisten kann (§
138 Abs
5 Nr
2 SGB III). Konkretisiert wird diese "Erreichbarkeit" durch die EAO vom 23.10.1997 (ANBA 1997 Nr 12, S 1685, hier anwendbar idF der 2. Änderungsanordnung vom 26.9.2008 - ANBA 2008, Nr 12, S
5). Danach hat der Arbeitslose ua sicherzustellen, dass er persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnort durch Briefpost erreichbar
ist (vgl § 1 Abs 1 Satz 2 EAO), was nach allgemeiner Auffassung voraussetzt, dass der Arbeitsagentur stets die aktuelle Wohnanschrift bekannt ist (vgl
nur Baldschun in Gagel, SGB II/SGB III, §
138 SGB III RdNr 250, Stand Dezember 2016; Gutzler in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu,
SGB III, 6. Aufl 2017, §
138 RdNr 176, jeweils mwN).
Von Arbeitslosen in einer Weiterbildungsmaßnahme ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen indessen keine Verfügbarkeit
und deshalb auch keine Erreichbarkeit als Element der Verfügbarkeit zu verlangen. Der Wortlaut des §
144 Abs
1 SGB III stellt zwar darauf ab, dass der Arbeitslose "allein" wegen der Weiterbildung die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg
bei Arbeitslosigkeit nicht erfüllt. Doch schon die unterschiedliche Bezeichnung der Leistungen als Alg bei "Arbeitslosigkeit"
und Alg bei "beruflicher Weiterbildung" legt nahe, dass es grundsätzlich und unabhängig von einzelfallbezogenen Kausalitätserwägungen
nicht auf alle Tatbestandsmerkmale der in §
138 SGB III näher geregelten Anspruchsvoraussetzung "Arbeitslosigkeit" ankommen kann. Ob damit alle Merkmale der Arbeitslosigkeit - nach
§
138 Abs
1 SGB III Beschäftigungslosigkeit, Eigenbemühungen und Verfügbarkeit - suspendiert sind, kann offenbleiben (hierzu iE Bolten in Gagel,
SGB II/SGB III, §
144 SGB III RdNr 15 ff, Stand Juni 2016; Söhngen in Eicher/Schlegel,
SGB III nF, §
144 RdNr 37 ff, Stand September 2019). Für die Verfügbarkeit als Element der Arbeitslosigkeit (vgl §
138 Abs
1 Nr
3, Abs
5 SGB III) gilt dies jedenfalls, was aus der Entstehungsgeschichte des §
144 Abs
1 SGB III, den systematischen Regelungszusammenhängen sowie aus dessen Sinn und Zweck folgt.
Die Zusammenführung von Alg und von Uhg, der früheren Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts bei Weiterbildungsmaßnahmen,
zu einer einheitlichen Versicherungsleistung Alg bei Arbeitslosigkeit und bei beruflicher Weiterbildung erfolgte zum 1.1.2005
durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt mit Einführung des § 124a
SGB III, der Vorgängerbestimmung des §
144 SGB III (vgl zur Entstehungsgeschichte des § 124a
SGB III Söhngen, SGb 2005, 561). Diese Zusammenführung sollte nach den Gesetzesmaterialien einer deutlichen Vereinfachung des Leistungsrechts dienen (BT-Drucks
15/1515 S 73 zum Entwurf eines Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt), aber nicht mit leistungsrechtlichen
Nachteilen für den Betroffenen verbunden sein (BT-Drucks 15/1515 S 82 - Zu Nr 62 [§§ 117 bis 119]). Der Bezug von Uhg setzte
aber, wie die Beklagte zu Recht ausführt, nicht voraus, dass Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung
zeit- und ortsnah Folge zu leisten war (vgl zu den Anspruchsvoraussetzungen des Uhg nur Niewald in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts,
2003, § 4 RdNr 207 ff und 374a). Dies steht der Annahme entgegen, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des Alg bei beruflicher
Weiterbildung die Erreichbarkeit als zusätzliche Anspruchsvoraussetzung einführen wollte. Es stellt auch keine Rechtsvereinfachung
dar, wenn der Anspruch auf Leistungen bei beruflicher Weiterbildung von bisher nicht bestehenden Voraussetzungen abhängig
gemacht wird, selbst wenn diese für einen Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit vorliegen müssen.
Aus systematischen Gründen spricht für dieses Ergebnis §
139 Abs
3 SGB III. Danach schließt die Teilnahme an einer nicht nach §
81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung die Verfügbarkeit (nur) unter besonderen Voraussetzungen (nach §
139 Abs
3 Nr
1 und
2 SGB III Teilnahmezustimmung der Arbeitsagentur und Abbruchbereitschaft der leistungsberechtigten Person) nicht aus (vgl dazu BSG vom 3.5.2018 - B 11 AL 6/17 R - BSGE 126, 32 = SozR 4-4300 § 144 Nr 26, RdNr 22). Eine Differenzierung nach einzelnen Elementen der Verfügbarkeit enthält die Regelung
nicht. Dies unterstreicht, dass Verfügbarkeit schon im Grundsatz nicht vorliegt, denn ansonsten wäre deren ausdrückliche Fiktion
bei nicht geförderten Bildungsmaßnahmen überflüssig. Bei geförderten Weiterbildungsmaßnahmen, auf die allein sich §
144 Abs
1 SGB III bezieht, kann es nicht anders sein.
Sinn und Zweck des Alg bei Weiterbildung fordern ebenfalls keine Verfügbarkeit und damit auch keine Erreichbarkeit als Element
der Verfügbarkeit. Weil objektive Verfügbarkeit stets "aktuell" vorliegen muss, also jemand aktuell durch nichts gehindert
sein darf, eine Beschäftigung aufzunehmen (vgl dazu unter Hinweis auf die Rechtsprechung Gutzler in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu,
SGB III, 6. Aufl 2017, §
138 RdNr 146 ff; Söhngen in Eicher/Schlegel,
SGB III nF, §
138 RdNr 105 ff, Stand September 2017), ist der Teilnehmer an einer vollzeitig durchgeführten Bildungsmaßnahme in der Regel objektiv
nicht verfügbar, weil er aktuell durch diese Maßnahme an der Aufnahme einer Beschäftigung iS von §
138 Abs
5 Nr
1 SGB III gehindert ist. Der Teilnehmer an einer Bildungsmaßnahme muss während der Maßnahme auch nicht im Sinne der subjektiven Verfügbarkeit
bereit sein, jede Beschäftigung oder (andere) Maßnahme der beruflichen Eingliederung wahrzunehmen, wie es §
138 Abs
5 Nr
3 und Nr
4 SGB III für den Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit voraussetzen. Denn die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung
würde den Abbruch der geförderten Bildungsmaßnahme voraussetzen und damit dem Ziel widersprechen, gerade durch die konkrete
Maßnahme eine dauerhafte Eingliederung zu erreichen.
Gestützt wird dies durch §
4 SGB III. Der ausdrücklich geregelte Vorrang der Vermittlung in Ausbildung und Arbeit vor dem Bezug von Entgeltersatzleistungen (§
4 Abs
1 SGB III) besteht grundsätzlich zwar auch im Verhältnis zu Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, die nach §
3 Abs
2 SGB III das Alg bei Weiterbildung ausdrücklich umfassen. Doch gilt eine Ausnahme, wenn die Leistung für eine dauerhafte Eingliederung
erforderlich ist (§
4 Abs
2 Satz 1 Halbsatz 2
SGB III), was insbesondere für berufliche Bildungsmaßnahmen zutreffen kann (vgl BT-Drucks 13/4941 S 153). Nach §
4 Abs
2 Satz 2
SGB III, der durch das Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz vom 18.7.2016 (BGBl I 1710) zum 1.8.2016
eingefügt wurde, ist von einer solchen Erforderlichkeit im Falle eines fehlenden Berufsabschusses bei der Teilnahme an einer
nach §
81 SGB III geförderten Maßnahme stets auszugehen.
Daher muss der Teilnehmer an einer geförderten Bildungsmaßnahme mit aktuellen Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen
Eingliederung nicht mehr rechnen und folgerichtig bedarf es deshalb auch keiner Bereitschaft mehr, diesen zeit- und ortsnah
Folge zu leisten (so Söhngen in Eicher/Schlegel,
SGB III nF, §
144 RdNr 39, Stand September 2019; Bolten in Gagel, SGB II/SGB III, §
144 SGB III RdNr 20, Stand Juni 2016, für den Fall, dass weitere Eigenbemühungen nicht vereinbart sind; im Ergebnis auch Lauer in Mutschler/Schmidt-De
Caluwe/Coseriu,
SGB III, 6. Aufl 2017, §
144 RdNr 3, der die fehlende Verfügbarkeit als ersetzt ansieht). Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass der wesentliche
Zweck der Erreichbarkeit als Element der Verfügbarkeit in der Sicherstellung einer effektiven Arbeitsvermittlung durch die
Gewährleistung einer "ständige(n) Kommunikation" zwischen dem Arbeitslosen und der Arbeitsverwaltung liegt (vgl nur BSG vom 30.6.2005 - B 7a/7 AL 98/04 R - BSGE 95, 43 = SozR 4-4300 § 428 Nr 2, RdNr 15). Ist aber keine Arbeitsvermittlung durchzuführen, läuft dieser Zweck leer. Zusammengefasst
kann also - anders als die Vorinstanzen dies angenommen haben - nicht die Erreichbarkeit als einziges Element der Verfügbarkeit
gefordert werden, wenn der an einer Weiterbildungsmaßnahme teilnehmende Arbeitslose schon grundsätzlich nicht verfügbar sein
muss.
Zu Recht weist die Beklagte zwar darauf hin, dass bei Teilnahme an einer geförderten Bildungsmaßnahme ebenfalls sicherzustellen
ist, dass auftretende Zweifelsfragen zum Leistungsbezug oder zum Fortgang der Maßnahme geklärt werden können, zudem sich die
in diesem Rahmen zu erbringenden Leistungen nicht in der Gewährung von Alg bei Weiterbildung erschöpfen (vgl zu weiteren Leistungen
§§
83 ff
SGB III). Doch kann dies aufgrund der allgemeinen Mitwirkungspflichten - ggf sogar im Rahmen persönlicher Vorsprachen (vgl §
61 SGB I) - geschehen. Bei einem Wohnortwechsel kommt hinzu, dass es in der Regel - anders als bei Beziehern von Alg bei Arbeitslosigkeit
- leicht möglich ist, über den Bildungsträger oder den Ausbildungsbetrieb Kontakt zu dem Leistungsbezieher aufzunehmen, so
wie es auch im Falle des Klägers geschehen ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten bedarf es daher nicht des strengeren,
auf eine möglichst rasche Eingliederung zielenden Regimes, das für Bezieher von Alg bei Arbeitslosigkeit gilt.
Ist danach die Aufhebung der Leistungsbewilligung nicht rechtmäßig, besteht auch kein Erstattungsanspruch der Beklagten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.