Vergütung für eine stationär durchgeführte Notfallbehandlung
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Die Klägerin ist Trägerin eines nach §
108 Nr 2
SGB V zur Versorgung zugelassenen Krankenhauses (im Folgenden: Krankenhaus). In diesem behandelte sie eine Versicherte der beklagten
Krankenkasse (im Folgenden: KK) am 21.11.2014 stationär. Die Einweisung war durch die behandelnde onkologische Praxis zur
Transfusion von dort nicht verfügbaren Thrombozytenkonzentraten erfolgt. Das Krankenhaus stellte der KK für den Behandlungsfall
936,87 Euro nach Maßgabe der DRG Q60C in Rechnung. Die KK beglich den Rechnungsbetrag und leitete eine Überprüfung durch den
Medizinischen Dienst der Krankenversicherung ein. Aufgrund des Ergebnisses dieser Überprüfung verrechnete sie den gesamten
Rechnungsbetrag nachfolgend mit einer anderen unstreitigen Forderung des Krankenhauses. Die auf Zahlung dieses Betrages gerichtete
Klage des Krankenhauses hatte vor dem SG Erfolg (Urteil vom 8.3.2019). Auf die Berufung der KK hat das LSG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die stationäre Behandlung
der Versicherten sei medizinisch nicht erforderlich gewesen. Dass ein Notfall vorgelegen habe, weil die Versicherte die Transfusion
noch am selben Tag benötigt habe und diese nur in der Klinik der Klägerin habe stattfinden können, ändere nichts daran, dass
die Behandlung ambulant habe erfolgen können und müssen. Auch bei einer Notfallbehandlung habe der behandelnde Krankenhausarzt
zu prüfen, ob eine stationäre Behandlung erforderlich sei oder nicht. Eine ambulante Versorgung der Klägerin, die über die
Kassenärztliche Vereinigung abzurechnen sei, sei vorliegend ausreichend gewesen (Urteil vom 16.2.2022).
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen
Bedeutung.
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren
und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig
und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 -
1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
a) Offenbleiben bleiben kann, ob die in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Fragen zur Übertragbarkeit der Rechtsprechung
des BSG auf die vorliegende Fallgestaltung die Anforderungen an eine klar formulierte abstrakte Rechtsfrage erfüllen. Denn selbst
wenn dem Vorbringen des Krankenhauses sinngemäß die Rechtsfrage zu entnehmen sein sollte,
ob ein Krankenhaus Vergütung für eine stationär durchgeführte Notfallbehandlung beanspruchen kann, wenn eine ambulante Behandlung
zwar ausgereicht hätte, jedoch nicht zur Verfügung stand,
fehlt es jedenfalls an ausreichenden Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit (dazu b) und Klärungsfähigkeit (dazu c) dieser Rechtsfrage.
b) Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist. Die Beschwerdebegründung
hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten
ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen
soll (vgl BSG vom 22.2.2017 - B 1 KR 73/16 B - juris RdNr 8 mwN; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines entsprechenden Maßstabs BVerfG <Kammer> vom 12.9.1991
- 1 BvR 765/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f = juris RdNr 4). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BSG entsteht die Zahlungsverpflichtung der KK für eine stationäre Krankenhausbehandlung unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung
durch die Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von
§
39 Abs
1 Satz 2
SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (vgl zB BSG vom 19.3.2020 - B 1 KR 20/19 R - BSGE 130, 73 = SozR 4-2500 § 12 Nr 18, RdNr 11 mwN). Jede Aufnahme eines Versicherten muss nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich sein, weil das Behandlungsziel nicht
durch vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (vgl BSG vom 19.4.2016 - B 1 KR 21/15 R - BSGE 121, 87 = SozR 4-2500 § 109 Nr 54, RdNr 19 ff mwN). Ob einem Versicherten voll- oder teilstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich dabei allein nach den
medizinischen Erfordernissen (vgl BSG vom 25.9.2007 - GS 1/06 - BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 15; BSG vom 13.12.2016 - B 1 KR 1/16 R - BSGE 122, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 28, RdNr 29; BSG vom 26.4.2022 - B 1 KR 5/21 R - juris RdNr 13). Reicht nach den Krankheitsbefunden eine ambulante Therapie aus, so hat die KK die Kosten einer dennoch durchgeführten stationären
Krankenhausbehandlung auch dann nicht zu tragen, wenn der Versicherte aus anderen, nicht mit der Behandlung zusammenhängenden
Gründen eine spezielle Unterbringung oder Betreuung benötigt, die gegenwärtig außerhalb des Krankenhauses nicht gewährleistet
ist (vgl BSG vom 25.9.2007, aaO, RdNr 19).
bb) Vom BSG entschieden ist ferner, dass §
76 Abs
1 Satz 2
SGB V einen allgemeinen Rechtsgedanken für die Sicherstellung notwendiger ärztlicher Versorgung enthält, wonach die Beschränkung
auf zugelassene Leistungserbringer (vgl ua §
76 Abs
1 Satz 1, §
39 Abs
1 Satz 2 iVm §
108 SGB V) in Notfällen nicht eingreift. Denn die Versorgung der Versicherten soll im medizinischen Notfall zusätzlich auch durch nicht
zugelassene, aber akut behandlungsbereite ärztliche Leistungserbringer abgesichert werden. Dies gilt nicht nur für den Bereich
der vertragsärztlichen Versorgung, sondern auch für den stationären Versorgungsbereich. Wird ein Versicherter als stationärer
Notfall in ein nicht zugelassenes Krankenhaus aufgenommen, so wird dieses für die Dauer der Notfallbehandlung in das öffentlich-rechtliche
Naturalleistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen und erbringt seine Leistungen nach denselben Grundsätzen,
die für zugelassene Krankenhäuser gelten (vgl zum Vorstehenden insgesamt BSG vom 19.11.2019 - B 1 KR 13/19 R - BSGE 129, 232 = SozR 4-2500 § 76 Nr 6, RdNr 11 f mwN). Erbringt das Krankenhaus eine ambulante Notfallbehandlung, kann es hierfür von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung
eine Vergütung nach den Grundsätzen beanspruchen, die für an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer
gelten (vgl zB BSG vom 24.9.2003 - B 6 KA 51/02 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 2 RdNr 14; BSG vom 11.9.2019 - B 6 KA 6/18 R - SozR 4-2500 § 76 Nr 5 RdNr 15; jeweils mwN).
cc) Das Krankenhaus setzt sich mit dieser Rechtsprechung des BSG nicht auseinander und legt nicht dar, inwiefern vor diesem Hintergrund die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage noch klärungsbedürftig
sein sollte.
c) Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt hierüber entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist (vgl BSG vom 13.1.2017 - B 12 R 23/16 B - juris RdNr 20; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG <Kammer> vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14 = juris RdNr 8). Wie das Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung insgesamt, ist dies auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen.
Auch Darlegungen zur Klärungsfähigkeit müssen sich also auf die Tatsachen beziehen, die das LSG im angegriffenen Urteil mit
Bindungswirkung für das BSG (§
163 SGG) festgestellt hat (vgl BSG vom 12.8.2020 - B 1 KR 46/19 B - juris RdNr 10 mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
Das Krankenhaus legt nicht dar, dass nach den Feststellungen des LSG im Fall der Versicherten eine ambulante Behandlung tatsächlich
nicht zur Verfügung stand. Es führt sogar selbst aus, dass nach der Entscheidung des LSG die Behandlung ambulant hätte erfolgen
können (und müssen). Sofern es in der Beschwerdebegründung heißt, in dem Krankenhaus "wurden (und müssen auch nicht) keine
Strukturen vorgehalten, die eine solche Behandlung außerhalb von stationären Strukturen verantwortbar möglich machen", stützt
sich dieses Vorbringen nicht auf Feststellungen des LSG, und es begründet auch nicht nachvollziehbar, warum die Transfusion
im Krankenhaus der Klägerin nicht ambulant hätte durchgeführt werden können.
2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.