Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nummer 2106 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung - Druckschädigung der Nerven - in der gesetzlichen Unfallversicherung für einen mithelfenden bzw. selbständigen Obstbauer
Gründe:
I
Der Kläger begehrt die Anerkennung der Berufskrankheit "Druckschädigung der Nerven" nach der Nummer 2106 der Anlage 1 zur
Berufskrankheiten-Verordnung (BK 2106).
Der 1952 geborene Kläger war seit 1970 als mithelfendes Familienmitglied auf einem Obstbauernhof erwerbstätig. 1985 übernahm
er dieses Unternehmen und führte es bis 2004. Im Jahre 2002 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er seit 1997 an Beschwerden
im Bereich des Halses und der linken Schulter mit Ausstrahlung in den linken Arm und Brustkorb leide, was er auf seine berufliche
Tätigkeit zurückführe. Die Beklagte lehnte die Anerkennung einer BK 2106 ab (Bescheid vom 7.10.2003, Widerspruchsbescheid
vom 1.2.2005).
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 5.5.2010 die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, das Thoracic-Outlet-Syndrom
(TOS) ab 10.11.2005 als BK 2106 anzuerkennen und den Kläger mit einer Verletztenrente nach einer MdE von 25 vH zu entschädigen.
Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG durch Urteil vom 27.3.2014 den Gerichtsbescheid
des SG aufgehoben sowie die Klage ab- und die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Beim
Kläger lasse sich das Vorliegen einer BK 2106 nicht feststellen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der ersten Instanz
sei zwar davon auszugehen, dass beim Kläger ein TOS vorliege. Zweifelhaft erscheine hingegen, ob der Kläger die arbeitstechnischen
Voraussetzungen der BK 2106 erfülle. Letztlich könnten diese Zweifel jedoch dahinstehen, weil das beim Kläger festgestellte
TOS nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch seine Tätigkeit als Obstbauer und insbesondere nicht durch das Tragen
einer Pflückschürze bei der Apfelernte verursacht worden sei. Es spreche insbesondere gegen den ursächlichen Zusammenhang,
dass das TOS nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. kein Störungsbild sei, bei dem die Nervenfasern
durch direkte Einwirkung von außen geschädigt werden, sondern es sich vielmehr um ein Engpasssyndrom handele. Die Besonderheit
des TOS liege darin, dass die Reibung nicht durch Druck von außen, sondern durch die körpereigenen Strukturen selbst verursacht
werde, während die unter die BK 2106 fallenden Krankheitsbilder typischerweise durch eine Bedrückung des Nerven in Gelenknähe
bedingt durch die unphysiologische Beanspruchung des Gelenks geprägt seien. Die anders lautende Einschätzung des Sachverständigen
Dr. K. überzeuge nicht, weil dieser selbst dargelegt habe, dass es in der medizinischen Wissenschaft kaum Literatur zur Beurteilung
exogener Einflüsse auf die Verursachung eines TOS gebe. Dies erlaube zwar nicht den Umkehrschluss, dass die Entstehung eines
TOS durch äußere Belastung nicht möglich sei. Für die Anerkennung einer BK 2106 genüge die bloße Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs
jedoch nicht. Nach der Rechtsprechung des BSG sei bei der Beurteilung von Ursachenzusammenhängen der jeweils neueste anerkannte Stand des einschlägigen Erfahrungswissens
zugrundezulegen. Wenn sich nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Amtsermittlung ein solcher von der Mehrheit der Fachwissenschaftler
anerkannter neuester Erfahrungsstand nicht feststellen lasse, komme grundsätzlich eine Entscheidung nach Beweislast in Betracht.
Der Kläger trage hier die Beweislast für die berufliche Verursachung seiner Erkrankung. Dass das Merkblatt zur BK 2106 auch
das Krankheitsbild des TOS als durch arbeitsbedingte Belastungen verursachte Druckschädigung der Nerven nenne, führe nicht
zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Den Merkblättern komme nur die Bedeutung einer Informationsquelle für
die Praxis zu, ohne dass sie rechtliche Verbindlichkeit hätten. Schließlich spreche gegen eine Verursachung des beim Kläger
vorliegenden TOS durch seine frühere Tätigkeit als Obstbauer, dass nach den Angaben der Beklagten in den Jahren 2002 bis 2008
zwar sechs Verdachtsfälle eines TOS als BK 2106 der DGUV gemeldet worden seien, sich hierunter jedoch kein Angehöriger der
Berufsgruppe des Klägers befunden habe. Bei gleichartigen Arbeitsmethoden sei hinsichtlich des Einsatzes von Pflückschürzen
statistisch mit dem Auftreten weiterer TOS-Erkrankungen zu rechnen gewesen.
Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung des §
9 Abs
1 SGB VII iVm BK 2106. Das LSG habe sein Urteil im Wesentlichen auf das in erster Instanz eingeholte Gutachten des Dr. F. gestützt,
nach dem das Vorliegen der BK 2106 einen Druck von außen voraussetze. Damit habe das LSG zu Unrecht die Formulierung "Druckschädigung
der Nerven" ausschließlich einer Druckeinwirkung von außen gleichgestellt. Tatsächlich habe der Verordnungsgeber Nervenschädigungen
sowohl durch Druck von außen als auch von innen berücksichtigen wollen, wie der wissenschaftlichen Begründung des Ärztlichen
Sachverständigenrates beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung Sektion Berufskrankheiten vom 1.8.2001 zu entnehmen
sei. Unter Ziffer 3 dieser wissenschaftlichen Begründung werde das TOS ausdrücklich als typisches Krankheitsbild der BK 2106
genannt. Soweit es sich auf die Stellungnahme des Dr. S. stütze, der das Vorliegen eines TOS verneint habe, habe das LSG nicht
ohne Verstoß gegen die Denkgesetze einerseits das Vorliegen eines TOS annehmen, andererseits aber deren Ablehnung als BK mit
der Auffassung des Dr. S. begründen können. Auch der Verweis auf die Statistiken der DGUV habe angesichts der Vielzahl an
Berufsgruppen, bei denen das Vorliegen eines beruflich bedingten TOS in Betracht komme, keinerlei Aussagekraft.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. März 2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
2. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 5. Mai 2010 zu ändern und ihm Verletztenrente in Höhe von mehr als 25
vH zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Zutreffend sei das LSG davon ausgegangen, dass ein TOS in der Ausprägung des Syndroms der kosto-klavikulären Enge nicht zu
den von der BK 2106 erfassten Krankheiten zähle, weil dieses nicht durch Druck von außen, sondern durch körpereigene Strukturen
verursacht werde. Im Übrigen komme weder der wissenschaftlichen Begründung noch den Merkblättern rechtliche Verbindlichkeit
zu.
II
Die statthafte und zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung
an dieses Gericht begründet (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG). Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen für eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht aus. Weder lässt
sich danach beurteilen, welchen versicherten Einwirkungen iS der BK 2106 der Kläger im Einzelnen unterlegen ist noch ob diese
nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft geeignet waren, das beim Kläger bestehende (aber noch näher zu spezifizierende)
TOS zu verursachen, das ebenfalls in seiner konkreten Ausprägung nicht festgestellt ist.
Die erhobenen Klagen sind als Anfechtungsklage gegen die ablehnenden Entscheidungen in dem Bescheid vom 7.10.2003 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 1.2.2005, verbunden mit der auf Feststellung einer BK gerichteten Klage und der auf Verurteilung
zu der abgelehnten Rentenzahlung gerichteten unechten Leistungsklage zulässig (BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R - juris RdNr 14).
Rechtsgrundlage für die Anerkennung der BK ist §
9 Abs
1 SGB VII iVm BK 2106. BK 2106 (in der mit Wirkung vom 1.10.2002 geltenden Fassung vom 5.9.2002 [BGBl I 3541]) lautet: "Druckschädigungen
der Nerven". Nach §
9 Abs
1 Satz 1
SGB VII sind BKen nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats
als solche bezeichnet sind (sog Listen-BK) und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Feststellung einer Listen-BK (Versicherungsfall)
erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von
Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität [dazu unter A]) und diese Einwirkungen
eine Krankheit (dazu unter B) verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität [dazu unter C]). Dabei müssen die "versicherte
Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge
genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (zuletzt Urteile des erkennenden
Senats vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 10, B 2 U 10/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6 RdNr 11 sowie B 2 U 20/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8 RdNr 10; s auch BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 12; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4, RdNr 16 mwN; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14, RdNr 9 mwN; BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - UV-Recht Aktuell 2012, 412; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - NZS 2012, 151; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 14). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen nach
sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK, wohl aber für eine Leistung (Leistungsfall).
A. Nach den bindenden Feststellungen des LSG arbeitete der Kläger neben seiner Beschäftigung als Schriftsetzer und medizinisch-technischer
Assistent seit 1970 als mithelfendes Familienmitglied auf einem Obstbauernhof, den er zum 1.10.1985 übernahm und bis 2004
führte. Er war daher bei dieser Tätigkeit "Versicherter" iS von zunächst §
2 Abs
1 Nr
5b SGB VII und sodann §
2 Abs
1 Nr
5a SGB VII.
Den Feststellungen des LSG lässt sich noch hinreichend entnehmen, dass der Kläger während seiner versicherten Tätigkeit der
durch das Tatbestandsmerkmal "Druckschädigung ..." in der BK 2106 vorausgesetzten Einwirkung "Druck" in Form des Tragens einer
mit bis zu 20 kg Äpfel gefüllten Pflückschürze während 8 bis 10 Wochen im Jahr unterlag. Der Tatbestand der BK 2106 enthält
darüber hinaus keine normativen Vorgaben in Form einer Dosis oder Mindestdauer der erforderlichen Einwirkung.
B. Beim Kläger besteht auch nach den Feststellungen des LSG (§
163 SGG) eine Schädigung der Nerven als vom Verordnungstext vorausgesetzte Erkrankung in Form eines TOS, wenngleich das LSG die konkrete
Variante dieses Symptoms nicht festgestellt hat (hierzu noch unter C).
Bei der BK 2106 handelt es sich um eine sog offene BK-Bezeichnung (vgl Spellbrink, BPUVZ 2012, 360, 362; ders SozSich 2013,
431 f; Bieresborn, NZS 2008, 354, 359), bei der die erforderliche Erkrankung nicht präzise umschrieben, sondern nur eine Krankheitsgruppe, nämlich "Druckschädigungen
der Nerven", genannt wird. Anerkennungsfähig sind mithin hier alle Krankheiten dieser Gruppe, die durch die betreffende Einwirkung
potentiell verursacht werden können. Um ein bestimmtes Krankheitsbild aus dem Schutzbereich dieser BK ausschließen zu können,
muss demgegenüber feststehen, dass entweder diese Krankheit nach dem Willen des Verordnungsgebers nicht vom Schutzbereich
der Norm umfasst sein sollte oder durch die jeweilige Einwirkung nicht verursacht werden kann. Ein solcher Ausschluss kann
sich nur aus den Verordnungsmaterialien oder der wissenschaftlich festgestellten und allgemein anerkannten Wirkungsweise bestimmter
Belastungen oder Expositionen ergeben (vgl Becker in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky/Heinz,
SGB VII, §
9 RdNr 149 f). Dabei genügt es nicht, diejenigen Erkenntnisse zugrundezulegen, die den Verordnungsgeber zur Aufnahme der Krankheit
in die BK-Liste bewogen haben, sondern es sind die fortschreitenden Erkenntnisse der Wissenschaft hinsichtlich der Wirkungsweise
der genannten Einwirkung zur Bestimmung des Schutzbereichs zugrundezulegen (s BSG vom 18.8.2004 - B 8 KN 1/03 U R - BSGE 93, 149 = SozR 4-5670 Anl 1 Nr 240 Nr 1, RdNr 15, zum Kehlkopfkarzinom nach ionisierenden Strahlen).
Beim TOS, das auch als neurovaskuläres oder Schultergürtel-Kompressionssyndrom bezeichnet wird, handelt es sich laut ICD-10,
G54.1 um eine durch äußeren oder inneren Druck bewirkte Läsion des Plexus brachialis. Dass dieses Erkrankungsbild nach dem
Willen des VO-Gebers nicht vom Schutzbereich der BK 2106 erfasst sein soll, lässt sich weder den Verordnungsmaterialien noch
der wissenschaftlich festgestellten und allgemein anerkannten Wirkungsweise bestimmter Belastungen oder Expositionen entnehmen.
So wird das TOS sowohl in der wissenschaftlichen Begründung (Wissenschaftliche Begründung zur BK Nr 2106: Druckschädigung
der Nerven, Bekanntmachung des BMA vom 1.8.2001 - IVa 4-45222-2106; BArbBl 9/2001, S 59-63; 1.3.2.1.) als auch im Merkblatt
(Bekanntmachung des BMA vom 1.10.2002, BArbBl 11/2002, S 62) ausdrücklich unter der Rubrik "Nervenschaden an der oberen Extremität"
als "Armplexusschaden im Wurzelbereich (C4) C5-Th1" in Form einer "Engpassproblematik im Bereich der Skalenuslücken, der kosto-klavikulären
Passage und/oder des Korakoids" aufgelistet. Dies zeigt, dass bei Einführung der BK 2106 mit dem jetzigen Wortlaut der für
die wissenschaftliche Begründung von BKen maßgebliche Ärztliche Sachverständigenbeirat - Sektion "Berufskrankheiten" - beim
Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung davon ausging, dass dieses Krankheitsbild vom Schutzbereich der BK 2106 umfasst
sein sollte.
Zutreffend hat das LSG zwar darauf hingewiesen, dass diese Merkblätter weder verbindliche Konkretisierungen der Tatbestandsvoraussetzungen
der BK noch antizipierte Sachverständigengutachten oder eine Dokumentation des Standes der einschlägigen Erkenntnisse der
medizinischen Wissenschaft sind (BSG vom 11.8.1998 - B 2 U 261/97 B - HVBG-Info 1999, 1373). Sie sind jedoch als Interpretationshilfe und zur Ermittlung des aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen
Erkenntnisstands heranzuziehen (zuletzt BSG vom 23.4.2015 -B2U 20/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8 RdNr 15; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 6/04 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 5 RdNr 15; BSG vom 18.8.2004 - B 8 KN 1/03 U R - BSGE 93, 149 = SozR 4-5670 Anl 1 Nr 2402 Nr 1, RdNr 17 mwN; BSG vom 2.5.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr 16 S 85 = NZS 2001, 605, 606; s auch BSG vom 22.8.2000 - B 2 U 34/99 R - SozR 3-5670 Anl 1 Nr 2108 Nr 2).
Anhaltspunkte dafür, dass inzwischen neuere wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, nach denen ein TOS nicht durch Druckbelastung
verursacht werden kann und dementsprechend als anerkennungsfähiges Krankheitsbild aus dem Schutzbereich der BK 2106 ausscheidet,
wurden dem Senat weder vorgetragen noch sind sie gerichtsbekannt. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats sind
die die einzelnen Tatbestandsmerkmale der jeweiligen BK unterfütternden allgemeinen (generellen) Tatsachen, die für alle einschlägigen
BKen-Fälle gleichermaßen von Bedeutung sind, anhand des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands auch revisionsrechtlich
überprüfbar (zuletzt BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 20, B 2 U 10/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6 RdNr 20, B 2 U 20/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8 RdNr 33; dort auch mit Nachweisen zur älteren Senatsrechtsprechung und zur Rechtsprechung
anderer Senate des BSG). Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die
von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten,
nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (vgl zuletzt BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 22; BSG vom 27.6.2006 -B2U 20/04 R - BSGE 96, 291, 295 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 20).
Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang entschieden, dass einzelne Gegenstimmen nicht geeignet sind, einen einmal gebildeten
wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu erschüttern, solange nicht die Mehrheit der Fachwissenschaftler den Erkenntnisstand
aufkündigt. Diese Ausführungen bezogen sich zwar auf einen durch schriftliche Konsensempfehlungen konkretisierten wissenschaftlichen
Erkenntnisstand (s jeweils zur BK 2108 BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6 sowie BSG vom 25.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 22), sie gelten aber auch bei anderen BKen für die in der wissenschaftlichen Begründung
des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, in Merkblättern und in der einschlägigen Fachliteratur geäußerten wissenschaftlichen
Meinungen. Aus diesen Quellen folgt, dass ein TOS zumindest in den dort genannten Varianten des Krankheitsbildes durch äußeren
Druck verursacht werden kann. Die einzige Quelle dafür, dass der dort zum Ausdruck kommende wissenschaftliche Erkenntnisstand
veraltet sein könnte und daher nicht zugrunde gelegt werden dürfte, scheint das Gutachten des Dr. F. zu sein. Dieser behauptet
ohne kritische Auseinandersetzung mit dem Inhalt der oben aufgeführten anderslautenden wissenschaftlichen Begründung, ein
TOS könne ausschließlich durch innere Reibung ohne äußeren Druck verursacht werden. Dieser Aussage ist dann aber letztlich
auch das LSG nicht gefolgt, weil es selbst die Verursachung eines TOS durch äußere Belastungen zumindest für möglich hält.
Eine Änderung des in der wissenschaftlichen Begründung sowie in dem Merkblatt manifestierten Erkenntnisstands konnte das LSG
schließlich auch nicht aus der Aussage des Sachverständigen Dr. K. ableiten, dass kaum Literatur zur Verursachung des TOS
durch äußere Druckeinwirkung existiere.
C. Der Senat kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen aber nicht entscheiden, ob das LSG zu Recht den Ursachenzusammenhang
zwischen den gefährdenden Einwirkungen iS der BK 2106 und dem festgestellten TOS verneint hat. Für die Anerkennung einer BK
im konkreten Einzelfall ist neben der Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (Einwirkungskausalität)
ein Ursachenzusammenhang zwischen den Einwirkungen und der Erkrankung erforderlich. Für die streitige BK 2106 bedeutet dies,
dass das beim Kläger festgestellte TOS durch die im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit erfolgte Einwirkung von Druck verursacht
worden sein muss. Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung gilt im BKen-Recht, wie auch sonst in der
gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung (s zum Arbeitsunfall die Entscheidungen des erkennenden
Senats vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 34 ff sowie BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37; zu BKen s BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - juris RdNr 32; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 13 sowie - B 2 U 26/04 R - juris RdNr 17), die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht, nach der jedes Ereignis
(jede Bedingung) Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non).
Steht die versicherte Tätigkeit als eine der Wirkursachen fest, muss auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter
Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den
Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallenden Gefahr sein. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist
zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils die Versicherung begründenden Norm zu beurteilen (zur
Theorie der wesentlichen Bedingung: zuletzt eingehend BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - [zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen]; BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 28 ff).
Vorliegend kann der Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht entscheiden, ob im Fall des Klägers die arbeitstechnischen
Voraussetzungen für eine positive Kausalitätsbeurteilung vorliegen, die das LSG - aus seiner Sicht konsequent - hat dahinstehen
lassen (dazu unter 1.), sowie ob das LSG zu Recht die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen verneint hat (dazu unter 2.).
1. Der Senat kann anhand der Feststellungen des LSG nicht entscheiden, ob die (weiteren) arbeitstechnischen Voraussetzungen
für eine Anerkennung des TOS als BK 2106 gegeben sind. Bei den arbeitstechnischen Voraussetzungen handelt es sich um ein Element
der Anspruchsprüfung einer BK, das zwei miteinander in Zusammenhang stehende Aspekte umfasst: das Vorhandensein der hier gegebenen
(s oben A.) tatbestandlich vorausgesetzten Einwirkungen und die Kausalität zwischen diesen Einwirkungen und einer Erkrankung
(BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 20/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8 RdNr 13; vgl Bieresborn, Die Umsetzung der BK 2108 aus sozialrechtlicher Sicht, in: Grosser/Schiltenwolf/Thomann
[Hrsg], Berufskrankheit "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule" [BK 2108], Frankfurt 2014, S 179, 193).
Eine wissenschaftlich begründete Ursachenbeurteilung erfordert, dass neben der Feststellung der vorliegenden Gesundheitsstörungen
klar festgestellt wird, worin das oder die schädigenden Ereignisse lagen. Dem Urteil des LSG ist lediglich zu entnehmen, dass
der Kläger im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit 8 bis 10 Wochen pro Jahr Kernobst mittels einer ca 20 kg Obst fassenden
Pflückschürze geerntet hat.
Das Urteil des LSG enthält jedoch keine Feststellungen dazu, an welcher Stelle des Körpers die Druckeinwirkung erfolgte, insbesondere
ob sich diese in Nähe des unteren Plexus brachialis befindet, den das LSG offenbar als geschädigt ansieht. Ohne diesbezügliche
exakte Feststellung des oder der schädigenden Ereignisse und der naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhänge hinsichtlich
der geltend gemachten Gesundheitsstörung kann eine zuverlässige Ursachenbeurteilung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung
und in Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache nicht erfolgen, weil
die Ereignisse und Ursachen nicht zueinander in Verhältnis gesetzt und nicht in die Krankheitsgeschichte des Verletzten eingeordnet
werden können (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 30).
Dies gilt umso mehr, als nach der einschlägigen arbeitsmedizinischen Literatur für das Vorliegen einer BK 2106 eine eindeutige
Beziehung zwischen der Lokalisation des einwirkenden Drucks und dem anatomisch zuzuordnenden klinisch-neurologischen Befund
kennzeichnend ist (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 232). Erst wenn diesbezügliche
Feststellungen nachgeholt wurden, kann entschieden werden, ob eine Dauer dieser belastenden Tätigkeit von 8 bis 10 Wochen
im Jahr bei ebenfalls noch festzustellender Tagesdauer geeignet war, das beim Kläger bestehende Krankheitsbild zu verursachen.
Hierbei wird das LSG zu beachten haben, dass weder der Verordnungstext, noch die wissenschaftliche Begründung zur Abänderung
des VO-Textes der BK 2106 (Druckschädigung der Nerven, Bekanntmachung des BMA vom 1.8.2001 - IVa 4-45222-2106; BArbBl 9/2001,
S 59-63; 1.3.2.1.), das hierzu zuletzt veröffentlichte Merkblatt (Bekanntmachung des BMA vom 1.10.2002, BArbBl 11/2002, S
62) oder die aktuelle Fachliteratur zur BK 2106 Angaben in Hinblick auf Höhe und Intensität (Dosis) der Einwirkung enthalten.
Das LSG wird aber auch Feststellungen dazu nachzuholen haben, ob bei dem Kläger - abgesehen vom Tragen der Obstschürze - weitere
beruflich veranlasste Bewegungsabläufe vorlagen, die geeignet waren, ein TOS zu verursachen. Sowohl in der wissenschaftlichen
Begründung, als auch in dem hierzu zuletzt veröffentlichten Merkblatt sowie der einschlägigen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin,
Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 235) werden neben "Lastendruck auf der Schulter" auch "repetitive Abduktions-
und Adduktionsbewegungen im Schultergelenk" sowie "Überkopfarbeiten mit nach hinten gestrecktem Arm" als bekannte arbeitsbedingte
Gelenkbelastungen aufgelistet, die bei Pflücktätigkeiten eines Obstbauern zumindest nicht gänzlich fernliegend erscheinen.
Auf das Vorhandensein einer in Höhe und Intensität geeigneten Druckeinwirkung lässt sich hingegen nicht alleine aufgrund des
bindend festgestellten Krankheitsbildes des TOS schließen, weil dieses wiederum nicht zwingend durch eine äußere Druckeinwirkung
verursacht wird. Vielmehr ergibt sich aus weiteren, dem jeweiligen Rechtsanwender zugänglichen Quellen, dass das TOS durchaus
aufgrund innerer Ursachen wie anatomischer Varianten oder sonstiger Dispositionen entstehen kann (Sadeghi-Azandaryani, Das
Thoracic-Outlet-Syndrom: Diagnostik, Therapie und Ergebnisse der Münchner Studie, Dissertation München, 2004, S 8 f; Schönberger/Mehrtens/Valentin,
Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 234).
2. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen des LSG ebenso wenig entscheiden, ob die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen
für die Bejahung des erforderlichen Ursachenzusammenhangs zwischen gefährdenden Einwirkungen iS der BK 2106 und dem beim Kläger
festgestellten TOS, dessen Vorliegen das Berufungsgericht als nicht hinreichend wahrscheinlich abgelehnt hat, gegeben sind
(dazu unter a). Ferner wird das LSG ggf bei einer erneuten Beweiswürdigung die Anwendbarkeit des §
9 Abs
3 SGB VII zu erwägen haben (dazu unter b).
a) Die sogenannten arbeitsmedizinischen Voraussetzungen betreffen ebenfalls zwei Aspekte der Anerkennungsvoraussetzungen,
nämlich zum einen das Vorliegen der tatbestandlich vorausgesetzten Krankheit (was hier gegeben ist, s oben B.), zum anderen
das Vorliegen eines Schadensbildes, welches mit der rechtlich-wesentlichen Verursachung dieser Krankheit durch die beruflichen
Einwirkungen zumindest im Einklang steht (BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 18).
Die naturwissenschaftliche Kausalitätsprüfung ist zwar eine der revisionsrechtlichen Bindung fähige tatsächliche Feststellung
der Instanzgerichte (vgl Heinz in Roos/Wahrendorf,
SGG, §
163 RdNr 9). Eine solche bindende Wirkung besteht jedoch dann nicht, wenn das LSG von einem offenkundig falschen medizinischen
Erfahrungssatz ausgegangen ist oder bestehende Erfahrungssätze nicht angewandt hat (vgl BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6 RdNr 20, sowie BSG vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - UV-Recht Aktuell 2010, 418) oder eine solche fehlerhafte Anwendung zulässig gerügt wird (vgl hierzu BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 20). Die heranzuziehenden Quellen-, Fachbücher, Standardwerke, Merkblätter des zuständigen
Ministeriums, Begründungen des Sachverständigenbeirats, Konsensempfehlungen etc hat das Gericht eigenständig kritisch zu würdigen
und auf ihre Aktualität hin - ggf durch Sachverständige - zu überprüfen (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 100/12 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 24 RdNr 18; BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 69; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 20; vgl auch BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 20; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 mwN).
Das LSG hat hierbei die Grenzen der Befugnis zur freien richterlichen Beweiswürdigung (§
128 Abs
1 Satz 1
SGG) überschritten. Bei seiner Entscheidungsfindung, ob im Falle des Klägers die Verursachung des TOS durch die durch das Tragen
der Obstschürze entstandene Druckbelastung hinreichend wahrscheinlich ist, durfte es nicht davon ausgehen, dass das Merkblatt
zur BK 2106 nicht mehr den tatsächlichen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wiedergebe und mangels vorhandener weiterer
Literatur kein aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisstand zur Verursachung des TOS durch exogene Einflüsse existiere. Soweit
das LSG deshalb nach Beweislastgrundsätzen entschieden hat, verkürzt es in unzulässiger Weise die zu diesem Themenkomplex
anzuwendenden medizinischen Erfahrungssätze. Wie oben ausgeführt, werden sowohl in der wissenschaftlichen Begründung zur Abänderung
des VO-Textes der BK 2106 als auch in dem hierzu zuletzt veröffentlichten Merkblatt sowie der einschlägigen Fachliteratur
(Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 235) jeweils "Lastendruck auf der Schulter"
neben "repetitiven Abduktions- und Adduktionsbewegungen im Schultergelenk, Überkopfarbeiten mit nach hinten gestrecktem Arm,
Spielen von Streichinstrumenten und damit Gelenkbelastungen" als bekannte arbeitsbedingte Belastungen im Zusammenhang mit
typischen morphologischen Schädigungsmöglichkeiten genannt.
Soweit das LSG nach den Grundsätzen der sog objektiven Beweislast entschieden hat, vermischt es zudem in unzulässiger Weise
die Frage, ob ein konkretes Sachverständigengutachten als verwertbares Beweismittel die Kausalität im Einzelfall stützt mit
der Frage, ob bei sich widersprechenden Gutachten mangels aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands letztlich nicht entschieden
werden kann, welchem der Gutachten zu folgen ist. Die Grundsätze der objektiven Beweislast (Feststellungslast) greifen erst
ein, wenn der Tatrichter keine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer streitigen und entscheidungserheblichen
Tatsachenbehauptung gewinnen kann ("non liquet") (vgl zB BSG vom 26.11.1992 - 7 RAr 38/92 - BSGE 71, 256 = SozR 3-4100 § 119 Nr 7, RdNr 23). Im sozialgerichtlichen Verfahren stellt sich die Frage der Beweislastverteilung daher
erst, wenn es dem Tatrichter trotz Erfüllung seiner insbesondere durch §
103 SGG und §
128 Abs
1 Satz 1
SGG begründeten Pflicht zur eingehenden Erforschung des Sachverhalts und zur sorgfältigen Würdigung der erhobenen Beweise nicht
gelungen ist, eine in tatsächlicher Hinsicht bestehende Ungewissheit zu beseitigen (stRspr, BSG vom 24.11.2010 - B 11 AL 35/09 R - juris RdNr 20; Urteil vom 8.9.2010 - B 11 AL 4/09 R - juris RdNr 17; BSG vom 24.5.2006 - B 11a AL 7/05 R - BSGE 96, 238 = SozR 4-4220 § 6 Nr 4, RdNr 32). Dies gilt auch, wenn der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand im Streit steht, dessen
fehlende Existenz mit der Folge einer Beweislastentscheidung erst nach entsprechenden Anstrengungen und der Sichtung staatlicher
Merkblätter, Empfehlungen der Fachverbände, wissenschaftlicher Literatur etc festgestellt werden darf (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 61).
Das LSG führt zwar zutreffend aus, dass die Kausalitätsfeststellung nicht alleine auf das Vorliegen einer geeigneten Einwirkung
und eines klinisch definierten Krankheitsbildes gestützt werden kann, weil angesichts der multifaktoriellen Entstehung vieler
BKen es keinen Automatismus der Bejahung des Ursachenzusammenhangs allein aufgrund des Vorliegens entsprechender Einwirkungen
und einer bestimmten Erkrankung gibt (s BSG vom 27.6.2006 -B2U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 19 sowie BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 15/05 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4104 Nr 2 RdNr 23). Es existiert keine zwingende Regel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte
naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen
regelmäßig zu einer Anerkennung der BK führen würde (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 34/03 R - juris RdNr 22; s zur Unfallkausalität beim Arbeitsunfall BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 52). Andererseits ist es grundsätzlich denkbar, dass bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang
zwischen Einwirkung und Erkrankung dieser alleine für die Bejahung der Kausalität genügt, wenn keine Anhaltspunkte für eine
alternative (innere oder äußere) Ursache für die Erkrankung bestehen (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; vgl zu typischen Geschehensabläufen beim Arbeitsunfall BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 43 RdNr 30; s auch bereits BSG vom 21.11.1958 - 5 RKn 33/57 - BSGE 8, 245, 247; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
128 RdNr 9 ff; s zum zulässigen Schluss von einer berufsbedingt erhöhten Ansteckungsgefahr auf eine berufliche Ursache der aufgetretenen
Infektionskrankheit, wenn neben der Gefährdung durch die versicherte Tätigkeit keine anderen, dem privaten Lebensbereich zuzuordnenden
Infektionsrisiken bestanden haben [BK 3101] BSG vom 21.3.2006 - B 2 U 19/05 R - juris RdNr 16; vgl zur Verursachung von Meniskusschäden bei Bergleuten [BK 2102] BSG vom 27.11.1986 - 5a RKnU 3/85 - SozR 5670 Anl 1 Nr 2102 Nr 2 RdNr 12). Daher ist es weder dem Gutachter noch dem erkennenden
Gericht verwehrt, im Einzelfall anhand der Gesamtumstände bei Vorliegen einer für die Schadensverursachung geeigneten Einwirkung
sowie einem belastungskonformen Schadensbild bei fehlenden Anhaltspunkten für eine alternative äußere oder innere Verursachung
die naturwissenschaftliche Kausalität zu bejahen.
Daher wird das LSG nicht nur Feststellungen dazu, an welcher Stelle des Körpers Druck auf den Kläger eingewirkt hat und ob
dieser Druck in Höhe und Intensität zur Verursachung des TOS ausreichte, nachzuholen haben, sondern auch dazu, ob im Falle
des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass das bei ihm diagnostizierte TOS
auch ohne Druckbelastung von außen zB alleine durch innere schicksalhafte oder degenerative Ursachen entstanden ist (vgl BSG vom 27.11.1986 - 5a RKnU 3/85 - SozR 5670 Anl 1 Nr 2102 Nr 2 RdNr 12). Hierzu wird das LSG auch festzustellen haben, welche
Variante des TOS beim Kläger besteht und insbesondere an welcher Stelle der Plexus brachialis geschädigt ist. Bereits aus
der wissenschaftlichen Begründung und dem Merkblatt ergibt sich - wie bereits ausgeführt -, dass ein durch Druckeinwirkung
verursachbares TOS in verschiedenen Varianten bekannt ist, nämlich in Form einer Engpassproblematik im Bereich der Skalenuslücken,
der kosto-klavikulären Passage und/oder des Korakoids. Aus der einschlägigen Fachliteratur ergeben sich darüber hinaus weitere
Differenzierungen wie das Scalenus-anterior-Syndrom, wenn der Musculus scalenus anterior betroffen ist, sowie das Hyperabduktionssyndrom
oder Pectoralis-minor-Syndrom, wenn das Gefäßnervenbündel im Korakopektoralraum betroffen ist. Schließlich ist das Thoracic-inlet-Syndrom
als Sonderform des TOS bekannt, das durch die Kompression der Vena subclavia und dadurch entstehende venöse Abflussstörungen
verursacht wird (s zum Vorstehenden Sadeghi-Azandaryani, Das Thoracic-Outlet-Syndrom: Diagnostik, Therapie und Ergebnisse
der Münchner Studie, Dissertation München, 2004, S 8 f).
Erst nach Feststellung der genauen Variante des beim Kläger bestehenden TOS und des Ortes der Druckeinwirkungen lassen sich
Aussagen zum Pathomechanismus und damit dazu, ob die Druckeinwirkung überhaupt Wirkursache für das konkrete Erkrankungsbild
war, treffen. In diesem Zusammenhang wird das LSG unter Umständen auch den zeitlichen Verlauf der Erkrankung im Verhältnis
zum Einwirkungszeitraum zu würdigen haben. Da es selbst vom Vorliegen des Krankheitsbildes TOS ausgeht, wird es nicht den
Beweiswert etwaiger positiver Gutachten mit dem Hinweis auf die Stellungnahme von Dr. S. negieren können, der offenkundig
das Bestehen des TOS verneint. Auch wird das LSG dem Umstand, dass 2002 bis 2008 nur sechs Verdachtsfälle eines TOS als BK
2106 gemeldet worden sind, worunter sich kein Angehöriger der Berufsgruppe des Klägers befunden hat, keine den Kausalitätsnachweis
ausschließende Wirkung beimessen können, weil entscheidend alleine die konkrete Belastung und das Erkrankungsbild sind (vgl
aber zu erforderlichen, auf eine bestimmte Berufsgruppe bezogene Erkenntnisse zur Bejahung einer Wie BK nach §
9 Abs
2 SGB VII: BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 6/12 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 22 RdNr 17 ff).
b) Wäre die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer allein wesentlichen außerberuflichen wie zB einer inneren Verursachung zu
verneinen, käme durchaus der Schluss in Betracht, dass eine vorhandene geeignete berufliche Einwirkung - die vom LSG offengelassen
wurde - auch ein geeignetes Krankheitsbild verursacht hat. In diesem Zusammenhang wird das LSG auch zu erwägen haben, ob die
in §
9 Abs
3 SGB VII vorgegebenen normativen Voraussetzungen in Form des Bestehens einer erhöhten Gefahr der Erkrankung aufgrund besonderer Bedingungen
der versicherten Tätigkeit unter Umständen aufgrund der Kumulation verschiedener gefährdender Tätigkeiten iS der BK 2106 gegeben
sind.
Im Anschluss daran wäre ggf über die Wesentlichkeit der beruflichen Ursache zu entscheiden. Erst wenn die bei versicherten
Tätigkeiten erfahrene Einwirkung als eine der Wirkursachen feststeht, kommt es auf der zweiten Stufe darauf an, dass die Einwirkung
rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung
einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr ist. Die Wesentlichkeit der Wirkursache
ist zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks des die Unfallversicherung jeweils begründenden normativen Tatbestands
zu beurteilen. Die Wesentlichkeit einer Bedingung ist eine reine (im Übrigen nicht durch den Sachverständigen beantwortbare)
Rechtsfrage (zur Theorie der wesentlichen Bedingung: zuletzt eingehend BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 28 ff).
Ist jedoch nicht mehr aufklärbar, ob beim Kläger die Verursachung des TOS in seiner konkreten Ausprägung durch die beruflich
erworbene Exposition gegenüber Druck hinreichend wahrscheinlich ist, käme eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen hingegen
durchaus in Betracht.
Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.