Parallelentscheidung zu BSG - B 5 RS 4/16 R – v. 15.12.2016
Grnde:
I
Die Kl„gerin begehrt im Zugunstenverfahren die Feststellung weiterer Arbeitsentgelte in Gestalt j„hrlicher Jahresendpr„mien
(JEP) fr Zeiten der Zugeh”rigkeit zur zus„tzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech).
Der im Jahre 1951 geborenen Kl„gerin wurde nach einem Studium in der Fachrichtung Technologie der metallverarbeitenden Industrie
an der Technischen Hochschule K. mit Urkunde vom 25.10.1974 der akademische Grad "Diplom-Ingenieur" verliehen. Vom 9.9.1974
bis 9.1.1976 war sie als Technologin fr Materialverbrauchsnormung im Volkseigenen Betrieb (VEB) C. -Werke C. besch„ftigt.
Nach Zeiten des Wochenurlaubs und anschlieáender unbezahlter Freistellung war die Kl„gerin vom 1.9.1981 bis 30.6.1990 (und
darber hinaus) als Kontrollingenieurin, Gruppenleiterin fr Vorleistungskontrolle und Dokumentation, amtierende Leiterin
und Leiterin der technischen Kontrollorganisation (TKO) im VEB Dampfkesselbau D. besch„ftigt.
Die Kl„gerin erhielt zu Zeiten der DDR keine Versorgungszusage und war auch nicht in ein Zusatzversorgungswerk der Anlage
1 zum AAšG einbezogen.
Mit Bescheid vom 10.5.2004 stellte die Beklagte die Besch„ftigungszeiten der Kl„gerin vom 1.10.1974 bis 9.1.1976 und vom 1.9.1981
bis 30.6.1990 als "nachgewiesene Zeiten" der AVItech sowie die in diesen Zeitr„umen erzielten Arbeitsentgelte fest.
Mit šberprfungsantrag vom 5.11.2013 begehrte die Kl„gerin die Bercksichtigung von JEP und legte die "Auszahlungsliste zum
Tag des Metallarbeiters 1983 fr Titelwiederanerkennung und Erstauszeichnung Kollektiv der sozialistischen Arbeit" mit einer
Pr„mie in H”he von 50 Mark, ein Belobigungsschreiben anl„sslich des Tages des Metallarbeiters 1984 vom 5.4.1984 mit einer
Pr„mie in H”he von 100 Mark, einen Umschlag ber die "Jahresendpr„mie 1988" mit einer vermerkten Pr„mie in H”he von 1450 Mark
und sp„ter eine amtlich beglaubigte Zeugenerkl„rung von A. vom 7.1.2014 vor.
Mit Bescheid vom 29.1.2014 stellte die Beklagte erneut die Besch„ftigungszeiten der Kl„gerin vom 1.10.1974 bis 9.1.1976 und
vom 1.9.1981 bis 30.6.1990 als "nachgewiesene Zeiten" der AVItech sowie die in diesen Zeiten erzielten Arbeitsentgelte fest,
wobei sie h”here Entgelte fr die Jahre 1983 (50 Mark), 1984 (100 Mark) und 1988 (1450 Mark) bercksichtigte. Den "bisherigen
Bescheid" hob sie auf, "soweit er diesem Bescheid entgegensteht". Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Kl„gerin, mit dem
diese weitere zus„tzliche Arbeitsentgelte in Form von JEP begehrte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2.4.2014
zurck.
Mit Urteil vom 12.2.2015 hat das SG Dresden die Beklagte unter Ab„nderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, den Feststellungsbescheid
vom 10.5.2014 teilweise zurckzunehmen und fr die Jahre 1983 bis 1987 und 1989 sowie das erste Halbjahr 1990 weitere Arbeitsentgelte
in Gestalt von JEP in bestimmter H”he festzustellen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG mit Urteil vom 10.11.2015
unter Ab„nderung der erstinstanzlichen Entscheidung und Neufassung deren Tenors sowie Zurckweisung der Berufung im šbrigen
die Beklagte verurteilt, zugunsten der Kl„gerin fr die Jahre 1983 bis 1987 sowie fr das Jahr 1989 weitere Arbeitsentgelte
in Gestalt von JEP im Rahmen der bereits festgestellten Zeiten der Zugeh”rigkeit zur AVItech in bestimmter j„hrlicher (im
Tenor bezifferter) H”he festzustellen. Zur Begrndung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgefhrt:
Die Kl„gerin habe einen Anspruch auf Feststellung der JEP als weitere Arbeitsentgelte in dem tenorierten Umfang. JEP seien
Arbeitsentgelte iS von õ 14 SGB IV und damit iS von õ 6 Abs 1 S 1 AAšG. Gem„á õ 117 Abs 1 AGB-DDR habe ein Anspruch auf JEP
bestanden, wenn deren Zahlung fr das Arbeitskollektiv, dem der Werkt„tige angeh”rt habe, im Betriebskollektivvertrag vereinbart
worden sei, der Werkt„tige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesth”he erfllt
h„tten und der Werkt„tige w„hrend des gesamten Planjahres Angeh”riger des Betriebs gewesen sei. Um eine Feststellung von JEP
als zus„tzliche Entgelte beanspruchen zu k”nnen, msse der jeweilige Antragsteller nachweisen oder glaubhaft machen, dass
diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfllt worden seien und zus„tzlich, dass ihm ein bestimmter bercksichtigungsf„higer
Betrag auch zugeflossen, dh tats„chlich gezahlt worden sei. Gem„á õ 128 Abs 1 S 1 SGG entscheide das Gericht dabei nach seiner
freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen šberzeugung. Neben dem Vollbeweis, dh der an Sicherheit grenzenden
Wahrscheinlichkeit, sei auch die M”glichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte in Gestalt von JEP
gegeben. Dies k”nne aus der Vorschrift des õ 6 Abs 6 AAšG abgeleitet werden. Danach werde, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen
und der andere Teil glaubhaft gemacht werde, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu 5/6 bercksichtigt. Die Kl„gerin
habe zwar nicht nachgewiesen, aber glaubhaft gemacht, dass die drei rechtlichen Voraussetzungen des õ 117 Abs 1 AGB-DDR fr
den Bezug einer JEP in den geltend gemachten Besch„ftigungs- und Zuflussjahren 1983 bis 1987 sowie 1989 vorgelegen h„tten
und ihr jeweils eine JEP tats„chlich gezahlt worden sei. Die konkrete H”he der JEP, die zur Auszahlung an sie gelangt seien,
habe die Kl„gerin weder nachweisen noch glaubhaft machen k”nnen; hinsichtlich der H”he habe das SG jedoch zutreffend von seiner
im Rahmen der konkreten Einzelfallwrdigung von Rechts wegen gegebenen M”glichkeit der Sch„tzung Gebrauch gemacht. Nach dem
Urteil des BSG vom 4.5.1999 (B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 õ 8 Nr 3) drfe und msse das Gericht, wenn der Bezug (irgend-)einer
JEP fr die konkreten Besch„ftigungsjahre dem Grunde nach glaubhaft gemacht worden sei, deren H”he aber weder nachgewiesen
noch glaubhaft gemacht werden k”nne, diese im Rahmen der konkreten Einzelfallwrdigung sch„tzen.
Die Befugnis hierzu ergebe sich aus õ 202 S 1 SGG iVm õ 287 Abs 2, Abs 1 S 1 Altern 2 ZPO. Die Voraussetzungen dieser Normen
seien hier gegeben: Bei der Feststellung weiterer Arbeitsentgelte im Rahmen der festgestellten Zeiten der fingierten Zugeh”rigkeit
der Kl„gerin zur AVItech handele es sich zumindest mittelbar und sekund„r um eine verm”gensrechtliche Streitigkeit. Das von
der Beklagten nach õ 6 Abs 1 S 1 AAšG festzustellende und dem fr die Feststellung der Leistungen zust„ndigen Tr„ger der Rentenversicherung
mitzuteilende (õ 8 Abs 1 S 1 und S 2 AAšG) erzielte Arbeitsentgelt sei Grundlage der Berechnung der H”he einer Leistung aus
der gesetzlichen Rentenversicherung. Dass es sich bei dem Verfahren ber die Feststellung von Entgeltdaten nach dem AAšG in
einem dem Vormerkungsverfahren nach õ 149 SGB VI „hnlichen Verfahren, welches der sp„teren Rentenfeststellung nur vorgelagert
sei, um eine verm”gensrechtliche Streitigkeit iS des õ 287 Abs 2 ZPO handele, habe das BSG bereits im Urteil vom 4.5.1999
(aaO) implizit best„tigt und aktuell nochmals mit Beschluss vom 11.12.2014 (B 5 RS 11/14 B - amtlicher Umdruck, RdNr 10) hervorgehoben.
Die vollst„ndige Aufkl„rung aller fr die Berechnung der konkret zugeflossenen JEP-Betr„ge maágebenden Umst„nde (j„hrliche
Betriebskollektivvertr„ge, individuelle und kollektive Leistungskennziffern, Berechnungsmethoden und Berechnungsgrundlagen
ausgehend von den Zielvorgaben der staatlichen Planauflagen, beispielsweise in einer Betriebspr„mienordnung) sei auch mit
Schwierigkeiten verbunden, die zur Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verh„ltnis stnden.
Bei der gebotenen Sch„tzung sei als j„hrlicher Basiswert der JEP-H”he der im Planjahr erzielte durchschnittliche Monatslohn
zugrundezulegen, der im Bescheid der Beklagten vom 10.5.2014 festgestellt worden sei. Bei der JEP habe es sich um ein sog
13. Monatsgehalt in der (Mindest-)H”he eines Nettomonatslohns gehandelt. Ein anderer Ausgangswert sei zudem nicht vorhanden,
weil die Grundlagen der konkreten Leistungskennziffern unbekannt seien. In diesen F„llen sei auch nach den maágeblichen DDR-Regelungen
von den im Betrieb blichen Bedingungen auszugehen, wobei vergleichende Feststellungen mit den an andere Betriebsangeh”rige
als JEP gezahlten Betr„gen als Anhaltspunkte dienen k”nnten. Auch die maágeblichen Pr„mienverordnungen h„tten in ihren abstrakten
Rahmenvorgaben hinsichtlich der H”he der JEP an den durchschnittlichen Monatsverdienst angeknpft. Von diesem j„hrlichen Basiswert
sei ein Abschlag in H”he von 30 % zu treffen. Mit diesem Abschlag werde den Tatsachen Rechnung getragen, dass die konkrete
H”he der jeweiligen j„hrlichen JEP von einer Vielzahl individueller und kollektiver Faktoren abh„ngig gewesen sei, die rckschauend
betrachtet in ihrer Gesamtheit nicht mehr im Einzelnen nachvollzogen werden k”nnten. Von den somit zugrunde gelegten (gesch„tzten)
70 % eines monatlichen Bruttodurchschnittsverdienstes sei ein weiterer Abzug in H”he eines Sechstels als sachgerecht zu veranschlagen,
sodass im Ergebnis lediglich 5/6 von 70 % zu bercksichtigen seien. Dieser zus„tzliche Abschlag sei nach Ansicht des Senats
aus zwei Grnden gerechtfertigt: Zum einen werde damit dem Umstand Rechnung getragen, dass die Kl„gerin den Zufluss der JEP
dem Grunde nach nicht nachgewiesen, sondern lediglich glaubhaft gemacht habe (Rechtsgedanke des õ 6 Abs 6 AAšG). Zum anderen
sei dieser Abschlag auch wegen eines Erstrecht-Schlusses (argumentum a fortiori) gerechtfertigt. Wenn schon das Gesetz in
õ 6 Abs 6 AAšG eine Bercksichtigung von 5/6 bei nur glaubhaft gemachter H”he des weiteren Arbeitsentgelts vorsehe, dann msse
dies erst recht gelten, wenn die H”he nicht einmal glaubhaft gemacht sei, sondern lediglich vom Gericht gesch„tzt werden k”nne.
Auf der Grundlage dieser Sch„tzung erg„ben sich fr die Jahre 1983 bis 1987 und 1989 (und damit wegen der Auszahlung am jeweiligen
Jahresende fr das laufende Planjahr) die tenorierten JEP-Zahlungen.
Wegen der im vorliegenden konkreten Einzelfall nicht divergierenden Pr„mien- und Zuflussjahre der JEP sei die Berufung der
Beklagten hinsichtlich des Kalenderjahres 1990 begrndet.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision (Beschluss vom 30.6.2016 - B 5 RS 34/15 B) rgt die Beklagte im Wesentlichen die Verletzung
von õ 6 Abs 1 S 1, õ 8 Abs 1 S 2 AAšG. Ob das Gericht im Rahmen seiner freien šberzeugungsbildung (õ 128 Abs 2 S 1 SGG) von
seiner ihm von Gesetzes wegen zustehenden Sch„tzbefugnis und damit von einer Beweiserleichterung Gebrauch mache, sei eine
Entscheidung, die es nach pflichtgem„áem Ermessen zu treffen habe. Im vorliegenden Fall sei dem LSG ein Ermessensfehlgebrauch
unterlaufen. Es habe die Grenzen richterlicher Beweiswrdigung verletzt. Das LSG habe die H”he der JEP nicht sch„tzen drfen.
Ein Rckgriff auf die Vorschrift des õ 287 Abs 2 ZPO im geschlossenen System des Nachweises bzw der Glaubhaftmachung von Entgelten
in der gesetzlichen Rentenversicherung sei systemwidrig. Eine Sch„tzung sei deshalb von vornherein ausgeschlossen, wie auch
das LSG Mecklenburg-Vorpommern ua im Urteil vom 2.3.2016 - L 7 R 311/12 - entschieden habe. Das Berufungsgericht habe Arbeitsentgelt
beweiserleichternd gesch„tzt, obwohl nach seiner eigenen Bewertung die anspruchsbegrndenden Tatbestandsmerkmale des õ 117
Abs 1 AGB-DDR fr diese Art von Geldleistungen nicht nachgewiesen, sondern lediglich glaubhaft gemacht worden seien. Fr das
LSG stehe also nicht fest, dass die Kl„gerin einen solchen Anspruch auf JEP dem Grunde nach gehabt habe. Es halte dieses nur
fr berwiegend wahrscheinlich bzw sehe eine gute M”glichkeit dafr, dass ein solcher Anspruch an sich bestanden habe. Bei
der Feststellung der anspruchsbegrndenden Tatbestandsmerkmale sei jedoch nur der Beweismaástab des Vollbeweises (Gewissheit,
an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit) anzulegen. Auch im Sozialrecht mssten alle anspruchsbegrndenden Tatsachen zur
šberzeugung des Richters erwiesen sein, dh ohne vernnftige Zweifel oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen,
bevor eine gesetzliche Beweiserleichterung (Sch„tzung der H”he eines Anspruchs) zum Tragen kommen k”nne (vgl BSG Beschluss
vom 10.6.1992 - 4 BA 22/92 - RdNr 4). Das Beweismaá der Glaubhaftmachung in õ 6 Abs 6 AAšG gelte nur fr die H”he von Arbeitsentgelt.
Der šberzeugungsgrad der Glaubhaftmachung betreffe dagegen nicht diejenigen Tatsachen, die den Zahlungsanspruch als solchen
begrndeten. In diesem Sinne verhalte sich auch die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 28.4.2016 - L 33 R 6/15. Zudem
habe das Berufungsgericht die Entscheidung des BSG vom 4.5.1999 (aaO) missverstanden: Nur wenn und soweit die H”he des tats„chlich
gew„hrten Arbeitsentgelts nicht nachgewiesen werden k”nne, komme nach dieser Entscheidung hilfsweise eine Glaubhaftmachung
und Sch„tzung des tats„chlich erzielten Arbeitsentgelts in Betracht. Von einer Beweiserleichterung bei der den Rechtsgrund
betreffenden Tatsachenermittlung sei in dieser Entscheidung keine Rede. Darber hinaus habe das LSG den Ausfhrungen des BSG
im sog "Jahresendpr„mien-Urteil" vom 23.8.2007 (B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 õ 6 Nr 4) keine Beachtung geschenkt. Die Beklagte
sei der Auffassung, dass durch diese Entscheidung der Vollbeweis fr die anspruchsbegrndenden Tatsachen gefordert werde.
Dort sei explizit herausgestellt, dass bei der Feststellung von Zusatzversorgungszeiten fr die Versorgungsberechtigten der
DDR die Einzelfallprfung anzuwenden sei und fr die Feststellung von JEP-Betr„gen die Erfllung der tatbestandlichen Voraussetzungen
der õõ 117, 118 AGB-DDR durch den Anspruchsteller nachzuweisen seien. Das BSG habe damit in seiner JEP-Entscheidung aus dem
Jahr 2007 jedweden Beweiserleichterungen im Hinblick auf die anspruchsbegrndenden Tatbestandsmerkmale eine eindeutige Absage
erteilt. Dies habe das Berufungsgericht verkannt.
Schlieálich seien dem LSG bei der Art und Weise, wie es den Sch„tzungsvorgang gestalte, Verfahrensfehler unterlaufen. Sein
"Sch„tzprozedere" sei unter verschiedenen Gesichtspunkten weder plausibel noch aus sich heraus verst„ndlich.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des S„chsischen Landessozialgerichts vom 10. November 2015 und das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12. Februar
2015 abzu„ndern sowie die Klage abzuweisen.
Die Kl„gerin beantragt,
die Revision zurckzuweisen.
Sie h„lt die angefochtene Entscheidung fr zutreffend.
II
Die zul„ssige Revision der Beklagten ist begrndet, sodass der Senat in der Sache selbst zu entscheiden hat (õ 170 Abs 2 S
1 SGG). Das LSG hat die Berufung der Beklagten gegen das zusprechende Urteil des SG unter Verletzung von Bundesrecht (õ 162
SGG) im Wesentlichen zurckgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtm„áig und beschweren die Kl„gerin nicht (õ 54 Abs
2 S 1 SGG). Die Beklagte ist deshalb nicht verpflichtet, unter teilweiser Rcknahme des Bescheids vom 10.5.2004 zus„tzlich
gesch„tzte JEP als weitere Arbeitsentgelte fr die Jahre 1983 bis 1987 und 1989 vorzumerken. Der Kl„gerin steht kein entsprechender
Anspruch auf Feststellung h”herer Arbeitsverdienste zu.
Die Kl„gerin begehrt im Wege der Kombination (õ 56 SGG) einer Anfechtungs- und mehrerer Verpflichtungsklagen (õ 54 Abs 1 S
1 Var 1 und 3 SGG), die Ablehnungsentscheidung im Bescheid vom 29.1.2014 und den Widerspruchsbescheid vom 2.4.2014 (õ 95 SGG)
aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, die bestandskr„ftigen (õ 77 SGG) Verwaltungsakte (õ 31 S 1 SGB X) ber die
Festsetzung der Arbeitsentgelte fr die Jahre 1983 bis 1987 und 1989 im Bescheid vom 10.5.2004 zurckzunehmen und h”here Arbeitsentgelte
unter Einbeziehung von JEP festzusetzen.
1. Die insoweit erstrebte Rcknahme richtet sich nach õ 44 SGB X, der auch im Rahmen des AAšG anwendbar ist (õ 8 Abs 3 S 2
AAšG; vgl auch Senatsurteil vom 15.6.2010 - B 5 RS 6/09 R - Juris RdNr 13 und ausfhrlich BSGE 77, 253, 257 = SozR 3-8570
õ 13 Nr 1 S 5). Danach ist ein (iS von õ 45 Abs 1 SGB X) nicht begnstigender Verwaltungsakt zurckzunehmen, soweit er (anf„nglich)
rechtswidrig ist. Der Verwaltungsakt ist immer mit Wirkung fr die Zukunft zurckzunehmen (Abs 2 S 1 aaO), soweit er noch
Rechtswirkungen hat, also noch nicht iS von õ 39 Abs 2 SGB X erledigt ist. Die Rcknahme hat (gebundene Entscheidung) fr
die Vergangenheit zu erfolgen, wenn wegen der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes "Sozialleistungen" zu Unrecht nicht erbracht
oder "Beitr„ge" zu Unrecht erhoben worden sind (õ 44 Abs 1 S 1 SGB X). Das Gebot zur rckwirkenden Rcknahme gilt nicht in
bestimmten F„llen der B”sgl„ubigkeit (Abs 1 S 2 aaO). Im šbrigen "kann" (Ermessen) der anf„nglich rechtswidrige Verwaltungsakt
auch in sonstigen F„llen, also ber die F„lle des Abs 1 S 1 aaO hinaus, fr die Vergangenheit zurckgenommen werden (Abs 2
S 2 aaO).
Da sich õ 44 Abs 1 SGB X nur auf solche bindenden Verwaltungsakte bezieht, die - anders als die feststellenden Verwaltungsakte
im Bescheid vom 10.5.2004 - unmittelbar Ansprche auf nachtr„glich erbringbare "Sozialleistungen" (õ 11 S 1 SGB I) iS der
õõ 3 ff und 18 ff SGB I betreffen (BSGE 69, 14, 16 = SozR 3-1300 õ 44 Nr 3), kann sich der Rcknahmeanspruch der Kl„gerin
nur aus Abs 2 aaO ergeben. Nach dieser Vorschrift ist ein rechtswidriger nicht begnstigender Verwaltungsakt, auch nachdem
er unanfechtbar (und damit zugleich bindend) geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung fr die Zukunft zurckzunehmen
(S 1). Er kann auch fr die Vergangenheit zurckgenommen werden (S 2). Die Feststellungen ber die H”he der erzielten Arbeitsentgelte
im Bescheid vom 10.5.2004, die jeweils einzelne feststellende Verwaltungsakte iS des õ 31 S 1 SGB X sind und die in Bezug
auf die geltend gemachten JEP keinen rechtlich erheblichen Vorteil begrndet oder best„tigt haben (nicht begnstigender Verwaltungsakt
iS von õ 45 Abs 1 SGB X), waren jedoch im Zeitpunkt ihres Erlasses (Bekanntgabe iS von õ 37 SGB X) rechtm„áig. Denn die geltend
gemachten JEP sind nicht als tats„chlich erzieltes Arbeitsentgelt festzustellen.
2. Als Anspruchsgrundlage fr die begehrten rechtlichen Feststellungen kommt allein õ 8 Abs 2, Abs 3 S 1 und Abs 4 Nr 1 AAšG
in Betracht. Nach õ 8 Abs 3 S 1 AAšG hat die Beklagte als Versorgungstr„gerin fr das Zusatzversorgungssystem der Anl 1 (õ
8 Abs 4 Nr 1 AAšG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung
hat ua "das tats„chlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen" (= Arbeitsverdienste) zu enthalten.
3. Maástabsnorm, nach der sich bestimmt, welche Arbeitsverdienste den Zugeh”rigkeitszeiten zu einem (Zusatz-)Versorgungssystem
der DDR zuzuordnen sind, ist õ 6 Abs 1 S 1 AAšG. Danach ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl õ 5 aaO) fr
jedes Kalenderjahr als Verdienst (õ 256a Abs 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrundezulegen.
Der Begriff des Arbeitsentgelts iS des õ 6 Abs 1 S 1 AAšG bestimmt sich nach õ 14 SGB IV, wie der erkennende Senat (BSG SozR
4-8570 õ 6 Nr 6 RdNr 15) im Einklang mit dem 4. Senat des BSG (SozR 4-8570 õ 6 Nr 4 RdNr 24 ff), der frher fr das Recht
der Rentenberleitung zust„ndig gewesen ist, bereits entschieden hat. Dabei ist durch die Rechtsprechung des 4. Senats, der
sich der erkennende Senat anschlieát, gleichermaáen gekl„rt, dass die JEP einmalige Einknfte aus einer Besch„ftigung iS des
õ 14 Abs 1 S 1 SGB IV waren und diese bundesrechtliche Qualifizierung nicht durch õ 17 Abs 1 Nr 1 SGB IV iVm õ 1 ArEV vom
18.12.1984 (BGBl I 1642) ausgeschlossen ist (BSG SozR 4-8570 õ 6 Nr 4 RdNr 27, 33). Gleichzeitig folgt fr die Feststellung
von Bezug und H”he dieser einmaligen Einknfte aus der Formulierung "erzieltes Arbeitsentgelt" in õ 6 Abs 1 S 1 AAšG im Zusammenhang
mit õ 5 Abs 1 S 1 AAšG, dass es sich um Entgelt handeln muss, das dem Berechtigten w„hrend der Zugeh”rigkeitszeiten zum Versorgungssystem
"aufgrund" seiner Besch„ftigung "zugeflossen", ihm also in bestimmter H”he tats„chlich gezahlt worden ist (BSG SozR 4-8570
õ 6 Nr 4 RdNr 19).
4. Fr den Zufluss von Entgeltbestandteilen wie der JEP tr„gt der Zahlungsempf„nger die Feststellungs- bzw objektive Beweislast
(BSG SozR 4-8570 õ 6 Nr 4 RdNr 42), dh das Risiko bzw den Nachteil, dass sich diese Tatsache nicht beweisen und feststellen
l„sst (non liquet). Der Tatbestand ”ffentlich-rechtlicher Normen ist regelm„áig nur dann erfllt, wenn ein einschl„giger Sachverhalt
nach Aussch”pfung grunds„tzlich aller zur Verfgung stehenden Erkenntnisgrundlagen bis zur Grenze der Zumutbarkeit (Senatsbeschluss
vom 2.3.2010 - B 5 R 208/09 B - Juris RdNr 9; BVerwG Urteil vom 26.8.1983 - 8 C 76/80 - Buchholz 310 õ 86 Abs 1 VwGO Nr 147
S 9 und Beschluss vom 18.2.2015 - 1 B 2/15 - Juris RdNr 4; vgl auch BVerfG Beschluss vom 27.10.1999 - 1 BvR 385/90 - BVerfGE
101, 106 - Juris RdNr 67) mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vgl zB BSG Urteil vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R
- BSGE 96, 291, 23 = SozR 4-2700 õ 9 Nr 7) im Vollbeweis, dh zur vollen šberzeugung des hierzu berufenen Anwenders iS einer
subjektiven Gewissheit feststeht. Fr das sozialgerichtliche Verfahren ergibt sich dies aus õ 103 S 1 Halbs 1, õ 128 Abs 1
S 1 SGG. Abweichungen (Gewissheit, hinreichende Wahrscheinlichkeit oder Glaubhaftmachung) von diesem Regelbeweismaá bedrfen
einer gesetzlichen Grundlage (BSG SozR 3-3900 õ 15 Nr 4 - Juris RdNr 4, vgl auch BSG Urteil vom 14.12.2006 - B 4 R 29/06 R
- BSGE 98, 48 = SozR 4-5075 õ 1 Nr 3; BVerwG Beschluss vom 3.8.1988 - 9 B 257/88 - NVwZ-RR 1990, 165; Bolay in Ldtke, SGG,
4. Aufl 2012, õ 128 RdNr 13 ff; H”fling/Rixen in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl 2014, õ 108 RdNr 87; Kopp/Schenke, VwGO, 22.
Aufl 2016, õ 108 RdNr 5; Khl in Breitkreuz/Fichte, 2. Aufl 2014, õ 118 RdNr 3 ff). Nur dann ist gew„hrleistet, dass normativ
angeordnete Rechtsfolgen allein F„llen der gesetzlich vorgesehenen Art zugeordnet werden und im Streitfall effektiver Rechtsschutz
(Art 19 Abs 4 GG) gew„hrleistet ist. Die in õ 6 Abs 6 AAšG normierten Beweiserleichterungen verhelfen der Klage indessen nicht
zum Erfolg.
5. Zwar hat das LSG auf dieser Grundlage fr den Senat bindend (õ 163 SGG) festgestellt, dass der Kl„gerin in den jeweils
ausgeurteilten Jahren tats„chlich JEP zugeflossen sind, weil dies zwar nicht (im Vollbeweis) nachgewiesen, aber glaubhaft
gemacht, dh "berwiegend wahrscheinlich" sei (vgl dazu õ 23 Abs 1 S 2 SGB X; õ 202 S 1 SGG iVm õ 294 ZPO). Dabei geht das
LSG zu Recht davon aus, dass dieser - im Vergleich zum Regelbeweismaá - abgesenkte Beweisgrad ausreicht, um im Einzelfall
den tats„chlichen Zufluss von Arbeitsentgelt anzunehmen und festzustellen (so auch Bayerisches LSG Urteil vom 23.6.2015 -
L 1 RS 3/14 - Juris LS; LSG Mecklenburg-Vorpommern Urteil 18.2.2015 - L 7 R 147/11 - Juris RdNr 42 ff; LSG Berlin-Brandenburg
Urteil vom 9.10.2014 - L 33 R 151/13 - Juris RdNr 37; Thringer LSG Urteil vom 27.5.2014 - L 6 R 1280/12 - Juris RdNr 19 ff;
offen gelassen LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 12.2.2014 - L 1 RS 28/13 - Juris RdNr 25 ff). Dies ergibt die Auslegung des õ
6 Abs 6 AAšG. Danach wird der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fnf Sechsteln bercksichtigt, wenn ein Teil des
Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird. Die Formulierungen "der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes"
und "der andere Teil" sind prinzipiell weit und erm”glichen es, die Glaubhaftmachung dieses Verdienstteils sowohl auf dessen
H”he als auch auf dessen Zufluss oder auf beides zu beziehen, w„hrend der Nachweis des brigen Verdienstteils schon logisch
Zufluss und H”he erfassen muss. Angesichts der klaren gesetzlichen Differenzierung des Gesamtverdienstes in einen glaubhaft
gemachten und einen nachgewiesenen Teil liegt es indes fern, die Glaubhaftmachung auf die H”he des Verdienstes bei nachgewiesenem
Zufluss zu beschr„nken. Dabei ist zus„tzlich zu bercksichtigen, dass die Norm mit dem Erfordernis, dass Zufluss und H”he
eines Verdienstteils im Vollbeweis nachgewiesen sein mssen, bereits ausdrcklich das strenge Regelbeweismaá anlegt und damit
einen starken Anker schafft, was spiegelbildlich Abstriche beim Beweismaá fr H”he und Zufluss des anderen Verdienstteils
legitimiert und ggf Rckschlsse aufgrund zuvor oder anschlieáend erzielten Arbeitsentgelts erlaubt (vgl dazu BSG Urteil vom
28.10.1996 - 8 RKn 19/95 - SozR 3-2600 õ 123 Nr 1 S 4; Spegel, MittLVA Wrtt 1996, 164 jeweils zu õ 256c SGB VI). Zudem findet
die einschneidende Rechtsfolge, die einen erheblichen Abschlag in H”he eines Sechstels vorsieht, auch und gerade in F„llen
ihre Rechtfertigung, in denen neben der H”he auch der Zufluss von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nur glaubhaft gemacht
werden kann und damit die Verdienstfeststellung in ihrer anteiligen G„nze auf Wahrscheinlichkeitsberlegungen beruht.
6. Ebenso fr das Revisionsgericht verbindlich hat das Berufungsgericht aber auch (negativ) festgestellt, dass die H”he der
einschl„gigen Zahlungen weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht ist. Insofern ist unerheblich, dass das angegriffene Urteil
m”glicherweise nicht auf diesen Feststellungen beruht (vgl dazu BSG Urteil vom 10.11.1993 - 11 RAr 47/93 - BSGE 73, 195 =
SozR 3-4100 õ 249e Nr 3; Heinz in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, õ 163 RdNr 15). Soweit das LSG die H”he der JEP jedoch auf 58,33
% eines im jeweiligen Besch„ftigungsvorjahr erzielten monatlichen Bruttodurchschnittsbetrages gesch„tzt hat, ist der Senat
an diese weitergehenden Feststellungen (õ 163 SGG) nicht gebunden. Denn das Berufungsgericht geht insofern von rechtlich unzutreffenden
Annahmen hinsichtlich des Beweismaáes aus, die der sachlichen Prfung durch das BSG unterliegen. Das AAšG enth„lt jedenfalls
fr F„lle der vorliegend zur Entscheidung stehenden Art abschlieáende Regelungen zu M”glichkeiten und Folgen einer Beweiserleichterung
hinsichtlich der H”he des zugrundezulegenden Verdienstes. Zus„tzliche Beweiserleichterungen des materiellen (a) oder des sog
formellen Rechts (b) greifen daneben nicht ein.
a) õ 6 Abs 6 AAšG erlaubt es dem Versicherten ausnahmsweise, die H”he eines Verdienstteils glaubhaft zu machen, wenn der andere
Teil des Verdienstes nachgewiesen ist und er”ffnet insoweit zu seinen Gunsten im beschr„nkten Umfang eine Beweismaáreduzierung,
allerdings auf Kosten eines Abschlags in H”he eines Sechstels des glaubhaft gemachten Teils des Verdienstes. Eine weitere
Verminderung des Beweismaástabes im Sinne einer Sch„tzungswahrscheinlichkeit sieht õ 6 AAšG nicht vor. H„tte der Gesetzgeber
eine Sch„tzbefugnis schaffen wollen, so h„tte er dies gesetzlich anordnen und Regelungen sowohl zu ihrer Reichweite (Sch„tzung
des Gesamtverdienstes oder nur eines Teils davon) als auch zum Umfang der Anrechnung des gesch„tzten Verdienstes treffen mssen,
nachdem er schon fr den strengeren Beweismaástab der Glaubhaftmachung nur die M”glichkeit einer begrenzten Bercksichtigung
(zu fnf Sechsteln) erm”glicht hat.
Auch aus õ 6 Abs 5 AAšG iVm õ 256b Abs 1 und õ 256c Abs 1 und 3 S 1 SGB VI ergibt sich keine materiell-rechtliche Sch„tzbefugnis.
Rechtsfolge einer fehlenden Nachweism”glichkeit des Verdienstes ist hiernach stets die Ermittlung eines fiktiven Verdienstes
nach Tabellenwerten, nicht jedoch die erleichterte Verdienstfeststellung im Wege der Sch„tzung im Sinne einer šberzeugung
von der bloáen Wahrscheinlichkeit bestimmter Zahlenwerte. Insofern kann offenbleiben, ob Abs 5 berhaupt neben Abs 6 zur Anwendung
kommen kann (idS BT-Drucks 13/2590 S 33).
b) Die prozessuale Sch„tzbefugnis gem„á õ 287 ZPO, die nach õ 202 S 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren lediglich subsidi„r
und "entsprechend" anzuwenden ist (vgl zB BSG Urteile vom 14.7.1988 - 11/7 RAr 41/87 - SozR 4100 õ 115 Nr 2; vom 20.5.1987
- 10 RKg 12/85 - BSGE 62, 5 = SozR 1750 õ 287 Nr 1; vom 15.3.1979 - 9 RVs 16/78 - SozR 3870 õ 3 Nr 5; vom 27.7.1978 - 2 RU
37/78 - Juris RdNr 21), greift hier von vornherein nicht ein. Denn õ 6 Abs 6 AAšG regelt als vorrangige und bereichsspezifische
Spezialnorm die vorliegende Fallkonstellation (ein Verdienstteil ist nachgewiesen, ein anderer glaubhaft gemacht) abschlieáend
und l„sst fr die allgemeine Sch„tzungsvorschrift des õ 287 ZPO keinen Raum. Indem õ 6 Abs 6 AAšG die H”he des glaubhaft gemachten
Verdienstteils selbst pauschal auf fnf Sechstel festlegt, bestimmt er gleichzeitig die m”gliche Abweichung gegenber dem
Vollbeweis wie die Rechtsfolge der Glaubhaftmachung selbst und abschlieáend. Eine einzelfallbezogene Sch„tzung scheidet damit
aus. Andernfalls k„me es zu unaufl”sbaren Widersprchen, wie der vorliegende Fall exemplarisch zeigt: Bei der Sch„tzmethode
des LSG handelt es sich um ein in sich geschlossenes Konstrukt, in das mit einer nachtr„glichen Krzung des Sch„tzergebnisses
derart intensiv eingegriffen wrde, dass von einer Sch„tzung nicht mehr die Rede sein kann. H„tte der Gesetzgeber eine Sch„tzung
zulassen wollen, so h„tte er das Sch„tzverfahren weiter ausgestalten und festlegen mssen, ob und ggf wie mit dem Abschlag
im Rahmen der Sch„tzung umzugehen ist. Das Fehlen derartiger Bestimmungen belegt im Sinne eines beredten Schweigens zus„tzlich
den abschlieáenden Charakter der Ausnahmeregelung in õ 6 Abs 6 AAšG als geschlossenes Regelungskonzept.
Aber selbst wenn man õ 287 ZPO in F„llen der vorliegenden Art fr anwendbar h„lt, scheidet eine Sch„tzung gem„á õ 287 Abs
1 ZPO schon mangels "Schadens" von vornherein aus. Schlieálich sind auch die Tatbestandsvoraussetzungen des õ 287 Abs 2 ZPO
nicht erfllt. Denn diese Norm greift - als Ausnahme von den Grunds„tzen in õ 286 ZPO und õ 128 Abs 1 S 1 SGG - nur ein, wenn
eine "Forderung" dem Grunde nach mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit besteht, dh im Vollbeweis belegt ist, und
nur noch ihre "H”he ... streitig ist" (vgl BSG Urteil vom 28.5.2003 - B 3 P 6/02 R - SozR 4-3300 õ 15 Nr 1 RdNr 12; BGH Urteile
vom 17.12.2014 - VIII ZR 88/13 - Juris RdNr 45 und vom 25.10.1984 - IX ZR 76/83 - MDR 1985, 494 Juris RdNr 13; Ahrens, Der
Beweis im Zivilprozess, 2015, õ 63 RdNr 85; Foerste in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl 2016, õ 287 RdNr 11; Greger in Z”ller,
ZPO, 31. Aufl 2016, õ 287 RdNr 1; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl 2013, õ 287 RdNr 11 und 29; Prtting in Mnchener
Kommentar zur ZPO, 5. Aufl 2016, õ 287 RdNr 20; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl 2016, õ 287 RdNr 7; Saenger, ZPO,
6. Aufl 2015, õ 287 RdNr 11). Die Sch„tzbefugnis und die damit verbundene Beweismaáreduzierung beschr„nkt sich somit auf die
H”he nachgewiesener Forderungen; nur wenn und soweit allein die Forderungsh”he streitig ist, darf der Richter insofern Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen
anstellen. Andernfalls k„me es zu doppelten Wahrscheinlichkeitsberlegungen und zu dem Problem, dass hinsichtlich des "Ob"
des Zuflusses (Glaubhaftmachung iS einer berwiegenden Wahrscheinlichkeit) und mit Blick auf die H”he der Forderung (Sch„tzungswahrscheinlichkeit)
unterschiedliche Erw„gungen zu unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsgraden anzustellen w„ren. Damit wrde aber das rechtswidrige
Ergebnis in Kauf genommen, dass beide Faktoren in ihrer šberlagerung bzw Kombination nicht mehr wahrscheinlich, sondern lediglich
m”glich w„ren. Eine derart weite Losl”sung von der Wirklichkeit und die damit verbundene Aufweichung der Feststellungslast
sieht õ 287 Abs 2 ZPO nicht vor; die bloáe M”glichkeit, dass dem Versicherten Arbeitsentgelt in gesch„tzter H”he zugeflossen
ist, gengt keinesfalls (vgl zB BSG Beschluss vom 8.8.2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 õ 15 Nr 4). Schlieálich erscheint
es methodisch ausgeschlossen, die Sch„tzbefugnis nach õ 287 Abs 1 S 1 ZPO erst nach mehrfacher entsprechender Anwendung dieser
Vorschrift zu er”ffnen: šber die Verweisung in õ 202 S 1 SGG ist õ 287 ZPO berhaupt nur "entsprechend anzuwenden" und innerhalb
dieser zivilprozessualen Norm ist die Sch„tzbefugnis in õ 287 Abs 1 S 1 SGG ber Abs 2 aaO ihrerseits ebenfalls nur "entsprechend
anzuwenden", und zwar vorliegend erst, nachdem dessen Regelungsbereich zuvor auf Fallkonstellationen mit ungekl„rter Haftungsgrundlage
erweitert worden ist, obgleich die insofern einschl„gigen tats„chlichen Umst„nde gerade zur vollen šberzeugung des Gerichts
feststehen mssen (õ 286 ZPO).
Fragestellungen zur Ermittlung und Feststellung des tats„chlich erzielten Arbeitsentgelts in Kalenderjahren mit Arbeitsausfalltagen,
die der Entscheidung des 4. Senats in seinem Urteil vom 4.5.1999 (B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 õ 8 Nr 3) zugrunde liegen, waren
vorliegend nicht zu beantworten. In diesem Fall ebenso wie in dem Urteil vom 23.8.2007 (B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 õ 6 Nr
4) ging es dem Grunde nach um nachgewiesene Zahlungen.
c) Da die H”he der glaubhaft erzielten JEP weder im Vollbeweis noch im Wege der Glaubhaftmachung belegt ist und die Kl„gerin
insofern die Feststellungslast tr„gt, hat sie keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte unter Rcknahme der bisherigen Regelung
weitere Arbeitsentgelte unter Einbeziehung gesch„tzter JEP festsetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf õ 193 Abs 1 und 4 SGG.