Vergütung zeitabhängiger und genehmigungsbedürftiger Leistungen psychotherapeutischer Leistungserbringer
Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Punktwertes für psychotherapeutische Leistungen streitig.
Die klagende Diplompsychologin nahm in den streitbefangenen Quartalen IV/1997 und IV/1998 im Delegationsverfahren an der vertragspsychotherapeutischen
Versorgung der Versicherten teil. In diesem Zeitraum rechnete sie gegenüber der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV)
für ihre Leistungen nach Abschnitt G IV des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für Ärzte (EBM-Ä) in der bis zum 31.3.2005 geltenden
Fassung (aF) insgesamt 742.740 Punkte (IV/1997) bzw 607.180 Punkte (IV/1998) ab. Die Beklagte honorierte diese Leistungen
auf der Grundlage ihres Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) mit einem einheitlichen Punktwert von 7,49 Pf. Unvergütet blieben
demgegenüber die Leistungen der Klägerin, die eine nach § 8 HVM quartalsweise zu bestimmende praxisindividuelle Punktzahlobergrenze
(510.488,8 Punkte in IV/1997, 583.023,7 Punkte in IV/1998) überschritten.
Mit den nach erfolglosen Widerspruchsverfahren erhobenen Klagen hat die Klägerin geltend gemacht, der von der Beklagten der
Vergütung zugrunde gelegte Auszahlungspunktwert entspreche nicht den vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Maßstäben
für eine angemessene Vergütung zeitgebundener und genehmigungsbedürftiger psychotherapeutischer Leistungen, die grundsätzlich
auf 10 Pf gestützt werden müssten (BSG, Urteile vom 20.1.1999 - B 6 KA 46/97 R - und vom 25.8.1999 - B 6 KA 14/98 R). Das Sozialgericht (SG) hat beiden Klagen teilweise stattgegeben und die Beklagte unter Abänderung der Honorarbescheide verpflichtet, die Vergütungsansprüche
der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die Beklagte müsse die zeitgebundenen und
genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen mit einem Auszahlungspunktwert von 8,955 Pf honorieren, um den Vorgaben
Rechnung zu tragen, die das BSG in seinem Berechnungsmodell für eine angemessene Vergütung dieser Leistungen entwickelt habe.
Soweit sich die Klagen gegen die Auswirkungen der mengenbegrenzenden Regelung des § 8 HVM richteten, seien sie nicht begründet
(Urteile vom 10.4.2002).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufungen der Beklagten zurückgewiesen und auf die Anschlussberufungen der Klägerin
die Urteile des SG geändert und die Beklagte verpflichtet, über die Honoraransprüche der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts
neu zu entscheiden. Zur Gewährleistung einer angemessenen Vergütung habe ein bis Ende 1998 im Delegationsverfahren tätig gewesener
Psychotherapeut grundsätzlich einen Anspruch auf Vergütung seiner zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen Leistungen mit
einem Punktwert von 10 Pf. Nur so könne ein solcher Leistungserbringer bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft einen Honorarüberschuss
erzielen, der ungefähr der Größenordnung vergleichbarer Arztgruppen entspreche. Allerdings rechtfertige das niedrigere Vergütungsniveau
der Vertragsärzte in den neuen Bundesländern ggf auch einen geringeren Stützpunktwert für psychotherapeutische Leistungen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sei es aber unzulässig, bei der Ermittlung dieses Punktwertes als Vergleichsmaßstab
stets auf diejenige Arztgruppe abzustellen, die im selben Kalenderjahr den niedrigsten Honorarüberschuss erzielt habe. Nach
dem auch im Bezirk der Beklagten anzuwendenden Berechnungsmodell des BSG sei vielmehr als Vergleichsgruppe die vom Leistungsspektrum
her den Psychotherapeuten nahestehende Gruppe der Allgemeinmediziner mit einem durchschnittlichen Honorarüberschuss im Jahr
1997 von 122.717 DM bzw im Jahr 1998 von 132.411,51 DM je Praxis und - im Unterschied zur Auffassung der Vorinstanz - unter
Ansatz eines linearen Betriebskostenanteils von 40,2 % heranzuziehen. Bei Berücksichtigung dieser Parameter hätten Psychotherapeuten
unter der Annahme ihrer Vollauslastung einen Honorarumsatz von 205.213,01 DM bzw von 221.423,97 DM erzielen müssen, um einen
ähnlichen Erlös wie die Ärzte der Vergleichsgruppe zu erwirtschaften. Dies erfordere in den streitbefangenen Quartalen einen
Auszahlungspunktwert von 9,14 bzw 9,86 Pf für zeitgebundene und genehmigungsbedürftige Leistungen nach Abschnitt G IV EBM-Ä
aF. Die Mengenbegrenzungsregelung in § 8 HVM könne nicht angewandt werden, weil sie mit höherrangigem Recht unvereinbar sei.
Ihre Anwendung unterlaufe den nach der Rechtsprechung des BSG notwendigen Stützpunktwert für die zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen
Leistungen (Urteile vom 14.6.2006).
Mit ihren Revisionen rügt die Beklagte eine fehlerhafte Anwendung von §
85 Abs
4 SGB V. Das Berufungsgericht habe zum einen verkannt, dass das BSG bei der Entwicklung seines Berechnungsmodells für eine angemessene
Vergütung psychotherapeutischer Leistungen die Allgemeinmediziner als diejenige Arztgruppe herangezogen habe, deren Honorarumsätze
sowie -überschüsse im Rahmen einer bundesdurchschnittlichen Betrachtung am niedrigsten gewesen seien. In Brandenburg treffe
dies für das Jahr 1997 auf die Gruppe der Hautärzte mit einem Überschuss von 101.137 DM und für das Jahr 1998 auf die Gruppe
der Frauenärzte mit einem Honorarerlös von 114.150 DM zu; deshalb sei im Rahmen einer vergleichenden Betrachtungsweise auf
diese Arztgruppen abzustellen. Folge man demgegenüber der Entscheidung des Berufungsgerichts und vergleiche die Psychotherapeuten
in Brandenburg mit der Gruppe der Allgemeinmediziner, bliebe entgegen der Rechtsprechung des BSG kein Raum mehr für die Berücksichtigung
honorarrelevanter regionaler Besonderheiten. In den neuen Bundesländern müsse aber bei der Honorarverteilung die abweichende
Morbidität der Bevölkerung, die deutlich geringere Arztdichte und die schlechtere Vergütungsstruktur auch bei den privatärztlichen
Einnahmen mit berücksichtigt werden. Daher sei sie - die Beklagte - nicht verpflichtet, den Auszahlungspunktwert für zeitgebundene
und genehmigungsbedürftige Leistungen nach Abschnitt G IV EBM-Ä aF auf 9,14 bzw 9,86 Pf zu stützen. Entgegen der Auffassung
des Berufungsgerichts sei es weiter nicht gerechtfertigt, den linearen Praxiskostensatz aus dem Berechnungsmodell des BSG
von 40,2 % auf die neuen Bundesländer zu übertragen. Bereits der Bewertungsausschuss habe insoweit bei seinen Festlegungen
zur Berechnung der Praxisbudgets im EBM-Ä zwischen alten und neuen Bundesländern differenziert und für die neuen Bundesländer
einen festen Kostensatz in Höhe von 66.000 DM zugrunde gelegt. Dies müsse im Rahmen der Vergleichsbetrachtung, die das BSG
zur Ermittlung einer angemessenen Vergütung für psychotherapeutische Leistungen fordere, berücksichtigt werden.
Der Senat hat die die Quartale IV/1997 und IV/1998 betreffenden Revisionsverfahren B 6 KA 20/07 R und B 6 KA 21/07 R zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Az B 6 KA 20/07 R verbunden.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 14.6.2006 und des SG Potsdam vom 10.4.2002 abzuändern und die Klagen insoweit abzuweisen,
als sie - die Beklagte - darin für die Quartale IV/1997 und IV/1998 verpflichtet wird, der Berechnung der Auszahlungspunktwerte
für die zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen Leistungen der Klägerin nach Abschnitt G IV EBM-Ä aF den Vergleich mit
den Honorarüberschüssen der Allgemeinmediziner sowie einen Praxiskostensatz von 40,2 % zugrunde zu legen,
hilfsweise, die Urteile des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Revisionen zurückzuweisen.
Das Berufungsgericht habe zu Recht den Umsatzvergleich auf die Gruppe der Allgemeinmediziner bezogen, um im Rahmen einer vergleichenden
Betrachtung angemessene Auszahlungspunktwerte für die zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen
zu ermitteln. Dies schließe die Berücksichtigung honorarrelevanter regionaler Besonderheiten mit ein, da das LSG auf den durchschnittlichen
Honorarüberschuss der Allgemeinmediziner im Bereich der Beklagten und eben nicht auf den bundesdurchschnittlichen Erlös dieser
Arztgruppe abstelle. Im Übrigen wichen die Umsatzzahlen der Vergleichsgruppe im Bereich der Beklagten nicht signifikant von
den bundesdurchschnittlichen Umsatzzahlen ab; insofern sei es nach der Rechtsprechung des BSG nicht möglich, einen noch geringeren
Auszahlungspunktwert als den von der Vorinstanz ermittelten für die Honoraransprüche der Klägerin zugrunde zu legen. Das Berufungsgericht
habe es auch zu Recht abgelehnt, die von der Beklagten zusätzlich geltend gemachten regionalen Besonderheiten wie zB die Vergütungsstruktur
im privatärztlichen Bereich gesondert zu berücksichtigen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung müsse es nämlich einem
Psychotherapeuten über die Honorarverteilung ermöglicht werden, gerade aus seiner Tätigkeit für gesetzlich Krankenversicherte
einen Honorarüberschuss zu erwirtschaften, der demjenigen vergleichbarer Arztgruppen entspreche. Schließlich habe das BSG
ein Berechnungsmodell entwickelt, welches in allen KÄV-Bezirken der Bundesrepublik Deutschland Gültigkeit besitze. Anhaltspunkte
dafür, dass dieses Modell insbesondere in Bezug auf den Betriebskostenanteil nur für die alten Bundesländer herangezogen werden
könne, seien nicht ersichtlich.
II. Der Senat hat in diesem Verfahren verhandeln und entscheiden können, obwohl die Klägerin in der mündlichen Verhandlung
nicht durch ihre Bevollmächtigten vertreten war. Diese sind zum Termin geladen und auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen
worden (§
165 Satz 1, §
153 Abs
1, §
110 Abs
1 Satz 2
SGG).
Die Revisionen der Beklagten haben überwiegend keinen Erfolg. Die angefochtenen Honorarbescheide stehen - wie das LSG zutreffend
entschieden hat - nicht mit den Rechtsgrundsätzen in Einklang, die der Senat für den Zeitraum bis Ende 1998 zur Vergütung
psychotherapeutischer Leistungen entwickelt hat.
Nach dieser Rechtsprechung muss im Rahmen der Honorarverteilung gemäß §
85 Abs
4 SGB V im Hinblick auf den von der KÄV zu beachtenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit (Art
12 Abs
1 iVm Art
3 Abs
1 GG) ein in einer vollausgelasteten Praxis unter vollem Einsatz seiner Arbeitskraft tätiger Psychotherapeut die Chance haben,
einen Überschuss aus seiner vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit zu erzielen, der demjenigen anderer Arztgruppen entspricht.
Auf dieser Grundlage haben die ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzte sowie die an der vertragsärztlichen
Versorgung im Delegationsverfahren teilnehmenden Psychologen grundsätzlich Anspruch auf Honorierung der zeitgebundenen und
genehmigungsbedürftigen Leistungen nach Abschnitt G IV EBM-Ä aF mit einem Punktwert von 10 Pf. Wird dieser Punktwert unter
Anwendung der Regelungen über die Honorarverteilung nicht erreicht, ist die KÄV im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot
des Art
3 Abs
1 GG sowie auf der Grundlage ihres Sicherstellungsauftrags (§
75 Abs 1
SGB V) grundsätzlich verpflichtet, den Punktwert auf 10 Pf zu stützen. Diese Stützungsverpflichtung erfasst nur die zeitgebundenen
Leistungen der sog großen Psychotherapie nach Abschnitt G IV EBM-Ä aF, die erst erbracht werden dürfen, wenn die Krankenkasse
sie bezogen auf den einzelnen Patienten genehmigt hat. Wegen der Kombination von Zeitgebundenheit und Genehmigungsbedürftigkeit
unterscheiden sie sich von allen anderen vertragsärztlichen Leistungen, wobei eine Stützungsnotwendigkeit nur gegenüber solchen
Ärzten besteht, die ausschließlich psychotherapeutisch tätig sind, sowie gegenüber den im Delegationsverfahren tätigen Psychologen,
die ohnehin nur psychotherapeutische Leistungen erbringen dürfen (BSGE 89, 1, 2 = SozR 3-2500 § 85 Nr 41 S 328).
Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht umstritten, dass die Klägerin in den streitbefangenen Quartalen dem Grunde nach
einen Anspruch auf Stützung des Punktwertes für ihre zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen Leistungen nach Abschnitt
G IV EBM-Ä aF hat. Die Beklagte ist allerdings der Auffassung, in ihrem Bezirk sei unter den konkreten Umständen ein Punktwert
von 7,49 Pf im Primär- und Ersatzkassenbereich für eine gleichberechtigte Teilhabe der psychotherapeutischen Leistungserbringer
an der Honorarverteilung ausreichend. Diesen Punktwert, der um ca 25 % hinter dem von der Rechtsprechung des BSG zugrunde
gelegten Punktwert zurückbleibt, rechtfertigt sie zunächst damit, dass sie die Erlössituation der Psychotherapeuten im Rahmen
der vom BSG übernommenen Modellberechnungen ua mit derjenigen der Hautärzte bzw der Frauenärzte verglichen habe. Diese Arztgruppen
hätten im streitbefangenen Zeitraum in Brandenburg deutlich geringere Überschüsse erzielt als die vom BSG bislang zum Vergleich
herangezogenen Allgemeinärzte. Es sei nach der Rechtsprechung des BSG zulässig, auf die Arztgruppe mit den niedrigsten Erlösen
abzustellen. Diese Auffassung trifft nicht zu.
In dem ersten zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen ergangenen Urteil vom 20.1.1999 (BSGE 83, 205 = SozR 3-2500 § 85 Nr 29) hat der Senat formuliert, im Rahmen der Honorarverteilung müsse sichergestellt werden, dass die
Umsätze der psychotherapeutischen Leistungserbringer nicht zu weit hinter denjenigen anderer Arztgruppen zurückbleiben. In
den folgenden Urteilen vom 25.8.1999 (ua BSGE 84, 235 = SozR 3-2500 § 85 Nr 33) ist zunächst von "anderen" Arztgruppen und anschließend von den Allgemeinärzten bzw den Nervenärzten
als maßgeblichen Vergleichsgruppen die Rede. Im Urteil vom 26.1.2000 (SozR 3-2500 § 85 Nr 35) hat der Senat ausgeführt, er
habe seine Modellberechnungen am Beispiel der Nervenärzte und der Ärzte für Allgemeinmedizin entwickelt und verdeutlicht,
ohne dass daraus abzuleiten wäre, dass die Gewinnerzielungschancen der Psychotherapeuten "stets genau an diesen Arztgruppen
orientiert sein müssten". Im Urteil vom 12.9.2001, das zu Quartalen des Jahres 1996 ergangen ist, werden die Überschüsse der
Psychotherapeuten "anderen vergleichbaren Arztgruppen" gegenüber gestellt; der modellmäßige Vergleich erfolgt dann mit "allgemeinärztlichen
Praxen" (BSGE 89, 1, 7 = SozR 3-2500 § 85 Nr 41 S 334). Entsprechend hat der Senat in den zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen für
die Zeit ab dem 1.1.2000 ergangenen Urteilen vom 28.1.2004 seine Rechtsprechung für den Zeitraum bis Ende 1998 dahingehend
zusammengefasst, dass er beispielhaft die Erlössituationen der Psychotherapeuten mit denjenigen einer anderen großen Arztgruppe,
nämlich mit den Allgemeinmedizinern, verglichen habe (BSGE 92, 87 = SozR 4-2500 § 85 Nr 8, jeweils RdNr 8; ebenso aaO RdNr 34).
Der Bewertungsausschuss hat auf der Grundlage des §
85 Abs
4 und Abs
4a SGB V in seinem Beschluss vom 16.2.2000 für die von der Rechtsprechung des BSG übernommene Berechnungsvorgabe zur angemessenen
Vergütung psychotherapeutischer Leistungen je Zeiteinheit ebenfalls den Vergleich mit der Arztgruppe der Allgemeinmediziner
vorgenommen.
Etwas anderes gilt für die Zeit ab dem Jahr 2002, da seit dem als Vergleichsjahr heranzuziehenden Jahr 2000 die Vergütung
in eine hausärztliche und eine fachärztliche zu trennen ist (§
85 Abs
4 Satz 1
SGB V idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626) und die Psychotherapeuten dem fachärztlichen Versorgungsbereich
zuzurechnen sind. Demgemäß können, wie der Senat in den Urteilen vom 28.1.2004 dargelegt hat, die Psychotherapeuten ab dem
Jahr 2002 bei der Vergleichsbetrachtung nicht mehr mit den Allgemeinmedizinern verglichen werden. Der Senat hat es deshalb
für geboten erachtet, dass als Vergleichsmaßstab für die Gewinnerzielungsmöglichkeiten der Psychotherapeuten "andere fachärztliche
Gruppen im unteren Einkommensbereich" herangezogen werden, und er hat in diesem Zusammenhang auf die Nervenärzte hingewiesen.
Er hat aber zugleich ausgeführt, dass Zufallsergebnisse in einzelnen Quartalen, in denen der Überschuss dieser Arztgruppe
signifikant hinter denjenigen aller anderen Arztgruppen und hinter eigenen Vorjahres- bzw Vorquartalswerten zurückgeblieben
sei, nicht unmittelbar auf das Vergütungsniveau der Psychotherapeuten durchschlagen dürften (BSGE 92, 87 = SozR 4-2500 § 85 Nr 8, jeweils RdNr 34).
Dieser Rechtsprechung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu entnehmen, dass sich die Vergütung der zeitabhängigen
und genehmigungsbedürftigen Leistungen der psychotherapeutischen Leistungserbringer jeweils an der Arztgruppe orientieren
kann, die die geringsten Überschüsse aus vertragsärztlicher Tätigkeit erzielt. Der Senat spricht von Arztgruppen "im unteren
Einkommensbereich" und ist für den Zeitraum bis Ende 1998 grundsätzlich von einer Orientierung an der Ertragssituation der
Allgemeinmediziner als einer großen Arztgruppe, die nicht an der Spitze der Einkünfte aus vertragsärztlicher Tätigkeit steht,
ausgegangen. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die es rechtfertigen könnten, abhängig vom jeweiligen Quartal anstelle
des Vergleichs mit den Allgemeinmedizinern einen Vergleich mit jeweils anderen Arztgruppen im unteren Erlössegment vorzunehmen.
Die Beklagte hat die Orientierung an der Umsatz- und Ertragssituation der Hautärzte bzw Frauenärzte nicht damit begründet,
dass ihr die Tätigkeit der Angehörigen dieser Arztgruppen in besonderer Weise zum Vergleich mit derjenigen der Psychotherapeuten
geeignet erschien, sondern hat diese Gruppen nur deshalb zum Vergleich herangezogen, weil sie in den hier streitigen Quartalen
des Jahres 1998 überwiegend die geringsten Umsätze erzielt haben. Soweit sie sich zur Rechtfertigung hierfür auf eine Wendung
im Senatsurteil vom 6.11.2002 - B 6 KA 21/02 R - bezogen hat, trägt das die maßgeblichen Vorschriften im HVM nicht. In diesem zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen
im Jahre 1999 ergangenen Urteil hat der Senat formuliert, in der Vergangenheit "musste ihnen (den Psychotherapeuten) aus Gründen
der Chancengleichheit die Möglichkeit gegeben werden, mit einer Vollzeittätigkeit ein Einkommen zu erzielen, das jedenfalls
ungefähr an dasjenige der Arztgruppe mit dem niedrigsten durchschnittlichen Einkommen im KÄV-Bezirk heranreichte" (BSGE 90,
111, 116 = SozR 3-2500 § 85 Nr 49 S 420). In der für die damalige Entscheidung nicht tragenden Erwägung wird, wie schon der Verweis
auf die oben wiedergegebenen früheren Urteile des Senats belegt, die Rechtsprechung des Senats in der Vergangenheit nur sehr
vergröbernd zusammengefasst. Aus ihr kann nicht hergeleitet werden, die KÄVen hätten in der Zeit bis Ende 1998 jeweils Quartal
für Quartal die Arztgruppe mit den niedrigsten Umsätzen im Rahmen der Modellberechnung zur angemessenen Vergütung der psychotherapeutischen
Leistungen als Vergleichsgruppe auswählen dürfen. Das würde die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen von den Schwankungen
und Verwerfungen innerhalb der einzelnen Arztgruppen abhängig machen, was nicht gerechtfertigt ist. Deshalb sind im Rahmen
der Modellberechnung bis zum Ende des Jahres 1998 die Vergleichsparameter sowohl hinsichtlich der Umsatzhöhe wie in Bezug
auf die Kosten der Arztgruppe der Allgemeinmediziner zu entnehmen. Bei dieser handelt es sich um eine hinreichend große Gruppe
im unteren Umsatz- und Überschusssegment, deren Struktur zumindest im Hinblick auf den großen Anteil von Gesprächs- bzw Beratungsleistungen
und den eher geringen Anteil medizinisch-technischer Leistungen am Gesamtumsatz aus vertragsärztlicher Tätigkeit zumindest
Überschneidungen mit den Psychotherapeuten aufweist. Dass nach diesem Maßstab ein Punktwert von 7,49 Pf nicht ausreichend
ist, stellt auch die Beklagte nicht in Frage.
Schließlich bietet auch das Gleichbehandlungsgebot aus Art
3 Abs
1 GG als zentraler Bezugspunkt der bisherigen Rechtsprechung des Senats keine Grundlage dafür, im Rahmen der gebotenen vergleichenden
Betrachtung stets auf die Arztgruppe mit dem geringsten durchschnittlichen Erlös im Bezirk der jeweiligen KÄV abzustellen.
Dies führt zu zufälligen Resultaten, die wegen ihrer Schwankungsbreite für eine modellhafte Berechnung der Vergütung der Leistungen
einer psychotherapeutischen Praxis unbrauchbar sind. Die von der Beklagten im Revisionsverfahren vorgelegten Daten zum durchschnittlichen
Praxiserlös der von ihr benannten Vergleichsgruppen belegen das beispielhaft. Danach belief sich der Durchschnittserlös der
Frauenärzte (als sechste von zwölf Arztgruppen) im Jahr 1997 noch auf 128.076 DM, der der Hautärzte (als zwölfte von zwölf
Arztgruppen) hingegen auf 101.137 DM. Demgegenüber erwirtschafteten die Frauenärzte (als zwölfte von zwölf Arztgruppen) 1998
nur noch einen durchschnittlichen Erlös von 114.150 DM, die Hautärzte hingegen im selben Zeitraum immerhin 117.698 DM.
Die Beklagte wendet sich weiterhin dagegen, dass das LSG ihr im Rahmen der Neubescheidung aufgegeben hat, bei der Vergleichsberechnung
den Kostenanteil psychotherapeutischer Praxen mit 40,2 % vom Umsatz und nicht lediglich - wie von ihr praktiziert - mit dem
festen Kostenbetrag von 66.000 DM zu veranschlagen. Insoweit hat die Revision Erfolg, weil diese Maßgabe des Berufungsurteils
mit Bundesrecht nicht in Einklang steht.
Der Senat hat in den Urteilen vom 25.8.1999 im Rahmen der von ihm entwickelten Modellberechnung die Kostensätze sowohl bei
den psychotherapeutischen Leistungserbringern als auch bei der zum Vergleich herangezogenen Arztgruppe der Allgemeinmediziner
den Vorgaben in Teil B Anlage 3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä in der ab dem 1.7.1997 geltenden und zum 30.6.2003
außer Kraft getretenen Fassung (Praxisbudget) entnommen (BSGE 84, 235, 240 = SozR 3-2500 § 85 Nr 33 S 256). Diese Kostensätze differenzieren zwischen alten Bundesländern und neuen Bundesländern.
Das hat der Senat in mehreren Urteilen vom 23.5.2007 im Hinblick auf die Vorgaben zur Ermittlung des Praxisbudgets als rechtmäßig
beurteilt (ua B 6 KA 16/06 R - SozR 4-2500 § 87 Nr 14). Obwohl die Zielrichtung der Vorgaben für die Praxisbudgets und diejenige der Modellberechnung
für eine angemessene Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen verschieden ist, können die KÄVen in den neuen Bundesländern
bei der Modellberechnung zur Ermittlung des notwendigen Punktwertes für die psychotherapeutischen Leistungen zu Recht auf
diejenigen Kostensätze zurückgreifen, die auch bei der Berechnung der Fallpunktzahlen im Praxisbudget veranschlagt wurden.
In den Urteilen vom 23.5.2007 ist ausgeführt, die Kostensätze für die neuen Bundesländer seien in der Weise ermittelt worden,
dass die durchschnittlichen Praxiskosten des Jahres 1994 in DM in den alten Bundesländern um 12,5 vH vermindert und dann der
Höhe nach festgeschrieben worden seien. Dem liegt die vom Senat gebilligte Einschätzung zugrunde, dass die Kosten der vertragsärztlichen
Praxen in den neuen Bundesländer jedenfalls im Jahre 1994, dem Referenzzeitraum für die Festsetzung der Kostensätze für das
Praxisbudget, noch hinter denjenigen im alten Bundesgebiet zurückgeblieben waren. Auf dieser Grundlage ist nicht zu beanstanden,
dass diese niedrigeren Kostensätze auch der Modellberechnung zugrunde gelegt werden, nach der sich der Mindestpunktwert für
die psychotherapeutischen Leistungen errechnet. Der Senat hat zwar in seinen Urteilen vom 28.1.2004 beanstandet, dass der
Bewertungsausschuss in seinem Beschluss vom 16.2.2000 generell für die Zukunft im gesamten Bundesgebiet anstelle der im Rahmen
der Praxisbudgets anzuwendenden prozentualen Praxiskostensätze einen festen Kostengrenzbetrag von 66.000 DM für die Psychotherapeuten
- nicht aber für die Vergleichsgruppe der Allgemeinmediziner - angesetzt hat (ua BSGE 92, 87 = SozR 4-2500 § 85 Nr 8, jeweils RdNr 27-29). Mit der Differenzierung zwischen den anzusetzenden Kostensätzen in den alten
und den neuen Bundesländern hat sich der Senat in diesen Urteilen jedoch nicht befasst.
Der Senat weist jedoch darauf hin, dass die Beklagte im Rahmen der Modellberechnungen für die Psychotherapeuten auch bei der
Veranschlagung des Kostensatzes für die Allgemeinmediziner als der relevanten Vergleichsgruppe anstelle der linearen Kostenquote
von 59,3 % nur den festen Kostenbetrag von 153.000 DM in die Modellvergleichsberechung einstellen darf. Es würde eine nicht
zu rechtfertigende Ungleichbehandlung der psychotherapeutischen Leistungserbringer darstellen, wenn bei ihnen ein fester Kostenbetrag
veranschlagt würde, bei den Ärzten für Allgemeinmedizin dagegen - wie in den alten Bundesländern - ein Vomhundertsatz des
Umsatzes aus vertragsärztlicher Tätigkeit. Dies wird die Beklagte bei der Neubescheidung der Honoraransprüche der Klägerin,
die sie im Hinblick auf die von ihr unzutreffend herangezogene Vergleichsgruppe vornehmen muss, zu berücksichtigen haben.
Demgegenüber spiegeln sich die von der Beklagten im Revisionsverfahren angeführten regionalen Besonderheiten der neuen Bundesländer
(abweichende Morbidität der Bevölkerung, geringere Arztdichte sowie eine abweichende Vergütungsstruktur bei den privatärztlichen
Einnahmen) bereits ausreichend darin wider, dass als Vergleichsgruppe bei der Berechnung einer angemessenen Vergütung zeitgebundener
und genehmigungsbedürftiger psychotherapeutischer Leistungen auf den Durchschnittserlös der Allgemeinmediziner im Bezirk der
Beklagten abzustellen ist. Eine Rechtfertigung dafür, zusätzliche regionale Besonderheiten der neuen Bundesländer allein bei
den Psychotherapeuten und nicht bei der Vergleichsgruppe zu berücksichtigen, ist nicht ersichtlich.
Bei der Neubescheidung der Honoraransprüche der Klägerin darf die Beklagte in Bezug auf die zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen
Leistungen der Klägerin nach Abschnitt G IV EBM-Ä aF die Mengenbegrenzungsregelung des § 8 HVM nicht zu deren Lasten anwenden.
Das LSG hat entschieden, dass diese Vorschrift mit höherrangigem Recht unvereinbar ist. Dagegen hat sich die Beklagte mit
ihren Revisionen nicht gewandt. Diese Rechtsauffassung des LSG ist damit iS des §
131 Abs
3 SGG für die Neubescheidung verbindlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 und 4
SGG in der bis zum 1.1.2002 geltenden und hier im Hinblick auf die jeweilige Klagerhebung im Jahre 1999 noch anzuwendenden Fassung
(vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).